Entscheidungsstichwort (Thema)
Fortsetzungsfeststellungsklage und Feststellungsinteresse
Leitsatz (NV)
1. Zur Zulässigkeit der Fortsetzungsfeststellungsklage im Anschluß an eine Leistungsklage.
2. Zum Erfordernis eines Feststellungsinteresses für die Zulässigkeit einer Feststellungsklage
Normenkette
FGO § 100 Abs. 1 S. 4
Tatbestand
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) setzte durch Bescheid über den Lohnsteuer-Jahresausgleich 1981 den Erstattungsbetrag für die Kläger und Revisionskläger (Kläger) auf 1 403 DM fest. Er verrechnete diesen Betrag mit rückständiger Einkommensteuer 1978 und 1979 der Kläger und teilte diesen die Umbuchung mit.
Mit Schriftsatz vom 23. April 1982 erhoben die Kläger Klage mit dem Antrag, das FA zu verurteilen, 1 403 DM aus dem Lohnsteuer-Jahresausgleich 1981 an sie zu zahlen. Das FA erklärte durch Abrechnungsbescheid vom 23. Juli 1982 die Aufrechnung mit Einkommensteueransprüchen 1978 und 1979 gegen den Lohnsteuererstattungsanspruch der Kläger.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage als unzulässig ab. Es führte aus, eine Leistungsklage, wie sie die Kläger erhoben hätten, sei nur zulässig, wenn unstreitig sei, daß der Erstattungsanspruch noch bestehe. Die Frage, ob dieser im Streitfall durch Umbuchung erloschen sei, müsse durch Verwaltungsakt nach § 218 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) entschieden werden. Das gesetzlich vorgeschriebene Verwaltungsvorverfahren schließe die von den Klägern unmittelbar erhobene Zahlungsklage aus (Hinweis auf § 44 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
Mit der vom Senat zugelassenen Revision machen die Kläger geltend:
Das FA sei zur Leistung verpflichtet gewesen, da eine rechtswirksame Aufrechnung, die durch schriftlichen Verwaltungsakt erfolgen müsse, nicht vorliege. Das FG habe verkannt, daß für die sonstige Leistungsklage nach § 40 Abs. 1 FGO das Vorverfahren nach § 44 Abs. 1 FGO ohne Bedeutung sei. Die Leistungsklage sei deshalb zulässig gewesen. Inzwischen habe sich die Hauptsache aber erledigt und die Leistungsklage werde nicht mehr aufrechterhalten, weil der Bescheid über den Lohnsteuer-Jahresausgleich 1981 geändert worden sei und weil sie (die Kläger) sich nicht mehr gegen die vorgenommene Verrechnung wendeten. Es werde nunmehr nach § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO beantragt, festzustellen, daß die Aufrechnung des FA rechtswidrig gewesen sei. Die Voraussetzungen einer Fortsetzungsfeststellungsklage, zu der auch im Revisionsverfahren übergegangen werden könne, seien gegeben. Ihr berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung folge aus den Prozeßkosten, über die ein Schadensersatzprozeß geführt werden solle, der Verzinsung der aufgerechneten Forderung nach § 236 AO 1977 und aus ihrem Rehabilitierungsinteresse, da sie durch die erfolgten Vollstreckungsmaßnahmen des FA gegenüber den Nachbarn diskriminiert worden seien.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Das FG hat die Klage im Ergebnis zu Recht als unzulässig abgewiesen.
1. Für die von den Klägern erhobene Leistungsklage (vgl. § 40 Abs. 1, 3. Alternative FGO) auf Verurteilung des FA zur Auszahlung des Lohnsteuererstattungsbetrags 1981 ist das Rechtsschutzinteresse entfallen, weil die Kläger - wie sie mit der Revision vortragen - an diesem Begehren nicht mehr festhalten. Die insoweit von ihnen erklärte Erledigung der Hauptsache stellt keine prozessuale Erledigungserklärung i. S. des § 138 FGO dar, denn die Kläger sind von der Leistungsklage zur Fortsetzungsfeststellungsklage übergegangen. Sie begehren weiterhin eine Sachentscheidung des Gerichts über ihren entsprechend geänderten Klageantrag.
