Entscheidungsstichwort (Thema)
Geschäftsführerhaftung; Auswahlermessen
Leitsatz (NV)
1. Zur Frage der Haftung des Geschäftsführers für Steuern, die erst nach Niederlegung seines Amtes fällig werden.
2. Zur Haftung des Nachfolgegeschäftsführers für die von seinem Vorgänger nicht an das FA abgeführten Steuern.
3. Kommt eine Haftung sowohl des ausgeschiedenen Geschäftsführers als auch des Nachfolgegeschäftsführers in Betracht, so muß das FA - spätestens in der Einspruchsentscheidung - sein Auswahlermessen begründen.
Normenkette
AO 1977 §§ 34, 69, 191
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) und seine Ehefrau waren Gesellschafter und Geschäftsführer einer in der Rechtsform einer GmbH betriebenen Fabrik. Im September 1980 veräußerten sie ihre Geschäftsanteile an eine schweizerische AG. Die Abtretung der Anteile erfolgte mit sofortiger dinglicher Wirkung. In dem Kaufvertrag verpflichteten sich die Veräußerer, ,,. . . den Erwerber in die Materie einzuführen, ihn nach besten Kräften zu beraten und zu unterstützen und nach Möglichkeit neue Aufträge zu beschaffen, längstens auf die Dauer bis zum 31. 12. 1982". Der Erwerber verpflichtete sich, in sämtliche die GmbH betreffenden laufenden Verträge einzutreten. Die Löschung der Geschäftsführereigenschaft im Handelsregister erfolgte für den Kläger im Januar 1981, für seine Ehefrau im Dezember 1980.
Der zunächst vom Erwerber bestellte Geschäftsführer G wurde im November 1980 wieder entlassen. Im Januar 1981 wurde L zum Geschäftsführer der GmbH bestellt. Im März 1981 wurde über das Vermögen der GmbH das Konkursverfahren eröffnet.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) nahm den Kläger als Geschäftsführer der GmbH wegen rückständiger Lohnsteuer und Kirchensteuer für Dezember 1980 gemäß § 69 i. V. m. § 34 der Abgabenordnung (AO 1977) in Anspruch. Der Einspruch gegen den Haftungsbescheid, mit dem der Kläger bestritt, nach der Veräußerung noch Geschäftsführer gewesen zu sein, blieb erfolglos. Unter Berücksichtigung der Konkursquote aus dem inzwischen beendeten Konkursverfahren hat sich die Haftungssumme ermäßigt.
Das Finanzgericht (FG) hob auf die Klage des Klägers, den Haftungsbescheid und die Einspruchsentscheidung mit folgender Begründung auf:
Das FA habe zwar seine Ermessensentscheidung, den Kläger als Haftungsschuldner in Anspruch zu nehmen, hinreichend begründet; denn es habe in der Einspruchsentscheidung darauf hingewiesen, daß die Beitreibung bei der GmbH fruchtlos verlaufen sei. Die Inanspruchnahme des Klägers sei aber rechtswidrig, weil dieser nicht über die Mittel verfügt habe, um die Lohnsteuerabzugsbeträge zu entrichten.
Das FA sei zutreffend davon ausgegangen, daß der Kläger im Dezember 1980 noch Geschäftsführer der GmbH gewesen sei. Dabei könne dahingestellt bleiben, ob dies bereits aus der zunächst unterbliebenen Löschung der Eintragung seiner Bestellung zum Geschäftsführer und der damit verbundenen Rechtsscheinswirkung des § 15 Abs. 1 des Handelsgesetzbuches (HGB) folge oder ob die Geschäftsführerbefugnis daraus resultiere, daß der Erwerber der GmbH nach dem Kaufvertrag in sämtliche laufenden Verträge der GmbH, mithin auch in den zwischen dem Kläger und der GmbH geschlossenen Geschäftsführervertrag, eingetreten sei. Jedenfalls ergebe sich die Haftung des Klägers daraus, daß er sich als Geschäftsführer geriert habe, indem er gegenüber dem FA durch die Unterzeichnung der Lohnsteueranmeldung für Dezember 1980 als solcher aufgetreten sei. Dabei sei es unerheblich, wenn der Kläger vorbringe, aufgrund dringlicher innerbetrieblicher Einzelweisung des Erwerbers gefälligkeitshalber gehandelt zu haben.
