Entscheidungsstichwort (Thema)
Freibetrag nach § 14a Abs. 4 EStG: Ermittlung der Einkommensgrenze bei stufenweiser Abfindung mehrerer weichender Erben, Berücksichtigung bei der Ermittlung der Einkünfte
Leitsatz (amtlich)
Bei Ermittlung der nach § 14a Abs.4 Satz 2 Nr.2 EStG maßgebenden Einkommensgrenze wird das Einkommen des dem Veranlagungszeitraum der Veräußerung oder Entnahme vorangegangenen Veranlagungszeitraums nicht um andere zuvor zur Abfindung weichender Erben gewährte Freibeträge erhöht.
Orientierungssatz
Der Freibetrag nach § 14a Abs. 4 EStG ist als sachliche Steuerbefreiung bereits bei der Ermittlung der Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft abzuziehen.
Normenkette
EStG § 14a Abs. 4 S. 2 Nr. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Ehegatten, die in Gütergemeinschaft leben und einen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb bewirtschaften. Durch gemeinschaftliches Testament vom 17. Mai 1992 bestimmten sie ihren jüngsten Sohn zum Hoferben. Die anderen Kinder, zwei Schwestern und der ältere Sohn sollten weichende Erben sein. Zur Abfindung für den Erbteil hatten die Kläger den beiden Töchtern 1990 jeweils ein Grundstück übertragen. Der dadurch entstandene Entnahmegewinn von 132 273 DM blieb, hälftig auf die Kalenderjahre 1990 und 1991 aufgeteilt, nach § 14a Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) steuerfrei, so daß das Einkommen 1991 51 140 DM betrug.
Am 29. Dezember 1992 übertrugen die Kläger dem älteren Sohn gegen Verzicht auf die Geltendmachung seiner Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche ein weiteres Betriebsgrundstück im Wege der vorweggenommenen Erbfolge. In ihren Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre 1992 und 1993 erklärten die Kläger jeweils die Hälfte des auf diese Entnahme entfallenden Gewinns von insgesamt 63 618 DM und beanspruchten dafür ebenfalls den Freibetrag nach § 14a Abs. 4 EStG. Dies lehnte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) mit den angefochtenen Bescheiden ab und wies die dagegen erhobenen Einsprüche mit der Begründung zurück, die Einkommensgrenze des § 14a Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 EStG sei überschritten. Aus dem Wortlaut der Vorschrift folge, daß die zur Abfindung der Töchter gewährten Freibeträge dem Einkommen für den der Entnahme vorangegangenen Veranlagungszeitraum 1991 wieder hinzuzurechnen sei.
Der dagegen erhobenen Klage gab das Finanzgericht (FG) im wesentlichen mit der Begründung statt, das dem Einkommensteuerbescheid 1991 zugrundeliegende Einkommen sei nicht um den damals gewährten Freibetrag zu erhöhen. Wie sich aus den Gesetzesmaterialien ergebe, sei die in § 14a Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 EStG angeordnete Korrektur des Einkommens nur im Hinblick auf die zu beurteilende Veräußerung oder Entnahme vorgesehen worden (BTDrucks 7/1871, S. 3).
Mit seiner dagegen gerichteten, vom Senat zugelassenen Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.
Das FA ist der Auffassung, daß bei Entnahmen oder Veräußerungen betrieblich genutzter Grundstücke zur Abfindung weichender Erben in mehreren Wirtschaftsjahren hintereinander das maßgebende Einkommen i.S. des § 14a Abs. 4 EStG um die Gewinne und Freibeträge aller Veräußerungen und Entnahmen zu bereinigen sei. Dies folge aus dem Gesetzeswortlaut, wonach das Einkommen des dem Veranlagungszeitraum der Veräußerung oder Entnahme vorangegangenen Veranlagungszeitraums "ohne Berücksichtigung des Gewinns aus der Veräußerung oder Entnahme und des Freibetrags" den Betrag von 27 000 DM bzw. 54 000 DM nicht übersteigen dürfe. Für die Berechnung der Einkommensgrenze sei danach nur der im maßgebenden Veranlagungszeitraum erfaßte und berücksichtigte Gewinn auszuscheiden; alle anderen begünstigten Gewinne i.S. des § 14a Abs. 4 EStG seien daher nicht auszuscheiden und die entsprechenden Freibeträge hinzuzurechnen.
Das FA beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
Zu Unrecht hat das FA die für die Streitjahre beantragten Steuerbefreiungen für den Gewinn aus der Entnahme zur Abfindung eines weichenden Erben versagt.
