Leitsatz (amtlich)
Auf den Erwerb von Anteilen an einer GmbH & Co. KG war vor dem 1. Januar 1972 § 29 Satz 1 Nr. 2 UmwStG 1969 nicht anwendbar.
Normenkette
UmwStG 1969 § 29 S. 1 Nr. 2; KVStG 1959 § 2 Abs. 1 Nr. 1, § 6 Abs. 1 Nr. 4
Tatbestand
Durch Gesellschaftsvertrag vom 30. Juni 1970 sind die Klägerin, eine GmbH, und Herr P in die bereits bestehende Wohnungsbaugesellschaft X & Co. OHG, deren Gesellschafter zu gleichen Teilen Frau B und Herr K waren, aufgenommen worden. Gleichzeitig ist die Änderung der OHG in eine KG, deren einziger persönlich haftender Gesellschafter die Klägerin sein sollte, beschlossen worden. In § 3 des Gesellschaftsvertrages ist festgelegt worden, daß das Gesellschaftskapital der KG 1 000 000 DM beträgt, wobei man davon ausgegangen ist, daß die beiden bisherigen Gesellschafter der OHG und nunmehrigen Kommanditisten B und K ihre Einlagen in Höhe von jeweils 300 000 DM - offenbar in Form der vorhandenen Gegenstände des Betriebsvermögens der OHG - bereits erbracht haben (§ 3 Nr. 2 des Gesellschaftsvertrages). Die restlichen 400 000 DM sind durch Bareinlagen derselben Kommanditisten sowie des Kommanditisten P aufgebracht worden.
Das F A (Beklagter) hat den Erwerb der Kommanditanteile an der KG gemäß § 2 (Abs. 1) Nr. 1 i. V. m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 KVStG 1959 der Gesellschaftsteuer unterworfen und diese Steuer gegenüber der Klägerin auf (2,5 v. H. aus 1 000 000 =) 25 000 DM vorläufig festgesetzt. Der Einspruch der Klägerin ist erfolglos geblieben.
Das FG hat die Gesellschaftsteuer auf 10 000 DM herabgesetzt und dies damit begründet, daß der Erwerb der Kommanditanteile durch die bisherigen Gesellschafter der OHG gemäß § 29 Satz 1 Nr. 2 UmwStG 1969 - BGBl I 1969 S. 1163 - §§ 2 Abs. 1 Nr. 1, 6 Abs. 1 Nr. 4 KVStG 1959 von der Gesellschaftsteuer befreit sei (vgl. EFG 1972, 254). Nach § 29 UmwStG sei zwar Voraussetzung für die Steuerbefreiung, daß die Mitunternehmeranteile "auf die Kapitalgesellschaft" übertragen würden. Dies müsse hier aber als erfüllt angesehen werden, da sich aus den §§ 2 Abs. 1 Nr. 1 und 6 Abs. 1 Nr. 4 KVStG 1959 eine Gleichstellung der GmbH & Co. KG mit den Kapitalgesellschaften insoweit herleiten lasse.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Beklagten führt zur Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils und zur Abweisung der Klage.
Gemäß §§ 2 Abs. 1 Nr. 1, 6 Abs. 1 Nr. 4 KVStG 1959 unterlag der Gesellschaftsteuer der Erwerb von Kommanditanteilen an einer inländischen KG, wenn zu deren persönlich haftenden Gesellschaftern eine Kapitalgesellschaft gehörte. Dieser Tatbestand wurde verwirklicht. Das galt auch insoweit, als die bisherigen Gesellschafter der OHG Kommanditisten wurden (vgl. Urteile des BFH vom 11. November 1969 II 196/65, BFHE 98, 369, BStBl II 1970, 335, und vom 27. Januar 1972 II R 148/70, BFHE 105, 68, BStBl II 1972, 431).
Die Voraussetzungen für die Steuerfreiheit nach § 29 Satz 1 Nr. 2 UmwStG 1969 lagen nicht vor, weil diese Vorschrift ihrem Wortlaut nach voraussetzt, daß als Gegenleistung für den Erwerb von Gesellschaftsrechten an einer inländischen Kapitalgesellschaft das Vermögen eines Unternehmens als Ganzes, ein Betrieb, ein Teilbetrieb oder ein Mitunternehmeranteil auf die Kapitalgesellschaft übertragen wird. Abgesehen von der Frage, ob im vorliegenden Fall überhaupt eine Übertragung von Vermögen der bezeichneten Art angenommen werden kann - aus der OHG wurde durch Eintritt der Klägerin als persönlich haftende Gesellschafterin und durch übertritt der bisherigen Gesellschafter in die Stellung der Kommanditisten eine KG -, liegt jedenfalls keine Übertragung auf die Kapitalgesellschaft vor.
Was Kapitalgesellschaften i. S. des Gesellschaftsteuerrechts sind, war für den vorliegenden Fall in § 5 KVStG 1959 definiert. Kommanditgesellschaften fielen nicht darunter (vgl. hierzu das Urteil des Senats vom 21. Oktober 1969 II 210/65, BFHE 97, 147, BStBl II 1969, 736).
Dafür, daß der in § 29 UmwStG 1969 verwendete Begriff der Kapitalgesellschaft anders auszulegen war als nach gesellschaftsteuerrechtlichen Kriterien, gibt es keinerlei Anhaltspunkte. Nahe liegt vielmehr die Annahme, daß der im UmwStG 1969 an verschiedenen Stellen verwendete Begriff der Kapitalgesellschaft jeweils dem Sprachgebrauch der entsprechenden Steuergesetze folgt.