Dem Kläger könne aber keine schuldhafte Pflichtverletzung i. S. des § 69 AO 1977 vorgeworfen werden. Wie sich aus dem Bericht des Konkursverwalters über das die GmbH betreffende Konkursverfahren ergebe, habe er am 5. Januar 1981 im Rahmen einer Zusammenkunft im Büro des Erwerbers der GmbH erklärt, er trete als Geschäftsführer zurück. Mit dieser Willenserklärung korrespondiere sein tatsächliches Verhalten, denn seine Eintragung als Geschäftsführer im Handelsregister sei am 13. Januar 1981 gelöscht worden. Der Senat gehe deshalb davon aus, daß der Kläger nach dem 5. Januar 1981 nicht mehr in der Lage gewesen sei, mit Wirkung für die GmbH zu handeln. Denn seine tatsächlich auch durchgeführte Rücktrittserklärung gegenüber der GmbH habe zumindest bewirkt, daß er - unabhängig von der erst später erfolgten Löschung im Handelsregister - schon ab diesem Zeitpunkt nicht mehr befugt gewesen sei, Anweisungen zu treffen, welche sich auf die Geschäfte der GmbH bezogen. Der Kläger habe deshalb auch nicht mehr über die Mittel verfügen können, um die angemeldeten Lohnsteuerbeträge abzuführen.
Mit der vom erkennenden Senat zugelassenen Revision macht das FA geltend, das FG habe bei der Beurteilung der schuldhaften Pflichtverletzung nicht berücksichtigt, daß der Kläger als Geschäftsführer bereits bei Auszahlung der Löhne und Gehälter für Dezember 1980 verpflichtet gewesen sei, die einbehaltene Lohnsteuer bereitzustellen, damit sie am Fälligkeitstag zur Verfügung stehe. Die Nichtbereitstellung der einbehaltenen Abzugsbeträge stelle eine zumindest grob fahrlässige Pflichtverletzung i. S. des § 69 AO 1977 dar, die kausal für die Entstehung des Haftungsschadens sei.
Der Kläger habe selbst eingeräumt, daß im Dezember 1980 keine Eigenmittel mehr vorhanden gewesen seien. Es sei ihm bereits bei Auszahlung der Löhne klar gewesen, daß es zu einer Abführung der Lohn- und Kirchensteuer voraussichtlich nicht mehr kommen werde. Er hätte deshalb als verantwortlicher gesetzlicher Vertreter die Löhne für Dezember 1980 nur gekürzt als Vorschuß oder Teilbetrag auszahlen müssen und die Lohnsteuer nur auf den tatsächlich ausgezahlten niedrigeren Betrag berechnen und einbehalten müssen. Insbesondere hätte er schon deshalb die vorhandenen Mittel kürzen müssen, da bei Auszahlung der Löhne für Dezember 1980 zweifelhaft gewesen sei, ob er bei Eintritt der Fälligkeit noch Geschäftsführer sein würde, weil er mit der Besserung der Liquiditätslage der GmbH nicht habe rechnen können. Wäre der Kläger pflichtgemäß verfahren, so hätte die GmbH am Fälligkeitstag über entsprechende Gelder für die Entrichtung der Steuerabzugsbeträge verfügen können.
Das FA beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Er trägt vor, er habe entgegen der Auffassung des FG keine Möglichkeit gehabt, Steuerabzugsbeträge einzubehalten. Der Bevollmächtigte des Erwerbers S, der allein die Verfügungsbefugnis über alle Finanzangelegenheiten der Firma gehabt habe, habe in betrügerischer Absicht - ohne seine Kenntnis- große Geldsummen aus der Firma entnommen. Selbst wenn er aber die Steuern bei Auszahlung der Löhne bereitgestellt hätte, hätte er diese zum Fälligkeitszeitpunkt nicht mehr abführen können, so daß es an der Kausalität seines Verhaltens für den Eintritt des Haftungsschadens fehle.
