Leitsatz (amtlich)
Die Regelung des Gemeinschaftsrechts ist rechtswirksam, wonach bei der Einfuhr von Kindergefrierfleisch aus einem Drittland, für die Abschöpfungsfreiheit im Rahmen eines Kontingents galt, der volle Grundbetrag des Währungsausgleichs ohne Korrektur erhoben wird.
Normenkette
EWGV 974/71 Art. 2 Abs. 1; EWGV 1380/75 Art. 4; EWGV 2719/75
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist Inhaberin eines offenen Zollagers. Am 12. November 1975 entnahm sie eine dort im Oktober eingelagerte Partie argentinischen Rindergefrierfleisches der Tarifst. 02.01 A II a 2 dd 22 ccc des Gemeinsamen Zolltarifs (GZT) in den freien Verkehr. Sie meldete dem zuständigen Zollamt (ZA) – das dem Beklagten und Revisionsbeklagten (Hauptzollamt – HZA –) untersteht – die Entnahme an, wobei sie den Ausgleichsbetrag Währung mit 1 866,80 DM angab. Die Einfuhr erfolgte im Rahmen eines Zollkontingents für gefrorenes Rindfleisch, das die EWG aufgrund von GATT-Vereinbarungen zugunsten dritter Länder eröffnet hatte. Dieses Kontingent ermöglichte unter Anwendung eines Zollsatzes von 20 % des Zollwertes die abschöpfungsfreie Einfuhr.
Die Klägerin erhob nach erfolglosem Einspruch gegen die Zahlungsanmeldung Klage mit der Begründung, der Währungsausgleichsbetrag müsse um den Betrag vermindert werden, um den sich die Abschöpfung bei einer Multiplikation der festgesetzten Abschöpfungen mit dem in Art. 4 Abs. 3 der Verordnung (EWG) Nr. 1380/75 (VO Nr. 1380/75) der Kommission vom 29. Mai 1975 (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften – ABlEG – Nr. L 139/37 vom 30. Mai 1975) erwähnten Währungskoeffizienten vermindere. Das Finanzgericht (FG) legte dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaft (EuGH) verschiedene Fragen zur Auslegung der VO Nr. 1380/75 vor. Mit Urteil vom 9. März 1978 Rs. 79/77 (EuGHE 1978, 611) entschied der EuGH, daß die VO Nr. 1380/75 nicht dahin auszulegen sei, daß bei der Einfuhr von Waren aus Drittländern in Mitgliedstaaten, für die die Abschöpfung zwar festgesetzt, die Erhebung aber ausgesetzt ist und für die ein Währungsausgleich erhoben wird, der Währungsausgleich durch Multiplikation mit einem Währungskoeffizienten vermindert wird. Ferner entschied der EuGH, daß seine Prüfung nichts ergeben habe, was die Gültigkeit der VO Nr. 1380/75 beeinträchtigen könnte. Daraufhin griff die Klägerin im Verfahren vor dem FG die Erhebung des Währungsausgleichs für die eingeführten Waren in vollem Unfang mit der Begründung an, die der Erhebung der Währungsausgleichsbeträge zugrunde liegende Verordnung (EWG) Nr. 2195/75 (VO Nr. 2195/75) der Kommission vom 22. August 1975 (ABlEG Nr. L 223/20 vom 23. August 1975) sei nichtig.
Das FG Hamburg wies die Klage als unbegründet ab (Urteil vom 12. Dezember 1978 IV 37/76 H, Entscheidungen der Finanzgerichte 1979 S. 349 – EFG 1979, 349 –).
