Entscheidungsstichwort (Thema)
Einlage einer rechtlich ungeschützten Erfindung
Leitsatz (NV)
1. Eine rechtlich ungeschützte Erfindung, die bereits publiziert wurde, hat grundsätzlich einen Teilwert von 0. Ein höherer Teilwert läßt sich auch nicht aus der Entscheidung des Großen Senats des BFH vom 26. Oktober 1987 GrS 2/86 BFHE 151, 523, BStBl II 1988, 348 ableiten.
2. Die besonderen Erfahrungen des Erfinders im Zusammenhang mit dem praktischen Einsatz der Erfindung sind kein selbständiges, von der Person des Erfinders lösbares, selbständig bewertbares Wirtschaftsgut.
Normenkette
EStG § 6 Abs. 1 Nr. 5
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger), ein Arzt für Laboratoriumsmedizin, eröffnete am 1. Mai 1979 ein eigenes Labor. Seine Gewinne ermittelte er nach § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG).
Bei Ermittlung seiner Gewinne für 1979 und 1980 setzte er eine Abschreibung für Abnutzung für Know-how in Höhe von 115488 DM bzw. 173232 DM an. Dieser Ausschreibung liegt ein vom Kläger entwickeltes, bereits 1974 anwendungsbereites, nichtpatentiertes . . .verfahren zugrunde. Auf das Verfahren wies der Kläger bei Vorträgen und Veröffentlichungen hin. Den Einlagewert in Höhe von 866160 DM ermittelte der Kläger aufgrund der durch dieses Verfahren voraussichtlich zu erwartenden Kosteneinsparungen im Labor.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) lehnte die Abschreibung auf das immaterielle Wirtschaftsgut ab, weil das vom Kläger entwickelte und 1979 in Fachkreisen bekannte . . .verfahren kein selbständig bewertungs- und abschreibungsfähiges Wirtschaftsgut sei. Nach einem vom FA angefertigten Aktenvermerk anläßlich eines Besuchs des klägerischen Labors hatte der Kläger bestätigt, daß die Anwendung seiner Methode von anderen Labors übernommen werden könne. Ein ,,Verkauf" der Methode sei nicht möglich bzw. scheitere, weil das Verfahren in den Fachkreisen bekannt sei. Auch habe der Kläger bereits an der Universität mit anderen Kollegen das Verfahren angewendet.
Der Einspruch und die Klage hatten keinen Erfolg.
Der Kläger rügt mit seiner Revision Verletzung materiellen Rechts, insbesondere des § 6 Abs. 1 Nr.5 EStG und mangelnde Sachaufklärung.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet, weil dem vom Kläger entwickelten . . .verfahren im Zeitpunkt der Einlage kein realisierbarer Geldwert mehr beizumessen ist.
1. Der Kläger ermittelt seinen Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG. Danach ist Gewinn der Überschuß der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben. Die Vorschriften über die Absetzung für Abnutzung oder Substanzverringerung sind zu befolgen (§ 4 Abs. 3 Satz 3 EStG). Die Anschaffungs- oder Herstellungskosten für nicht abnutzbare Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens sind erst im Zeitpunkt der Veräußerung oder Entnahme dieser Wirtschaftsgüter als Betriebsausgaben zu berücksichtigen (§ 4 Abs. 3 Satz 4 EStG). Die vom Kläger begehrte Abschreibung des ,,Know-how" setzt daher kumulativ dem Grunde nach voraus, daß das . . .verfahren ein ,,Wirtschaftsgut" ist,das abnutzbar ist und das im Zeitpunkt der Zuführung mit einem Teilwert in Höhe von mehr als 0 DM zu bewerten ist.
Bei Wertlosigkeit eines immateriellen Wirtschaftsguts verwischen sich allerdings die Grenzen zwischen der Frage nach dem Wirtschaftsgutcharakter und nach dem Wert des Wirtschaftsguts, weil nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) - neben den Gegenständen des bürgerlichen Rechts - nur solche tatsächlichen Zustände, konkreten Möglichkeiten und betrieblichen Vorteile als (immaterielle) Wirtschaftsgüter behandelt werden, deren Erlangung der Kaufmann sich etwas kosten läßt (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 9. Juli 1986 I R 218/82, BFHE 147, 412, BStBl II 1987, 14; vom 15. Juli 1987 II R 249/83, BFHE 150, 564, BStBl II 1987, 809). Insoweit deckt sich die Rechtsprechung zum Wirtschaftsgutsbegriff mit der für die Bewertung eines Wirtschaftsguts maßgeblichen Teilwertdefinition in § 6 Abs. 1 Nr.1 Satz 3 EStG.