2. Der Fortsetzungsfeststellungsantrag kann auch noch in der Revisioninstanz gestellt werden. Er stellt keine Klageänderung i. S. des § 67 FGO dar, die gemäß § 123 FGO im Revisionsverfahren unzulässig wäre (vgl. Urteil des Senats vom 23. März 1976 VII R 106/73, BFHE 118, 503, BStBl II 1976, 459, 460). § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO sieht die Möglichkeit, nach Erledigung eines Verwaltungsakts zur Feststellungsklage überzugehen, nur für den Fall der Anfechtungsklage vor. Die Vorschrift ist jedoch nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats, der insoweit dem Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) folgt, auf Verpflichtungsklagen entsprechend anwendbar (BFHE 118, 503, BStBl II 1976, 459, 460; BVerwG zu § 113 Abs. 1 Satz 4 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -: Urteil vom 6. September 1962 VIII C 78/60, Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 1963, 553). Danach wäre im Streitfall der Feststellungsantrag nicht statthaft, denn er schließt sich nicht an eine Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage, sondern an eine Leistungsklage der Kläger an. Der Antrag ist nicht deshalb - wie die Kläger meinen - auf die Feststellung der Rechtswidrigkeit eines angefochtenen Verwaltungsakts bezogen, weil die Leistungsverweigerung des FA aus dem Lohnsteuer - Jahresausgleichsbescheid vom 29. März 1982 als rechtswidrig festgestellt werden soll. Denn der Bescheid vom 29. März 1982 und eine etwa darin vom FA zum Ausdruck gebrachte Ablehnung der Erstattung waren nicht Gegenstand einer von den Klägern erhobenen Anfechtungsklage.
Ob auch von der allgemeinen Leistungsklage, wie sie die Kläger im Streitfall mit ihrer Zahlungsklage erhoben haben, in entsprechender Anwendung der §§ 100 Abs. 1 Satz 4 FGO, 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO zu einem Feststellungsantrag übergegangen werden kann, ist im Schrifttum umstritten (bejahend: Tipke / Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 12. Aufl., § 100 FGO Tz. 19; Eyermann / Fröhler, Verwaltungsgerichtsordnung, Kommentar, 8. Aufl., § 113 Anm. 51 a; Redeker / von Oertzen, Verwaltungsgerichtsordnung, 8. Aufl., § 113 Rdnr. 18; ablehnend: Kopp, Verwaltungsgerichtsordnung, 7. Aufl., § 113 Rdnr. 48, und von Groll in Gräber, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., § 100 Rdnr. 38). Der Senat kann diese Frage - ebenso wie das BVerwG im Urteil vom 22. April 1977 VII C 17.74 (BVerwGE 52, 313, 316) - offenlassen. Denn im Streitfall ist die Fortsetzungsfeststellungsklage jedenfalls deshalb unzulässig, weil es an dem hierfür erforderlichen Feststellungsinteresse fehlt.
Wegen des Interesses der Kläger, von den Prozeßkosten freigestellt zu werden, bedurfte es des Feststellungsantrags nicht. Denn über die Prozeßkosten hätte der Senat nach § 138 Abs. 1 FGO auch nach beiderseitiger (uneingeschränkter) Erledigungserklärung hinsichtlich der Hauptsache entscheiden müssen. Dabei wäre der mutmaßliche Ausgang des Verfahrens über die Leistungsklage und damit auch die Wirksamkeit der vom FA erklärten Aufrechnung zu berücksichtigen gewesen. Eine Verzinsung des Lohnsteuererstattungsbetrags, auf die die Kläger ihr Feststellungsinteresse ferner stützen, würde auch dann nicht erfolgen, wenn der Senat (antragsgemäß) feststellen würde, daß die Aufrechung durch das FA rechtswidrig gewesen sei. Diese Feststellung beträfe den im Erhebungsverfahren ergangenen Abrechnungsbescheid, während die Verzinsungstatbestände des § 236 AO 1977 das Ergehen von Rechtsbehelfsentscheidungen oder gerichtlichen Entscheidungen im Festsetzungsverfahren voraussetzen (vgl. Urteil des Senats vom 12. Mai 1987 VII R 203/83, BFHE 150, 298, BStBl II 1987, 702; Höllig in Koch, Abgabenordnung - AO 1977, 3. Aufl., § 236 Anm. 4). Schließlich kann das Feststellungsinteresse der Kläger auch nicht auf ihr Interesse an einer Rehabilitierung wegen angeblicher Diskriminierung gegenüber den Nachbarn durch Vollstreckungsmaßnahmen des FA gestützt werden. Abgesehen davon, daß nicht näher dargetan worden ist, in welcher Form die angebliche Diskriminierung erfolgt sein soll, ist ein Zusammenhang einer etwaigen Vollstreckung mit der Aufrechungserklärung des FA, die die Kläger für rechtswidrig halten, nicht ersichtlich. Denn die Aufrechnung hat lediglich dazu geführt, daß den Klägern ihr Lohnsteuererstattungsbetrag 1981 nicht ausgezahlt worden ist.
Fundstellen
Haufe-Index 415541 |
BFH/NV 1988, 453 |