Leitsatz (amtlich)
1. In dem finanzgerichtlichen Verfahren über die Bestellung eines Beratungsstellenleiters zwischen dem Lohnsteuerhilfeverein und der OFD ist der vorgesehene Beratungsstellenleiter nicht notwendig beizuladen.
2. Steuerfachgehilfen, die nach Ablegung ihrer Gehilfenprüfung mindestens drei Jahre ihren Beruf ausgeübt haben, erfüllen regelmäßig die für den Leiter einer Beratungsstelle vorgeschriebene Qualifikation einer hauptberuflichen Tätigkeit auf dem Gebiet des Lohnsteuerwesens (§ 23 Abs.3 StBerG). Auf die mindestens dreijährige praktische Tätigkeit kann die Lehrzeit nicht angerechnet werden.
Orientierungssatz
1. Die in § 23 Abs. 3 StBerG vorgeschriebene Qualifikation "dreijährige hauptberufliche Tätigkeit auf dem Gebiet des Lohnsteuerwesens" kann nicht auf andere Weise als durch die genannte praktische Tätigkeit nachgewiesen werden. Deshalb erfüllen Personen, die die Berufsausbildung zum Steuerfachgehilfen erfolgreich abgeschlossen haben, nicht allein deshalb stets die Voraussetzungen zum Leiter einer Beratungsstelle. Der Begriff "Lohnsteuerwesen" ist weit auszulegen. Er geht über das Lohnsteuerrecht und die Bearbeitung von Lohnsteuersachen im engeren Sinne hinaus und umfaßt die Behandlung aller mit der Anwendung des Lohnsteuerrechts zusammenhängenden Fragen einschließlich des einschlägigen Verfahrensrechts (vgl. BFH-Rechtsprechung; Literatur).
2. Eine Beiladung ist notwendig i.S. von § 60 Abs. 3 FGO, wenn die Entscheidung notwendigerweise und unmittelbar Rechte Dritter gestaltet bestätigt, verändert oder zum Erlöschen bringt, insbesondere also in Fällen, in denen das, was einen Prozeßbeteiligten begünstigt oder benachteiligt, notwendigerweise umgekehrt den Dritten benachteiligen oder begünstigen muß (vgl. BFH-Rechtsprechung).
Normenkette
FGO § 60 Abs. 3; StBerG § 23 Abs. 3 Fassung: 1975-11-04
Tatbestand
I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger), ein amtlich anerkannter Lohnsteuerhilfeverein, zeigte der Beklagten und Revisionsbeklagten (Oberfinanzdirektion --OFD--) die Eröffnung einer Beratungsstelle in B an und benannte Frau U als Beratungsstellenleiterin. Frau U war vom 1.April 1964 bis 31.März 1967 in einer von einem Steuerbevollmächtigten betriebenen landwirtschaftlichen Buchstelle zur Steuerfachgehilfin ausgebildet worden. Nach Ablegung der Gehilfenprüfung war sie bis zum 17.März 1975 im Angestelltenverhältnis in ihrem Ausbildungsbetrieb tätig.
Die OFD vertritt die Auffassung, die vorgesehene Beratungsstellenleiterin erfülle nicht die in § 23 Abs.3 StBerG vorgeschriebene Qualifikationsvoraussetzung einer mindestens dreijährigen hauptberuflichen Tätigkeit auf dem Gebiet des Lohnsteuerwesens. Sie forderte den Kläger unter Androhung eines Zwangsgeldes auf, eine andere Person zum Beratungsstellenleiter zu bestellen oder die Schließung der Beratungsstelle anzuzeigen. Die Beschwerde und die Klage des Klägers gegen die Verfügung der OFD blieben erfolglos.