2. Der Senat geht im Streitfall - zugunsten des Klägers - davon aus, daß das von ihm entwickelte . . .verfahren jedenfalls seiner Natur nach ein immaterielles Wirtschaftsgut sein kann und keine von einem (früheren) Arbeitgeber unbeschränkt in Anspruch genommene Diensterfindung vorliegt (vgl. § 7 Abs. 1 des Gesetzes über Arbeitnehmererfindungen vom 25. Juli 1957, BGBl I, 756). Die Revision kann aber deswegen keinen Erfolg haben, weil - worauf das FA schon in der Einspruchsentscheidung hingewiesen hat - die ungeschützte Erfindung im Zeitpunkt der Zuführung zu dem neu gegründeten Laborbetrieb keinen über 0 DM liegenden Einlagewert hat.
Gemäß § 6 Abs. 1 Nr.5 EStG sind Einlagen grundsätzlich mit dem Teilwert für den Zeitpunkt der Zuführung anzusetzen. Dies gilt - entgegen § 5 Abs. 2 EStG - auch für die Einlage eines selbst geschaffenen bzw. unentgeltlich erworbenen immateriellen Wirtschaftsguts (vgl. Beschluß des Großen Senats vom 26. Oktober 1987 GrS 2/86, BFHE 151, 523, BStBl II 1988, 348 C I 1. b, aa).
Teilwert im Sinne der steuerrechtlichen Bewertungsnormen ist nach der Legaldefinition in § 6 Abs. 1 Nr.1 Satz 3 EStG der Betrag, den ein Erwerber des ganzen Betriebs im Rahmen des Gesamtkaufpreises für das einzelne Wirtschaftsgut ansetzen würde; dabei ist davon auszugehen, daß der Erwerber den Betrieb fortführt. Diese Teilwertdefinition gilt mangels gegenteiliger Regelung in § 6 Abs. 1 Nr.5 EStG grundsätzlich auch für die Bewertung der Einlage eines immateriellen Wirtschaftsguts (Ausnahme für Nutzungsrechte siehe Großer Senat des BFH in BFHE 151, 523, BStBl II 1988, 348).
Aufgrund der vom FG bindend (§ 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -) festgestellten tatsächlichen Umstände ist im Streitfall davon auszugehen, daß ein Erwerber des Betriebs für das streitige . . .verfahren als solches zum Einlagezeitpunkt kein gesondertes Entgelt (mehr) bezahlt hätte. Das vom Kläger entwickelte Verfahren ist patent- oder gebrauchsmusterrechtlich nicht geschützt. Es ist eine sog. ungeschützte Erfindung, die auch als ,,Know-how" bezeichnet wird. Dieses technische Spezialwissen unterscheidet sich von einer patentierten Erfindung dadurch, daß die patentierte Erfindung zwar bekannt ist, aber von Dritten nur aufgrund eines Vertrages mit dem Patentinhaber eingesetzt werden darf. Das Know-how, wie die ungeschützte Erfindung, kann aus rechtlichen Gründen jederzeit von Dritten verwendet werden. Ein ihm beizumessender Wert ergibt sich nur daraus, daß das technische Spezialwissen einem Dritten vor Abschluß des Vertrages mit dem Inhaber des Know-how unbekannt ist (vgl. BFH-Urteil vom 13. Februar 1970 III R 43/68, BFHE 98, 282, BStBl II 1970, 373). Ist das bezeichnete technische Spezialwissen nicht mehr geheim, so kommt ihm kein Wert im Sinne der Teilwertdefinition mehr zu. In der Literatur ist zwar streitig, ob ein Know-how voraussetzt, daß das mit ihm verknüpfte Wissen geheim geblieben ist (vgl. Venturini/Vogel, Zur Erfassung und Bewertung lizensierter Erfindungen und Erfahrungen - Know-how - in der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens, Institut für Finanzen und Steuern, Heft 275, S. 6 m.w.N.). Insoweit handelt es sich allerdings nur um eine begriffliche Auseinandersetzung. Die steuerliche Bewertung erfolgt unabhängig hiervon.
Hierzu hat das FG durch die Bezugnahme auf den Aktenvermerk vom 3. August 1984 in tatsächlicher Hinsicht festgestellt, daß das Verfahren vom Kläger nicht zum Patent angemeldet wurde, um anderen Interessenten den Zugang zu dem Verfahren nicht zu verbauen. Dementsprechend wurde bei Vorträgen und Veröffentlichungen auf das Verfahren hingewiesen. Dies hatte, wie der Kläger persönlich bestätigte, zur Folge, daß das Verfahren in Fachkreisen bekannt wurde und auch von Kollegen des Klägers an der Universität angewendet wurde. Der Kläger selbst hielt daher den Verkauf der Methode für unmöglich, was nur dahin verstanden werden kann, daß er mit einer Gegenleistung für die Überlassung seines Wissens nicht mehr rechnen konnte.
Es ist auch auszuschließen, daß der ungeschützten Erfindung des Klägers insoweit noch ein Teilwert beigemessen werden kann, als seine Überlassung die Möglichkeit der Beantragung eines Patents eröffnet. Mit der Veröffentlichung des Verfahrens verlor es seine Neuheit und damit seine Patentierbarkeit (vgl. § 1 Abs. 1, § 3 Abs. 1 des Patentgesetzes). Dies gilt grundsätzlich auch für die Vorveröffentlichung durch den Erfinder selbst (vgl. Benkard, Patentgesetz, 8. Aufl. § 3 Rdnr.38). Aus der Einlassung des Klägers während des Rechtsbehelfsverfahrens muß auch geschlossen werden, daß das Verfahren in nachvollziehbarer Weise schriftlich und mündlich bekanntgegeben wurde.