Im übrigen beruhe der Haftungsbescheid auf einer fehlerhaften Ermessensentscheidung. Das FA habe nicht geprüft, ob auch andere Personen, nämlich die vom Erwerber bestellten Geschäftsführer G und L, als Haftungsschuldner hätten in Anspruch genommen werden können und müssen. Das Auswahlermessen sei vom FA nicht begründet worden.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist nicht begründet.
Der Senat hält - wenn auch mit anderer Begründung - die Entscheidung der Vorinstanz, die den angefochtenen Haftungsbescheid insgesamt aufgehoben hat, im Ergebnis für zutreffend. Er ist der Auffassung, daß der Haftungsbescheid in der Gestalt der Einspruchsentscheidung jedenfalls deshalb rechtswidrig ist, weil das FA seine Ermessensentscheidung, den Kläger als Haftungsschuldner in Anspruch zu nehmen, nicht ausreichend begründet hat.
1. Die GmbH, für die der Kläger auch nach der Veräußerung seines Geschäftsanteils noch tätig geblieben ist, war nach § 41 a Abs. 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) verpflichtet, spätestens am zehnten Tag nach Ablauf eines jeden Lohnsteueranmeldungszeitraums (hier Kalendermonat) die in diesem Zeitraum von den Einkünften ihrer Arbeitnehmer durch Abzug vom Arbeitslohn einbehaltene Lohnsteuer an das FA abzuführen. Die streitbefangenen Steuerabzugsbeträge für Dezember 1980 waren demnach zum 10. Januar 1981 fällig. Die Pflicht zur Steuerentrichtung trifft bei einer GmbH nach § 34 Abs. 1 AO 1977 i. V. m. § 35 Abs. 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) den Geschäftsführer. Dieser haftet nach § 69 AO 1977, soweit infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung dieser Verpflichtung Steueransprüche nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt worden sind. Liquiditätsschwierigkeiten der Gesellschaft, wie sie im Streitfall von beiden Beteiligten behauptet werden, schließen nach ständiger Rechtsprechung des Senats die Haftung des Geschäftsführers für die Lohnsteuer nicht aus. Dieser darf bei nicht ausreichenden Zahlungsmitteln die Löhne nur gekürzt als Vorschuß oder Teilbetrag auszahlen, damit er aus den dann übrigbleibenden Mitteln die entsprechende Lohnsteuer an das FA abführen kann (vgl. Urteil des Senats vom 20. April 1982 VII R 96/79, BFHE 135, 416, 420, BStBl II 1982, 521, 523). Im Streitfall bestehen Zweifel, ob der Kläger den Haftungstatbestand der §§ 34, 69 AO 1977 erfüllt hat.
a) Diese Zweifel beziehen sich zunächst auf die vom FG bejahte Frage, ob der Kläger auch nach der Veräußerung seines Geschäftsanteils im September 1980 noch Geschäftsführer der GmbH geblieben ist. Nach den Bedingungen des Kaufvertrags sollte er den Erwerber des Betriebs lediglich in die Materie einführen und ihn beraten und unterstützen. Auf die zunächst unterbliebene Löschung der Geschäftsführereigenschaft im Handelsregister kann nicht entscheidend abgestellt werden, weil diese Eintragung nur deklaratorisch wirkt und die Regelung über den öffentlichen Glauben des Handelsregisters (§ 15 HGB) für die steuerrechtliche Haftung des GmbH-Geschäftsführers ohne Bedeutung ist (vgl. Urteil des Senats vom 22. Januar 1985 VII R 112/81, BFHE 143, 203, 209, BStBl II 1985, 562). Soweit das FG hierzu weiter ausführt, der Kläger habe sich jedenfalls mit der Unterzeichnung der Lohnsteueranmeldung für Dezember 1980 als Geschäftsführer geriert, will es die Haftung offenbar auf sein Auftreten als Verfügungsberechtigter i. S. des § 35 AO 1977 stützen. Die Haftung nach § 69 i. V. m. § 35 AO 1977 setzt aber voraus, daß derjenige, der als Verfügungsberechtigter auftritt, rechtlich und tatsächlich die steuerlichen Pflichten eines gesetzlichen Vertreters (§ 34 Abs. 1 AO 1977) erfüllen kann. Das wiederum hat das FG für die streitbefangenen Steuerbeträge verneint.