Mit der vom Senat wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassenen Revision rügt der Kläger Verletzung von § 23 Abs.3 StBerG sowie der Art.3 Abs.1 und 12 Abs.1 des Grundgesetzes (GG). Er macht geltend, Personen, die die Qualifikation eines Steuerfachgehilfen erworben hätten, erfüllten stets die Voraussetzungen für die Bestellung zum Leiter einer Beratungsstelle eines Lohnsteuerhilfevereins. Ihre berufliche Qualifikation sei wesentlich höher als diejenige solcher Personen, die lediglich eine dreijährige hauptberufliche Tätigkeit auf dem Gebiet des Lohnsteuerwesens nachweisen könnten. Denn das Lohnsteuerwesen sei nur ein kleines Teilgebiet des gesamten Steuerwesens, also des Ausbildungsprogramms zum Steuerfachgehilfen. Deshalb müsse auf die in § 23 Abs.3 StBerG geforderte dreijährige hauptberufliche Tätigkeit die praktische Ausbildungszeit der Steuerfachgehilfen angerechnet werden.
Im Streitfall komme hinzu, daß Frau U nach ihrer Lehre als Steuerfachgehilfin acht Jahre lang diesen Beruf ausgeübt habe und dabei neben der Außendiensttätigkeit und der Mandantenbuchführung Jahresabschlüsse und Steuererklärungen erstellt habe.
Der Kläger beantragt, die Vorentscheidung sowie die Verfügung der OFD und die Beschwerdeentscheidung des Landesfinanzministers aufzuheben.
Die OFD beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet.
1. Der Anregung des Klägers, die vorgesehene Beratungsstellenleiterin zu dem Verfahren beizuladen, konnte nicht entsprochen werden, weil eine Beiladung im Revisionsverfahren nicht zulässig ist (§ 123 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
Auch das FG hat von einer Beiladung abgesehen. Ist im finanzgerichtlichen Verfahren die notwendige Beiladung unterblieben, so stellt das als Verstoß gegen die Grundordnung des Verfahrens einen wesentlichen, auch ohne Rüge im Revisionsverfahren zu prüfenden Mangel des Verfahrens dar, der zur Zurückverweisung (ohne Sachprüfung) führt (vgl. Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 12.Aufl., § 60 FGO Tz.7; Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 2.Aufl., § 60 Rdnr.73, mit Hinweisen auf die höchstrichterliche Rechtsprechung). Ein derartiger Verfahrensfehler liegt im Streitfall nicht vor; denn die als Beratungsstellenleiterin vorgesehene Frau U war nicht zum Klageverfahren notwendig beizuladen.
Die Beiladung ist notwendig, wenn an dem streitigen Rechtsverhältnis Dritte derart beteiligt sind, daß die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann (§ 60 Abs.3 FGO). Das ist dann der Fall, wenn die Entscheidung notwendigerweise und unmittelbar Rechte Dritter gestaltet, bestätigt, verändert oder zum Erlöschen bringt, insbesondere also in Fällen, in denen das, was einen Prozeßbeteiligten begünstigt oder benachteiligt, notwendigerweise umgekehrt den Dritten benachteiligen oder begünstigen muß (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 27.Februar 1969 IV R 263/66, BFHE 95, 148, BStBl II 1969, 343, und Beschluß des erkennenden Senats vom 29.Januar 1980 VII B 34/79, BFHE 129, 536, BStBl II 1980, 303). Ein solches Verhältnis gegenseitiger Abhängigkeit ist im Streitfall nicht gegeben. Die Abweisung des Klägers (Lohnsteuerhilfevereins) mit seiner Klage hätte zwar Auswirkungen auf dessen Rechtsbeziehungen zu Frau U in der Weise, daß der Kläger diese nicht --wie vorgesehen-- als Beratungsstellenleiterin beschäftigen dürfte. Der Eingriff in die Rechte von Frau U erfolgt aber nicht unmittelbar durch die finanzgerichtliche Entscheidung; die Entscheidung wirkt vielmehr nur mittelbar auf das Vertragsverhältnis zwischen dem Lohnsteuerhilfeverein und der in Aussicht genommenen Beratungsstellenleiterin ein, indem sie den Lohnsteuerhilfeverein dieser gegenüber zu einem bestimmten rechtsgeschäftlichen Verhalten (z.B. Kündigung oder Absehen vom Vertragsabschluß) zwingt. Das Urteil des FG ergeht somit nicht mit unmittelbarer Wirkung gegenüber einem Dritten.
