Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Sperrmarkgewinne können "sonstige Einkünfte" im Sinne von § 22 Ziff. 2, § 23 EStG 1951 sein, wenn der Zeitraum zwischen Anschaffung und Entsperrung nicht mehr als ein Jahr beträgt.
Normenkette
EStG § 22 Ziff. 2, § 23 Abs. 1
Tatbestand
Streitig ist die einkommensteuerliche Behandlung eines "Sperrmarkgewinns". Diesen hat der Beschwerdeführer (Bf.) in den Jahren 1951 und 1952 dadurch erzielt, daß er in der Schweiz zunächst selbst und später durch einen Strohmann Sperrmark zu einem unter deren Nennwert liegenden Preis aufkaufte und dann im Inland Freigabe zum Nennwert erwirkte.
Das Finanzamt sah in dem Gewinn - unstreitig etwa 50.000 DM - Einkünfte aus Gewerbebetrieb und zog den Bf. entsprechend heran. Der Einspruch blieb erfolglos. Auch die Berufung hatte insofern keinen Erfolg, als das Finanzgericht durch Zwischenurteil entschied, daß die Sperrmarkgewinne als "sonstige Einkünfte" (Spekulationsgeschäfte im Sinne des § 23 Abs. 1 Ziff. 1b des Einkommensteuergesetzes - EStG -) zu versteuern seien, soweit der Zeitraum zwischen Anschaffung der Sperrmark durch den Bf. und Freigabe durch die Landeszentralbank nicht mehr als ein Jahr betrage. Der Bf. habe zwar, so führt das angefochtene Urteil aus, keine Einkünfte aus Gewerbebetrieb gehabt. Er habe sich, auch wenn der von ihm angestrebte Erfolg nur durch eine ganze Reihe von Einzelhandlungen habe erzielt werden können, doch nicht am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr beteiligt. Selbst gewohnheitsmäßige Spekulation in Wertpapieren und eine noch so geschickte Vermögensverwaltung genügten für sich allein nicht, um einen Gewerbebetrieb anzunehmen. In Betracht komme jedoch ein Spekulationsgewinn im Sinne der erwähnten Vorschrift. Die Sperrmark sei ein Wirtschaftsgut. Das Erfordernis der "Anschaffung" sei mit dem Ankauf gegeben. Das Erfordernis der "Veräußerung" sei durch die Freigabe (= Umwandlung in normales Giralgeld) erfüllt. Wenn auch keine Veräußerung im eigentlichen Sinn vorliege, so könne doch der Streitfall nicht anders beurteilt werden als der Ankauf einer Forderung zu einem unter dem Nennwert liegenden Preis und ihrer Verwertung (Einziehung) zum Nennwert, in welchem Fall der Reichsfinanzhof (vgl. dessen Urteil VI A 1125/33 vom 14. März 1934, RStBl 1934 S. 711) ebenfalls einen Spekulationsgewinn angenommen habe.
Mit seiner Rechtsbeschwerde (Rb.) wehrt sich der Bf. gegen die einkommensteuerliche Erfassung seines Gewinns. Es lägen, so macht er geltend, weder Einkünfte aus Gewerbebetrieb noch sonstige Einkünfte vor. Für die Erfassung insbesondere als Spekulationsgewinn fehle es an dem Erfordernis der Veräußerung. Er habe Sperrmark gekauft und eben diese verwendet oder - richtiger ausgedrückt - die entsprechende Forderung gegen die inländische Bank erworben und deren Entsperrung erwirkt. Er habe zwar einen Gewinn erzielt. Dieser Gewinn sei aber, wie das Finanzgericht übersehen habe, nicht erst durch die Freigabe der Sperrmark - ein zu Unrecht angenommenes Veräußerungsgeschäft -, sondern bereits durch den Ankauf der Sperrmark entstanden. Er habe mit dieser ein Wirtschaftsgut erworben, dessen Wert und dessen Verwertungsmöglichkeit bereits zu diesem Zeitpunkt (dem Zeitpunkt des Erwerbs) völlig klargelegen hätten. Wie das Vorhandensein von Verfügungsbeschränkungen steuerlich unbeachtlich sei, so dürfe auch der Wegfall von Verfügungsbeschränkungen steuerlich keine Rolle spielen. Von einem Wiederverkauf der erworbenen Sperrmark könne keine Rede sein. Wenn überhaupt, so könne aber ein Spekulationsgewinn nur dann vorliegen, wenn der hierfür erforderliche Zeitraum von einem Jahr nicht nach dem Zeitraum zwischen der Anschaffung und der Freigabe, sondern nach dem zwischen der Anschaffung und der tatsächlichen Verwendung berechnet werde.
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist nicht begründet.
Wie das Finanzgericht ohne Rechtsirrtum erkannt hat, ist der von dem Bf. erzielte Gewinn zwar nicht unter die Einkünfte aus Gewerbebetrieb, wohl aber unter die "sonstigen Einkünfte" im Sinne des § 22 Ziff. 2 EStG (Spekulationsgewinn) einzuordnen. Das Vorgehen des Bf. stellt nicht schon, weil es verschiedene Maßnahmen wirtschaftlicher Art erforderlich machte, eine gewerbliche Tätigkeit dar. Es fehlt, wie das Finanzgericht zutreffend ausgeführt hat, an der Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr. In den Maßnahmen liegen aber, wie das Finanzgericht ebenfalls zutreffend ausgeführt hat, die Anschaffung und die Veräußerung eines Wirtschaftsguts, wie sie nach § 22 Ziff. 2 in Verbindung mit § 23 EStG für die Annahme eines Spekulationsgewinns vorausgesetzt werden.
