Leitsatz (amtlich)
Der Anspruch auf Gewährung einer Wohnungsbau-Prämie nach dem Wohnungsbau-Prämiengesetz entsteht mit dem Ablauf des Kalenderjahres, für das die Prämie gewährt wird.
Normenkette
WoPG §§ 1-2, 4 Abs. 1, 3 S. 2; StAnpG § 3 Abs. 1, 3; BewG 1965 § 110 Abs. 1 Nr. 1
Tatbestand
Der Beklagte und Revisionskläger (FA) hat bei der Vermögensteuerveranlagung des Klägers und Revisionsbeklagten (Kläger) auf den 1. Januar 1968 durch den Bescheid vom 8. Dezember 1971 unter den Kapitalforderungen eine im Jahre 1968 gewährte Wohnungsbau-Prämie für 1967 in Höhe von 400 DM angesetzt. Die Sprungklage, mit der der Kläger sich u. a. gegen den Ansatz dieser Wohnungsbau-Prämie wandte, hatte Erfolg. Das Urteil des FG ist in EFG 1973, 11 abgedruckt.
Das FA beantragt mit der Revision, die das FG wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Streitsache zugelassen hat, unter Aufhebung des FG-Urteils die Wohnungsbau-Prämie wieder beim sonstigen Vermögen anzusetzen und die Vermögensteuer entsprechend festzusetzen. Es wird Verletzung des § 110 Abs. 1 Nr. 1 BewG gerügt. Es müßten, da eine ausdrückliche gesetzliche Regelung über die Entstehung des Anspruchs auf Wohnungsbau-Prämie nicht bestehe, die Vorschriften über die Entstehung der Einkommensteuerschuld bzw. des Einkommensteuer-Erstattungsanspruchs bei der veranlagten Einkommensteuer angewandt werden. Die Einkommensteuerschuld bzw. der Einkommensteuer-Erstattungsanspruch entständen grundsätzlich mit Ablauf des Zeitraums, für den die Veranlagung vorgenommen werde. Das gelte unabhängig davon, wann die Steuererklärungen abgegeben und welche Anträge damit verbunden würden. Seien Anträge gestellt, z. B. der Antrag auf Behandlung der Beiträge an Bausparkassen als Sonderausgaben, so stellten sie nur die Rechtslage klar. Der Zeitpunkt der Antragstellung sei für den Ansatz der Kapitalforderung nicht rechtserheblich. Das FG habe sich zu Unrecht auf das Urteil des BFH vom 14. März 1969 III R 55/68 (BFHE 95, 551, BStBl II 1969, 482) berufen, das auf den vorliegenden Sachverhalt nicht anwendbar sei.
Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.
1. Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, daß es für den Ansatz des Anspruchs auf Wohnungsbau-Prämie entscheidend darauf ankommt, ob dieser Anspruch, der eine Kapitalforderung im Sinne des § 110 Abs. 1 Nr. 1 BewG 1965 ist, am maßgebenden Stichtag bereits entstanden war.
Der Senat folgt nicht der Auffassung des FG, daß der Anspruch auf Gewährung der Wohnungsbau-Prämie 1967 am 1. Januar 1968 noch nicht entstanden gewesen sei. Das FG begründet seine Auffassung damit, daß die Gewährung der Prämie von einer Antragstellung abhänge und der Prämienberechtigte ein Wahlrecht habe, ob er den Antrag stellen oder statt dessen die geleisteten Beiträge als Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 EStG geltend machen wolle. Das FG folgt damit der Auffassung des Klägers, der die Stellung des Antrags als ein conditio sine qua non für die Entstehung des Anspruchs bezeichnet. Der Kläger hat sich für seine Auffassung auch auf das Urteil des Senats III R 55/68 berufen. Der Senat hat in diesem Urteil entschieden, daß zu den Voraussetzungen für die Entstehung von Ansprüchen auf Umsatzsteuervergütung nach dem UStG a. F., wenn ihre Bemessungsgrundlage das vereinnahmte Entgelt war, auch der Buchnachweis über die Vereinnahmung des Entgelts gehöre. Er hat sich zur Begründung auf die Rechtsprechung des Umsatzsteuersenats des BFH (vgl. Urteil vom 29. Juli 1965 V 73/63 U, BFHE 83, 356, BStBl III 1965, 628, und die dort zitierten Entscheidungen) berufen, wonach