Der Ansatz eines über 0 DM liegenden Teilwerts ergibt sich auch nicht aus der nicht auszuschließenden Möglichkeit, daß der Kläger persönlich durch seine Entwicklungstätigkeit und durch seine Erfahrung beim tatsächlichen Einsatz des streitigen . . .verfahrens an der Universität gegenüber Dritten ein Voraus an praktischem Wissen über den Einsatz des in der wissenschaftlichen Literatur beschriebenen Verfahrens hat. Zum einen hat der Kläger selbst erklärt, daß ein Verkauf seiner Methode mangels Nachfrage nicht möglich sei, da das Verfahren in den Fachkreisen bekannt sei. Diese Angaben schließen schon aus tatsächlichen Gründen aus, der praktischen Erfahrung beim Einsatz des Verfahrens einen besonderen, vom . . .verfahren selbst ablösbaren Vermögenswert beizumessen. Ferner ist die wissenschaftliche Vorbildung und praktische Erfahrung eines Menschen, auch im Zusammenhang mit dem praktischen Einsatz einer Erfindung, kein von der Person lösbares selbständig bewertbares Wirtschaftsgut. Dementsprechend hat der III.Senat des BFH als Know-how nur das Spezialwissen selbst bezeichnet, das durch Übergabe von Rezepten oder Zeichnungen, mündlichen Überlieferungen oder unmittelbarem Einblick in den Produktionsablauf einem Dritten mitgeteilt wird. Darüber hinausgehende Erfahrungen zur Verwertbarkeit des Know-how werden nicht im Rahmen des Know-how selbst, sondern im Rahmen von gesondert zu beurteilenden Dienstleistungsverträgen überlassen (vgl. BFH-Urteile in BFHE 98, 282, BStBl II 1970, 383; in BFHE 150, 564, BStBl II 1987, 809; vgl. ähnlich BFH-Urteil vom 16. Dezember 1970 I R 44/67, BFHE 101, 70, BStBl II 1971, 235). Dementsprechend kann auch der ,,Wert" der Erfahrung des Betriebsinhabers um den Einsatz des Know-how nicht den Wert des Know-how selbst erhöhen.
3. Beträgt der Teilwert einer ungeschützten Erfindung im Zeitpunkt der Einbringung 0 DM, so ergibt sich - das Vorliegen eines Wirtschaftsguts unterstellt - ein höherer Wert auch nicht aus dem Beschluß des Großen Senats in BFHE 151, 523, BStBl II 1988, 348.
Es kann dahinstehen, ob die Ausführungen des Großen Senats zur Einlage schlichter Nutzungen und von Nutzungsrechten auch für die endgültige Überlassung eines Know-how gilt (vgl. zur Differenzierung z.B. § 21 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, § 21 Abs. 1 Nr.3 EStG). Die Entscheidung des Großen Senats beschränkt den Einlagewert von Nutzungsrechten im Wege der teleologischen Reduktion gegenüber der Teilwertdefinition nach § 6 Abs. 1 Nr.5 i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr.1 Satz 3 EStG. Es kann im Streitfall dahingestellt bleiben, ob die Ausführungen des Großen Senats den Ansatz des Teilwerts bei Nutzungsrechten in Höhe der Summe der angefallenen Aufwendungen zulassen (vgl. hierzu z.B. BFH-Urteil vom 20. September 1990 IV R 300/84, BFHE 162, 86, BStBl II 1991, 82; vgl. Schmidt, Einkommensteuergesetz, 11.Aufl., § 5 Anm.21b m.w.N.). Ist ein Teilwert bereits aufgrund tatsächlicher Umstände nicht anzusetzen, so besteht keine rechtliche Grundlage dafür, den Teilwert auf den Betrag der bisher angefallenen Ausgaben zu erhöhen. Hierzu besteht im allgemeinen auch kein besonderes steuerliches Regelungsbedürfnis, weil Aufwendungen vor Betriebseröffnung grundsätzlich als sog. vorweggenommene Betriebsausgaben im Jahr der Leistung der Ausgaben angesetzt werden können (vgl. hierzu z.B. Schmidt/Heinicke, a.a.O., § 4 Anm.92e m.w.N.). Fallen die streitigen Entwicklungsaufwendungen im Rahmen einer nichtselbständigen Tätigkeit an, so sind sie im Jahr der Verausgabung als Werbungskosten zu berücksichtigen (§ 9 Abs. 1, § 11 Abs. 2 EStG).
Fundstellen
Haufe-Index 64512 |
BFH/NV 1993, 595 |
BFH/NV 1993, 596 |