Entscheidungsstichwort (Thema)
Ehegatten-Arbeitsverhältnis; keine Durchführung wie unter Fremden bei verzögerter Zahlung
Leitsatz (NV)
Werden Tantiemen an einen Arbeitnehmer-Ehegatten erst im dritten Jahr nach Ablauf des Gewinnjahres ausgezahlt, fehlt es an einer Durchführung des Arbeitsverhältnisses wie unter Fremden.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 4
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) betreibt ein . . .geschäft, in dem seine Ehefrau mitarbeitet. Neben dem laufenden Arbeitslohn gewährte er ihr ab 1967 aufgrund mündlicher Zusage jährliche Tantiemen in unterschiedlichen Beträgen, für die er Rückstellungen bildete und die er durchschnittlich erst im 3. Jahr nach Bildung der Rückstellung auszahlte. Eine Vereinbarung über die Umwandlung der Tantiemeansprüche in eine verzinsliche Darlehensforderung wurde nicht getroffen.
Für die Zeit von 1970 bis 1978 hat das Finanzgericht (FG) zur Behandlung der Tantiemen folgende Feststellungen getroffen:
Tantieme-Rückstellung Jahr der Ausstellung
1970 7 000
1971 11 800
1972 14 460 33 260 DM 1975
1973 16 200
1974 18 700 34 900 DM 1977
1975 20 600 20 600 DM 1978
1976 15 600 15 600 DM 1979
1977 14 800
1978 15 750 30 550 DM 1980
Im November 1973 fand beim Kläger eine Betriebsprüfung für die Veranlagungszeiträume 1969 bis 1972 statt, die sich auch mit der steuerrechtlichen Anerkennung der damaligen Tantieme-Rückstellungen zugunsten der Ehefrau des Klägers befaßte. Zu dieser Frage fand nach einem Vermerk des damaligen Prüfers am 28. November 1973 eine Besprechung mit dem zuständigen Sachgebietsleiter und dem Sachbearbeiter des Beklagten und Revisionsklägers (Finanzamt - FA -) statt. Der Kläger hatte nach dem Vermerk die verzögerte Auszahlung der Tantiemen mit einem betrieblichen Geldbedarf wegen hoher Anschaffungs- und Umbaukosten für ein Gebäude begründet. Darauf entschied das FA, daß der Tantiemeaufwand als Betriebsausgabe anerkannt werden könne. Die Gewerbesteuermeßbescheide 1969 bis 1972, in denen die Rückstellungen anerkannt worden waren, wurden demgemäß nicht geändert.
Die Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre 1975 bis 1978 und die Gewerbesteuermeßbescheide für die Erhebungszeiträume 1975 bis 1978 ergingen gemäß § 164 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Im Anschluß an eine Außenprüfung im Jahre 1980 erkannte das FA die zum 31. Dezember 1975 passivierte Rückstellung und den Tantiemeaufwand der Jahre 1976 bis 1978 nicht an, da keine schriftliche Vereinbarung vorlag und die Tantiemen mit erheblicher Zeitverzögerung ausgezahlt wurden. Das FA erhöhte die Betriebsgewinne des Klägers um die in der Bilanz auf 31. Dezember 1975 ausgewiesenen Tantieme-Rückstellungen und um die in den Jahresbilanzen 1976 bis 1978 jeweils neu gebildeten Tantieme-Rückstellungen. Es änderte die Gewerbesteuermeßbescheide 1975 bis 1978 entsprechend.
Auf die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage erkannte das FG die Rückstellungen und die Zuführungen zu den Rückstellungen als betrieblich veranlaßten Aufwand an. Es änderte die Gewerbesteuermeßbescheide entsprechend.
Das FG änderte die Gewerbesteuermeßbescheide der Streitjahre und erkannte die vom FA dem Gewinn zugerechneten Rückstellungen bzw. Zuführungen zu Rückstellungen in Höhe von 55 000 DM (1975), 15 600 DM (1976), 14 800 DM (1977) und 15 750 DM (1978) als Betriebsausgaben an.
Das FA rügt mit seiner Revision Verletzung des § 4 AO 1977 i. V. m. § 242 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB).