b) Falls der Kläger tatsächlich nach dem Veräußerungsvorgang Geschäftsführer geblieben sein sollte, so war er jedenfalls im Zeitpunkt der Fälligkeit der Steuerabzugsbeträge für den Monat Dezember 1980 (10. Januar 1981) wegen seines am 5. Januar 1981 erklärten Rücktritts von diesem Amt nicht mehr Geschäftsführer der GmbH. Das FG ist mit Recht davon ausgegangen, daß er zur fristgerechten Entrichtung der Steuer nicht mehr verpflichtet und nicht mehr in der Lage war. An der Wirksamkeit des Rücktritts zu dem vom Kläger erklärten Zeitpunkt bestehen nach den vom FG getroffenen Feststellungen keine Bedenken (vgl. BFHE 143, 203, BStBl II 1985, 562).
Die Revision sieht die schuldhafte Pflichtverletzung des Klägers darin, daß er die Löhne für Dezember 1980 trotz bestehender Zahlungsschwierigkeiten ungekürzt ausgezahlt und nicht dafür Sorge getragen hat, daß aus den insgesamt vorhandenen Mitteln Steuerabzugsbeträge ab dem Zeitpunkt der Lohnzahlung zur Abführung an das FA am Fälligkeitstag bereitgehalten wurden. Wenn auch der Kläger Liquiditätsprobleme der GmbH eingeräumt hat, so fehlen doch Feststellungen des FG darüber, ob eine Sachlage gegeben war, in der der Geschäftsführer die auszuzahlenden Nettolöhne zum Zwecke der anteiligen Befriedigung des FA kürzen muß. Im Streitfall ist zu berücksichtigen, daß die GmbH vom Erwerber mit dem Ziel der Betriebsfortführung erworben worden war, so daß der Kläger möglicherweise mit der Bereitstellung weiterer Zahlungsmittel bis zur Fälligkeit der Steuerabzugsbeträge rechnen konnte.
Die Auffassung des FA begegnet außerdem deshalb Bedenken, weil sie die Kürzungs- und Bereitstellungspflicht bei der Lohnsteuer verselbständigt und somit zu einer Haftung des Geschäftsführers für erst nach seinem Ausscheiden aus der GmbH fällig werdende Steuern auch dann führt, wenn die Pflicht zur Steuerabführung vom Geschäftsführer nicht mehr erfüllt werden kann. Der Senat hat ferner Zweifel, ob bei Annahme einer Pflichtverletzung des Klägers in der Form der mangelnden Kürzung der Dezemberlöhne und Bereithaltung der darauf entfallenden Steuern die für die Haftung nach § 69 AO 1977 erforderliche Kausalität gegeben wäre. Denn ob die Steuerabzugsbeträge am Fälligkeitstag (10. Januar 1981) oder später an das FA abgeführt worden wären und die eingetretene Steuerverkürzung somit vermieden worden wäre, hing auch bei pflichtgemäßem Verhalten des Klägers letztlich von dem Verhalten des Nachfolgegeschäftsführers ab.
Der Senat braucht jedoch die mit der Erfüllung des Haftungstatbestandes zusammenhängenden Fragen nicht zu entscheiden; denn der Haftungsbescheid war jedenfalls wegen mangelnder Begründung der Ermessensentscheidung des FA aufzuheben.
2. a) Im Streitfall kommt neben der Haftung des Klägers auch eine Haftung des Nachfolgegeschäftsführers L in Betracht. Dieser war nach § 34 Abs. 1, insbesondere Satz 2 AO 1977, verpflichtet, die für Dezember 1980 abzuführenden Steuerabzugsbeträge, die er bei seinem Amtsantritt als Steuerrückstand der GmbH bereits vorfand, an das FA zu entrichten. Da er dieser Verpflichtung nicht nachgekommen ist, obwohl das Konkursverfahren über das Vermögen der GmbH erst im März 1981 eröffnet worden ist, liegt auch für L hinsichtlich der streitbefangenen Steuerabzugsbeträge die Verwirklichung des Haftungstatbestands des § 69 AO 1977 nahe. Seiner Haftung steht nicht entgegen, daß - möglicherweise - der Kläger für diese Steuerrückstände haftet, denn die Verpflichtung zur Begleichung von Steuerrückständen besteht auch nach deren Fälligkeit für den nunmehr Verantwortlichen der GmbH - hier also L - fort. Der Nachfolgegeschäftsführer könnte sich allenfalls darauf berufen, daß er nur im Rahmen der verfügbaren Mittel zur Entrichtung dieser Steuerabzugsbeträge verpflichtet war, da ihm - anders als dem die Löhne auszahlenden Geschäftsführer - die Verpflichtung zur Kürzung der Löhne nicht entgegengehalten werden kann.