Ob eine Beiladung nach § 60 Abs.1 FGO (einfache Beiladung) hätte erfolgen können und ob sie zweckmäßig gewesen wäre, braucht der Senat nicht zu prüfen, da eine dahingehende Verfahrensrüge nicht erhoben worden ist.
2. Das FG und die OFD haben zu Unrecht angenommen, daß Frau U die Voraussetzungen für die Bestellung zur Leiterin der Beratungsstelle eines Lohnsteuerhilfevereins nicht erfülle.
a) Nach § 23 Abs.3 StBerG darf der Lohnsteuerhilfeverein zum Leiter einer Beratungsstelle nur Personen bestellen, die mindestens drei Jahre auf dem Gebiet des Lohnsteuerwesens hauptberuflich tätig gewesen sind; dies gilt nicht für die in § 3 bezeichneten Personen. Der Nachweis der Erfüllung dieser Qualifikationsvoraussetzungen ist der gesetzlich vorgeschriebenen Mitteilung über die Bestellung des Leiters der Beratungsstelle an die OFD beizufügen (§ 23 Abs.4 und 5 StBerG). Wie der Senat im Urteil vom 9.Januar 1979 VII R 22/78 (BFHE 127, 100, BStBl II 1979, 306) entschieden hat, ist die Bestimmung des § 23 Abs.3 StBerG nicht gegen ihren Wortlaut auszulegen. Die dort vorgeschriebene Qualifikation kann nicht auf andere Weise (z.B. durch eine besondere Prüfung) als durch die genannte praktische Tätigkeit nachgewiesen werden.
Der Senat vermag deshalb der Revision nicht zu folgen, soweit diese die Auffassung vertritt, Personen, die die Berufsausbildung zum Steuerfachgehilfen erfolgreich abgeschlossen haben, erfüllten stets die Voraussetzungen für die Bestellung zum Leiter einer Beratungsstelle. Da das Gesetz --ohne Verfassungsverstoß (vgl. Senat in BFHE 127, 100, BStBl II 1979, 306)-- auf eine für eine bestimmte Zeitdauer ausgeübte berufliche Tätigkeit abstellt, kommt es auf die durch die Ablegung der Prüfung zum Steuerfachgehilfen nachgewiesene berufliche Qualifikation nicht an, selbst wenn diese hinsichtlich ihrer steuerrechtlichen Wertigkeit über die Anforderungen des § 23 Abs.3 StBerG hinausgeht. Die Richtigkeit dieser Auffassung folgt aus der in § 23 Abs.3 2.Halbsatz i.V.m. § 3 StBerG enthaltenen Ausnahmeregelung. Danach können im Hinblick auf ihre umfassende rechtliche Vorbildung ohne weitere Voraussetzungen Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer, nicht aber die Gehilfen in den wirtschafts- und steuerberatenden Berufen zum Beratungsstellenleiter bestellt werden. Darin liegt kein Verstoß gegen den Gleichheitssatz (Art.3 Abs.1 GG). Denn der Gesetzgeber war nicht verpflichtet, die Steuerfachgehilfen hinsichtlich der Befugnis zur Leitung einer Beratungsstelle den zur selbständigen unbeschränkten Hilfeleistung in Steuersachen befugten Personen gleichzustellen.
b) Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich ferner, daß --entgegen der Auffassung der Revision-- die regelmäßig dreijährige praktische Ausbildungszeit (Lehre) der Steuerfachgehilfen nicht auf die in § 23 Abs.3 StBerG genannte Mindestzeit der hauptberuflichen Tätigkeit auf dem Gebiet des Lohnsteuerwesens angerechnet werden kann. Denn anderenfalls müßte tatsächlich jedem Steuerfachgehilfen die Qualifikation zum Beratungsstellenleiter eines Lohnsteuerhilfevereins zuerkannt werden. Der Senat hat zu der Frage der Zulassung von Fachhochschulabsolventen zur Steuerberaterprüfung wiederholt entschieden, daß die Lehrzeit im Sinne des § 36 Abs.1 Nr.2 Buchst.b StBerG, die der Bewerber vor dem Abschluß des Fachhochschulstudiums mit der Ablegung der Gehilfenprüfung abgeschlossen hat, nicht auf die in § 36 Abs.1 Nr.2 Buchst.c StBerG vorgeschriebene zehnjährige hauptberufliche Tätigkeit auf dem Gebiet des Steuerwesens angerechnet werden kann (Urteile vom 17.Mai 1977 VII R 101/76, BFHE 122, 376, BStBl II 1977, 706, und vom 21.Februar 1984 VII R 124/83, BFHE 140, 352, BStBl II 1984, 339). Er hat dies u.a. damit begründet, daß die dreijährige Lehrzeit der Steuerfachgehilfen der Ausbildung dient und sie zu den Vorbildungsvoraussetzungen gehört, deren Erfüllung erforderlich ist, um mit einer hauptberuflichen Tätigkeit auf dem Gebiet des Steuerwesens beginnen zu können. Diese Betrachtungsweise muß auch für die in § 23 Abs.3 StBerG vorgeschriebene praktische Tätigkeit auf dem Gebiet des Lohnsteuerwesens Platz greifen. Da auch diese Tätigkeit "hauptberuflich" ausgeübt werden muß, können Ausbildungszeiten auf sie nicht angerechnet werden, und zwar auch dann nicht, wenn der Auszubildende im Rahmen der Ausbildung bereits mit praktischen Aufgaben betraut war (BFHE 122, 376, BStBl II 1977, 706, 708; Wilhelm, Der Beratungsstellenleiter als Lohnsteuerberater, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 1986, 178, 179; Späth in Bonner Handbuch der Steuerberatung, Kommentar zum Steuerberatungsgesetz, § 23 Rdnr.B 257.2; Charlier/Peter, Kommentar zum Steuerberatungsgesetz, 3.Aufl., § 23 Rdnr.13; Völzke, Anerkennung als Lohnsteuerhilfeverein, Der Betrieb --DB-- 1975, 2389, 2391).
Der Senat hat zwar im Urteil vom 16.November 1965 VII 17/65 U (BFHE 83, 660, BStBl III 1965, 739), das die Frage der Zulassung zur Steuerbevollmächtigtenprüfung betrifft, die Tätigkeit eines Finanzanwärters während seiner praktischen Ausbildung in der Finanzverwaltung als hauptberufliche Tätigkeit auf dem Gebiet des Steuerwesens im Sinne des § 6 Abs.1 Nr.3 StBerG a.F. angesehen. Eine entsprechende Regelung enthält nunmehr § 36 Abs.1 Satz 2 StBerG. Danach ist ein Fachhochschulstudium einschließlich Berufspraktikum als hauptberufliche Tätigkeit auf dem Gebiet des Steuerwesens anzurechnen. Insoweit handelt es sich aber, wie in BFHE 122, 376, BStBl II 1977, 706, 708 ausgeführt, um eine Ausnahmevorschrift, die auf einer besonderen Interessenlage (herausgehobene Qualifikation und Zeitdauer der Vorbildung) beruht. Die im Zusammenhang mit der Zulassung zur Steuerbevollmächtigtenprüfung gemachten Ausführungen des Senats zur Anrechnung der praktischen Ausbildungszeit eines Finanzanwärters lassen sich deshalb auf die Frage der Anrechnung der Lehrzeit eines Steuerfachgehilfen auf die praktische Berufstätigkeit, die zur Bestellung eines Beratungsstellenleiters erforderlich ist, nicht übertragen. Das gilt insbesondere auch im Hinblick auf die späteren Entscheidungen des Senats in BFHE 122, 376, BStBl II 1977, 706, und in BFHE 140, 352, BStBl II 1984, 339, die sich --wenn auch in anderem Zusammenhang (Zulassung zur Steuerberaterprüfung)-- mit der Anrechnung von Lehrzeiten auf die gesetzlich vorgeschriebene hauptberufliche Tätigkeit befassen.
