Leitsatz (amtlich)
1. Zinsen, die ein Mitunternehmer für ein Darlehen aufwendet, das er zum Erwerb eines Mitunternehmeranteils aufgenommen hat, mindern nach § 7 GewStG den Gewerbeertrag.
2. Zinsen von Schulden die wirtschaftlich mit dem Erwerb eines Mitunternehmeranteils zusammenhängen, sind nach § 8 Nr. 1 GewStG dem Gewerbeertrag hinzuzurechnen. Dabei ist nicht zu prüfen, ob durch die Schuldaufnahme das Betriebskapital der Mitunternehmerschaft verstärkt worden Ist.
Normenkette
GewStG §§ 7, 8 Nr. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine KG, deren Komplementär A durch Vertrag vom 5. Juni 1974 die Kommanditanteile der B und C zum Preis von insgesamt rd. 23 Mio. DM erwarb. Den Kaufpreis finanzierte der Komplementär durch einen über mehrere Jahre laufenden Bankkredit, für den er an Zinsen im Jahre 1974 1 534 734 DM und im Jahr 1975 1 357 094 DM ausgab. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) behandelte die Zinsen bei der einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung der Klägerin für die Jahre 1974 und 1975 als Sonderbetriebsausgaben des Komplementärs A. In den Gewerbesteuerbescheiden der Klägerin für die Jahre 1974 und 1975 minderte das FA die Gewerbeerträge um diese Zinsen, rechnete sie aber nach § 8 Nr. 1 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) als Dauerschuldzinsen den Gewerbeerträgen wieder hinzu. Die Klägerin ist der Meinung, daß die Zinsen keine Dauerschuldzinsen und deshalb nicht den Gewerbeerträgen hinzuzurechnen seien.
Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit der Begründung ab, die Voraussetzungen für die Hinzurechnung zum Gewerbeertrag nach § 8 Nr. 1 GewStG seien erfüllt, weil es sich bei dem Darlehen des Komplementärs unstreitig um eine Verbindlichkeit handele, die wirtschaftlich mit dem Erwerb der Kommanditanteile zusammenhänge Die Vorschrift des § 8 Nr. 1 GewStG verlange nicht, daß - wie die Klägerin meine - durch das Darlehen das Betriebskapital der Klägerin verstärkt werde, das Merkmal "Verstärkung des Betriebskapitals" werde für die Fälle der ersten Alternative des § 8 Nr. 1 GewStG, zu der die Kreditaufnahme im Zusammenhang mit dem Erwerb eines Anteils am Betrieb gehöre, nicht gefordert. Die Dauerschuldzinsen seien vom FA auch zu Recht als Sonderbetriebsausgaben des Komplementärs vom Gewinn der Klägerin abgezogen worden, denn die Darlehensaufnahme sei betrieblich veranlaßt gewesen (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 30. Juni 1966 VI 273/65, BFHE 86, 5/6, BStBl III 1966, 582).
Mit der Revision beantragt die Klägerin, die Vorentscheidung aufzuheben und im Gewerbesteuerbescheid 1974 den Gewerbeertrag um 1 534 734 DM und im Gewerbesteuerbescheid 1975 den Gewerbeertrag um 1 357 094 DM zu kürzen. Die Klägerin trägt vor, aus dem BFH-Urteil vom 30. Juni 1971 I 55/68 (BFHE 103, 80, BStBl II 1971, 750) könne nicht entnommen werden, daß Schulden die im Zusammenhang mit dem Erwerb eines Anteils am Betrieb stehen, unabhängig davon Dauerschulden seien, ob sie der nicht nur vorübergehenden Verstärkung des Betriebskapitals dienten oder nicht. Dauerschulden i. S. des § 8 Nr. 1 GewStG lagen nach dem Sinn der Vorschrift nur vor, wenn ihr Gegenwert das Betriebskapital auf Dauer verstärke. Dies komme auch in der amtlichen Begründung zu § 8 Nr. 1 GewStG 1936 (RStBl 1937, 693, 695 Sp.2) zum Ausdruck. Dort sei ausgeführt, daß die Prüfung der Frage, ob Dauerschulden vorlägen, dadurch weitgehend vereinfacht werde, daß der Tatbestand, "Schulden, die der nicht nur vorübergehenden Verstärkung des Betriebskapitals dienen", als allgemeiner Tatbestand die übrigen Tatbestandsmerkmale mitumfasse. Auch im BFH-Urteil vom 16. November 1978 IV R, 192/75 (BFHE 126, 305, BStBl II 1979, 151) sei darauf hingewiesen, daß eine