Leitsatz (amtlich)
Selbstverbrauchsteuerpflicht (§ 30 UStG 1967) einer Personengesellschaft entsteht nicht, wenn deren Gesellschafter ein ihm - ganz oder teilweise - gehörendes Grundstück der Personengesellschaft zur betrieblichen Nutzung überläßt.
Normenkette
UStG 1967 § 30
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine Gesellschaft des bürgerlichen Rechts (GdbR) mit den Gesellschaftern A sen. und A jun., betreibt eine Schuhreparaturwerkstatt und einen Schuhwareneinzelhandel. Die Geschäftsräume des Unternehmens befinden sich auf einem Grundstück, dessen Eigentümer je zur Hälfte die Eheleute A sen. sind. Das auf dem Grundstück im Jahre 1968 errichtete Gebäude enthält neben den von der Klägerin genutzten Geschäftsräumen weitere - an Dritte vermietete - Geschäftsräume und 12 Wohnungen, von denen 10 vermietet und die restlichen zwei von den Familien A sen. und A jun. bewohnt werden. Die Klägerin zahlt für die von ihr genutzten Geschäftsräume keine Miete, trägt aber von den Ausgaben für den Schuldendienst und die Unterhaltungskosten des Gebäudes einen Anteil von 11,6 v. H.
Anläßlich einer Betriebsprüfung kam der Beklagte und Revisionskläger (FA) zu der Auffassung, daß der von der Klägerin genutzte Grundstücksanteil nicht von untergeordneter Bedeutung sei. Es folgerte hieraus, daß der Gesellschafter A sen. - entsprechend seinem Miteigentumsanteil - einen Anteil am Gebäude in Höhe von 36 100 DM in den gewerblichen Betrieb eingebracht habe, der in der Steuerbilanz zum 31. Dezember 1968 zu aktivieren sei. Der aktivierte Gebäudeanteil unterliege, da er als Anlagevermögen genutzt werde, gemäß § 30 Abs. 2 UStG 1967 mit 36 100 DM der Selbstverbrauchsteuer (Steuersatz 8 v. H.).
Bei der mit Steuerbescheid vom 26. April 1971 dementsprechend durchgeführten Veranlagung für das Jahr 1968 ergab sich nur noch ein Erstattungsbetrag von 92,25 DM, während die Erstattung ohne Selbstverbrauchsteuer 2 980,20 DM betragen hätte.
Die von der Klägerin nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage hatte Erfolg. Das FG hat ausgeführt, der gewerblich genutzte Gebäudeanteil sei zwar für die Einkommensteuer zu aktivieren, weil bei der Einkommensteuer Wirtschaftsgüter eines Gesellschafters, die dem gewerblichen Betrieb dienten, einkommensteuerrechtlich als Betriebsvermögen des Gesellschafters zu behandeln seien. Für diese gedankliche Konstruktion - sog. Bilanzbündeltheorie - sei jedoch nur Raum bei der Einkommensteuer, weil Steuersubjekt bei dieser ausschließlich natürliche Personen seien. Für die Selbstverbrauchsteuer stelle dagegen das Gesetz in § 30 Abs. 2 UStG 1967 auf den Unternehmer ab. Der Begriff des Unternehmers im Einkommensteuerrecht und Umsatzsteuerrecht decke sich nicht, weil bei der Umsatzsteuer auch Personengesellschaften als Unternehmer anzusehen und damit als Steuersubjekt zu erfassen seien. Im Streitfall habe nicht die Klägerin, also die GdbR, sondern die Grundstücksgemeinschaft das Gebäude als Wirtschaftsgut ihrem Anlagevermögen zugeführt; dagegen sei der Klägerin allenfalls ein Nutzungsrecht eingeräumt. Ein solches Nutzungsrecht sei kein selbständig bewertbares körperliches Wirtschaftsgut. Da die Klägerin somit ihrem Anlagevermögen kein körperliches Wirtschaftsgut zugeführt habe, komme eine Heranziehung zur Selbstverbrauchsteuer nicht in Betracht. Das FG hat daher den Steuerbescheid vom 26. April 1971 aufgehoben und den Erstattungsbetrag für 1968 auf (minus) 2 980,20 DM festgesetzt.