Veräußert oder entnimmt ein Steuerpflichtiger nach dem 31. Dezember 1979 und vor dem 1. Januar 1996 Teile des zu einem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb gehörenden Grund und Bodens, so wird der bei einer Veräußerung oder Entnahme entstehende Gewinn auf Antrag nur insoweit zur Einkommensteuer herangezogen, als er den Betrag von 120 000 DM übersteigt. Dies gilt nach § 14a Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 Buchst. a EStG allerdings nur, wenn der Steuerpflichtige den entnommenen Grund und Boden innerhalb von 12 Monaten nach der Entnahme im Wege der vorweggenommenen Erbfolge oder zur Abfindung weichender Erben diesen übereignet und ferner die unter § 14a Abs. 4 Nr. 2 EStG näher bezeichneten Einkommensgrenzen von 27 000 DM oder 54 000 DM bei zusammenveranlagten Ehegatten für den vorangegangenen Veranlagungszeitraum nicht überschritten werden.
Die Beteiligten sind sich darüber einig, daß die Voraussetzungen des § 14a Abs. 4 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 EStG im Streitfall erfüllt sind. Die Kläger übertrugen im Dezember 1992 ihrem ältesten Sohn ein Grundstück ihres Betriebsvermögens zur Abfindung als weichendem Erben. Entgegen der Auffassung des FA übersteigt das Einkommen der Kläger in dem dem Veranlagungszeitraum der Entnahme vorangegangenen Veranlagungszeitraum 1991 nicht die in § 14a Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 EStG bestimmte Grenze von 54 000 DM. Nach den Feststellungen des FG ergibt sich aus dem Einkommensteuerbescheid 1991 ein Einkommen von 51 140 DM. Dies ist auch das nach § 14a Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 EStG maßgebende Einkommen, denn der Begriff des Einkommens ergibt sich aus § 2 Abs. 4 EStG. Danach wird das Einkommen als Gesamtbetrag der Einkünfte, vermindert um die Sonderausgaben und die außergewöhnlichen Belastungen, definiert.
Der Freibetrag nach § 14a Abs. 4 EStG ist als sachliche Steuerbefreiung bereits bei Ermittlung der Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft abzuziehen (Gmach in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, 21. Aufl., § 14a EStG Anm. 141 und 156). Dies ergibt sich aus dem Gesetzeswortlaut, wonach "der bei der Veräußerung oder Entnahme entstehende Gewinn ... nur insoweit zur Einkommensteuer herangezogen" wird, "als er den Betrag von 120 000 DM übersteigt". Für den vergleichbaren Gesetzeswortlaut des § 16 Abs. 4 EStG a.F. hat dies der Bundesfinanzhof (BFH) ausdrücklich entschieden (BFH-Urteil vom 16. Dezember 1975 VIII R 147/71, BFHE 117, 557, BStBl II 1976, 360). Dazu bestand Anlaß, weil die Frage, ob der Freibetrag bei Betriebsveräußerung ein sachlicher oder tariflicher Freibetrag sei und insbesondere die Finanzverwaltung hierfür, wie auch für die Freibeträge nach § 14a Abs. 1 bis 3 EStG, den Abzug vom Einkommen vorgesehen hatte (Abschn. 3 Nr. 21 der Einkommensteuer-Richtlinien --EStR-- 1975). Trotz gleichen Wortlauts bezog sich diese später dem Urteil des BFH in BFHE 117, 557, BStBl II 1976, 360 angepaßte Verwaltungsanordnung nicht auf den Freibetrag nach § 14a Abs. 4 EStG.
Im Widerspruch dazu hat das FA einer im Schrifttum vertretenen Auffassung folgend das Einkommen des dem Veranlagungszeitraum der Entnahme vorangegangenen Veranlagungszeitraums 1991 um die zuvor u.a. auch im Veranlagungszeitraum 1991 zur Abfindung der Töchter gewährten Freibeträge erhöht (vgl. Felsmann/Pape, Einkommensbesteuerung der Land- und Forstwirte, 3. Aufl. 1983/95, Anm. D 311). Diese auch durch ein Beispiel verdeutlichte, indessen nicht weiter begründete Auffassung (Felsmann/Pape, a.a.O., Anm. D 311a) beruht offenbar auf einem von § 2 Abs. 4 EStG abweichenden, der Vorschrift des § 14a Abs. 4 EStG zugrundeliegenden eigenständigen Einkommensbegriff; sie scheint aus der Formulierung in § 14a Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 erster Halbsatz EStG ("ohne Berücksichtigung des Freibetrags") zu schließen, daß in allen nicht von dieser Vorschrift erfaßten Fällen eine Hinzurechnung der auf weiteren vorangegangenen Abfindungen beruhenden Freibeträge geboten sei.
