Leitsatz (amtlich)
Nachträgliche Betriebsausgaben sind auch gezahlte Betriebssteuern, wenn bei Gewinnermittlung auf den Zeitpunkt der Betriebsaufgabe eine Schlußbilanz nicht erstellt wurde und dies nicht zur Erlangung ungerechtfertigter Steuervorteile geschah.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 3-4, § 24 Nr. 2
Tatbestand
Die Ehefrau des Klägers und Revisionsbeklagten (Kläger) betrieb bis zum 14. Januar 1974 ein Einzelhandelsgeschäft, das sie danach bis November 1974 verpachtete. Der Gewinn aus Gewerbebetrieb wurde nach § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ermittelt. Nach der Einnahme-Überschußrechnung für die Zeit vom 1. Januar bis 14. Januar 1974 erzielte die Ehefrau des Klägers einen Gewinn von 5 881,45 DM; Zu- und Abrechnungen für Forderungen oder Verbindlichkeiten wurden nicht vorgenommen. Die Pachteinkünfte für die Zeit vom 14. Januar bis November 1974 wurden als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erklärt.
Bei der Zusammenveranlagung der Eheleute zur Einkommensteuer für 1974 ging der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) von einer Betriebsaufgabe zum 14. Januar 1974 aus und ermittelte wegen eines Veräußerungsgewinns nach einem für erforderlich erachteten Übergang von der Gewinnermittlung durch Überschußrechnung zu einer solchen durch Betriebsvermögensvergleich. Eine Anfrage beim Steuerberater der Eheleute nach weiteren Aktiv- oder Passivposten wurde verneint.
Mit der Einkommensteuererklärung für 1976 machten der Kläger und seine Ehefrau einen nachträglichen gewerblichen Verlust der Ehefrau in Höhe von 1 774 DM geltend, der sich aus Aufwendungen für Umsatzsteuer 1973 und 1974 sowie Gewerbesteuer 1974 zusammensetzt. Das FA lehnte eine Berücksichtigung des Verlustes unter Hinweis auf Abschn. 17 Abs. 5 und Abschn. 19 der Einkommensteuer-Richtlinien (EStR) ab und erließ einen entsprechenden Bescheid. Nach erfolglosem Einspruch gab das Finanzgericht (FG) der Klage mit der in Entscheidungen der Finanzgerichte 1979 S. 379 veröffentlichten Entscheidung statt und führte im wesentlichen aus:
Nach allgemeiner auch vom FG geteilten Rechtsmeinung sei bei Veräußerung oder Aufgabe eines Betriebs, dessen Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelt wurde, zur Erzielung des richtigen Gesamtergebnisses im Abschlußjahr ein Übergang von der Überschußrechnung zum Vermögensvergleich vorzunehmen. Daraus sei aber nicht weitergehend zu folgern, daß der Steuerpflichtige von der Geltendmachung nachträglicher, bislang nicht berücksichtigter Betriebsaufwendungen ausgeschlossen sein soll. Der Grundsatz einer periodengerechten Gewinnermittlung müsse hinter der Richtigkeit der Besteuerung des einzelnen Geschäftsvorfalls zurücktreten. Eine Ausnahme gelte nur für den Fall, daß die Berücksichtigung von Betriebsausgaben willkürlich unterblieben sei, um ungerechtfertigte Steuervorteile zu erlangen. Diese Erwägungen träfen auch auf den zu beurteilenden Fall zu. Im Streitfall könne nicht davon ausgegangen werden, daß die umstrittenen Ausgaben willkürlich verlagert worden seien, zumal eine Berücksichtigung im Jahr 1974 für den Kläger und seine Ehefrau günstiger gewesen wäre. Daran ändere auch nichts, daß im Hinblick auf die Rückfrage des FA der Nichtausweis der den Betriebsaufwendungen zugrunde liegenden Verbindlichkeiten auf eine nicht unerhebliche Sorgfaltsverletzung der Kläger schließen lasse.