bei Gründung oder Erwerb eines Betriebs eingegangene Verbindlichkeit nur dann als Dauerschuld qualifiziert werden könne, wenn sich der Gegenwert der Schuldenaufnahme wirtschaftlich als nicht nur vorübergehende Verstärkung des Betriebskapitals darstelle. Im Streitfall sei allein die Klägerin gewerbesteuerpflichtig. Ihr Betriebskapital habe sich durch die Aufnahme eines Kredits eines Gesellschafters aus Anlaß des Erwerbs von Gesellschaftsanteilen nicht verstärkt. Auch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) habe mehrfach betont, daß die Gewerbesteuer als Objektsteuer auf die objektive Wirtschaftskraft eines Unternehmens abstelle (Beschlüsse vom 21. Dezember 1966 1 BvR 33/64, BVerfGE 21, 54ff., 63, 64; vom 13. Mai 1969 1 BvR 25/65, BStBl II 1969, 424, 426). Deshalb könne auch nur das Betriebskapital der Gewerbesteuer unterliegen, das tatsächlich dem gewerbesteuerpflichtigen Betrieb gewidmet sei.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
Nach § 8 Nr. 1 GewStG sind Zinsen als Dauerschuldzinsen dem Gewinn wieder hinzuzurechnen wenn erstens die Zinsen den Gewerbeertrag gemindert haben (§ 7 GewStG) und wenn es sich zweitens um Zinsen für Schulden handelt, die wirtschaftlich mit der Gründung oder dem Erwerb des Betriebs (Teilbetriebs) oder eines Anteils am Betrieb oder mit einer Erweiterung oder Verbesserung des Betriebs zusammenhängen (erste Alternative des § 8 Nr. 1 GewStG) oder die der nicht nur vor übergehenden Verstärkung des Betriebskapitals dienen (zweite Alternative des § 8 Nr. 1 GewStG). Das FG hat im Streitfall zu Recht den Gewerbeerträgen 1974 und 1975 die strittigen Zinsen hinzugerechnet.
1. Die vom Komplementär der Klägerin geleisteten Zinsen, die er für den aus Anlaß des Erwerbs der Kommanditanteile aufgenommenen Kredit aufgewendet hat, mindern den Gewerbeertrag nach § 7 GewStG. Nach dieser Bestimmung ist der Gewerbeertrag der nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes - EStG - (oder des Körperschaftsteuergesetzes KStG zu ermittelnde Gewinn aus Gewerbebetrieb, vermehrt oder vermindert um die in den §§ 8 und 9 GewStG bezeichneten Beträge. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des BFH, daß bei der Ermittlung des Gewerbeertrags von Personengesellschaften die Vorschrift des § 15 (Abs. 1) Nr. 2 EStG zugrunde zu legen ist und insbesondere die Tätigkeitsvergütungen i. S. dieser Vorschriften in den Gewerbeertrag einzubeziehen sind (Urteil vom 6. Juli 1978 IV R 164/74, BFHE 125, 549, BStBl II 1978, 647, mit weiteren Nachweisen). Der Senat (Urteil vom 6. November 1980 IV R 182/77, BFHE 132, 93, BStBl II 1981, 220) hat jedoch offen gelassen, ob dies auch für die Erträge und Aufwendungen des Sonderbetriebsvermögens gilt, das nur den Zwecken des Gesellschafters dient.
Der Reichsfinanzhof (RFH) hatte in seinem Urteil vom 10. Januar 1940 VI 704/39 (RStBl 1940, 134) den Grundsatz der Unabhängigkeit der gewerbesteuerlichen Gewinnermittlung von der einkommensteuerlichen Gewinnermittlung betont und herausgestellt, daß gewerbesteuerlich dem Gewerbeertrag einer Personengesellschaft nur solche Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben zuzuordnen seien, die die Personengesellschaft berührten, während Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben, die einen Gesellschafter beträfen, beim Gewerbeertrag der Personengesellschaft außer Betracht zu lassen seien. Demgemäß hatte er im Urteil vom 6. August 1941 VI 251/41 (Steuer und Wirtschaft 1941 Nr. 452) entschieden, daß Zinsen, die der Gesellschafter für den zum Erwerb eines Gesellschaftsanteils aufgenommenen Kredit aufwende, den Gewerbeertrag der Personengesellschaft nicht minderten, weil es sich um Ausgaben handele, die nicht die Gesellschaft, sondern nur den Gesellschafter beträfen.