der Buchnachweis zu den materiell-rechtlichen Voraussetzungen des Vergütungsanspruchs gehört. Das hat, wie im Urteil V 73/63 U ausgeführt wird, zur Folge, daß der Vergütungsanspruch ebenso wie der Steueranspruch erst entsteht, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Regelung knüpft (vgl. § 3 Abs. 3 in Verbindung mit § 3 Abs. 1 StAnpG). Das Erfordernis der Antragstellung unterscheidet sich jedoch gerade in diesem Punkt von dem Erfordernis des Buchnachweises bei den Ansprüchen auf Umsatzsteuervergütung. Denn die Stellung des Antrags gehört nicht zu den materiell-rechtlichen Voraussetzungen für die Entstehung des Anspruchs. Mit der Stellung des Antrags übt der Steuerpflichtige allerdings sein Wahlrecht aus. Nach der Rechtsprechung des VI. Senats bestimmt sich die Gewährung der Prämie allein danach, ob und in welcher Höhe sie in dem Antrag begehrt wird (vgl. BFH-Urteile vom 31. Januar 1969 VI R 307/67, BFHE 95, 364, und vom 18. August 1972 VI R 154/68, BFHE 107, 332, BStBl II 1973, 99). Der Antrag hat trotzdem keinen Einfluß auf die materiell-rechtliche Entstehung des Anspruchs auf Gewährung einer Prämie. Nach Auffassung des Senats liegt hier ein Fall vor, der mit den Fällen vergleichbar ist, in denen die Höhe der Steuerschuld von Erklärungen oder Handlungen des Steuerpflichtigen abhängig ist. Nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. z. B. BFH-Urteile vom 30. April 1965 III 94/61 U, BFHE 82, 425, BStBl III 1965, 402, unter I., letzter Absatz, und vom 9. Juli 1971 III R 6/70, BFHE 103, 217, BStBl II 1971, 795) wirken diese Erklärungen und Handlungen des Steuerpflichtigen auf den Stichtag zurück, weil davon auszugehen ist, daß der Steuerpflichtige bereits am Stichtag willens ist, in der später konkretisierten Weise zu entscheiden. Zu den materiell-rechtlichen Voraussetzungen für die Entstehung des Anspruchs auf Wohnungsbau-Prämie gehören nur die in § 1 WoPG 1967 genannten Voraussetzungen, daß es sich um eine unbeschränkt steuerpflichtige natürliche Person handelt, die Aufwendungen zur Förderung eines Wohnungsbaus im Sinne des § 2 WoPG gemacht hat. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, und ist das Kalenderjahr, für das nach § 4 Abs. 1 WoPG die Prämien gewährt werden, abgelaufen, so ist nach § 3 Abs. 3 in Verbindung mit § 3 Abs. 1 StAnpG der Anspruch auf Gewährung der Prämie entstanden. Das setzt allerdings voraus, daß die Vorschriften des § 3 StAnpG überhaupt auf die Wohnungsbau-Prämie angewandt werden können.
2. a) Eine unmittelbare Anwendung der Vorschriften des § 3 StAnpG auf die Wohnungsbau-Prämie scheidet nach Auffassung des Senats aus. Diese Vorschrift spricht von anderen Leistungen (als Steuern), die auf Grund der Steuergesetze geschuldet werden. Darunter fallen zwar auch Vergütungsansprüche. Sie müssen aber auf Grund eines Steuergesetzes vom Steuergläubiger geschuldet werden. Daran fehlt es bei der Wohnungsbau-Prämie. Das Wohnungsbau-Prämiengesetz ist kein Steuergesetz (vgl. Beschluß des BVerfG vom 12. Februar 1964 1 BvL 12/62, BVerfGE 17, 210, BStBl I 1964, 46). Wie der BFH mehrfach ausgesprochen hat, besteht zwischen den Steuern (einschließlich der Steuervergütungen und Nebenleistungen) und den Wohnungsbau-Prämien ein tiefgreifender Unterschied: Die Steuererhebung ist ein Akt des staatlichen Eingriffs in das Vermögen des Bürgers; die Steuerverwaltung wird deshalb mit Recht als eine Eingriffsverwaltung bezeichnet. Die Gewährung von staatlichen Prämien für ein bestimmtes Verhalten des Bürgers ist dagegen eine freiwillige Vergünstigung des Staates, die die Bürger