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
Die Aufwendungen des Klägers für Tantiemen seiner Ehefrau sind nicht als Betriebsausgaben abziehbar.
A) 1. Arbeitsverhältnisse zwischen Ehegatten können nur anerkannt werden, wenn sie ernsthaft vereinbart und entsprechend dieser Vereinbarung auch durchgeführt werden. Die vertragliche Gestaltung und ihre Durchführung muß auch zwischen Fremden üblich sein (Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 23. April 1975 I R 208/72, BFHE 115, 481, BStBl II 1975, 579; vom 4. November 1986 VIII R 82/85, BFHE 148, 520, BStBl II 1987, 336).
2. Es kann im Streitfall dahingestellt bleiben, ob die mündlich geschlossene Vereinbarung über die Tantiemezahlungen dem entspricht, was zwischen Fremden vereinbart worden wäre. Jedenfalls sind die Vereinbarungen nicht wie unter Fremden durchgeführt worden. Wenn Gehaltsteile (einschließlich Tantiemen, vgl. BFH in BFHE 115, 481, BStBl II 1975, 579) eines Arbeitnehmer-Ehegatten nicht zum Fälligkeitszeitpunkt ausgezahlt werden, sondern im Betrieb stehen bleiben, ist nach ständiger Rechtsprechung des BFH zur steuerlichen Anerkennung erforderlich, daß ein wie unter Fremden üblicher Darlehensvertrag geschlossen wird (BFH-Urteile in BFHE 115, 481, BStBl II 1975, 579; vom 14. Oktober 1981 I R 34/80, BFHE 134, 293, BStBl II 1982, 119, und BFH-Entscheidung vom 14. November 1986 III R 161/82, BFH / NV 1987, 414).
3. Im Streitfall wurden die Tantiemen durchschnittlich erst im dritten Jahr nach Ablauf des Gewinnjahres ausgezahlt. Eine Darlehensvereinbarung wurde nicht getroffen. Es fehlt auch an einer Verzinsung der jeweils mehrere Jahre nicht ausgezahlten Beträge. Mit einer solchen Regelung und einer solchen Vertragsdurchführung hätte sich ein fremder Arbeitnehmer nicht einverstanden erklärt. Er hätte entweder bereits im Rahmen der ersten Vereinbarung, spätestens jedoch bei der ersten Verzögerung der Auszahlung eine Zusatzregelung über Fälligkeit und Verzugsfolgen gefordert.
B) Entgegen der Auffassung des FG hatte das FA das Recht zu einer Änderung der Gewerbesteuermeßbescheide nicht verloren. Das angefochtene Urteil beruht insoweit auf einer unzutreffenden Auslegung der Grundsätze von Treu und Glauben und des Vertrauensschutzes.
1. Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, daß der Grundsatz des Vertrauensschutzes als Teil der Grundsätze von Treu und Glauben Bestandteil der steuerrechtlichen Rechtsordnung ist. Der Grundsatz ist neben dem gesetzlich normierten Recht zu beachten (Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 19. Dezember 1961 2 BvL 6/59, BVerfGE 13, 261 (271); vom 26. Juni 1979 1 BvL 10 /78, BVerfGE 51, 356; vom 8. April 1987 1 BvR 564/84 u. a., BVerfGE 75, 78 (105); BFH-Urteil vom 14. September 1978 IV R 89/74, BFHE 126, 130, BStBl II 1979, 121).
Ein Vertrauensschutz des Steuerpflichtigen setzt voraus, daß die Steuerbehörde durch ihr Verhalten einen Vertrauenstatbestand schafft, auf Grund dessen der Steuerpflichtige bei objektiver Beurteilung annehmen kann, die Steuerbehörde werde an ihrem Verhalten festhalten (BFH-Urteile in BFHE 126, 130, BStBl II 1979, 121, und vom 8. Oktober 1986 II R 167/84, BFHE 147, 409, BStBl II 1987, 12). Zum Vertrauenstatbestand muß noch eine Vertrauensfolge hinzukommen, d. h., der Steuerpflichtige muß im Vertrauen auf das Verhalten des FA Maßnahmen ergriffen oder unterlassen haben, die er nicht ergriffen oder unterlassen hätte, wenn er mit einer Änderung der Auffassung des FA gerechnet hätte und wenn ihm die Erfüllung der Verpflichtung billigerweise nicht mehr zugemutet werden kann (BFH in BFHE 126, 130, 137, BStBl II 1979, 121).
