Entscheidungsstichwort (Thema)
Schuldzinsen zur Finanzierung einer privaten Versorgungsrente ‐ keine dauernde Last; „Nebenkosten“ zu Sonderausgaben
Leitsatz (amtlich)
Schuldzinsen, die gezahlt werden im wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Finanzierung einer als Sonderausgabe (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 a EStG) abziehbaren privaten Versorgungsrente, sind nicht ihrerseits als dauernde Last abziehbar.
Normenkette
EStG § 10 Abs. 1 Nr. 1a
Verfahrensgang
FG München (EFG 1999, 225) |
Tatbestand
I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind verheiratet und wurden für das Streitjahr 1993 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Sie erzielten u.a. Einkünfte aus Gewerbebetrieb aus der Hausverwaltung H-GbR. Der Vater des Klägers hatte diesem einen Gesellschaftsanteil an der H-GbR im Wege der vorweggenommenen Erbfolge übertragen. Im Zusammenhang hiermit vereinbarten die Vertragschließenden Versorgungsleistungen, die sich an der Höhe der erwarteten Mieterträge orientierten. Der Kläger finanzierte diese Versorgungsleistungen mit einem bei der Stadtsparkasse A aufgenommenen Darlehen. Die dafür im Streitjahr gezahlten Schuldzinsen in Höhe von 15 399 DM zog er als Betriebsausgaben ab. Bei der Veranlagung zur Einkommensteuer für 1993 ließ der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) Versorgungsleistungen in Höhe von 205 730 DM zum Abzug als dauernde Last zu. Nach einer Außenprüfung versagte das FA den Abzug der Schuldzinsen als Betriebsausgaben und als dauernde Last. Es erging ein entsprechend geänderter Einkommensteuerbescheid. Die hiergegen nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage hat das Finanzgericht (FG) abgewiesen. Sein Urteil ist veröffentlicht in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1999, 225.
Mit der Revision rügen die Kläger Verletzung materiellen Rechts.
Sie beantragen sinngemäß,
unter Aufhebung des angefochtenen Urteils und der Einspruchsentscheidung den Einkommensteuerbescheid für 1993 vom 18. Juni 1997 dahin zu ändern, dass die Einkommensteuer 1993 unter Berücksichtigung einer weiteren dauernden Last in Höhe von 15 399 DM neu festgesetzt wird.
Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen. Das FG hat rechtsfehlerfrei entschieden, dass die zur Finanzierung der Versorgungsleistungen aufgewendeten Schuldzinsen nicht als dauernde Last abziehbar sind.
1. Nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 a Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) sind Sonderausgaben die auf besonderen Verpflichtungsgründen beruhenden Renten und dauernde Lasten, die nicht mit Einkünften in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, die bei der Veranlagung außer Betracht bleiben. Dieser Abzugstatbestand ist begrenzt auf Versorgungsleistungen, die als private Versorgungsrente vom Übernehmer eines Vermögens geleistet und ―grundsätzlich― materiell-rechtlich korrespondierend vom Empfänger der Versorgungsbezüge als Einkünfte aus wiederkehrenden Leistungen der Steuer unterliegen. Die Voraussetzungen für diesen Sonderausgabenabzug liegen im Streitfall nicht vor.