c) Die im Streitfall vom Lohnsteuerhilfeverein benannte Leiterin der Beratungsstelle erfüllt aber die Qualifikationsvoraussetzungen des § 23 Abs.3 StBerG, weil sie nach Abschluß ihrer Lehrzeit länger als drei Jahre auf dem Gebiet des (Lohn-)Steuerwesens hauptberuflich tätig war. Nach dem für Frau U vorgelegten Zeugnis ihres früheren Arbeitgebers war diese seit Ablegung ihrer Prüfung zur Steuerfachgehilfin nahezu acht Jahre im Angestelltenverhältnis bei der Landwirtschaftlichen Buchstelle, bei der sie ausgebildet worden war, tätig. Ihr Aufgabengebiet umfaßte den Außendienst, die laufende Bearbeitung der Buchführungen von Mandanten, die Erstellung von Jahresabschlüssen und die Anfertigung von Steuererklärungen. Der Senat kann seiner Beurteilung das vorgelegte Zeugnis zugrunde legen, da dessen Echtheit und Richtigkeit zwischen den Beteiligten nicht umstritten und vom FG nicht in Zweifel gezogen worden ist (vgl. § 118 Abs.2 FGO). Frau U hat demnach über die vom Gesetz geforderte Mindestzeit hinaus ihren Beruf als Steuerfachgehilfin hauptberuflich ausgeübt; ihre Tätigkeit umfaßte auch das in § 23 Abs.3 StBerG vorausgesetzte Gebiet des Lohnsteuerwesens.
Der Begriff "Lohnsteuerwesen" ist ebenso wie der des "Steuerwesens", auf dessen Gebiet die für die Zulassung zur Steuerberater- und Steuerbevollmächtigtenprüfung erforderliche hauptberufliche Tätigkeit erbracht sein muß (§§ 36 Abs.1 Nr.2 Buchst.c, 156 Abs.2 Nr.3 StBerG), im Gesetz nicht näher umschrieben. Der Senat hat den Begriff des "Steuerwesens" im Hinblick auf die durch Art.12 Abs.1 GG gewährleistete Freiheit der Berufswahl stets weit ausgelegt. Er hat darunter alles verstanden, was mit den Steuern zusammenhängt, insbesondere auch Randgebiete des Steuerrechts und Tätigkeiten, die nur mittelbar das Steuerrecht betreffen. Eine hauptberufliche praktische Tätigkeit auf dem Gebiet des Steuerwesens ist danach auch dann gegeben, wenn das hauptberufliche Aufgabengebiet des Bewerbers zwar außerhalb des Steuerrechts liegt, jedoch mit diesem zusammenhängt und daher auch die Befassung mit Steuerfragen erfordert (vgl. BFH-Urteile vom 22.Februar 1978 VII R 86/77, BFHE 124, 474, BStBl II 1978, 393; vom 17.Oktober 1978 VII R 30/78, BFHE 126, 107, BStBl II 1979, 27, m.w.N.). Entsprechend weit ist auch der Begriff des "Lohnsteuerwesens" im Sinne des § 23 Abs.3 StBerG zu verstehen. Er geht über das Lohnsteuerrecht und die Bearbeitung von Lohnsteuersachen im engeren Sinne hinaus und umfaßt die Behandlung aller mit der Anwendung des Lohnsteuerrechts zusammenhängenden Fragen einschließlich des einschlägigen Verfahrensrechts. Im Schrifttum wird folglich die Mitwirkung bei der Ermittlung der Lohnsteuerabzugsbeträge bzw. eine im Rahmen der Betriebs- oder Finanzbuchhaltung ausgeübte Tätigkeit (z.B. Lohnbuchhalter oder Leiter der Buchhaltung) als für die Bestellung des Beratungsstellenleiters ausreichend angesehen (vgl. Völzke, Drittes Gesetz zur Änderung des StBerG, DB 1975, 1283, 1287, und DB 1975, 2389, 2390, 2391; Charlier/Peter, a.a.O., § 23 Rdnr.10; Späth, a.a.O., § 23 Rdnr.B 257.2; a.A. Wilhelm, DStR 1986, 178, 179).
