Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückstellung wegen einer Pensionszusage zugunsten eines Arbeitnehmer-Ehegatten
Leitsatz (NV)
1. Eine Rückstellung wegen einer zugunsten des Arbeitnehmer-Ehegatten erteilten Pensionszusage kann nicht gebildet werden, wenn in einer für den Betrieb geltenden Ruhegeldordnung die Gewährung eines Ruhegelds von der Erbringung außerordentlicher Leistungen des Arbeitnehmers abhängt, der Arbeitnehmer-Ehegatte solche Leistungen aber nicht erbracht hat.
2. Zur Frage, wann außerordentliche Leistungen im Sinne der Nr. 1 vorliegen.
3. Die Nichtzulassung einer Pensionsrückstellung aus den unter Nr. 1 genannten Gründen verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 GG.
Normenkette
EStG § 6a; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute. Sie wurden in den Streitjahren 1974 bis 1980 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger betreibt einen Handel mit . . . Die Klägerin arbeitete von 1950 bis 1963 im Betrieb unentgeltlich mit. Ab 1. September 1964 war sie aufgrund eines Arbeitsvertrags als Verkäuferin gegen Entgelt tätig; sie übernahm ,,den Ein- und Verkauf für den gesamten Betrieb sowie den Verkauf auf den Märkten". Ihr Bruttogehalt betrug im Jahre 1974 13 722 DM, im Jahre 1975 21 165 DM, im Jahre 1976 15 340 DM, im Jahre 1977 17 640 DM, im Jahre 1978 18 400 DM, im Jahre 1979 19 900 DM und im Jahre 1980 21 800 DM. Sie war sozialversichert. Außer der Klägerin waren im Betrieb nur der Sohn und die Schwiegertochter der Kläger beschäftigt.
Mit Vertrag vom 9. April 1974 erteilte der Kläger seiner Ehefrau eine Pensionszusage. Danach stand ihr nach Vollendung des 60. Lebensjahres oder bei vorzeitigem Ausscheiden wegen Dienstunfähigkeit nach mindestens zehnjähriger Betriebszugehörigkeit eine monatliche Rente in Höhe von 1 000 DM zu; die zugesagten Versorgungsleistungen konnten bei bestimmten Voraussetzungen gekürzt oder eingestellt werden. Ähnliche Versorgungszusagen wurden dem Sohn und der Schwiegertochter der Kläger erteilt.
Im Betrieb galt eine als ,,Betriebsvereinbarung" bezeichnete Ruhegeldordnung vom 9. April 1974. Danach stand jedem Betriebsangehörigen ein Anspruch auf Gewährung einer Alters- und Dienstunfähigkeitsversorgung zu, sofern er mindestens zehn Jahre im Betrieb tätig war und er sich ,,durch außerordentliche Leistungen am Betrieb verdient gemacht" hatte. Weiter bestimmte die Ruhegeldordnung: ,,Über die jeweilige Höhe der betrieblichen Altersversorgung entscheidet die gegenwärtige und künftige Ertragslage des Betriebs sowie die allgemeine Entgeltentwicklung. Die Versorgung darf nicht über 75 % des zuletzt bezogenen Entgelts liegen." Die vom Kläger gebildeten Pensionsrückstellungen erkannte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) nicht an. Er erhöhte dementsprechend in den Einkommensteuerbescheiden 1974 bis 1980 die Gewinne aus Gewerbebetrieb. Die wegen der Versorgungszusage zugunsten des Sohnes und der Schwiegertochter der Kläger gebildeten Passivposten hatte der Kläger in seinen Bilanzen aufgelöst. Die Einsprüche hatten keinen Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klagen im wesentlichen mit folgender Begründung ab: Die Pensionszusage an die Klägerin sei nicht betrieblich veranlaßt und könne deshalb einkommensteuerrechtlich nicht berücksichtigt werden. Das ergebe sich aus einem Vergleich der für alle denkbaren Arbeitnehmer des Betriebs geltenden Ruhegeldordnung und der Einzelversorgungszusage an die Klägerin sowie ferner daraus, daß in vergleichbaren Handwerksbetrieben Pensionszusagen nicht üblich seien.Mit den Revisionen rügen die Kläger die Verletzung materiellen Rechts, verfahrensrechtlicher Vorschriften und der Art. 3 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG).