Der Senat braucht im Streitfall nicht zu prüfen, ob und in welchem Umfang der Nachfolgegeschäftsführer die streitbefangenen Rückstände hätte entrichten können und ob er somit tatsächlich den Haftungstatbestand erfüllt hat. Denn jedenfalls ist die Ermessensentscheidung deshalb fehlerhaft, weil das FA in der Einspruchsentscheidung auf die Möglichkeit der Inanspruchnahme des L nicht eingegangen ist.
b) Bei der Inanspruchnahme eines nach den §§ 34, 69 AO 1977 Haftenden handelt es sich um eine Ermessensentscheidung, die nach § 102 der Finanzgerichtsordnung (FGO) darauf zu überprüfen ist, ob der Haftungsbescheid deshalb rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 13. April 1978 V R 109/75, BFHE 125, 126, BStBl II 1978, 508, und vom 3. Februar 1981 VII R 86/78, BFHE 133, 1, BStBl II 1981, 493). Wegen der Befugnis und Verpflichtung des Gerichts zur Überprüfung behördlicher Ermessensentscheidungen, die dem Gericht keinen Raum für eigene Ermessenserwägungen läßt, muß die Ermessensentscheidung der Verwaltung im Haftungsbescheid, spätestens aber in der Einspruchsentscheidung begründet werden (vgl. § 121 Abs. 1, § 126 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 AO 1977), anderenfalls sie im Regelfall fehlerhaft ist. Dabei müssen die bei der Ausübung des Verwaltungsermessens angestellten Erwägungen - die Abwägung des Für und Wider der Inanspruchnahme des Haftungsschuldners - aus der Entscheidung erkennbar sein (BFHE 133, 1, BStBl II 1981, 493). Insbesondere muß die Behörde zum Ausdruck bringen, warum sie den Haftungsschuldner anstatt des Steuerschuldners oder anstelle anderer ebenfalls für die Haftung in Betracht kommender Personen in Anspruch nimmt.
Die Einspruchsentscheidung des FA enthält zwar - wie das FG festgestellt hat - Ausführungen über dessen Ermessenserwägungen. Dabei begründete das FA die Inanspruchnahme des Klägers allein damit, daß der Versuch der Beitreibung bei der GmbH fruchtlos verlaufen sei. Die Begründung der Ermessensentscheidung geht aber auf die Möglichkeit einer Haftung des Nachfolgegeschäftsführers L nicht ein. Ausführungen zum Auswahlermessen hinsichtlich der Inanspruchnahme der beiden Geschäftsführer (des Klägers und des L) waren im Streitfall insbesondere deshalb geboten, weil L die GmbH noch bis zur Eröffnung des Konkursverfahrens im März 1981 fortgeführt hat. Da in den Verwaltungsentscheidungen in dieser Hinsicht jegliche Ausführungen zum Auswahlermessen fehlen, kann nicht ausgeschlossen werden, daß das FA überhaupt keine Erwägungen zur Frage der Inanspruchnahme des anderen Geschäftsführers angestellt und damit für die Ermessensentscheidung wesentliche Umstände außer acht gelassen hat (Fall der Ermessensunterschreitung, vgl. Gräber, Finanzgerichtsordnung, § 102 Anm. 2, 6). Wegen der nicht ausreichenden Begründung der Ermessensentscheidung war der Haftungsbescheid in der Gestalt der Einspruchsentscheidung aufzuheben. Das mit der Revision angefochtene Urteil des FG erweist sich im Ergebnis als zutreffend.
Fundstellen
Haufe-Index 416212 |
BFH/NV 1990, 71 |