Entscheidungsstichwort (Thema)
Nachweis ingenieurmäßiger Kenntnisse aus der Bestellung zum Kfz-Sachverständigen?
Leitsatz (NV)
Als Nachweis ingenieurmäßiger Kenntnisse zur Ausübung eines ingenieurähnlichen Berufs reicht die Bestellung zum Kfz-Sachverständigen durch eine Industrie- und Handelskammer nicht aus.
Normenkette
EStG § 18 Abs. 1 Nr. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Sachverständige für das Kfz-Wesen. Sie übten ihre Tätigkeit seit dem 1. Januar 1978 in Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) aus. Der Kläger zu 1 schied am 31. Dezember 1982 aus der Gesellschaft aus. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) behandelte die Einkünfte aus der Tätigkeit der Kläger entsprechend den Einkommensteuererklärungen zunächst als solche aus freiberuflicher Tätigkeit. Die einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellungen 1979 und 1980 sowie die Umsatzsteuerveranlagung 1979 wurden unter dem Vorbehalt der Nachprüfung durchgeführt. Die Umsatzsteuer 1978 wurde endgültig veranlagt. Auf Grund einer Außenprüfung im Jahre 1983 gelangte das FA zu der Ansicht, die Kläger seien Gewerbetreibende, und änderte entsprechend die Feststellungsbescheide 1979 und 1980 und die Umsatzsteuerbescheide 1978 sowie 1979; außerdem erließ es erstmalig Gewerbesteuermeßbescheide für die Jahre 1979 und 1980.
Nach erfolglos gebliebenem Einspruch trugen die Kläger mit der Klage u.a. vor:
Zwar seien sie keine Ingenieure im Sinne des Ingenieurgesetzes (IngG). Sie besäßen aber eine den Ingenieuren ähnliche Ausbildung. Den Kenntnisstand eines Ausbildungsingenieurs hätten sie nach ihrer Kfz-Meisterprüfung durch intensives Selbststudium und die Teilnahme an diversen Kursen erworben, insbesondere in den dreitägigen Seminaren des . . . Arbeitskreises für Straßenfahrzeuge, die sie zweimal jährlich besucht hätten. Darüber hinaus hätten sie folgende Seminare besucht: . . . Die Seminare und Lehrgänge hätten wissenschaftlichen Charakter gehabt. Sie seien zwar auf die im Bereich von Kfz-Sachverständigen anfallenden Probleme zugeschnitten, aber von diffiziler technischer Natur gewesen. Auch ihre Bestellung zu vereidigten Sachverständigen sei Indiz dafür, daß sie über eine dem Ingenieur gleiche Vorbildung verfügten. Voraussetzung für die Bestellung zum Kfz-Sachverständigen sei nach den Bestimmungen der Industrie- und Handelskammer (IHK) . . . ein abgeschlossenes Hochschul- oder Fachhochschulstudium. Kfz-Meister könnten nur ausnahmsweise und nur unter Anlegung eines strengen Maßstabes zum Kfz-Sachverständigen bestellt werden. Diese müßten besondere Fachkenntnisse nachweisen und sich einem Fachgespräch - also praktisch einer Prüfung - unterziehen. Schließlich seien sie auf Grund ihrer Tätigkeit als Freiberufler anzusehen. Sie seien nicht nur im Bereich der Kfz-Schadensprüfung tätig, sondern erstellten auch Gutachten über Unfall- und Schadensursachen im forensischen Bereich. Die fachliche Breite ihrer Tätigkeit folge daraus, daß sie sich auch mit Spezialfahrzeugen befaßten, z.B. mit Schwerfahrzeugen, Anhängern, Transportbetonfahrzeugen und Krafträdern. Es genüge, daß diese besonders qualifizierte Tätigkeit gelegentlich ausgeübt werde, es sei nicht erforderlich, daß sie überwiege. Auch aus den Gutachten der Prof.Ing.. . . und Dip.-Ing.. . . sei zu entnehmen, daß sie ingenieurgleiche Kenntnisse hätten.
Die Klage hatte keinen Erfolg.
