Entscheidungsstichwort (Thema)
Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen und Nebenerwerbslandwirt
Leitsatz (NV)
1. Die Anforderungen an die Eindeutigkeit und Klarheit der vereinbarten Versorgungsleistungen sind erfüllt, wenn in einem als Übertragsvertrag bezeichneten Vermögensübergabevertrag dem Übergeber "lebenslänglich auf der übertragenen Besitzung ein freies Altenteilsrecht" eingeräumt wird.
2. Das Recht des Altenteilers, im übergebenen Besitz weiterhin wohnen zu dürfen und am Tisch des Übernehmers verköstigt zu werden, ist vom Begriff "Altenteilsrecht" erfasst, ohne dass es einer Konkretisierung bedarf.
3. Gegenstand einer Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen kann auch eine im Nebenerwerb betriebene Landwirtschaft sein.
4. Für die Anerkennung der in einem Vermögensübergabevertrag vereinbarten Versorgungsleistungen ist eine etwaige Überversorgung des Übergebers ohne Bedeutung.
Normenkette
EStG § 10 Abs. 1 Nr. 1a; BGB §§ 133, 157; EGBGB Art. 96
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die im Streitjahr 1998 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden. Im Jahr 1977 hatten die damals 63 bzw. 58 Jahre alten Eltern des Klägers diesem im Wege der vorweggenommenen Erbfolge ihren Haus- und Grundbesitz übertragen, der bis dahin in Teilen vom Vater des Klägers als Nebenerwerbslandwirt bewirtschaftet worden war. Aus seiner früheren Tätigkeit als Tischler bezieht der Vater eine Sozialrente. Gemäß § 4 des Übergabevertrags, der mit dem für derartige Verträge zwischen Eltern und ihren Abkömmlingen überkommenen Begriff "Übertragsvertrag" bezeichnet war, erhielten die Eltern des Klägers "lebenslänglich auf der übertragenen Besitzung ein freies Altenteilsrecht".
Im August 1998 legten der Kläger und seine Eltern in einem weiteren notariellen Vertrag den genauen Inhalt des Altenteilsrechts fest. Danach wurde der Umfang des Wohnrechts im Einzelnen beschrieben, die Pflicht des Klägers benannt, alle Kosten der Bewirtschaftung der von den Eltern benutzten Räume zu tragen und ebenso seine Pflicht, die Eltern am gemeinsamen Tisch zu beköstigen.
Mit der Einkommensteuererklärung für 1998 machten die Kläger insgesamt 9 386 DM (Verpflegung 7 700 DM und Energie 1 686 DM) als dauernde Last (§ 10 Abs. 1 Nr. 1a des Einkommensteuergesetzes --EStG--) geltend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) ließ in einem Änderungsbescheid die dauernden Lasten nicht mehr zum Abzug zu. Er betrachtete die Versorgungsleistungen als nach Art und Höhe nicht eindeutig festgelegt.
Der Einspruch der Kläger hatte keinen Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) hat die Klage mit dem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2004, 1210 veröffentlichten Urteil abgewiesen. Es fehle an einer klaren und eindeutigen Vereinbarung über die Höhe der Versorgungsleistungen und die Art und Weise der "Zahlung". Welche Leistungen mit dem Begriff "freies Altenteilsrecht" umschrieben und geschuldet würden, sei nicht klar. Art. 96 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB) enthalte keine Definition des Altenteils. Weil das Versorgungsbedürfnis der Eltern des Klägers wegen der Sozialrente des Vaters nicht mit der eines Vollerwerbslandwirts vergleichbar sei, könne der Übergabevertrag nicht von vorneherein als typischer landwirtschaftlicher Vertrag qualifiziert werden. Daher lasse sich der Umfang der Verpflichtung des Klägers nicht eindeutig aus dem Begriff des Altenteils ableiten. Die nachträgliche Konkretisierung führe nicht zu einer Anerkennung der dauernden Lasten, weil die klaren und eindeutigen Vereinbarungen bereits zu Beginn des streitigen Rechtsverhältnisses vorliegen müssten.