Mit der Revision rügt das FA unrichtige Rechtsanwendung und macht geltend:
Die vom FG aus dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 4. August 1977 IV R 119/73 (BFHE 123, 154, BStBl II 1977, 866) übernommenen Grundsätze seien, im Gegensatz zum vorliegenden Streitfall, im Zusammenhang mit dem Übergang vom Betriebsvermögensvergleich zur Überschußrechnung aufgestellt worden. Hiervon abgesehen liege in einer Nichtberücksichtigung der nachträglichen Ausgaben auch keine Härte. Der Kläger und seine Ehefrau seien bei der Abgabe der Einkommensteuererklärung für 1974 steuerlich beraten gewesen, außerdem habe das FA wegen eines Wechsels der Gewinnermittlungsart Rückfrage gehalten. Es könne auch eine willkürliche Verlagerung von Ausgaben unterstellt werden, weil damit habe spekuliert werden können, daß die Ausgaben sich in 1976 infolge zu erwartender steigender Einkommensverhältnisse günstiger auswirken würden als in 1974.
Unrichtig sei die Kostenentscheidung des FG. Bei einem Unterliegen des FA hätten die Kosten dem Kläger auferlegt werden müssen, weil die umstrittenen Aufwendungen erstmals mit der Klage geltend gemacht worden seien; vorher sei trotz Aufforderung keine Einspruchsbegründung eingereicht worden.
Das FA beantragt - sinngemäß -, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist unbegründet.
Das FG hat zu Recht die Betriebssteuern zum Abzug zugelassen und dem FA die Kosten des Klageverfahrens auferlegt.
1. Die im Streitjahr 1976 gezahlten Umsatzsteuern und Gewerbesteuern für 1973 und 1974 sind nachträgliche Betriebsausgaben (§ 24 Nr. 2, § 4 Abs. 4 EStG).
Nachträgliche Betriebsausgaben sind auch gezahlte Betriebssteuern, wenn bei Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG auf den Zeitpunkt der Betriebsaufgabe eine Schlußbilanz nicht erstellt wurde und dies nicht zur Erlangung ungerechtfertigter Steuervorteile geschah. Nach dem BFH-Urteil in BFHE 123, 154, BStBl II 1977, 866, können auch nach einem Übergang von der Gewinnermittlung nach § 5 EStG zur Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG Tilgungsleistungen auf Verbindlichkeiten, die im Rahmen des Vermögensvergleichs durch Ansatz eines Passivpostens hätten berücksichtigt werden müssen, bei späterer Zahlung Betriebsausgaben sein; eine Ausnahme gilt für den Fall, daß vom Ansatz eines Passivpostens bei der Gewinnermittlung nach § 5 EStG unter bewußter Außerachtlassung der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung abgesehen wurde, um auf diese Weise einen ungerechtfertigten steuerlichen Vorteil zu erlangen. Nachträgliche Betriebsausgaben kommen auch in Betracht, wenn bei einer Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG keine Schlußbilanz erstellt wird. Auch hier besteht kein Anlaß, den nachträglichen Betriebsausgabenabzug zu versagen, wenn festgestellt wird, daß das Aufstellen einer Schlußbilanz nicht deshalb unterblieb, um Beträge in ein späteres Jahr zu verlagern und dadurch ungerechtfertigte Steuervorteile zu erlangen.
Diesen Grundsätzen entspricht die Vorentscheidung. Wenn das FG nach seinen zutreffenden Rechtsüberlegungen zu dem Ergebnis gelangt ist, daß die streitigen Ausgaben nicht in willkürlicher Weise zur Erlangung eines unberechtigten Steuervorteils in das Streitjahr verlagert wurden, so liegt auch insoweit kein Rechtsfehler vor. Die Annahme, daß nicht willkürlich gehandelt wurde, beruht auf der Feststellung, daß sich eine Berücksichtigung des Aufwands in 1974 für den Kläger und seine Ehefrau günstiger dargestellt hätte. An diese Feststellung ist der Senat gebunden (§ 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
2. Die Kosten des Klageverfahrens hatte das FA nach § 135 Abs. 1 FGO zu tragen. Die Voraussetzungen des § 137 FGO lagen nicht vor. Die umstrittenen Ausgaben wurden bereits in der Einkommensteuererklärung 1976 geltend gemacht, wie das FG festgestellt hat, und vom FA aus Rechtsgründen nicht berücksichtigt. Es ist nicht zu ersehen, welche rechtserheblichen Tatsachen noch weiter hätten geltend gemacht oder bewiesen werden können und sollen (§ 137 FGO).
Fundstellen
Haufe-Index 73635 |
BStBl II 1980, 692 |
BFHE 1981, 206 |
StBp 2007, 364 |