a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) sind Hauptanwendungsfall der in vollem Umfang abziehbaren dauernden Lasten Versorgungsleistungen (Geld, Natural- und Sachleistungen, insbesondere Altenteilsleistungen), die in sachlichem Zusammenhang mit einem Vermögensübergabevertrag vereinbart worden sind (sog. private Versorgungsrente, Beschluss des Großen Senats des BFH vom 15. Juli 1991 GrS 1/90, BFHE 165, 225, BStBl II 1992, 78; BFH-Urteile vom 26. Juli 1995 X R 91/92, BFHE 178, 339, BStBl II 1995, 836; vom 19. Dezember 2000 IX R 13/97, BFHE 194, 172, BStBl II 2001, 342). Die steuerrechtliche Zurechnung der Versorgungsleistungen zu den Sonderausgaben beruht auf dem Umstand, dass sich der Vermögensübergeber in Gestalt der Versorgungsleistungen typischerweise die Erträge seines Vermögens vorbehält, die nunmehr allerdings vom Vermögensübernehmer erwirtschaftet werden müssen (Beschlüsse des Großen Senats des BFH vom 5. Juli 1990 GrS 4-6/89, BFHE 161, 317, 328, BStBl II 1990, 847, und in BFHE 165, 225, 237 f., BStBl II 1992, 78). Wegen ihres Charakters als vorbehaltene Vermögenserträge sind die Versorgungsleistungen dem Empfänger grundsätzlich als wiederkehrende Einkünfte (§ 22 Nr. 1 Satz 1 EStG) zuzurechnen (Beschluss in BFHE 165, 225, BStBl II 1992, 78). Die rechtliche Charakterisierung als vorbehaltene Vermögenserträge wird rechtstechnisch verwirklicht durch den Abzug als Sonderausgaben beim Verpflichteten und durch die Steuerbarkeit der Einkünfte aus wiederkehrenden Bezügen beim Berechtigten: Im Rahmen dieses "Transfers von Einkünften" fordert der Übergeber einen bestimmten Ertrag des übergebenen Vermögens in regelmäßig wiederkehrenden Zahlungen zurück. Dieser Transfer bedingt eine materiell-rechtliche Korrespondenz zwischen Abzugs- und Besteuerungstatbestand (hierzu Senatsurteil vom 26. Juli 1995 X R 113/93, BFHE 179, 34, BStBl II 1996, 157).
b) Der vorliegend nicht einschlägige rechtliche Gesichtspunkt des Vorbehalts von Vermögenserträgen ist konstitutiv für die unter dem Gesichtspunkt der Belastungsgleichheit begründungsbedürftigen Ausnahmen einerseits vom Abzugsverbot für Unterhaltsleistungen und freiwilligen Zuwendungen bzw. Zuwendungen aufgrund einer freiwillig begründeten Rechtspflicht (§ 12 Nr. 1 und 2 EStG) sowie andererseits von der Nichtsteuerbarkeit zugewendeter Bezüge (Senatsbeschluss vom 10. November 1999 X R 46/97, BFHE 189, 497, BStBl II 2000, 188). In seinem Beschluss in BFHE 161, 317, 328, BStBl II 1990, 847 hat der Große Senat zur Frage der vorbehaltenen Vermögenserträge ausgeführt, Abzug und Versteuerung führten zu einem ähnlichen Ergebnis wie der Vorbehalt eines gegenständlichen Nutzungsrechts durch den Übergeber, der mit einer entgeltlichen Nutzungsüberlassung an den Übernehmer verbunden sei. In Übereinstimmung hiermit geht das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 17. Dezember 1992 1 BvR 4/87 (Deutsches Steuerrecht ―DStR― 1993, 315; s. auch Senatsurteil vom 14. Juli 1993 X R 54/91, BFHE 172, 324, BStBl II 1994, 19) davon aus, die steuerrechtliche Sonderbehandlung der anlässlich einer Vermögensübergabe vereinbarten Versorgungsleistungen sei deshalb gerechtfertigt, weil der Sache nach der Übergeber einen bestimmten Ertrag des bereits übergebenen Vermögens in regelmäßig wiederkehrenden Zahlungen zurückfordere und insoweit ein "bedeutsamer Transfer wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit" stattfinde. Von einem solchen Transfer kann nicht die Rede sein, wenn ein Steuerpflichtiger zwecks Finanzierung der Versorgungsleistungen Zinsen an Dritte zahlt.
