Entscheidungsstichwort (Thema)
Bewirtungskosten als Betriebsausgaben
Leitsatz (NV)
Auch bei zahlenmäßig geringen Bewirtungsvorgängen müssen die Aufwendungen hierfür gemäß § 4 Abs. 7 EStG einzeln und getrennt von den sonstigen Betriebsausgaben aufgezeichnet werden.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 5 Nr. 2, Abs. 7
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Student und ferner als . . . tätig. Es handelt sich nach Angaben des Beklagten und Revisionsklägers (Finanzamt - FA -) um eine freiberufliche Tätigkeit mit Betriebseinnahmen von 15 472 DM im Jahr 1985 und von 20 896 DM im Jahre 1986. Der Kläger machte in seinen Einkommensteuererklärungen als Betriebsausgaben u.a. Bewirtungskosten geltend. Den von ihm vorgelegten Gaststättenrechnungen war nur zum Teil der als Bewirtungsnachweis vorgeschriebene amtliche Vordruck der Anlage 3a der Einkommensteuer-Richtlinien (EStR) beigefügt. Da zudem die von § 4 Abs. 7 des Einkommensteuergesetzes (EStG) geforderten getrennten Aufzeichnungen auf Anforderung des FA nicht vorgelegt werden konnten, versagte dieses den Abzug der geltend gemachten Bewirtungskosten von 288 DM im Jahre 1985 und von 477 DM im Jahre 1986 insgesamt und setzte die Einkommensteuer für die Jahre 1985 und 1986 entsprechend fest.
Das Finanzgericht (FG) gab der nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage teilweise statt. Es erkannte die geltend gemachten Bewirtungskosten insoweit nicht an, als der Bewirtungsnachweis nach Anlage 3a EStR nicht vorhanden war. Im übrigen hielt es die Bewirtungskosten trotz der fehlenden Aufzeichnungen für abziehbar. Das FG folgte zunächst der vom Kläger vorgetragenen Darstellung, die Bewirtungskosten seien bei Einladung der von ihm betreuten teilweise psychisch gestörten Personen entstanden; die Einladungen hätten dem Ziele gedient, den menschlichen Kontakt zu den betreuten Personen zu vertiefen. Das FG hat sich aufgrund des bei der mündlichen Verhandlung gewonnenen Eindrucks davon überzeugt gezeigt, daß diese Aufwendungen betrieblich veranlaßt waren, ohne jedoch des näheren darzulegen, auf welche Gesichtspunkte sich diese Überzeugungsbildung stützt.
Ausgehend von den Urteilen des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 26. Februar 1988 III R 20/85 (BFHE 152, 509, BStBl II 1988, 613) und vom 10. März 1988 IV R 207/85 (BFHE 152, 528, BStBl II 1988, 611) bejaht das FG zwar grundsätzlich die Aufzeichnungspflicht nach § 4 Abs. 7 EStG auch für diejenigen Steuerpflichtigen, die ihren Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermitteln. Im Hinblick auf die geringen Aufzeichnungspflichten, die Freiberufler im Rahmen dieser Gewinnermittlung oblägen, könne jedoch von der besonderen Aufzeichnungspflicht des § 4 Abs. 7 EStG in Bagatellfällen abgesehen werden. Im Streitfall sei ein solcher Bagatellfall gegeben, da im Jahre 1985 nur sechs und im Jahre 1986 nur zehn Bewirtungsvorgänge angefallen seien. In Fällen dieser Art stelle im Hinblick auf das mit § 4 Abs. 7 EStG verfolgte Gesetzesziel das Beharren auf Aufzeichnungspflicht einen Formalismus dar. Die besondere Aufzeichnungspflicht mache nur dort einen Sinn, wo der Steuerpflichtige überhaupt Aufzeichnungen zur Gewinnermittlung führe; eine sich bloß auf Bewirtungsaufwendungen beschränkende Aufzeichnung biete keine Gewähr dafür, Manipulationsmöglichkeiten entgegenzuwirken. Eine leichte und sichere Prüfung sei bei wenigen Belegen ohnehin gewährleistet. Da die Finanzverwaltung von sich aus diesen Gesichtspunkten nicht durch eine Bagatellregelung Rechnung getragen habe, müsse von Gerichts wegen der Wortlaut des § 4 Abs. 7 EStG einschränkend ausgelegt werden.