Die Kläger beantragen, die FG-Urteile aufzuheben und die Einkommensteuerbescheide 1974 bis 1980 in der Weise abzuändern, daß die Zuführungen zu den strittigen Pensionsrückstellungen gewinnmindernd berücksichtigt werden.
Das FA beantragt, die Revisionen als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revisionen, die der Senat gemäß § 73 Abs. 1 i.V.m. § 121 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur gemeinsamen Entscheidung verbunden hat, sind unbegründet.
1. Rückstellungen für eine Pensionszusage an den im Betrieb des Steuerpflichtigen mitarbeitenden Ehegatten können nach Maßgabe des § 6 a des Einkommensteuergesetzes (EStG) gebildet werden, wenn
a) ein Ehegatten-Arbeitsverhältnis vorliegt, das mit einkommensteuerrechtlicher Wirkung anzuerkennen ist (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 23. Februar 1984 IV R 148/81, BFHE 140, 553, BStBl II 1984, 551), und
b) die Versorgungszusage ernsthaft gewollt und ausschließlich betrieblich veranlaßt ist (vgl. z. B. BFH-Urteile vom 20. März 1980 IV R 53/77, BFHE 130, 316, BStBl II 1980, 450; vom 26. Oktober 1982 VIII R 50/80, BFHE 137, 269, BStBl II 1983, 209).
Eine betriebliche Veranlassung für eine Versorgungszusage im Rahmen eines Ehegatten-Arbeitsverhältnisses ist insbesondere dann zu verneinen, wenn bei einer Gesamtwürdigung aller Umstände mit hoher Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, daß der Arbeitgeber-Ehegatte einem familienfremden Arbeitnehmer mit vergleichbarer Tätigkeit eine inhaltsgleiche Versorgungszusage nicht erteilt hätte (vgl. z. B. BFH-Urteil vom 29. Mai 1984 VIII R 177/78, BFHE 141, 272, BStBl II 1984, 661).
2. Die Anwendung dieser Grundsätze auf die Streitfälle ergibt, daß die Pensionszusage an die Klägerin einkommensteuerrechtlich nicht anerkannt werden kann. Sie ist nicht betrieblich veranlaßt. Es besteht keine hohe Wahrscheinlichkeit, daß der Kläger sich einem familienfremden Arbeitnehmer gegenüber zur Zahlung eines Ruhegeldes unter denselben Voraussetzungen wie gegenüber seiner Ehefrau verpflichtet hätte. Nach der Ruhegeldordnung vom 9. April 1974 konnte einem Arbeitnehmer eine Pension nur zugesagt werden, wenn er im Betrieb ,,außerordentliche Leistungen" erbracht hatte. Mit den Klägern und dem von ihnen vorgelegten Gutachten ist davon auszugehen, daß solche außerordentlichen Leistungen angenommen werden können, wenn die Leistungen des Arbeitnehmers von erheblichem Umfang sind und über die vertraglichen Verpflichtungen deutlich hinausgehen. Die pflichtgemäße Erfüllung des Arbeitsvertrags über eine längere Zeit reicht nicht aus, um die Leistungen eines Arbeitnehmers schon als ,,außerordentlich" beurteilen zu können.
Die Kläger machen geltend, daß die unentgeltliche Mitarbeit der Klägerin vor dem Abschluß des Ehegatten-Arbeitsvertrags eine außerordentliche Leistung im Sinne der betrieblichen Ruhegeldordnung vom 9. April 1974 sei. Dem kann nicht gefolgt werden; denn diese Arbeitsleistung ist nicht betrieblich veranlaßt. Die unentgeltlich geleistete Mitarbeit kann keinen betrieblichen Anlaß für die Versorgungszusage bilden, weil in dieser Zeit kein einkommensteuerrechtlich anzuerkennendes Arbeitsverhältnis bestanden hat (vgl. dazu Urteil in BFHE 137, 269, BStBl II 1983, 209). Deshalb sind auch nachträgliche Zahlungen oder Pensionszusagen für solche Dienstleistungen nicht betrieblich, sondern privat veranlaßt; die Zahlungen aufgrund derartiger Zusagen stellen Zuwendungen i. S. des § 12 Nr. 2 EStG dar.
