Leitsatz (amtlich)
Hat sich jemand in einem Vertrag, durch den ihm ein Grundstück geschenkt worden ist, verpflichtet, Miteigentumsanteile an dem Grundstück auf seine Kinder zu übertragen, wobei es ihm freigestellt worden ist, den Zeitpunkt der Weiterübertragung selbst zu bestimmen, und überträgt er entsprechende Miteigentumsanteile zu seinen Lebzeiten auf seine Kinder, so ist dieser Erwerb der Kinder als Erwerb von einem Elternteil zu versteuern.
Normenkette
ErbStG 1974 § 7 Abs. 1 Nrn. 1-2, § 15 Abs. 1, § 16 Abs. 1 Nr. 2; BGB § 525
Verfahrensgang
Tatbestand
Durch notariell beurkundeten Vertrag vom 13. Januar 1973 hatte der inzwischen verstorbene Kaufmann A einer seiner Nichten, der Mutter des Klägers, ein bebautes Grundstück (mit 15 Wohnungen) unter Vereinbarung einer Rente "im Wege verfrühter Erbfolge" übertragen. Die Mutter des Klägers hatte sich verpflichtet, auf ihre sechs Kinder je zwei Wohnungen zu übertragen, wobei ihr sowohl der Zeitpunkt der Übertragung als auch die rechtliche Form (z. B. Wohnungseigentum oder ideelle Miteigentumsanteile) überlassen worden war. Diese Verpflichtung erfüllte die Mutter des Klägers durch den notariell beurkundeten Vertrag vom 28. August 1976. Sie übertrug "im Wege vorweggenommener Erbfolge unentgeltlich" je 2/15 Miteigentumsanteile auf ihre sechs Kinder unter Übernahme der eingetragenen Belastungen.
Das beklagte Finanzamt (FA) sah in der Übertragung der Miteigentumsanteile den Vollzug von Auflagen, die der Grundstücksschenkung vom 13. Januar 1973 beigefügt worden waren. Es setzte u. a. gegen den Kläger durch Steuerbescheid vom 27. April 1977 Schenkungsteuer in Höhe von 5 780 DM fest, wobei es die Steuer nach der Steuerklasse IV berechnete.
Nach erfolglosem Einspruch hatte der Kläger mit seiner Klage geltend gemacht, es liege nicht die Vollziehung einer Auflage im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 2 des Erbschaftsteuergesetzes 1974 (ErbStG 1974) vor, sondern eine Schenkung seiner Mutter an ihn, die wegen des Steuerfreibetrages von 90 000 DM zu keiner Steuer führe. Er hat beantragt, den Schenkungsteuerbescheid und die Einspruchsentscheidung ersatzlos aufzuheben.
Das Finanzgericht hat die Klage abgewiesen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers, mit der er sein Klagebegehren weiterverfolgt hat, ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und des angefochtenen Steuerbescheides in der Gestalt der Einspruchsentscheidung.
Der Erwerb eines Grundstücksmiteigentumsanteils durch den Kläger, der der Schenkungsteuer unterliegt, ist nach der Steuerklasse I zu versteuern (§ 15 Abs. 1 - Nr. 2 der Aufzählung zu Steuerklasse I - Erbschaftsteuergesetz 1974). Nach Abzug des Freibetrages von 90 000 DM (§ 16 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG 1974) verbleibt kein steuerpflichtiger Erwerb.
Im vorliegenden Fall ist von der Schenkung eines Grundstücksmiteigentumsanteils durch die Mutter des Klägers an diesen aufgrund des Vertrages vom 28. August 1976 auszugehen. Denn dem Kläger stand vor diesem Tag kein einklagbarer Anspruch auf Übertragung eines Grundstücksmiteigentumsanteils zu. Die Übertragung des Grundstücksmiteigentumsanteils am 28. August 1976 beruhte vielmehr auf einer eigenen Entscheidung der Mutter des Klägers. Sie hat dem Kläger aus eigenem Entschluß an diesem Tage einen Grundstücksmiteigentumsanteil geschenkt.
Entgegen der Annahme des Finanzamtes und des Finanzgerichtes liegt in der Übertragung des Grundstücksmiteigentumsanteils am 28. August 1976 nicht die Vollziehung einer von A angeordneten Auflage. Nach Nummer 3 des Vertrages vom 13. Januar 1973 war die Mutter des Klägers zwar zur Übertragung von Grundstücksmiteigentumsanteilen (gegebenenfalls auch in der Form von Wohnungseigentum) verpflichtet. Da der Zeitpunkt der Übertragung aber in ihrem Belieben stand, hätte die Vollziehung dieser Vertragsklausel ohne den Entschluß der Mutter des Klägers zum Abschluß des Vertrages vom 28. August 1976 zu diesem Zeitpunkt nicht verlangt werden können. Das Interesse des A, einen Grundstücksmiteigentumsanteil dem Kläger zukommen zu lassen, beschränkte sich erkennbar auf den Zeitpunkt des Todes der Mutter des Klägers. Denn diese hatte es nach dem Vertrag vom 13. Januar 1973 in der Hand, bis zum Ende ihres Lebens Grundstückseigentümerin zu bleiben. Wenn sie hierauf bereits nach wenigen Jahren zugunsten ihrer Kinder hinsichtlich der übertragenen Miteigentumsanteile verzichtete, so tat sie dies aus eigenem Entschluß und nicht in Erfüllung einer Auflage im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG 1974. Die Übertragung von Grundstücksmiteigentumsanteilen auf ihre Kinder zu einem Zeitpunkt, zu dem sie aufgrund des Vertrages mit A hierzu noch nicht verpflichtet war, ist unter diesen Umständen als Schenkung der Grundstücksmiteigentumsanteile durch die Mutter auf ihre Kinder anzusehen und schenkungsteuerrechtlich entsprechend zu behandeln.
Bei dieser Sachlage bedarf die strittige Frage keiner Entscheidung, ob in der Nummer 3 des Vertrages vom 13. Januar 1973 überhaupt eine Auflage im Sinne des § 525 BGB und des § 7 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG 1974 zu sehen ist. Es könnte vielmehr im Sinne des § 139 BGB ein einheitlicher Vertrag anzunehmen sein, durch den einerseits A der Mutter des Klägers das Grundstück schenkte und andererseits die Mutter des Klägers ein Schenkungsversprechen über Grundstücksmiteigentumsanteile gegenüber ihren Kindern abgab, wobei sie sich den Zeitpunkt der Ausführung des Schenkungsversprechens vorbehielt (vgl. in diesem Zusammenhang auch Staudinger/Ostler, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 11. Aufl., § 525 Tz. 8 a).
Fundstellen
Haufe-Index 74381 |
BStBl II 1982, 736 |
BFHE 1983, 422 |