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
Nach Art. 6 VO Nr. 1380/75 gelten die Bestimmungen über die Erhebung von Zöllen für die Währungsausgleichsbeträge. Die fraglichen Waren wurden am 12. November 1975 aus dem offenen Zollager der Klägerin entnommen. Auf sie sind daher die Währungsausgleichsbeträge nach den Sätzen anzuwenden, die an diesem Tage galten (§ 46 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. § 45 Abs. 6 Satz 2 des Zollgesetzes – ZG – a. F.; vgl. auch Urteil des EuGH vom 20. März 1980 Rs. 100/79, EuGHE 1980, 1125). Der entsprechende Satz ergibt sich aus Anhang I Teil 3 der Verordnung (EWG) Nr. 2719/75 (VO Nr. 2719/75) der Kommission vom 24. Oktober 1975 (ABlEG Nr. L 276/7 vom 27. Oktober 1975). Er betrug für die Bundesrepublik Deutschland 67,64 DM/100 kg und war damit gegenüber der vorangegangenen Festsetzungsverordnung Nr. 2195/75 unverändert geblieben. Im angefochtenen Bescheid (vgl. § 46 Abs. 3 Satz 4 ZG) ist dieser Satz angewendet worden. Der Bescheid ist also rechtmäßig, es sei denn, die VO Nr. 2719/75 wäre nicht rechtswirksam oder im Lichte anderer Verordnungen, insbesondere der Verordnung (EWG) Nr. 974/71 (VO Nr. 974/71) des Rates vom 12. September 1971 (ABlEG Nr. L 106/1 vom 12. Mai 1971, BZBl 1971, 550) und der VO Nr. 1380/75, gegen ihren Wortlaut auszulegen. Die Klägerin hält die VO Nr. 2719/75 für nichtig. Der erkennende Senat folgt ihrer Argumentation nicht.
1. Die Grundverordnung für die Erhebung der Währungsausgleichsbeträge ist die VO Nr. 974/71. Art. 2 Abs. 1 dieser Verordnung sieht vor, daß die sich aus den Währungsereignissen ergebenden Prozentsätze auf „die Preise” der betreffenden Erzeugnisse anzuwenden sind. Im übrigen ermächtigt Art. 6 VO Nr. 974/71 die Kommission zum Erlaß von Durchführungsbestimmungen.
In der Anfangszeit der Währungsausgleichsbeträge (1971 bis 1973) setzte die Kommission jeweils unterschiedliche Währungsausgleichsbeträge für den Handel mit Drittländern und für den Handel zwischen den Mitgliedstaaten fest. Seit 1973 hat sie jedoch aus Vereinfachungs- und Praktikabilitätsgründen für beide Arten des Handels nur einen „Grundwährungsbetrag” für jedes in Frage kommende Erzeugnis und jeden Mitgliedstaat festgesetzt. Bei der Berechnung dieser Beträge hat sie den in Art. 2 Abs. 1 VO Nr. 974/71 vorgesehenen Prozentsatz auf die Gemeinschaftspreise angewandt, d. h. im Falle einer Währung „in der Schlange” – wie bei der DM – den Prozentsatz des Unterschiedes (vgl. EuGHE 1978, 611, 822) zwischen ihrem „repräsentativen Kurs” und ihrem „Leitkurs”.
Die so festgesetzten Währungsausgleichsbeträge sind jedoch beim Handel mit Drittländern grundsätzlich korrekturbedürftig. Bei einer solchen Einfuhr, die einer Abschöpfung unterliegt, kompensieren die festgesetzten Abschöpfungsbeträge bereits den Unterschied zwischen den zugrunde gelegten Weltmarktpreisen und dem Preisniveau des jeweiligen Mitgliedstaates. Das ergibt sich aus dem System der Festsetzung der Abschöpfungen. Die Abschöpfungen werden in Rechnungseinheiten festgesetzt. Für die Anwendung im Einzelfall müssen sie in die Landeswährung des betreffenden Mitgliedstaates umgerechnet werden. Seit dem Inkrafttreten der Verordnung (EWG) Nr. 475/75 (VO Nr. 475/75) des Rates vom 27. Februar 1975 (ABlEG Nr. L 52/28 vom 28. Februar 1975) ist diese Umrechnung in jedem Fall mittels des von Zeit zu Zeit vom Rat festgesetzten „repräsentativen Kurses” (des „grünen” Kurses) dieser Währung vorgenommen worden. Die in dieser Weise festgesetzten repräsentativen Kurse der mitgliedstaatlichen Währungen entsprechen in der Regel nicht deren effektivem Wert auf dem Markt.