c) Dieses Auslegungsergebnis wird entgegen Tiedtke/Wälzholz (Der Abzug von Nebenkosten als Sonderausgaben, DStR 1999, 1794, 1798) nicht dadurch in Frage gestellt, dass es bei in Übergabeverträgen vereinbarten Grabpflegekosten, die zum Abzug als dauernde Last zugelassen werden (BFH-Urteile vom 4. April 1989 X R 14/85, BFHE 157, 88, BStBl II 1989, 779; vom 18. September 1991 XI R 10/85, BFH/NV 1992, 295), der Natur der Sache nach keinen steuerpflichtigen Bezugsberechtigten gibt. Diese eng begrenzte Ausnahme vom Prinzip der materiell-rechtlichen Korrespondenz ist deswegen gerechtfertigt, weil diese Kosten rechtstraditionell zu den für Altenteilsverträge typischen Versorgungsleistungen gehören.
2. Die hiergegen gerichteten Einwände der Kläger verhelfen der Revision nicht zum Erfolg.
a) Entgegen ihrer Auffassung folgt aus dem Einleitungssatz des § 10 Abs. 1 EStG ("Sonderausgaben sind die folgenden Aufwendungen …") nicht, dass "sämtliche Kosten, die der Steuerpflichtige aufwenden muss, um die von ihm geschuldete (scil.: als Sonderausgabe abziehbare) Leistung bewirken zu können", abziehbar wären. Die im Sonderausgaben-Katalog des § 10 Abs. 1 EStG abschließend umschriebenen Abzugstatbestände werden hierdurch nicht über den vorstehend gekennzeichneten Umfang hinaus erweitert. Es gibt "im Gegensatz zu den Werbungskosten keinen generellen, umfassenden Begriff der Sonderausgaben" (BFH-Urteil vom 21. August 1974 VI R 166/72, BFHE 113, 440, BStBl II 1975, 79; Stephan in Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, § 10 EStG Rdnr. 2). § 10 Abs. 1 EStG enthält keine allgemeine Begriffsbestimmung der Sonderausgaben mit einer "Öffnungsklausel" in Gestalt eines Veranlassungszusammenhangs, wie er für Betriebsausgaben/Werbungskosten aus § 4 Abs. 4 EStG bzw. § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG normiert ist.
In dieser Hinsicht ist die Rechtslage anders als bei den zum Sonderausgabenabzug berechtigenden "Aufwendungen des Steuerpflichtigen für seine Berufsausbildung" (§ 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG). Schuldzinsen für ein Ausbildungsdarlehen nach § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG sind im Hinblick darauf abziehbar, dass sie "in einem derart engen wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem für Ausbildungszwecke verwendeten Darlehen stehen", dass es gerechtfertigt ist, sie ebenfalls als (nachträgliche) Ausbildungskosten zu werten (BFH-Urteil vom 25. September 1992 VI R 90/90, BFH/NV 1993, 163). Diese Entscheidung belegt allenfalls, dass im Hinblick auf die unterschiedliche Formulierung der Abzugstatbestände ("auf besonderen Verpflichtungsgründen beruhende Renten und dauernde Lasten" - "Aufwendungen des Steuerpflichtigen für seine Berufsausbildung") und auf ihre Zwecksetzung (Transfer von Einkünften - Begünstigung von durch die Berufsausbildung veranlassten Aufwendungen) "Nebenkosten" zu Sonderausgaben nicht einheitlich behandelt werden können. Dies hat das FG unter Hinweis auf das Urteil des Hessischen FG vom 27. April 1977 I 195/75 (EFG 1977, 477) zu Recht angenommen (im Ergebnis ebenso Nolde in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, 21. Aufl., § 10 EStG Anm. 24 a.E.). Unter diesen Gesichtspunkten können zwar Schuldzinsen "Aufwendungen für die Berufsausbildung" sein. Die dem Tatbestand der Werbungskosten (§ 9 Abs. 1 Satz 1 EStG: "Aufwendungen zur …") entsprechende "finale" Beschreibung der Aufwendungen in § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG ermöglicht es, auch private Schuldzinsen ―abweichend von dem seit 1973 geltenden allgemeinen Grundsatz der Nichtabziehbarkeit― in den ―zudem bildungspolitisch motivierten― Abzugstatbestand einzubeziehen. Ähnliches mag auch für Steuerberatungskosten gelten (§ 10 Abs. 1 Nr. 6 EStG; vgl. Senatsurteil vom 12. Juli 1989 X R 35/86, BFHE 157, 559, BStBl II 1989, 967, betreffend Unfallkosten eines Steuerpflichtigen, die durch die Fahrt zu seinem Steuerberater "veranlasst" wurden). Hingegen bietet der anders formulierte § 10 Abs. 1 Nr. 1 a EStG für eine vergleichbare Auslegung keine Handhabe.