Dieser Umkehrschluß überzeugt nicht. Wie das FG zutreffend ausgeführt hat, findet eine solche vom Wortlaut der Vorschrift abweichende Auslegung auch keine Stütze in der Gesetzesbegründung. Denn die Regelung zur Korrektur des Einkommens in § 14a Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 EStG wurde erst durch das Steuerbereinigungsgesetz --StBereinG-- 1985 vom 14. Dezember 1984 (BGBl I, 1493, BStBl I, 659) in das EStG eingefügt, nachdem die Finanzverwaltung bereits zuvor das Gesetz in dieser Weise zweckgerichtet ausgelegt hatte (s. Abschn. 133a Abs. 9 Satz 2 EStR 1984). Zweck der Regelung war es, den begünstigten Veräußerungs- oder Entnahmegewinn auch insoweit außer Betracht zu lassen, als er über die anteilige Zurechnung des Gewinns eines Wirtschaftsjahres gemäß § 4a Abs. 2 Nr. 1 EStG Gewinn und Einkommen des dem Veranlagungszeitraum der Entnahme vorangegangenen Veranlagungszeitraums erhöht. In der Begründung zum Entwurf eines StBereinG 1985 heißt es dazu (BTDrucks 10/1636, S. 91): "Nach bisher geltendem Recht sind bei Land- und Forstwirten Veräußerungs- und Entnahmegewinne i.S.d. § 14a Abs. 4 wie der laufende Gewinn eines abweichenden Wirtschaftsjahres zeitanteilig auf zwei Kalenderjahre zu verteilen. Veräußerungsgewinne i.S. des § 14a Abs. 4 erhöhen daher mittelbar den Gewinn des vorangegangenen VZ, auch wenn sie erst in dem Teil des Wirtschaftsjahres realisiert werden, der bereits zum nächsten VZ zu rechnen ist. Das führt dazu, daß die Freibetragsregelung des § 14a Abs. 4 nicht mehr anzuwenden ist, weil durch die Aufteilung des Veräußerungsgewinns im vorangegangenen VZ die Einkommensgrenze überschritten wird. § 14a Abs. 4 EStG steht sich in diesem Fall sozusagen selbst im Wege. Durch die vorgeschlagene Änderung wird dieses unerwünschte Ergebnis beseitigt." Daß andere einkommensmindernde Freibeträge bei Berechnung des Einkommens des der Veräußerung oder Entnahme vorangegangenen Veranlagungszeitraums hinzuzurechnen sind, ergibt sich aus dieser Begründung jedenfalls nicht.
Daraus folgt zugleich, daß die von den Klägern zu Recht beanstandete Auslegung des FA dem Zweck des § 14a Abs. 4 EStG zuwiderlaufen müßte. Danach wäre nämlich eine Abfindung mehrerer weichender Erben, wie sie das Gesetz in § 14a Abs. 4 Satz 4 EStG ausdrücklich vorsieht, in den meisten Fällen nur begünstigt, wenn sie zeitgleich erfolgte. Werden dagegen --wie im Streitfall-- nacheinander mehrere weichende Erben in verschiedenen Wirtschaftsjahren abgefunden, so würde sich § 14a Abs. 4 EStG auch in diesem Fall "selbst im Wege stehen".
Fundstellen
Haufe-Index 67340 |
BFH/NV 1999, 114 |
BStBl II 1998, 623 |
BFHE 186, 368 |
BFHE 1999, 368 |
BB 1998, 2046 |
BB 1998, 2046 (Leitsatz) |
DB 1998, 1997 |
DStRE 1998, 746 |
DStRE 1998, 746-747 (Leitsatz und Gründe) |
DStZ 1998, 880 |
DStZ 1998, 880 (Leitsatz und Gründe) |
HFR 1998, 982 |
StE 1998, 612 |
Information StW 1998, 666 (Leitsatz und Gründe) |
LEXinform-Nr. 0146656 |
Inf 1998, 666 |
NWB 1999, 2631 |
BBK 1998, 943 |
Erbinfo 1998, Beilage Nr 11-12 (Leitsatz) |
ZEV 1998, 439 |
ZEV 1998, 439-441 (Leitsatz und Gründe) |
NWB-DokSt 1999, 1018 |
stak 1998 |