Entscheidungsstichwort (Thema)
Aktivierung von Baumaßnahmen auf fremdem Grund und Boden - Bebauung eines zum Gesellschaftsvermögen gehörenden Grundstücks durch einen Gesellschafter
Leitsatz (NV)
1. Baumaßnahmen auf fremdem Grund und Boden, die ein Gewerbetreibender aufgrund eines ihm eingeräumten Nutzungsrechts durchführt, sind wie materielle Wirtschaftsgüter mit ihren Herstellungskosten zu aktivieren. Von diesem Grundsatz ist auch auszugehen, wenn der Nutzungsberechtigte die geschaffenen Bauten zur Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung verwendet.
2. Hat eine Personenhandelsgesellschaft einem ihrer Gesellschafter ein Nutzungsrecht an einem zum Gesellschaftsvermögen gehörenden Grundstück eingeräumt und bebaut der Gesellschafter das Grundstück mit einem der Fremdvermietung dienenden Gebäude, so gehört das Gebäude nicht zum Sonderbetriebsvermögen des Gesellschafters.
Normenkette
EStG § 6 Abs. 1 Nr. 1, §§ 7b, 15 Abs. 1 Nr. 2
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin zu 1 (Klägerin), eine Kommanditgesellschaft, betrieb einen . . . großhandel. Komplementär und Hauptgesellschafter mit 60 v. H. der Gesellschaftsanteile war der Kläger und Revisionskläger zu 2 (Kläger). Im Juli 1965 erwarb die Klägerin ein unbebautes Grundstück; sie wurde im Grundbuch als Eigentümerin eingetragen. Im Jahre 1967 wurde das Grundstück mit einem Gebäude bebaut, das Geschäftsräume für die KG und zusätzlich 19 Wohnungen enthielt. Zwischen den Gesellschaftern war mündlich vereinbart, daß der Kläger die Baukosten für die Wohnungen übernehmen und sie allein finanzieren solle; ihm wurden die Mietüberschüsse aus den Wohnungen zugestanden.
Die KG behandelte deswegen zwar die gesamte Bodenfläche, aber nur den betrieblich genutzten Teil des Gebäudes als Betriebsvermögen; der Kläger erfaßte die Einnahmen und Ausgaben aus der Vermietung und die Absetzung für Abnutzung (AfA) auf den vermieteten Gebäudeteil bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung. Dem lag ein im Dezember 1965 mit dem Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA -) geführter Schriftwechsel zugrunde, in dem die KG die Bebauungsabsicht und die Vereinbarung der Gesellschafter hinsichtlich des Wohnungsbaus mitteilte. Das FA antwortete darauf, daß für den nicht eigenbetrieblich genutzten Teil des Bauwerks Abschreibungen nach § 7 b des Einkommensteuergesetzes (EStG) zulässig seien, sofern er zu mehr als 66 2/3 v. H. Wohnzwecken diene; eine getrennte Rechnungslegung erscheine zweckmäßig. Diese Nachricht ergehe unter dem Vorbehalt anderweitiger Entscheidung, falls sich später ein anderer Tatbestand herausstelle.
Aufgrund einer 1971 durchgeführten Betriebsprüfung für die Jahre 1967 bis 1969 wurde jedoch auch der Wohnteil dem Betriebsvermögen der KG hinzugerechnet und in Sonderbilanzen des Gesellschafters erfaßt. Die Klägerin schloß sich dem in den Folgejahren bis 1981 an; 1982 behandelte sie den Wohnteil jedoch wieder als Privatvermögen des Komplementärs. Nach einer weiteren Betriebsprüfung folgte das FA in den geänderten bzw. für vorbehaltlos erklärten Gewinnfeststellungsbescheiden 1975 bis 1980, in dem Gewerbesteuerbescheid 1977 bis 1980 und in den Einheitswertfeststellungen zum 1. Januar 1977, 1979 und 1980 jedoch der bisherigen Handhabung; in den erstmaligen Gewinnfeststellungsbescheiden 1982 und 1983 und im Gewerbesteuerbescheid 1982 wurde der Wohnteil ebenfalls als Betriebsvermögen der Klägerin behandelt.
Die hiergegen auch wegen eines anderen Punktes erhobene Klage blieb erfolglos.
Mit der vom Finanzgericht (FG) zugelassenen Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts.
Die Kläger beantragen, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils der Klage stattzugeben.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Kläger erweist sich als begründet.
1. Das FG hat die Ergebnisse aus der Vermietung des Wohnteils des Gebäudes allein deshalb in den Gewinn der Klägerin einbezogen, weil diese Eigentümerin des Grundstücks und deshalb nach den §§ 90 und 94 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) auch des aufstehenden Gebäudes mitsamt dem Wohnteil war. Es hat dabei jedoch nicht berücksichtigt, daß die Herstellungskosten für den Wohnteil allein vom Kläger getragen worden sind und deshalb von der Klägerin nicht aktiviert werden konnten, und daß ferner die Vermietung unter Übernahme aller Aufwendungen und Erträge allein vom Kläger durchgeführt worden ist; da es sich nicht um Geschäfte der Klägerin handelte, konnten sie nicht in ihr geschäftliches Ergebnis eingehen. Vielmehr ist entsprechend der tatsächlichen Gestaltung davon auszugehen, daß die Klägerin einen Teil ihres Grundstücks dem Kläger zur Bebauung und zur Nutzung im eigenen Interesse mit der Folge überlassen hat und daß das Ergebnis der Bebauung und Vermietung allein den Kläger trifft.