Mit der Revision rügt das FA unrichtige Anwendung geltenden Rechts, insbesondere des § 30 Abs. 2 UStG 1967. Das FG habe zu Unrecht darauf abgestellt, daß die Klägerin selbst Unternehmer i. S. des Umsatzsteuerrechts sei. Durch die Verwendung des Wortes "Unternehmer" in § 30 Abs. 2 UStG 1967 stelle das Gesetz lediglich klar, daß eine Besteuerung des Selbstverbrauchs für Nichtunternehmer nicht in Betracht komme. Ob hingegen ein Wirtschaftsgut der Verwendung oder Nutzung als Anlagevermögen zugeführt sei, richte sich, so wird ausgeführt, gemäß § 30 Abs. 2 UStG 1967 nach den Grundsätzen des Einkommensteuerrechts. Seien aber einkommensteuerrechtliche Grundsätze maßgebend, so gelte dies ohne Einschränkung, insbesondere auch für die Bilanzbündeltheorie. Bei Anwendung einkommensteuerrechtlicher Grundsätze sei der gewerblich genutzte Gebäudeanteil in das Anlagevermögen der GdbR eingelegt, diesem also zugeführt, worden. In dieser Zuführung liege der selbstverbrauchsteuerpflichtige Tatbestand.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben, die Umsatzsteuer um 2 887,95 DM zu erhöhen und den Erstattungsbetrag auf 92,25 DM festzusetzen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
Nach § 30 Abs. 2 Satz 1 UStG 1967 liegt Selbstverbrauch vor, wenn ein Unternehmer körperliche Wirtschaftsgüter, die der Abnutzung unterliegen und deren Anschaffungs- und Herstellungskosten nach den einkommensteuerlichen Vorschriften im Jahr der Anschaffung oder Herstellung nicht in voller Höhe als Betriebsausgaben abgesetzt werden können, im Inland der Verwendung oder Nutzung als Anlagevermögen zuführt.
Nach dem Wortlaut des Gesetzes erstreckt sich die Bezugnahme auf die einkommensteuerlichen Vorschriften nicht auch auf den Begriff des Unternehmers; für ihn sind die umsatzsteuerrechtlichen Bestimmungen maßgebend (§ 2 Abs. 1 UStG 1967). Das FG hat zutreffend ausgeführt, daß die Klägerin als GdbR nicht der Unternehmer ist, der hinsichtlich des von ihr betrieblich genutzten Grundstücksteils eine selbstverbrauchsteuerpflichtige Zuführung zum Anlagevermögen i. S. des § 30 Abs. 2 UStG 1967 vorgenommen hat.
Die Behandlung des dem Gesellschafter A sen. (bürgerlich-rechtlich zur Hälfte) gehörenden Grundstücks als notwendiges Betriebsvermögen der GdbR in Höhe seines betrieblich genutzten Teils folgt nach der Rechtsprechung des BFH aus § 15 Nr. 2 EStG. Sie beruht auf der Erwägung, daß der Gesellschafter einer Personengesellschaft nach Möglichkeit so gestellt werden soll, wie er als Einzelunternehmer stünde (vgl. BFH-Entscheidung vom 19. Oktober 1970 Gr S 1/70, BFHE 101, 62, BStBl II 1971, 177). Deshalb wird bei der Gewinnermittlung ein Wirtschaftsgut, das im Eigentum eines Gesellschafters steht, aber dem Betrieb der Personengesellschaft dient, zum Betriebsvermögen des Gesellschafters und damit der Personengesellschaft gerechnet. Der Gesellschafter, der einen eigenen Betrieb - belastet durch die Rechte der Mitgesellschafter - hat (vgl. BFH-Entscheidung Gr S 1/70), stellt das Wirtschaftsgut mit der Überlassung an die Personengesellschaft gleichzeitig seinem eigenen Gewerbebetrieb im einkommensteuerlichen Sinne zur Verfügung. Denn ebensowenig wie ein Einzelunternehmer seinem Unternehmen dienende Wirtschaftsgüter zum Privatvermögen ziehen kann, kann ein Gesellschafter solche Wirtschaftsgüter, die er der Personengesellschaft zur Nutzung überlassen hat, als Teile seines Privatvermögens behandeln (vgl. BFH-Urteile vom 1. April 1966 VI 26/65, BFHE 86, 131, BStBl III 1966, 365, und vom 29. September 1966 IV 308/64, BFHE 87, 419, BStBl III 1967, 180).
Bei dieser Sachlage könnte allenfalls in Erwägung gezogen werden, ob der Gesellschafter A sen. mit der Überlassung des Grundstücksteils an die GdbR eine Zuführung zum Anlagevermögen seines Betriebs vorgenommen hat, der die Überlassung an die GdbR nachfolgte. Abgesehen davon, daß der Gesellschafter A sen. allein mit seiner Beteiligung an der GdbR nicht die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 UStG 1967 erfüllt, braucht diese Frage deshalb nicht entschieden zu werden, da im vorliegenden Fall die GdbR nicht derjenige Unternehmer ist, der das Grundstück seinem Anlagevermögen zugeführt hat. Die Aktivierungspflicht ist in der Person des überlassenden Gesellschafters A sen. begründet worden.
Der Senat braucht auch nicht darüber zu befinden, ob die Grundstücksgemeinschaft der Eheleute A sen. mit der Vermietung des neu errichteten Gebäudes und dessen Überlassung an die GdbR und andere Mieter als der selbstverbrauchsteuerpflichtige Unternehmer anzusehen ist.
Da sich hiernach die Vorentscheidung im Ergebnis als zutreffend erweist, war die Revision als unbegründet zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO).
Fundstellen
BStBl II 1973, 833 |
BFHE 1974, 147 |