Zu beachten ist ferner, daß es sich bei dem Qualifikationserfordernis des § 23 Abs.3 StBerG um eine Mindestanforderung handelt und daß das dort genannte Gebiet des Lohnsteuerwesens lediglich einen Ausschnitt aus dem Bereich des Einkommensteuerrechts umschreibt (Völzke, DB 1975, 2389, 2391). Soweit demnach Personen auf dem Gebiet der Einkommensteuer beruflich tätig werden und dabei insbesondere auch Einkommensteuererklärungen erstellen, erfüllen sie damit regelmäßig auch die Voraussetzungen einer praktischen beruflichen Tätigkeit auf dem Gebiet des Lohnsteuerwesens. Denn die Einkommensteuer schließt die Lohnsteuer, die nur eine besondere Erhebungsform der Einkommensteuer darstellt und deshalb überwiegend im Einkommensteuergesetz (EStG) geregelt ist, mit ein. Selbst in Fällen, in denen es nicht um die Einkommensteuer der Arbeitnehmer geht, die durch Steuerabzug vom Arbeitslohn (Lohnsteuer) erhoben wird, sind bei der Einkommensteuer zahlreiche Vorschriften und steuerrechtliche Tatbestände zu beachten, die auch bei den Anträgen auf Lohnsteuer-Jahresausgleich oder der Einkommensteuerveranlagung von Arbeitnehmern Anwendung finden (z.B. Einnahmen, Werbungskosten, Sonderausgaben, außergewöhnliche Belastungen, Kinderfreibeträge, Einkommen etc.). Ferner ist von Bedeutung, daß sich die Beratungsbefugnis der Lohnsteuerhilfevereine, deren ordnungsgemäßer Erfüllung die Qualifikationsanforderungen an den Beratungsstellenleiter dienen, nach § 4 Nr.11 StBerG nicht nur auf solche Fälle beschränkt, in denen das Einkommen des Vereinsmitglieds (Arbeitnehmer) ausschließlich aus Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit besteht (vgl. Urteil des Senats vom 17.November 1987 VII R 124/84, BFHE 151, 289, BStBl II 1988, 147). Wie sich aus § 4 Nr.11 Satz 2 Buchst.b StBerG ergibt, müssen in den Begriff des "Lohnsteuerwesens" im Sinne des § 23 Abs.3 StBerG jedenfalls auch solche Steuer-Rechtsgebiete einbezogen werden, die die Ermittlung der Einkünfte aus der Wohnung im selbstgenutzten Einfamilienhaus und aus der gesetzlichen Rentenversicherung betreffen.
Aus den vorstehenden Ausführungen folgt, daß Steuerfachgehilfen, die für die Dauer der gesetzlich vorgeschriebenen Mindestzeit ihren erlernten Beruf ausgeübt haben, die Voraussetzungen des § 23 Abs.3 StBerG regelmäßig erfüllen, d.h. also (auch) auf dem Gebiet des Lohnsteuerwesens hauptberuflich tätig waren. Dabei kommt es nicht darauf an, ob und in welchem Umfang sie während ihrer Berufstätigkeit mit Fragen des Lohnsteuerrechts in engerem Sinne (etwa Erstellung von Anträgen auf Lohnsteuer-Jahresausgleich oder Einkommensteuererklärungen von Arbeitnehmern) befaßt waren. Denn die berufliche Tätigkeit auf dem Gebiet der Steuerberatung im allgemeinen --insbesondere im Bereich der Einkommensteuer-- schließt den Teilbereich des Lohnsteuerwesens, der im übrigen --wie ausgeführt-- weit gespannt ist, mit ein (vgl. Völzke, DB 1975, 2389, 2391; einschränkend wohl Wilhelm, DStR 1986, 179). Bei dieser Auslegung ist auch zu berücksichtigen, daß Steuerfachgehilfen schon aufgrund ihrer steuerrechtlich umfassenden Berufsausbildung --wenn auch diese allein für die Bestellung zum Beratungsstellenleiter nach der Fassung des Gesetzes nicht ausreicht-- eine Gewähr dafür bieten, daß sie die minderen Qualifikationsanforderungen, von denen der Gesetzgeber für Beratungsstellenleiter eines Lohnsteuerhilfevereins ausgegangen ist, erfüllen werden. Bei ihnen kann deshalb hinsichtlich der vom Gesetz geforderten praktischen Berufstätigkeit auf eine weitere Spezialisierung verzichtet werden.