Mit ihrer Revision rügen die Kläger die Verletzung des § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG.
Sie beantragen, das angefochtene Urteil aufzuheben und die im Rahmen der Klage mit 3 916 DM geltend gemachten dauernden Lasten in Gestalt der Altenteilsleistungen anzuerkennen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Es bringt vor, der Einlassung der Kläger, der Begriff des Altenteils umfasse die Grundversorgung der Berechtigten mit Wohnung und Beköstigung, könne nicht gefolgt werden. Weil die Bemessung des Altenteils der Gestaltungsfreiheit der Vertragsparteien unterliege, seien im Streitfall Art und Umfang der zu erbringenden Leistungen nicht klar und eindeutig festgelegt. Die Ergänzungsvereinbarung vom August 1998 ändere daran nichts. Berücksichtigt werden müsse auch, dass der Übergeber Sozialrentner sei und sein Versorgungsbedürfnis nicht mit dem eines früheren Vollerwerbslandwirts verglichen werden könne.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Stattgabe der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Entgegen der Auffassung des FG ist der Vermögensübergabevertrag hinreichend bestimmt.
1. Als Sonderausgaben abziehbar sind die auf besonderen Verpflichtungsgründen beruhenden Renten und dauernden Lasten, die nicht mit Einkünften in Zusammenhang stehen, die bei der Veranlagung außer Betracht bleiben (§ 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG). Dauernde Lasten sind in vollem Umfang abziehbar (§ 10 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 EStG). Leibrenten können --nach näherer Maßgabe des § 10 Abs. 1 Nr. 1a Satz 2 EStG-- nur mit dem Ertragsanteil abgezogen werden, der sich aus der in § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG aufgeführten Tabelle ergibt.
Werden wiederkehrende Leistungen in sachlichem Zusammenhang mit der Übertragung von Vermögen im Wege der vorweggenommenen Erbfolge zugesagt (private Versorgungsrenten), stellen diese weder Veräußerungsentgelt des Übergebers noch Anschaffungskosten des Übernehmers dar, sondern sind spezialgesetzlich den Sonderausgaben (§ 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG) und den wiederkehrenden Bezügen (§ 22 Nr. 1 Satz 1 EStG) zugeordnet (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 27. August 1997 X R 54/94, BFHE 184, 337, BStBl II 1997, 813, unter II. 1. b, mit zahlreichen weiteren Nachweisen).
2. Der zu beurteilende Vertrag beinhaltet eine Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen. Dieser Würdigung steht nicht entgegen, dass Gegenstand der Vermögensübergabe keine im Vollerwerb betriebene Landwirtschaft, sondern die eines Nebenerwerbslandwirts war. Maßgeblich ist, dass dem Kläger der Haus- und Grundbesitz seiner Eltern im Wege der vorweggenommenen Erbfolge zur weiteren Bewirtschaftung übertragen wurde, dass den Vermögensübergebern dafür ein lebenslängliches Altenteilsrecht eingeräumt wurde und --was nicht streitig ist-- dass der Vermögensübernehmer die geschuldeten Versorgungsleistungen aus den Erträgen des übertragenen Vermögens erwirtschaften konnte.
3. Der Übergabevertrag vom 5. Februar 1977 zwischen dem Kläger und seinen Eltern entspricht einem Altenteilsvertrag im Sinne des in Nordrhein-Westfalen fortgeltenden vorkonstitutionellen Ausführungsgesetzes zum EGBGB für das Königreich Preußen vom 20. September 1899, jedenfalls aber einem Versorgungsvertrag, der dem landesrechtlich geregelten Altenteilsvertrag zumindest vergleichbar ist (vgl. Senatsurteil vom 25. März 1992 X R 38/86, BFH/NV 1992, 595). Die Beteiligten haben übereinstimmend ein lebenslängliches und freies Altenteil für die Eltern des Klägers begründet.