Hieraus folgt, daß bei einer Einfuhr aus einem Drittland, die einer Abschöpfung unterliegt, normalerweise der durch Anwendung des Prozentsatzes nach Art. 2 Abs. 1 VO Nr. 974/71 auf die Abschöpfung gewonnene Betrag bei Fehlen eines Korrektivs zweimal berücksichtigt werden würde, einmal beim Grundwährungsbetrag (da der Gemeinschaftspreis theoretisch dem Weltmarktpreis plus Abschöpfung entspricht) und einmal bei der Umrechnung der Abschöpfung von Rechnungseinheiten in die Landeswährung anhand des „repräsentativen” Kurses. In einem solchen Fall wird daher ein Korrektiv in Form eines „Koeffizienten” auf die Abschöpfung angewandt, der aus dem für die Berechnung des Grundwährungsbetrages verwendeten Prozentsatz abgeleitet wird. Der Koeffizient ist eine Zahl, mit der der Betrag der Abschöpfung multipliziert wird. Die Koeffizienten werden von Zeit zu Zeit von der Kommission festgesetzt. Zu dem im vorliegenden Fall maßgebenden Zeitpunkt betrug er nach Anhang II der VO Nr. 2719/75 für die Bundesrepublik Deutschland 0,90.
Dieses System hatte im für den vorliegenden Fall maßgebenden Zeitpunkt seinen Niederschlag in Art. 4 VO Nr. 1380/75 gefunden. Nach Absatz 1 dieser Bestimmung wird für jeden Mitgliedstaat und für jedes Erzeugnis, für das die entsprechenden Bedingungen erfüllt sind, der Währungsausgleichsbetrag auf der Grundlage der gemeinsamen Preise festgesetzt. Der so bestimmte Betrag gilt auch für den Handel mit Drittländern (Art. 4 Abs. 2 VO Nr. 1380/75). Jedoch werden für diesen Handel die Einfuhrbelastungen, die in Rechnungseinheiten festgesetzt sind und für die fraglichen Erzeugnisse gelten, mit einem Koeffizienten multipliziert; dieser Koeffizient wird von dem Prozentsatz abgeleitet, anhand dessen der Grundwährungsausgleichsbetrag berechnet worden ist, und von der Kommission gleichzeitig mit diesem festgesetzt (Art. 4 Abs. 3 VO Nr. 1380/75).
2. Die Besonderheit des vorliegenden Falles liegt darin, daß die nach Art. 4 Abs. 3 VO Nr. 1380/75 grundsätzlich bei der Berechnung der Abschöpfung vorzunehmende Korrektur (die bei Aufwertungsländern zu einer Verringerung der Abschöpfung führt) wegen der Nichterhebung der Abschöpfung nicht zum Tragen kam. Trotz des Umstandes, daß die Klägerin infolge der fehlenden Korrektur über eine niedrigere Abschöpfung einen höheren Währungsausgleich zu zahlen hatte als im Grunde systemgerecht war, hat der EuGH darin in seiner Vorabentscheidung keinen Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot des Art. 40 Abs. 3 EWGV gesehen. Der EuGH hat dazu ausgeführt (Absatz 8 der Urteilsgründe in EuGHE 1978, 611, 620):
„Es ist eine Eigentümlichkeit des Systems der Währungsausgleichsbeträge, daß diese in pauschaler und allgemeiner Weise für Erzeugnisse oder Gruppen von Erzeugnissen festgesetzt werden. Die Aussetzung der Abschöpfung für das betroffene Kontingent stellt eine besondere Ausnahme vom gemeinschaftlichen System der Preisbildung im Rindfleischsektor dar, so daß sich die Lage der Importeure, die in den Genuß dieser Ausnahme gekommen sind, mit derjenigen der anderen Importeure nicht vergleichen läßt. Da eine Diskriminierung vor allem in der Ungleichbehandlung vergleichbarer Sachverhalte liegt, ist der Vorwurf der Ungleichbehandlung hinsichtlich der Anwendung der VO Nr. 1380/75 auf die im Rahmen des abschöpfungsfreien Kontingents eingeführten Waren nicht auf Tatsachen gegründet.”