Der Senat folgt dieser Auffassung des RFH nicht. Einkommensteuerlich sind Zinsen für ein Darlehen, das ein Gesellschafter zur Finanzierung des Erwerbs einer Beteiligung an einer Personengesellschaft aufnimmt, Sonderbetriebsausgaben und in die Ermittlung des Gewinns der Personengesellschaft nach § 15 (Abs. 1) Nr. 2 EStG einzubeziehen (BFH-Urteil in BFHE 86, 576, BStBl III 1966, 582). Dies gilt auch für die Ermittlung des Gewerbeertrags einer Personengesellschaft nach § 7 GewStG. Hiervon geht offensichtlich auch § 8 Nr. 1 GewStG aus. Denn wenn nach dieser Vorschrift Zinsen für Schulden, die wirtschaftlich mit dem Erwerb eines Anteils am Betrieb zusammenhängen, dem Gewerbeertrag hinzuzurechnen sind, so wird damit vorausgesetzt, daß der Gewerbeertrag vorher um diese Zinsen gemindert worden ist. Außerdem stellt, wie im BFH-Urteil vom 26. Januar 1968 VI R 129/66 (BFHE 91, 420, BStBl II 1968, 369) entschieden worden ist, § 2 Abs. 2 Nr. 1 GewStG für die Bestimmung des Umfangs des Gewerbebetriebs von Personengesellschaften auf die auch dem § 15 (Abs. 1) Nr. 2 EStG zugrunde liegende Vorstellung der Mitunternehmerschaft aller Gesellschafter einer Personengesellschaft ab. Somit sind für die Bestimmung dessen, was bei einer Personengesellschaft als Gewinn die Besteuerungsgrundlage der Gewerbesteuer bildet keine anderen Grundsätze anzuwenden als bei der Einkommensbesteuerung. Das bedeutet, daß gewerbesteuerlich der Gewerbebetrieb der Personengesellschaft grundsätzlich wie bei der Einkommensbesteuerung die gesamte Betätigung der Gesellschafter (Mitunternehmer) umfaßt. Demnach mindern Zinsen, die ein Gesellschafter für ein Darlehen aufwendet, das er zum Erwerb eines Gesellschaftsanteils aufgenommen hat, nach § 7 GewStG den Gewerbeertrag der Personengesellschaft.
2. Die nach § 7 GewStG vom Gewerbeertrag abzuziehenden Zinsen, die der Komplementär der Klägerin für das aus Anlaß des Erwerbs der Kommanditanteile auf genommene Darlehen verausgabt hat, sind als Dauerschuldzinsen gemäß § 8 Nr. 1 GewStG dem Gewinn wieder hinzuzurechnen. Dauerschuldzinsen liegen nach dieser Vorschrift u. a. vor, wenn die Zinsen für Schulden geleistet werden, die wirtschaftlich mit dem Erwerb eines Anteils am Betrieb zusammenhängen (erste Alternative des § 8 Nr. 1 GewStG). Ein wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen Schuld und Erwerb eines Anteils am Betrieb ist anzunehmen, wenn die Mittel zum Erwerb des Anteils durch die Kreditaufnahme beschafft worden sind. Weitere Voraussetzungen fordert § 8 Nr. 1 erste Alternative GewStG nicht; insbesondere verlangt diese Vorschrift nicht, daß durch die Schuldaufnahme das Betriebskapital verstärkt worden ist. Zwar kommt es nach der amtlichen Begründung zu § 8 Nr. 1 GewStG 1936 (RStBl 1937, 695) bei Dauerschulden i. S. des § 8 Nr. 1 GewStG darauf an, "daß durch ihre Aufnahme dem Gewerbebetrieb nicht nur vorübergehend fremde Mittel dienstbar gemacht werden". Dies bedeutet jedoch nicht, daß in der ersten Alternative des § 8 Nr. 1 GewStG die "Verstärkung des Betriebskapitals" gesetzliches Tatbestandsmerkmal ist. Einer besonderen Prüfung, ob im Streitfall das Betriebskapital der Klägerin durch die Aufnahme des Kredits durch den Komplementär der Klägerin verstärkt worden ist, bedarf es daher nicht.
Nach dem BFH-Urteil in BFHE 103, 80, BStBl II 1971, 750 ist eine Verbindlichkeit, die wirtschaftlich mit der Gründung eines Betriebs zusammenhängt, in der Regel nur dann ohne Rücksicht auf die Laufzeit eine Dauerschuld, wenn sie sich z. B. auf die Beschaffung von Betriebsanlagen bezieht. In diesem Falle spricht schon der Charakter der Verbindlichkeit für eine Dauerschuld. Der Senat weicht von diesem Urteil nicht ab; denn die Frage, ob die Darlehensvaluta für die Beschaffung von Betriebsanlagen oder ob sie zur Finanzierung laufender Geschäftsvorfälle verwendet worden ist, kann zwar bei Gründung eines Betriebs, nicht aber beim Erwerb eines Mitunternehmeranteils auftreten. Zudem unterscheidet sich der vorliegende Fall von dem Fall des genannten Urteils dadurch, daß es sich hier um eine längerfristige Verbindlichkeit handelt.
Fundstellen
Haufe-Index 422863 |
BStBl II 1981, 621 |
BFHE 1981, 293 |