4. Auch wenn die Auslegung von Verträgen zu den tatsächlichen Feststellungen i.S. des § 118 Abs. 2 FGO gehört, ist das Revisionsgericht berechtigt, sie darauf zu überprüfen, ob die gesetzlichen Auslegungsregeln (§§ 133, 157 des Bürgerlichen Gesetzbuchs --BGB--), die Denkgesetze und allgemeinen Erfahrungssätze zutreffend angewendet worden sind.
a) Unter Berücksichtigung des Kerns des Begriffs des Altenteilrechts ergibt eine §§ 133 und 157 BGB beachtende Auslegung des Übergabevertrags, dass den Eltern des Klägers darin ein Anspruch auf die unentgeltliche Überlassung von Wohnräumen und die unentgeltliche Verköstigung eingeräumt wurde. Das hat das FG verkannt.
b) Unabhängig davon, ob im Rahmen einer Vermögensübergabe den Übergebern eine Geldrente eingeräumt wird, ist --wie die Kläger zutreffend darlegen-- das Recht der Altenteiler, im übergebenen Besitz weiterhin wohnen zu dürfen und am Tisch der Übernehmer verköstigt zu werden, seit jeher ein zentrales Element einer Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen und damit ohne weiteres von dem Begriff "Altenteilsrecht" erfasst. Dies entspricht im Streitfall dem Willen der Vertragsbeteiligten und der Verkehrssitte, ohne dass es dafür einer weitergehenden Konkretisierung bedarf. Das wird unterstrichen durch die Bezeichnung des Übergabevertrags mit dem überkommenen Begriff "Übertragsvertrag", dessen wesentlicher Inhalt als allgemein bekannt und anerkannt anzusehen war (vgl. dazu Urteil des Reichsgerichts vom 11. Februar 1913 VII 296/12, RGZ 81, 311).
Insoweit bedurften die vom Kern des Altenteilbegriffs erfassten Versorgungsleistungen entgegen der Ansicht des FA keiner näheren Festlegung nach Art und Höhe. Charakter und Ausmaß dieser Naturalleistungen ergeben sich aus dem Üblichen unter Berücksichtigung der individuellen Verhältnisse der Beteiligten, so dass sie anders als etwa eine Barrente nicht auf eine klare Konkretisierung angewiesen sind.
Dieses Grundverständnis eines Altenteils liegt auch den einschlägigen landesgesetzlichen Bestimmungen zugrunde, selbst wenn diese Konkretisierungen zulassen.
Weil mit dem Kernbestand eines Altenteilrechts nur die Grundbedürfnisse des Wohnens und der Verköstigung abgedeckt sind, wird die Bestimmtheit der konkret geschuldeten Versorgungsleistungen nicht dadurch beeinträchtigt, dass der Vater des Klägers aus seiner früheren Berufstätigkeit eine Rente bezieht. Einer etwaigen Überversorgung kommt bei der Beurteilung der Versorgungsleistungen keine Bedeutung zu (vgl. Senatsurteile vom 24. März 1993 X R 4/92, BFH/NV 1993, 717; vom 31. August 1994 X R 79/92, BFH/NV 1995, 382, und vom 16. März 1999 X R 87/95, BFH/NV 2000, 12, unter II. 1. d).
Damit genügt der Vertrag des Klägers mit seinen Eltern den an eine Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen zu stellenden Anforderungen an die Eindeutigkeit und Klarheit.
c) Dem 1998 geschlossenen Ergänzungsvertrag kommt lediglich eine klarstellende und keine rechtsbegründende Wirkung zu. Für die Entscheidung des Streitfalls ist er ohne Bedeutung.
5. Da das FG von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen ist, ist seine Entscheidung aufzuheben. Der spruchreifen Klage ist stattzugeben. Die Einkommensteuer des Streitjahres ist unter Anerkennung der mit dem Klageantrag geltend gemachten zusätzlichen Sonderausgaben in Höhe von 3 916 DM neu festzusetzen. Die Berechnung wird dem FA übertragen (§ 100 Abs. 2 Satz 2 FGO).
Fundstellen
Haufe-Index 1257773 |
BFH/NV 2005, 201 |
HFR 2005, 20 |