bereichert; die Prämiengewährung ist daher ein Akt der darreichenden Verwaltung (vgl. BFH-Urteile vom 25. November 1966 VI 317/65, BFHE 88, 36, BStBl III 1967, 299, und vom 28. Juni 1968 VI 316/65, BFHE 93, 36, BStBl II 1968, 687). Trotz dieser Wesensunterschiede kann eine entsprechende Anwendung von Vorschriften des Abgabenrechts auch auf die Ansprüche auf Wohnungsbau-Prämien in Betracht kommen, wenn das der Systematik und dem Sinn und Zweck des Wohnungsbau-Prämiengesetzes nicht widerspricht. So hat der BFH in dem Urteil VI 317/65 die Vorschrift des § 131 AO und in dem Urteil vom 28. April 1972 VI R 74/70 (BFHE 106, 177, BStBl II 1972, 812) die Vorschriften der §§ 144 Abs. 2, Abs. 1 Satz 1 und 145 Abs. 2 Nr. 5 AO hinsichtlich der Verjährung von Ansprüchen des FA auf Rückforderung von Wohnungsbau-Prämie für entsprechend anwendbar erklärt. Der Senat ist der Auffassung, daß auch die Vorschrift des § 3 StAnpG für die Entstehung des Anspruchs auf Wohnungsbau-Prämien entsprechend angewandt werden muß. Das könnte schon deswegen erforderlich sein, weil nach § 4 Abs. 3 Satz 2 WoPG das FA die Voraussetzungen für die Gewährung der Prämie prüfen muß und dabei die Vorschriften der Reichsabgabenordnung entsprechend Anwendung finden und weil in § 1 WoPG die geforderten Grundvoraussetzungen für die Gewährung von Prämien sich gerade auf die Frage beziehen, ob ein Anspruch überhaupt entstanden ist. Entscheidend spricht jedoch für eine entsprechende Anwendung der Vorschrift des § 3 StAnpG gerade die dem Bausparer eingeräumte Wahlmöglichkeit. Dieses Wahlrecht ermöglicht es dem Sparer, seine Sparleistung bei der Steuerfestsetzung geltend zu machen und beweist damit den engen Zusammenhang mit der Besteuerung. Entgegen der Auffassung des Klägers führt es nicht zu einer ungleichmäßigen Behandlung der Bausparer, wenn man unter Anwendung des § 3 StAnpG den Anspruch auf Wohnungsbau-Prämie schon mit dem Ablauf des Kalenderjahres als entstanden ansieht, in dem eine unbeschränkt natürliche Person Aufwendungen im Sinne des § 2 WoPG geleistet hat. Es würde umgekehrt eine ungleichmäßige Behandlung der Bausparer eintreten, wenn man der Ansicht des Klägers folgen würde. Denn dann wäre der Anspruch des Bausparers, der einen Antrag auf Wohnungsbau-Prämie stellt, zu Beginn des Jahres der Antragstellung noch nicht bei der Vermögensteuer zu erfassen. Bei dem Bausparer aber, der seine Aufwendungen als Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 EStG geltend macht, würde sich die Abschlußzahlung an Einkommensteuer für das vergangene Jahr entsprechend ermäßigen bzw. ein etwaiger Einkommensteuer-Erstattungsanspruch wegen Überzahlung sich entsprechend erhöhen. Das würde sich, weil für die Höhe von Einkommensteuer-Vorauszahlungen bzw. für die Höhe von Einkommensteuer-Erstattungsansprüchen § 3 StAnpG unmittelbar anwendbar ist, bei ihm bereits auf den 1. Januar des den Aufwendungen folgenden Jahres vermögensteuerlich in einer Erhöhung des steuerpflichtigen Vermögens auswirken. Es ergeben sich entgegen der Auffassung des Klägers auch keine praktischen Schwierigkeiten, weil zur Zeit der Vornahme der Vermögensteuerveranlagung in aller Regel die Frist zur Antragstellung nach § 4 Abs. 2 WoPG bereits abgelaufen ist.
3. Da das FG von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen ist, war die Vorentscheidung aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Die Vermögensteuer war in Abänderung des angefochtenen Vermögensteuerbescheids auf den 1. Januar 1968 auf ... DM festzusetzen.
Fundstellen
Haufe-Index 70715 |
BStBl II 1974, 82 |
BFHE 1974, 572 |