Diese Entscheidung steht im Einklang mit den Grundsätzen, die das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) für vergleichbare Fälle aufgestellt hat. Im Beschluß vom 18. Mai 1971 1 BvL 7 u. 8/69 (Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1971 S. 400, 402 – HFR 1971, 400, 402 –) hat das BVerfG ausgeführt, der Steuergesetzgeber werde durch das Gleichheitsgebot insbesondere nicht gehindert, anstelle eines individuellen Wirklichkeitsmaßstabes für die Besteuerung aus Gründen der Praktikabilität pauschale Maßstäbe zu wählen und sich mit einer „Typengerechtigkeit” zu begnügen. Stehen die wirtschaftlichen Folgen einer benachteiligenden Typisierung allerdings in einem Mißverhältnis zu den mit der Typisierung verbundenen Vorteilen, so genügt diese dem Maßstab des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) nicht (vgl. BVerfG-Beschluß vom 26. April 1978 1 BvL 29/76, BVerfGE 48, 227, 239). Daß die fragliche Regelung in Fällen wie dem der Klägerin keine unverhältnismäßigen wirtschaftlichen Nachteile verursacht, hat der EuGH mit Recht entschieden. Durch die Erhebung des unkorrigierten Grundwährungsausgleichsbetrags ist der Vorteil für die Klägerin, der in der Gewährung der Abschöpfungsfreiheit lag, lediglich etwas geringer ausgefallen. Überdies ist zu berücksichtigen, daß es erhebliche Schwierigkeiten bereitet hätte, ein zweckentsprechendes Sondersystem für die Festsetzung der Währungsausgleichsbeträge für die Fälle zu schaffen, in denen festgesetzte Abschöpfungsbeträge nicht erhoben werden (vgl. dazu die Ausführungen der Kommission im Vorabentscheidungsverfahren, EuGHE 1978, 611, 615).
3. Mit seiner Vorabentscheidung im vorliegenden Fall hat der EuGH im Ergebnis auch entschieden, daß die VO Nr. 2719/75 gültig ist. An diese Entscheidung ist der erkennende Senat – unbeschadet seines Rechts zur erneuten Vorlage (vgl. die Ausführungen unter Nr. 4) – gebunden.
Die Klägerin wendet ein, der EuGH habe sich nur zur Gültigkeit der VO Nr. 1380/75 geäußert. Nach dem Wortlaut der Vorabentscheidung trifft das zu. Die Klägerin verkennt aber, daß der EuGH sich deutlich und in Kenntnis der wesentlichen von der Klägerin auch im Revisionsverfahren vorgetragenen Argumente zu der hier allein maßgebenden Rechtsfrage geäußert hat, ob das Fehlen einer besonderen Regelung des Währungsausgleichs bei der Einfuhr von abschöpfungsfreiem Rindfleisch zu beanstanden ist und zur Ungültigkeit eines Rechtsaktes der EG zu führen vermag.
Die VO Nr. 2719/75 enthält für Rindfleisch die Festsetzung der Grundwährungsbeträge i. S. des Art. 4 Abs. 1 VO Nr. 1380/75 und des Berichtigungskoeffizienten i. S. des Art. 4 Abs. 3 VO Nr. 1380/75. Auch die Klägerin stellt offenbar nicht in Abrede, daß für den Fall der Einfuhr von Rindfleisch unter Erhebung der vollen Abschöpfung – diesen Fall betrachtet Art. 4, Abs. 3 VO Nr. 1380/75 offensichtlich als den Normalfall – sich die Regelung der VO Nr. 2719/75 im Rahmen der Grundverordnung Nr. 974/71 hält. Den Verstoß gegen die Grundverordnung sieht die Klägerin in dem Umstand, daß die Kommission eine zweckgerechte Regelung des Währungsausgleichs im Fall der Einfuhr von Rindfleisch unter ganzem oder teilweisem Verzicht auf die Erhebung der Abschöpfung unterlassen hat. Nun kann sich in der Tat die Rechtswidrigkeit – wenn auch nicht die Ungültigkeit – einer Vorschrift daraus ergeben, daß diese – im Widerspruch zu einer höherrangigen Norm – eine Regelung nicht enthält, die sie enthalten sollte (vgl. z. B. EuGH-Urteil vom 19. Oktober 1977 Rs. 117/76 und 16/77, EuGHE 1977, 1753, 1771; BVerfG-Beschluß vom 28. November 1967 1 BvR 515/63, BVerfGE 22, 349, 360 ff.). Folgerichtig kann aber die Rechtswidrigkeit nur diejenige Vorschrift erfassen, die die (angeblich) lückenhafte Regelung enthält. Es spricht vieles dafür, daß insoweit Art. 4 Abs. 3 VO Nr. 1380/75 maßgeblich ist, dessen Regelung, daß der Berichtigungskoeffizient nur bei Erhebung einer Abschöpfung zum Tragen kommt, gerade zu dem von der Klägerin beanstandeten Ergebnis geführt hat. Aber die Kommission hätte die von der Klägerin vermißte Regelung auch in der VO Nr. 2719/75 treffen können; diese bezieht sich insbesondere auf Rindfleisch, bei dem sich das genannte Problem besonders häufig stellt. Aber auch eine Sonderverordnung hätte die Kommission erlassen können.