Andere Umstände, die die Annahme außerordentlicher Leistungen der Klägerin rechtfertigen könnten, haben die Kläger im finanzgerichtlichen Verfahren nicht vorgetragen; sie sind auch aus der Tatsachenfeststellung des FG nicht zu entnehmen. Der Hinweis der Kläger, daß die Klägerin eine im Betrieb in vielen Funktionen tätige über die Arbeitspflicht hinauswirkende zuverlässige Arbeitskraft gewesen sei, reicht für die Begründung einer außerordentlichen Leistung nicht aus.
Damit sind in den Streitfällen für die Erteilung der Versorgungszusage an die Klägerin geringere Anforderungen als bei anderen Arbeitnehmern des Betriebs des Klägers gestellt worden. Da der Kläger nach der für den Betrieb geltenden Ruhegeldordnung für die Pensionszusage weitergehende Tätigkeitsmerkmale (,,außerordentliche Leistungen") forderte, ist es nicht in hohem Maße wahrscheinlich, daß er für die Erteilung einer Pensionszusage an familienfremde Arbeitnehmer die gleichen Voraussetzungen wie bei der Pensionsvereinbarung mit seiner Ehefrau zugrunde gelegt hätte. Die Versorgungszusage zugunsten der Klägerin ist damit nicht betrieblich veranlaßt.
Der Sachvortrag der Kläger im Schriftsatz vom 8. November 1985 zur Ergänzung der Betriebsvereinbarung ist neues Sachvorbringen und kann vom Senat nach § 118 Abs. 2 FGO nicht berücksichtigt werden. Unabhängig davon ist er auch materiell nicht geeignet, einen Anspruch auf Bildung einer Pensionsrückstellung zu begründen, da nicht substantiiert dargetan ist, welche Leistungen erbracht worden sind. Auch der Hinweis auf die Ableistung nicht vergüteter Überstunden führt zu keinem anderen Ergebnis. Denn ein fremder Arbeitnehmer hätte bei der hier gegebenen Lohnhöhe keine unbezahlten Überstunden geleistet. Die Pensionszusage hält damit auch insoweit einem Fremdvergleich nicht stand.
3. Da in den Streitfällen die betriebliche Veranlassung der Ruhegeldvereinbarung schon aus den unter Nr. 2 genannten Gründen zu verneinen ist, bedarf es keiner Prüfung, ob nach der Ruhegeldordnung vom 9. April 1974 die Gewährung einer Pension in das freie Belieben des Klägers gestellt war und ob auch deshalb die Revisionen keinen Erfolg haben konnten.
Ebensowenig ist für die Entscheidung der Streitfälle noch von Bedeutung, daß das FG die Nichtberücksichtigung der Pensionsrückstellung im Widerspruch zur Rechtsprechung des BFH (vgl. Urteile vom 10. November 1982 I R 135/80, BFHE 137, 308, BStBl II 1983, 173, und vom 21. August 1984 VIII R 106/81, BFHE 142, 231, BStBl II 1985, 124) auch damit begründete, daß bei Handwerksbetrieben in der Größenordnung des vom Kläger betriebenen Geschäfts die Bildung von Pensionsrückstellungen nicht üblich sei.
4. Die Revisionen können auch nicht auf Verstöße gegen Verfahrensvorschriften gestützt werden. Insoweit wird nach Art. 1 Nr. 8 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs von einer Begründung abgesehen.
5. Der Einwand der Kläger, die Nichtberücksichtigung der Pensionszusage bei der Ermittlung des Gewinns der Streitjahre verletze die Grundrechte des Art. 3 Abs. 1 und des Art. 6 Abs. 1 GG, ist nicht begründet. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht durch den Beschluß vom 22. Juli 1970 1 BvR 285/66 u. a. (BVerfGE 29, 104, BStBl II 1970, 652) entschieden, daß die generelle Nichtanerkennung von Rückstellungen für Pensionszusagen an mitarbeitende Ehegatten grundgesetzwidrig sei. Es hat jedoch in diesem Beschluß ausdrücklich darauf hingewiesen, daß die Finanzverwaltung mit Rücksicht auf die persönlichen Beziehungen der Vertragspartner berechtigt sei, besondere Anforderungen an die Ernsthaftigkeit und Angemessenheit der Zusage zu stellen; in diesem Zusammenhang könne sie insbesondere prüfen, ob der Betrieb eine solche zur Rückstellung berechtigende Zusage auch einem familienfremden Arbeitnehmer erteilen würde.
Fundstellen
Haufe-Index 414346 |
BFH/NV 1986, 454 |