Mit der vom Finanzgericht (FG) wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Revision rügen die Kläger die Verletzung von Bundesrecht (§ 18 Abs. 1 Nr.1 des Einkommensteuergesetzes - EStG -, § 2 des Gewerbesteuergesetzes - GewStG -, § 12 Abs. 2 Nr.5 des Umsatzsteuergesetzes - UStG - 1978).
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
1. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, daß die Kläger in den Streitjahren keinen der in § 18 Abs. 1 Nr.1 Satz 2 EStG genannten Katalogberufe, insbesondere nicht den des Ingenieurs, ausgeübt haben und auch einem Ingenieur mit geschützter Berufsbezeichnung nicht gleichgestellt werden können. Die entsprechenden Voraussetzungen liegen nach den Feststellungen des FG nicht vor.
2. Die Kläger haben in den Streitjahren keinen dem Ingenieurberuf ähnlichen Beruf i.S. von § 18 Abs. 1 Nr.1 Satz 2 EStG ausgeübt.
Nach § 18 Abs. 1 Nr.1 Satz 2 EStG zählen zu den freiberuflichen Tätigkeiten auch die den sog. Katalogberufen ähnlichen Berufe. Ein Beruf ist einem Katalogberuf ähnlich, wenn er in wesentlichen Punkten mit diesen verglichen werden kann. Dazu gehört die Vergleichbarkeit (1) der Ausbildung und (2) der beruflichen Tätigkeit (Urteil des erkennenden Senats vom 12. Oktober 1989 IV R 118-119/87, BFHE 158, 413, BStBl II 1990, 64). Das gilt auch für einen dem Katalogberuf des Ingenieurs ähnlichen Beruf (Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 7. September 1989 IV R 156/86, BFH/NV 1991, 359, und vom 12. Dezember 1991 IV R 65-67/89, nicht veröffentlicht - NV -). Doch muß die Ausbildung nicht in einem förmlichen Ausbildungsgang erworben sein. Ein Kfz-Sachverständiger, der eine Berufsausbildung, wie sie in den Ingenieurgesetzen der Länder vorgeschrieben ist, nicht besitzt, kann vielmehr nachweisen, daß er vergleichbare Kenntnisse im Wege des Selbststudiums erworben hat. Der Erwerb ingenieurmäßiger Kenntnisse kann auch mittels der eigenen Berufstätigkeit des Steuerpflichtigen nachgewiesen werden, z.B. anhand eigener praktischer Arbeiten (BFH-Urteil vom 10. November 1988 IV R 63/86, BFHE 155, 109, BStBl II 1989, 198). Dies setzt allerdings voraus, daß die Tätigkeit besonders anspruchsvoll ist und sowohl der Tiefe als auch der Breite nach zumindest das Wissen eines Kernbereichs eines Fachstudiums verlangt (BFH-Urteil vom 11.Juli 1991 IV R 73/90, BFHE 165, 221, BStBl II 1991, 878, m.w.N.).
Deshalb ist eine ausgeübte Tätigkeit zum Nachweis ingenieurähnlicher Kenntnisse nicht geeignet, wenn sie auch anhand von Formelsammlungen und praktischen Erfahrungen ausgeübt werden kann (BFH-Urteil in BFHE 165, 221, BStBl II 1991, 878). Die praktischen Arbeiten müssen vielmehr einen der Ingenieurtätigkeit vergleichbaren Schwierigkeitsgrad aufweisen und außerdem den Schwerpunkt der Tätigkeit des Steuerpflichtigen bilden, weil nur so gewährleistet sei, daß die notwendigen theoretischen Kenntnisse die Tätigkeit des Steuerpflichtigen im Sinne des Ingenieurberufs prägen (BFH-Urteile vom 5. Oktober 1989 IV R 154/86, BFHE 158, 409, BStBl II 1990, 73; in BFH/NV 1991, 359, und vom 12. Dezember 1991 IV R 65-67/89, NV).