Vor diesem rechtlichen Hintergrund ist die Vorabentscheidung des EuGH im vorliegenden Fall zu sehen. Der EuGH hat nicht isoliert nur zur Rechtsmäßigkeit der VO Nr. 1380/75 Stellung genommen. Er hat vielmehr deutlich gemacht, daß die Kommission nicht gegen die Grundverordnung Nr. 974//1 dadurch verstoßen hat, daß sie die von der Klägerin für erforderlich gehaltene Sonderregelung nicht traf. Daraus ergibt sich zwangsläufig, daß der EuGH alle Regelungen, welche auch immer für die Aufnahme einer solchen Sonderregelung in Frage gekommen wären, trotz der Nichtaufnahme für rechtsmäßig hielt, also auch die Regelung der VO Nr. 2719/75. Das wird noch deutlicher, wenn man die Formulierung der Frage 3 berücksichtigt, die das FG dem EuGH gestellt hat. Das FG hat dort gefragt, ob die VO Nr. 1380/75 insoweit nichtig ist, „als in dem Falle, daß eine Abschöpfung in Rechnungseinheiten festgesetzt, die Erhebung jedoch ausgesetzt ist, der Währungsausgleich bei Einfuhren aus Drittländern in die Bundesrepublik Deutschland nicht durch Anwendung eines Währungskoeffizienten ermäßigt wird”. Ist diese Frage für die VO Nr. 1380/75 zu verneinen – und der EuGH hat das getan –, so gilt das gleiche auch für die VO Nr. 2719/75.
4. Die Bindung des Senats an die Vorabentscheidung des EuGH hinderte ihn nicht, durch ein erneutes Vorabentscheidungsersuchen den EuGH zu einer Überprüfung seiner Auffassung zu veranlassen. Der Senat trüge auch keine Bedenken, das zu tun, wenn er Anhaltspunkte sähe, daß der EuGH seine Rechtsprechung inzwischen geändert hat. Daß eine solche Änderung eingetreten ist, will die Klägerin offenbar auch dartun mit ihrem Hinweis auf einige neuere Entscheidungen des EuGH. Diese Auffassung trifft aber nicht zu.
a) Das Urteil des EuGH vom 20. November 1979 Rs. 162/78 (EuGHE 1979, 3467) enthält eine erneute Darstellung des Systems des Währungsausgleichs, von dem der erkennende Senat auch im vorliegenden Urteil ausgeht (vgl. oben Nr. 1). Es enthält gegenüber der Vorabentscheidung des EuGH im vorliegenden Fall keine neuen Gesichtspunkte.
b) Im Urteil des EuGH vom 15. Oktober 1980 Rs. 4/79 (EuGHE 1980, 2823) geht es um die Frage, ob die Summe der Währungsausgleichsbeträge für die verschiedenen Erzeugnisse oder Nebenerzeugnisse, die sich aus der Verarbeitung einer bestimmten Menge eines Grunderzeugnisses (im entschiedenen Fall: Mais) ergeben, den Währungsausgleichsbetrag für dieses Grunderzeugnis übersteigen darf. Der EuGH ging in diesem Urteil ausführlich auf die Voraussetzungen ein, die bei der Festsetzung von Währungsausgleichsbeträgen durch die Kommission erfüllt sein müssen. Insbesondere betonte er, daß die Währungsausgleichsbeträge strikt neutral zu sein hätten, also die Inzidenz der Währungsmaßnahme nicht übersteigen dürften. Der EuGH hat aber auch in diesem Urteil an seiner ständigen Rechtsprechung festgehalten (Abs. 27 der Urteilsgründe), daß in Anbetracht der schwierigen technischen und wirtschaftlichen Probleme, die der Währungsausgleich aufwirft, die Kommission bei der Festsetzung der Währungsausgleichsbeträge über einen weiten Ermessensspielraum verfügt und daß die „Festsetzung des Währungsausgleichsbetrags für ein Verarbeitungserzeugnis … nicht allein mit der Begründung in Frage gestellt werden (kann), daß die Berechnung der Inzidenz des Währungsausgleichsbetrags auf das Grunderzeugnis für dieses oder jenes Unternehmen, diese oder jene Erzeugergruppe nicht völlig angemessen sei, da es unerläßlich sein kann, pauschale Bewertungen vorzunehmen”. Ferner hat der EuGH in diesem Urteil betont, daß die Ermessensbefugnis der Kommission Grenzen hat.