b) Auf einen "Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit" können sich die Kläger nicht mit Erfolg berufen. Der Gesetzgeber hat in den Tatbeständen des Sonderausgabenabzugs einen Teilaspekt der subjektiven Leistungsfähigkeit abschließend geregelt. Seit der Rechtsänderung im Jahre 1973 sind privat veranlasste Schuldzinsen nicht mehr abziehbar. Es ist auch kein gleichheitsrechtlich legitimierender Grund dafür ersichtlich, dass ein solcher Abzug einzig deswegen zulässig oder gar geboten wäre, weil die Schuldzinsen wie vorliegend in sachlichem Zusammenhang mit als Sonderausgaben abziehbaren Versorgungsleistungen stehen.
3. Die vom Senat befürwortete Auslegung des § 10 Abs. 1 Nr. 1 a EStG steht in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BFH.
a) Der BFH hat mit Urteil vom 22. März 1957 VI 102/55 U (BFHE 64, 511, BStBl III 1957, 191) entschieden, dass die Kosten eines Rechtsstreites um Sonderausgaben, z.B. eine Rentenlast, selbst keine Sonderausgaben sind.
b) Nach dem BFH-Urteil vom 25. Juli 2000 VIII R 35/99 (BFH/NV 2001, 242, unter 4.) lässt § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG nur einen Abzug der Beiträge zu einer Lebensversicherung als Vorsorgeaufwendungen zum Abzug zu; im Falle einer Fremdfinanzierung der Beiträge können die Schuldzinsen nicht als Sonderausgaben abgezogen werden.
c) Rechtsanwaltskosten, die ein Steuerpflichtiger aufwendet, um die Zustimmung seines geschiedenen oder dauernd getrennt lebenden unbeschränkt steuerpflichtigen Ehegatten zum sog. begrenzten Realsplitting (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG) zu erlangen, können nicht als Sonderausgaben abgezogen werden. Das BFH-Urteil vom 10. März 1999 XI R 86/95 (BFHE 188, 302, BStBl II 1999, 522) begründet dies damit, dass der Abzug nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG beschränkt ist auf Unterhaltsleistungen an den geschiedenen oder dauernd getrennt lebenden Ehegatten. Eine rechtsähnliche Beschränkung kennzeichnet auch die nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 a EStG abziehbare private Versorgungsrente. Die Vergleichbarkeit wird durch die Überlegung bestärkt, dass auch das Realsplitting (§ 10 Abs. 1 Nr. 1, § 22 Nr. 1 a EStG) einen gleichartigen Transfer der vom Verpflichteten erzielten Einkünfte auf den Unterhaltsberechtigten bewirkt wie die private Versorgungsrente.
4. Das angefochtene Urteil entspricht diesen Grundsätzen. Die Revision war daher als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 665037 |
BFH/NV 2002, 277 |
BStBl II 2002, 413 |
BFHE 197, 194 |
BFHE 2002, 194 |
BB 2002, 137 |
BB 2002, 240 |
DB 2002, 179 |
DStR 2002, 77 |
DStRE 2002, 138 |
HFR 2002, 295 |
StE 2002, 19 |