Mit der vom FG zugelassenen Revision macht das FA geltend, das FG sei vom Urteil in BFHE 152, 528, BStBl II 1988, 611 abgewichen. Der Kläger hat sich nicht geäußert.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des FG-Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
Der erkennende Senat hat bereits im Urteil in BFHE 152, 528, BStBl II 1988, 611 unter Bezugnahme auf sein Urteil vom 10. Januar 1974 IV R 80/73 (BFHE 111, 111, BStBl II 1974, 211) zur Frage der Aufzeichungspflicht nach § 4 Abs. 7 EStG in sog. Bagatellfällen Stellung genommen. In der damaligen vorinstanzlichen Entscheidung (Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1973, 483) war die Auffassung vertreten worden, nach absoluter Zahl und im prozentualen Verhältnis geringfügige Fehlbuchungen könnten vernachlässigt werden. Demgegenüber hat der Senat im Urteil in BFHE 111, 111, BStBl II 1974, 211 des näheren dargelegt, daß sich der Gesetzgeber für eine formstrenge Lösung entschieden habe, welche nicht auf die Besonderheiten des Einzelfalls abhebe, sondern mit einem auf das Typische zugeschnittenen formalen Kriterium arbeite. In diesem Zusammenhang hat er auf die Gefahren hingewiesen, welche sich im Einzelfall bei der Abgrenzung des Normfalls vom Bagatellfall unter dem Gesichtspunkt einer gleichmäßigen Behandlung der Steuerpflichtigen ergeben können. Es lassen sich in der Tat weder nach absoluter Zahl noch unter Anwendung von Prozentsätzen allgemeingültige Grenzen festlegen, die einen der Aufzeichnungspflicht nach § 4 Abs. 7 EStG unterliegenden Normalfall von einem nicht aufzeichnungspflichtigen Bagatellfall trennen sollen. Läßt sich aber nicht mit hinreichender Sicherheit vorausbestimmen, was das FA und letzlich die Finanzgerichte als Bagatellfall beurteilen würden, erweist sich die Einführung einer Bagatellgrenze mit unbestimmbaren Merkmalen als ein nur scheinbarer Vorteil für den Steuerpflichtigen. Er allein würde die Risiken einer solchen Bagatellfallregelung tragen, bei der zudem die Gefahr einer unterschiedlichen und damit die Gleichbehandlung der Steuerpflichtigen gefährdenden Handhabung nicht von vornherein ausgeschlossen werden kann. Gegenüber diesen Gesichtspunkten der Sicherheit und der Gleichmäßigkeit in der Rechtsanwendung fallen die arbeitsmäßigen Belastungen in der Aufzeichnung von zahlenmäßig geringen Bewirtungsvorgängen nicht ins Gewicht. Hinzu kommt noch, daß das FG seine Auffassung in retrospektiver Sicht trifft. Es ist nämlich anerkannt, daß die Aufzeichnungen periodisch und zeitnah geführt werden müssen (Urteil in BFHE 152, 509, BStBl II 1988, 613). Diese Forderung würde ausgehöhlt, wenn der Steuerpflichtige darüber entscheiden dürfte, als sog. Bagatellfall von der Aufzeichnungspflicht abzusehen; denn eine derartige Beurteilung könnte er nicht zeitnah, sondern erst nach gewissem Zeitablauf, möglicherweise erst gegen Jahresende treffen. Auch hieran erweist sich, daß die vom Gesetzgeber getroffene strikte formale Lösung nicht im Lichte ihrer individuell unterschiedlichen Wirkung gesehen werden darf. Jedenfalls kann eine eindeutige Entscheidung des Gesetzgebers vom Gericht nicht deshalb korrigiert werden, weil dieses die gefundene Lösung rechtspolitisch für falsch hät.
Bei dieser Sachlage sieht sich der erkennende Senat nicht mehr veranlaßt, der Frage nach der betrieblichen Veranlassung der Bewirtungskosten nachzugehen.
Fundstellen
Haufe-Index 416651 |
BFH/NV 1990, 495 |