3. Diesen Anforderungen der Rechtsprechung wird das angefochtene Urteil gerecht. Das FG hat festgestellt, daß die Kläger den für die Vergleichbarkeit mit dem Ingenieurberuf erforderlichen Kenntnisstand nicht nachgewiesen haben. Der erforderliche Nachweis werde weder durch den Vortrag über das Selbststudium, den Besuch von Seminaren und Fortbildungsveranstaltungen, die Bestellung als öffentliche und vereidigte Sachverständige durch die IHK . . . noch durch die Tätigkeit als Kfz-Sachverständige erbracht. Insbesondere hätten die Kläger nicht nachgewiesen, daß der Schwerpunkt ihrer Tätigkeit in den Streitjahren auf dem Gebiet der Begutachtung von Unfallursachen oder der Erstellung von Unfallrekonstruktionen gelegen habe, und zwar unabhängig davon, ob der Anteil dieser qualifizierten Tätigkeit umsatzmäßig, zeitbezogen oder in sonstiger Weise zu verstehen sei.
Der BFH ist an diese im angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden, da Verfahrensrügen nicht erhoben worden sind (§ 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -; BFH-Urteil vom 25. Oktober 1988 VIII R 262/80, BFHE 154, 536, BStBl II 1989, 291, 292). Soweit es auf Tatsachenwürdigungen ankommt, kann der erkennende Senat als Revisionsgericht nur überprüfen, ob sie gegen Erfahrungssätze oder Denkgesetze verstoßen; er kann deshalb nicht seine eigene Tatsachenwürdigung an die Stelle der Würdigung des FG setzen, wenn diese zwar nicht zwingend, aber immerhin möglich ist (BFH-Urteile vom 1. April 1971 IV R 195/69, BFHE 102, 85, BStBl II 1971, 522, und vom 23. September 1977 III R 18/77, BFHE 124, 73, BStBl II 1978, 188).
a) Das FG ist davon ausgegangen, daß die vom Kläger selbst vorgelegten Gutachten aus den Streitjahren wegen des nur geringfügigen Anteils der Gutachten zu Schadensursachen, nicht die Feststellung zuließen, die Kläger besäßen den erforderlichen Kenntnisstand nach Tiefe und Breite. Diese Würdigung haben die Kläger nicht angegriffen. Sie ist auch revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
b) Das FG konnte auch im übrigen ohne Rechtsverstoß zu der Feststellung gelangen, daß die Kläger die erforderlichen, einem ausgebildeten Ingenieur vergleichbaren Kenntnisse nicht nachgewiesen haben. Dem steht nicht entgegen, daß die Kläger von der IHK . . . als Kfz-Sachverständige öffentlich bestellt und vereidigt worden waren. Das FG hat nämlich festgestellt, daß nach Nr.3 der Bestellungsvoraussetzungen der IHK . . . auch ein Kfz-Meister zum Sachverständigen bestellt werden kann und hierbei ingenieurähnliches Wissen nicht vorausgesetzt wird. Gefordert werden lediglich (1) besondere Erfahrungen im Karosseriebau, (2) eine dreijährige Tätigkeit als Leiter eines Kfz-Reparaturbetriebes und (3) eine mindestens dreijährige Tätigkeit auf dem Gebiet ,,Kraftfahrzeugschäden und -bewertung". Das FG hat zutreffend gefolgert, daß eine darauf gegründete Bestellung zum vereidigten Sachverständigen nicht als Nachweis des einem herkömmlich ausgebildeten Ingenieur vergleichbaren Kenntnisstandes ausreicht; der abweichenden Ansicht des FG München im Urteil vom 18. November 1986 VII 178/83 E; Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1987, 304 ist es zu Recht nicht gefolgt. Insoweit befindet sich das angefochtene Urteil in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl. BFH-Urteil in BFHE 155, 109, BStBl II 1989, 198, und in BFH/NV 1991, 359), daß auch Kfz-Meister, die von der IHK zu Sachverständigen öffentlich bestellt und vereidigt wurden, keinen ingenieurähnlichen Beruf ausüben, wenn sie Gutachten über die Bewertung von Kraftfahrzeugen und Unfallschäden erstatten, die keine auf wissenschaftlicher Grundlage erarbeiteten mathematisch-technische Kenntnisse erfordern (BFH-Urteile vom 18. Juni 1986 I R 109/77, BFHE 132, 16, BStBl II 1981, 118, und vom 30. Januar 1986 IV R 23/84, BFH/NV 1987, 508).