Auch wenn man mit der Revision in den Wortlaut des § 29 Satz 1 UmwStG 1969 den Text des § 2 Abs. 1 Nr. 1 KVStG 1959 einführt, gelangt. man bei wortlautgemäßer Auslegung nicht zu einem anderen Ergebnis. Der Erwerb eines Kommanditanteiles an einer GmbH & Co. KG war danach zwar ein Rechtsvorgang, wie er für die Anwendung des § 29 Satz 1 UmwStG 1969 Voraussetzung war, eine für den Erwerb dieses Anteils erbrachte Gegenleistung wurde aber nicht auf die Kapitalgesellschaft, in diesem Falle auf die Klägerin, sondern auf die GmbH & Co. KG übertragen, die im Sinne des § 5 KVStG 1959 keine Kapitalgesellschaft war.
Auch die Verwendung des bestimmten Artikels "die" vor dem Wort "Kapitalgesellschaft" in der Nr. 2 des § 29 Satz 1 UmwStG 1969 führt nicht zu dem Ergebnis, daß der im Gesetz objektivierte Wille des Gesetzgebers (vgl. BVerfGE 11, 126, 130) auf die Einbeziehung des Erwerbs von Gesellschaftsrechten i. S. des § 6 Abs. 1 Nr. 4 KVStG 1959 in den Tatbestand des § 29 Satz 1 Nr. 2 UmwStG 1969 gerichtet war.
Vor allem kann aus dem § 6 Abs. 1 Nr. 4 KVStG 1959 nicht entnommen werden, daß die Einbeziehung der dort genannten Gesellschaftsrechte in den Kreis der Anteile an Kapitalgesellschaften und damit die Steuerpflicht des Erwerbs dieser Anteile durch den ersten Erwerber stets auch die Steuerfreiheit dieses Erwerbs nach sich zieht, wenn für den Erwerb von Anteilen an Kapitalgesellschaften eine Steuerfreiheit vorgesehen ist. Es ist durchaus möglich, daß die Steuerfreiheit eines Erwerbsvorgangs auf den Erwerb von Anteilen an Kapitalgesellschaften i. S. des § 5 KVStG 1959 beschränkt sein sollte. Zieht man in diesem Zusammenhang den § 1 Abs. 2 des Gesetzes über die Umwandlung von Kapitalgesellschaften und bergrechtlichen Gewerkschaften (UmwG) in die Überlegungen ein, so spricht einiges dafür, daß eine auf den Erwerb von Gesellschaftsrechten an Kapitalgesellschaften i. S. des § 5 KVStG 1959 eingeschränkte Steuerbefreiung dem Zweck des § 29 Satz 1 Nr. 2 UmwStG 1969 entsprach. Nach § 1 Abs. 2 UmwG ist eine Umwandlung dann nicht zulässig, wenn an der Personengesellschaft, in die die Kapitalgesellschaft oder die bergrechtliche Gewerkschaft umgewandelt wird, eine Kapitalgesellschaft als Gesellschafter beteiligt ist. Die Umwandlung einer Kapitalgesellschaft oder bergrechtlichen Gewerkschaft auf eine derart beschriebene Personengesellschaft wird damit ausgeschlossen. Nimmt man hinzu, daß nach der Regierungsbegründung zu dem § 29 UmwStG 1969 (vgl. Bundestags-Drucksache V/3186) Zweck dieser Vorschrift sein sollte, die im Zuge der Umstrukturierung der deutschen Wirtschaft erforderlichen Neugründungen von Kapitalgesellschaften und Kapitalerhöhungen zu fördern, so verstärkt sich die Erkenntnis, daß es nicht Zweck des § 29 Satz 1 Nr. 2 UmwStG 1969 gewesen sein konnte, Vorgänge zu fördern, die auf dem direkten Wege der Umwandlung einer Kapitalgesellschaft in eine GmbH & Co. KG nicht erreichbar waren.
So lag der Sachverhalt im vorliegenden Fall. Die OHG war durch Unrwandlung einer vorher bestehenden GmbH entstanden. Aus ihr wurde durch Aufnahme einer neu gegründeten GmbH als persönlich haftende Gesellschafterin und durch den Übertritt der bisherigen Gesellschafter in die Stellung von Kommanditisten eine GmbH & Co. KG.
Läßt sich ein Gesetzeszweck, der die Einbeziehung der GmbH & Co. KG in den Kreis der durch § 29 Satz 1 Nr. 2 UmwStG 1969 begünstigten Gesellschaften fordert, nicht sicher feststellen, so ist für eine teleologische Extension des Gesetzeswortlautes kein Raum. Der Erwerb von Kommanditanteilen an einer GmbH & Co. KG unterlag danach während der Geltungsdauer des § 5 KVStG 1959 nicht der Befreiungsvorschrift des § 29 Satz 1 Nr. 2 UmwStG 1969. Hieran ändert sich auch dadurch nichts, daß die Rechtslage ab 1. Januar 1972 eine andere wurde. Diese Änderung war allein eine Folge der Neufassung des § 5 KVStG 1959, der seit diesem Zeitpunkt auch die GmbH & Co. KG zu den Kapitalgesellschaften zählt.
Fundstellen
Haufe-Index 71453 |
BStBl II 1975, 646 |