Eine Auslegung des § 23 Abs.3 StBerG im vorstehenden Sinne erscheint dem Senat auch deshalb geboten, weil sonst die Bestellung von Steuerfachgehilfen zu Beratungsstellenleitern eines Lohnsteuerhilfevereins davon abhängig gemacht werden müßte, mit welchen Arbeiten der jeweilige Gehilfe in der Praxis seines Arbeitgebers überwiegend befaßt war. Die Billigung des vorgesehenen Beratungsstellenleiters durch die OFD hinge damit weitgehend davon ab, welche Art von Tätigkeiten dem Steuerfachgehilfen in dem Zeugnis seines früheren Arbeitgebers, das als Qualifikationsnachweis gemäß § 23 Abs.5 StBerG vorzulegen ist, bestätigt würden. Diese Angaben wären aber für die Aufsichtsbehörde und die FG kaum überprüfbar.
d) Die OFD war demnach im Streitfall verpflichtet, die von dem Lohnsteuerhilfeverein als Leiterin seiner Beratungsstelle in B bestellte Frau U in das bei ihr geführte Verzeichnis der Lohnsteuerhilfevereine einzutragen (§ 30 StBerG i.V.m. § 5 Nr.2 Buchst.c der Verordnung zur Durchführung der Vorschriften über die Lohnsteuerhilfevereine vom 15.Juli 1975, BGBl I, S.1906). Die vorgesehene Beratungsstellenleiterin erfüllt die Voraussetzungen des § 23 Abs.3 StBerG, da sie nahezu acht Jahre lang als Steuerfachgehilfin hauptberuflich steuerberatende Tätigkeiten im Angestelltenverhältnis ausgeübt hat. Dem steht nach den obigen Ausführungen nicht entgegen, daß sie bei einem landwirtschaftlichen Buchführungsverband angestellt und nach dem vorgelegten Zeugnis überwiegend mit Buchführungs- und Jahresabschlußarbeiten befaßt war. Die Tätigkeit nach § 23 Abs.3 StBerG kann bei jeder zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen befugten Person, Gesellschaft oder Einrichtung ausgeübt werden (vgl. BTDrucks 7/2852 S.43); auch die genannten Arbeiten gehören zum Steuerwesen, das das in § 23 Abs.3 StBerG genannte Lohnsteuerwesen umfaßt. Im übrigen hat Frau U auch Steuererklärungen für Mandanten ihres Arbeitgebers angefertigt, bei denen sie auch mit Fragen des Einkommensteuer- bzw. Lohnsteuerrechts befaßt war.
Die Vorentscheidung und die angefochtene Verfügung der OFD (Aufforderung zur Bestellung eines anderen Beratungsstellenleiters oder Schließung der Beratungsstelle, Zwangsgeldandrohung) sowie die Beschwerdeentscheidung waren deshalb aufzuheben.
Fundstellen
Haufe-Index 62246 |
BFH/NV 1988, 1 |
BStBl II 1988, 789 |
BFHE 153, 472 |
BFHE 1989, 472 |
BB 1988, 1661-1661 (L1-2) |
DB 1988, 2036 (S1-2) |
HFR 1988, 572 (LT) |