Daß, wie die Kläger vortragen, die Bestellung als Sachverständiger vom Ergebnis eines Fachgesprächs abhängt, dem sich auch ausgebildete Ingenieure unterziehen müssen, ändert hieran nichts. Auch ein solches Gespräch muß sich an den Voraussetzungen der Sachverständigenbestellung orientieren und ist mit einer Prüfung nach einem geordneten Ausbildungsgang nicht vergleichbar.
c) Zu Recht hat das FG letztlich dahingestellt gelassen, ob die von den Klägern besuchten, zeitlich sehr begrenzten und nur Schwerpunkte setzenden Seminare und Lehrgänge sowie das Selbststudium nach Zielsetzung und Gesamtkonzept den Kernbereich der für die Ingenieurtätigkeit erforderlichen Kenntnisse vermitteln konnten, weil die bloße Teilnahme jedenfalls kein Nachweis für das dadurch erlangte Wissen und den Erfolg der Fortbildungsmaßnahme ist. Entgegen der Ansicht der Kläger konnte sich das FG für die Notwendigkeit eines Erfolgsnachweises auch auf das BFH-Urteil vom 31. Juli 1980 I R 66/78, BFHE 132, 22, BStBl II 1981, 121 unter I. 2. a), letzter Absatz, beziehen. Denn mit dem Passus ,,Es ist schließlich nicht dargetan, mit welchem Erfolg die Schule besucht wurde", ist eindeutig erkennbar der erfolgreiche Besuch der Ingenieurschule angesprochen. Im übrigen hat der erkennende Senat inzwischen entschieden, daß die Teilnahme an einem Fernkurs und die Lektüre der Fachliteratur als Nachweis für den vergleichbaren Kenntnisstand nicht ausreichte, sondern daß das Ergebnis der Teilnahme an dem Fernkurs in Form von bestandenen Abschlußprüfungen feststehen oder durch konkrete, überprüfbare Resultate des Selbststudiums, etwa in Form von Zeugnissen, Zertifikaten oder ähnlichen Urkunden nachweisbar erbracht sein muß (BFH-Urteil in BFHE 158, 409, BStBl II 1990, 73 unter b 3. Absatz). Ebenso reichen bloße Bestätigungen über die Teilnahme an Seminaren und Fortbildungsveranstaltungen als Erfolgsnachweis nicht aus.
4. Nach den Feststellungen des FG fehlt es darüber hinaus an der o.a. zweiten Voraussetzung für die Anerkennung seiner Tätigkeit als ingenieurähnlichem Beruf, nämlich der Vergleichbarkeit der ausgeübten Tätigkeit mit der des Katalogberufes. Denn die Erstellung sog. Schadensgutachten stellt keine - auch keine spezialisierte - Ingenieurtätigkeit dar. Erstellt der Steuerpflichtige daneben auch Gutachten über Schadensursachen, so muß die derart qualifizierte Tätigkeit überwiegen und die damit zusammenhängende Beschäftigung die Gesamtbeschäftigung prägen, um sie als ingenieurähnlich erscheinen zu lassen (BFH-Urteil vom 12. Dezember 1991 IV R 65-67/89, NV; vgl. auch Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 9. Oktober 1990 2 BvR 146/90, Information über Steuer und Wirtschaft 1991, 47, StRK, Einkommensteuergesetz 1975, § 18 Abs. 1, Rechtsspruch 59). Diese Fragen brauchen jedoch nicht vertieft zu werden, weil die Erlangung ingenieurmäßiger Vorkenntnisse nicht dargetan ist.
Fundstellen
Haufe-Index 423140 |
BFH/NV 1993, 357 |
BFH/NV 1993, 9 |
BFHE 1993, 402 |