Daß die Sperrmark oder richtiger das mit dieser Bezeichnung gemeinte "gesperrte Guthaben bei der Bank" ein Wirtschaftsgut ist, steht außer Frage. Dies zeigt gerade auch das Verhalten des Bf. selbst, wenn er sich bemüht hat, Sperrmark zu erwerben, um die unter ihrem Nennwert gehandelte Sperrmark nach ihrem Erwerb entsperren zu lassen und nach der Entsperrung zum Nennwert verwerten zu können.
Die Sperrmark ist von dem Bf. zwar über den Strohmann erworben worden. Weil dieser nur vorgeschoben worden ist, begegnet es aber keinen Bedenken, wenn der Erwerb unmittelbar dem Bf. zugerechnet wird (vgl. auch § 11 des Steueranpassungsgesetzes - StAnpG -). Damit ist das Erfordernis der Anschaffung, wie es in § 23 Abs. 1 vorausgesetzt wird, gegeben.
Der Bf. irrt, wenn er meint, daß das weitere Erfordernis der Veräußerung nur dann gegeben wäre, wenn er eben diese Sperrmark so, wie er sie erworben habe, an einen weiteren Erwerber veräußert hätte. Sicher wäre dies ein Fall der Veräußerung und, wie dem Bf. zuzugeben ist, wohl auch der typische Fall der Veräußerung im Sinne des § 23 Abs. 1 EStG gewesen. Der Veräußerung in diesem Sinne steht aber, wie das bereits von dem Finanzgericht angegebene Urteil des Reichsfinanzhofs VI A 1125/33 vom 14. März 1934 für den Fall des Ankaufs einer Hypothekenforderung unter dem Nennwert und der Einziehung dieser Forderung zum Nennwert ausgeführt hat, die Verwertung durch die Einziehung der erworbenen Forderung gleich. Der erkennende Senat ist der gleichen Auffassung. In der Tat wäre es nicht einzusehen, warum der durch Veräußerung eines erworbenen Wertpapiers erzielte Gewinn für die Frage des Spekulationsgeschäfts anders behandelt werden sollte als der durch die Einziehung einer erworbenen Forderung erzielte Gewinn. Wirtschaftlich ist hier wie dort der gleiche Sachverhalt gegeben. Nicht anders aber liegt es im Falle des Bf., wenn das von ihm erworbene Wirtschaftsgut "gesperrtes Guthaben" durch die Entsperrung zu einem Wirtschaftsgut ganz anderer Art, nämlich ein freies Guthaben, geworden ist. Weil mit der Entsperrung auch schon die Gutschrift auf ein freies Konto erfolgt, liegt - entgegen der Auffassung des Bf. - nicht erst in der Abhebung, sondern, wie das Finanzgericht zutreffend angenommen hat, bereits in der Freigabe die der Veräußerung entsprechende Verwertung.
Wenn der Bf. darauf hinweist, daß er den Gewinn bereits durch den Ankauf der Sperrmark erzielt habe, so steht das der Annahme eines Spekulationsgewinns nicht entgegen. Wer ein Wertpapier unter dem Kurswert kauft und es alsbald zum Kurswert verkauft, hat nicht schon um deswillen von vornherein keinen Spekulationsgewinn erzielt, weil ihm die Gewinnchance völlig klar gewesen ist. In allen Fällen wird der Spekulationsgewinn dadurch erzielt, daß sich eine Differenz zwischen dem Anschaffungs- und dem Verkaufspreis ergibt. Immer liegt bereits in dem Anschaffungspreis die Möglichkeit des Gewinns begründet. Ob diese Gewinnmöglichkeit klar voraussehbar ist oder nicht, spielt für die Frage des Spekulationsgewinns keine Rolle.
Mit dem Finanzgericht ist danach festzustellen, daß Sperrmarkgewinne als sonstige Einkünfte im Sinne des § 22 Ziff. 2, § 23 Abs. 1 EStG zu versteuern sind, wenn der Zeitraum zwischen der Anschaffung und der Freigabe nicht mehr als ein Jahr beträgt. Ob dies hier der Fall ist, bleibt jedoch, weil bisher nicht entschieden, noch in dem bei dem Finanzgericht anhängigen Verfahren zu prüfen. Hierbei ist insbesondere auch auf den Einwand des Bf. einzugehen, daß wegen des gegen ihn laufenden Devisenverfahrens und wegen der hiermit verbundenen Möglichkeit des Einzugs des Gewinns über dessen Erfassung noch gar nicht entschieden werden könne. Außerdem ist zu prüfen, ob der Bf. zu der Zeit der Gewinnerzielung unbeschränkt steuerpflichtig war. Wäre er beschränkt steuerpflichtig gewesen, wäre eine Erfassung des Gewinns nicht möglich (vgl. § 1 Abs. 2 in Verbindung mit § 49 Ziff. 8 EStG).
Fundstellen
Haufe-Index 409438 |
BStBl III 1959, 346 |
BFHE 1960, 222 |
BFHE 69, 222 |