2. Im Streitfall hat das FA im Rahmen der Betriebsprüfung des Jahres 1973 die Vertragsgrundlagen und die Durchführung der Tantiemezuwendungen für seine Ehefrau steuerlich anerkannt. Eine Betriebsprüfung bezieht sich jedoch auf bereits abgelaufene Zeiträume. Eine für diese Zeiträume getroffene Regelung hat grundsätzlich nur Bedeutung für die Vergangenheit (BFH-Urteil vom 19. November 1985 VIII R 25/85, BFHE 146, 32, BStBl II 1986, 520).
Es ist allerdings nicht ausgeschlossen, daß im Rahmen einer Außenprüfung auch Regelungen für künftige Zeiträume getroffen werden. Die Möglichkeit derartiger Zusagen mit Bindungswirkung bestand auch schon vor Inkrafttreten des § 204 AO 1977 zur Zeit der Betriebsprüfung 1973.
Im Streitfall besteht jedoch kein Anlaß zu der Annahme, daß die Beteiligten eine Regelung für Zeiträume nach dem damaligen Prüfungszeitraum treffen wollten. Das folgt aus dem Vermerk des Prüfers über die Besprechung vom 28. November 1973. Daraus ist zu entnehmen, daß der Tantiemeaufwand der Jahre 1969 bis 1972 auf der Grundlage der Angaben des Klägers anerkannt wurde, er habe die Tantiemebeträge für die Anschaffung und den Umbau eines Gebäudes im Prüfungszeitraum benötigt. Es kann dahingestellt bleiben, ob diese Überlegung geeignet war, die Anerkennung des Tantiemeaufwandes zu rechtfertigen. Bedeutsam für die Entscheidung des Streitfalls ist allein, daß die damalige Entscheidung des FA durch Vorgänge beeinflußt war, die nur den damaligen Prüfungszeitraum betrafen. Der Entscheidung konnte unter diesen Umständen nur Bedeutung für den damaligen Prüfungszeitraum zukommen. Sie war zeitbezogen. Auch die Beteiligten haben nicht vorgetragen, daß in der Besprechung vom 28. November 1973 eine Regelung für spätere Veranlagungszeiträume getroffen werden sollte.
3. Auch durch späteres Verhalten begründete das FA keinen Vertrauenstatbestand i. S. der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Eine über längere Zeit gleichbleibende Beurteilung eines Sachverhalts kann zwar beim anderen Beteiligten schutzwürdiges Vertrauen erzeugen (BFH-Urteil vom 12. Mai 1970 VII R 54 /67, BFHE 99, 293, BStBl II 1970, 634; Tipke / Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 4 AO 1977 Tz. 59). Die Anerkennung der in den Bilanzen des Klägers enthaltenen Tantieme-Rückstellungen reicht jedoch auch im Zusammenhang mit der Regelung über die Ergebnisse der Betriebsprüfung 1973 nicht aus, um einen solchen Vertrauensschutz zu begründen. Nachdem die Einkommensteuerbescheide 1975 bis 1978 und die Gewerbesteuermeßbescheide 1975 bis 1978 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergingen und dem Kläger die Zeitbezogenheit der Regelung 1973 aus seiner eigenen damaligen Stellungnahme klar sein mußte, konnte er auf eine fortdauernde Anerkennung nicht vertrauen. Er konnte sich bei dieser Sachlage eine aus seiner Sicht wünschenswerte Klarheit allenfalls über eine Rückfrage beim FA verschaffen. An einer derartigen Anfrage fehlt es nach den Feststellungen des FG.
4. Auf die Frage möglicher Dispositionen des Klägers kommt es nicht an, da es bereits an einem für die Anwendung der Grundsätze von Treu und Glauben erforderlichen Vertrauenstatbestand fehlt.
Fundstellen
Haufe-Index 416701 |
BFH/NV 1990, 364 |