2. Dies setzt nicht voraus, daß der Kläger wirtschaftlicher Eigentümer des Wohnungsteils des Gebäudes geworden ist. Hierfür wäre zu verlangen, daß die Klägerin als zivilrechtliche Eigentümerin durch vertragliche Vereinbarung oder aus anderen Gründen von der Einwirkung auf den fraglichen Gebäudeteil auf Dauer ausgeschlossen wäre (vgl. § 39 Abs. 2 Nr. 1 der Abgabenordnung - AO 1977 -) oder ihr Herausgabeanspruch als Eigentümerin abbedungen oder ohne wirtschaftliche Bedeutung wäre (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 20. Mai 1988 III R 151/86, BFHE 153, 566, BStBl II 1989, 269, m. w. N.). Das FG hat diese Voraussetzungen als nicht erfüllt angesehen, weil dem Kläger die Nutzungsbefugnis lediglich durch einen Beschluß der Gesellschafter eingeräumt war, und seine Nutzungsbefugnis von der Fortdauer der Gesellschaftsbeteiligung abhing.
3. In der Rechtsprechung des BFH ist jedoch seit langem anerkannt, daß Baumaßnahmen auf fremdem Grund und Boden, mit denen ein eingeräumtes Nutzungsrecht wahrgenommen wird, von Steuerpflichtigen mit Einkünften aus Gewerbebetrieb oder freiem Beruf wie materielle Wirtschaftsgüter mit ihren Herstellungskosten zu aktivieren sind, obwohl dem der Sache nach schuldrechtliche Ansprüche aus § 951 BGB zugrunde liegen (vgl. BFH-Urteile vom 31. Oktober 1978 VIII R 182/75, BFHE 127, 163, BStBl II 1979, 399; vom 31. Oktober 1978 VIII R 196/77, BFHE 127, 168, BStBl II 1979, 401; vom 31. Oktober 1978 VIII R 146 /75, BFHE 127, 501, BStBl II 1979, 507; vom 10. August 1984 III R 98/83, BFHE 142, 90, BStBl II 1984, 805; vom 11. Dezember 1987 III R 188/81, BFHE 152, 125, BStBl II 1988, 493); in dieser Weise werden auch Einbauten eines Mieters berücksichtigt, selbst wenn dieser weder zivilrechtlicher noch wirtschaftlicher Eigentümer ist (BFH-Urteil vom 26. Februar 1975 I R 32/73, BFHE 115, 238, BStBl II 1975, 443).
Von diesem Grundsatz ist auch auszugehen, wenn der Nutzungsberechtigte die geschaffenen Bauten zur Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung verwendet. Gebäude und Baumaßnahmen müssen im Bereich der Gewinneinkünfte und der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung nach gleichen Grundsätzen behandelt werden (BFH-Beschluß vom 26. November 1973 GrS 5 /71, BFHE 111, 242, BStBl II 1974, 132); auch der Umfang der Anschaffungs- und Herstellungskosten stimmt überein (vgl. Beschluß vom 26. Januar 1989 IV R 300 /84, BFHE 155, 552, BStBl II 1989, 411). Die Ausgaben des Nutzungsberechtigten für die Baumaßnahmen sind deswegen im Wege der AfA zu verteilen; dem stimmt auch die Finanzverwaltung zu (Schreiben des Bundesministers der Finanzen - BMF - vom 4. Juni 1986, BStBl I 1986, 318; Abschn. 42 Abs. 1 Satz 4 der Einkommensteuer-Richtlinien - EStR -).
Im Streitfall ist das Nutzungsrecht allerdings von einer Personenhandelsgesellschaft eingeräumt worden, an der der Nutzungsberechtigte selbst beteiligt war. Dies führt aber nicht zu einem anderen Ergebnis. Entgeltliche Leistungen der Gesellschaft an ihren Gesellschafter sind grundsätzlich wie Geschäfte mit Dritten zu behandeln. Deswegen ist auch eine unentgeltliche Nutzungsüberlassung zu berücksichtigen; sie führt allerdings zu Entnahmen in Höhe der von der Gesellschaft übernommenen Aufwendungen (BFH-Urteil vom 24. März 1983 IV R 123/80, BFHE 138, 337, BStBl II 1983, 598). Aufwendungen der Klägerin aus der unentgeltlichen Nutzungsüberlassung an den Kläger hat das FA aber nicht festgestellt.
4. Da das Nutzungsrecht des Klägers nicht seiner Beteiligung an der Klägerin diente, vielmehr Frucht dieser Beteiligung war, konnte es nicht als Sonderbetriebsvermögen in einer Sonderbilanz erfaßt werden; auch gewillkürtes Sonderbetriebsvermögen kann insoweit schon deswegen nicht angenommen werden, weil die Bilanzierung in eine Sonderbilanz allein auf der Vorstellung des FA beruhte und der Kläger keine Einlagehandlung vorgenommen hat (BFH-Urteile vom 2. Juli 1969 I R 143/66, BFHE 96, 302, BStBl II 1969, 617; vom 13. Oktober 1983 I R 76/79, BFHE 140, 182, BStBl II 1984, 294). Das Nutzungsrecht ging deswegen auch nicht in den Gewinnfeststellungsbescheiden 1975 bis 1980, 1982 und 1983 festzustellenden Gewinn der Mitunternehmer ein. Ob dies auch aus der seitens des FA erteilten Zusage folgt, kann offenbleiben.
Nutzungsrecht und Nutzungserträge waren demgemäß auch in den angefochtenen Gewerbesteuerbescheiden 1977 bis 1980 und 1982 sowie in den Einheitswertfeststellungen auf den 1. Januar 1977, 1979 und 1980 außer Betracht zu lassen.
Die Neuberechnung wird in allen Fällen gemäß Art. 3 Nr. 4 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs dem FA übertragen.
Fundstellen
Haufe-Index 416537 |
BFH/NV 1990, 422 |