Auch dieses Urteil enthält keine wesentlichen neuen Gesichtspunkte, die von der bisherigen Rechtsprechung des EuGH zu Fragen des Währungsausgleichs abweichen. Der Gesichtspunkt, der für die Vorabentscheidung des EuGH im vorliegenden Fall maßgebend war, ist auch aus dem zitierten Urteil zu entnehmen, nämlich daß die Kommission grundsätzlich im Rahmen ihrer Befugnis handelt, wenn sie pauschalierende Regelungen trifft. Aus dem Umstand, daß der EuGH diese Grenzen im von ihm entschiedenen Fall für überschritten hielt, kann in Anbetracht des völlig anders gelagerten Sachverhalts kein Präjudiz für die Entscheidung des vorliegenden Falles entnommen werden. Die ausnahmslose Erhebung zu hoher Währungsausgleichsbeträge für Verarbeitungserzeugnisse von Mais kann durchaus anders gewertet werden als die Erhebung zu hoher Währungsausgleichsbeträge im Falle der Einfuhr von Rindfleisch, bei dessen Einfuhr der Importeur in den Genuß einer Abschöpfungsfreiheit gelangt. Für den vorliegenden Fall hat der EuGH denn auch erkannt, daß sich die Kommission bei ihrer Entscheidung, für die Erhebung von Währungsausgleichsbeträgen bei der Einfuhr von abschöpfungsfreiem Rindfleisch keine Sonderregelung vorzusehen, im Rahmen des ihr eingeräumten Ermessens zum Treffen pauschalierender Regelungen hielt.
c) Zur erneuten Vorlage an den EuGH veranlaßt den Senat auch nicht das Argument der Klägerin, im vorliegenden Fall seien die erhobenen „unrichtigen” Währungsausgleichsbeträge als Abgaben mit zollgleicher Wirkung anzusehen, die zu erheben unzulässig sei (vgl. Urteil in EuGHE 1980, 2823, 2847, Abs. 25 der Gründe). An der Befugnis der Kommission zu pauschalierenden Regelungen hat der EuGH keinen Zweifel gelassen. Pauschalierung bedeutet aber zwangsläufig, daß die Kommission in dem ihr eingeräumten Ermessensrahmen Währungsausgleichsbeträge festsetzen kann, die von dem „richtigen” Währungsausgleichsbetrag im Einzelfall nach oben oder unten abweichen können. Damit unterliegt es aber auch keinem Zweifel, daß im Rahmen zulässiger Pauschalierung festgesetzte zu hohe Währungsausgleichsbeträge nicht als Abgaben zollgleicher Wirkung anzusehen sind. Denn anderenfalls wäre jede Pauschalierung unzulässig. Da die Festsetzung der Währungsausgleichsbeträge, die Gegenstand des angefochtenen Bescheids sind, nach der Vorabentscheidung des EuGH durch den der Kommission eingeräumten Ermessensrahmen gedeckt sind, sind sie also keine Abgaben zollgleicher Wirkung.
d) Keinen Anlaß zur erneuten Vorlage an den EuGH sieht der Senat schließlich auch in der Regelung des Art. 14 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 400/80 der Kommission vom 19. Februar 1980 (ABlEG Nr. L 46/14 vom 21. Februar 1980). In dieser Bestimmung hat die Kommission eine Sonderregelung getroffen, die Ähnlichkeit mit der von der Klägerin allein für richtig gehaltenen aufweist. Der Umstand aber, daß die Kommission in einem Fall eine Sonderregelung getroffen hat, belegt noch nicht, daß die Kommission ihren Ermessensrahmen dadurch überschritten hat, daß sie in einem anderen Fall von einer solchen Regelung abgesehen hat. Überdies ist der in der zitierten Verordnung geregelte Fall (Ausfuhr von Butter) mit dem vorliegenden Fall nicht vergleichbar.
Fundstellen
Haufe-Index 510503 |
BFHE 1981, 486 |