Entscheidungsstichwort (Thema)
Unentgeltliche Überlassung von Dienstleistungen führt nicht zu einem einlagefähigen Wirtschaftsgut
Leitsatz (NV)
Gibt eine inländische Kapitalgesellschaft Dienstleistungen in Auftrag, die einer ausländischen Schwestergesellschaft zugute kommen, so handelt es sich um verdeckte Gewinnausschüttungen zugunsten der gemeinsamen Muttergesellschaft. Bei der Muttergesellschaft erhöhen sich jedoch nicht die Anschaffungskosten der ausländischen Tochtergesellschaft, weil es an einem einlagefähigen Wirtschaftsgut fehlt.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 1, § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist Muttergesellschaft mehrerer im In- und Ausland betriebener Tochtergesellschaften. So ist sie u.a. zu 100 v.H. an der X-GmbH in A/Deutschland (Tochter-GmbH) sowie an der Y AG in B/Schweiz (Tochter-AG) beteiligt. Anlässlich einer bei der Tochter-GmbH für die Streitjahre (1985 bis 1988) durchgeführten Betriebsprüfung stellte der Prüfer fest, dass die Tochter-GmbH Kosten für Beratung und Personalbeschaffung der Tochter-AG ersatzlos übernommen hatte. Es handelte sich um folgende Beträge:
1985 |
1986 |
1987 |
1988 |
1 924 DM |
40 481 DM |
22 532 DM |
22 988 DM |
Der Betriebsprüfer und ihm folgend der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) sahen in der Kostenübernahme eine der Klägerin zuzurechnende verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Während allerdings der Prüfer davon ausging, dass der Zufluss der vGA durch den sofortigen Verbrauch des Nutzungsvorteils als Betriebsausgabe der Klägerin neutralisiert werde, nahm das FA an, die Kostenübernahme sei ein einlagefähiges Wirtschaftsgut, um dessen Wert das Beteiligungskonto der Klägerin gewinnwirksam zu erhöhen sei. Aber auch dann, wenn man die Einlagefähigkeit verneine, sei der Gewinn der Klägerin --wie vom Prüfer angenommen-- nach § 1 des Außensteuergesetzes (AStG) zu erhöhen. Unter fremden Dritten wäre der Vorteil nicht unentgeltlich weitergegeben worden.
Die aufgrund der Prüfung ergangenen Körperschaftsteueränderungsbescheide 1985 bis 1988 gegenüber der Tochter-GmbH sind bestandskräftig geworden. Die gegenüber der Klägerin ergangenen Änderungsbescheide zu den Gewinnfeststellungen der Streitjahre wurden dagegen angefochten. Die Klage blieb erfolglos. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) vom 5. Juni 2002 2 K 212/98 ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2002, 1214 veröffentlicht.
Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerin, die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützt ist.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
unter Aufhebung des angefochtenen Urteils und der Einspruchsentscheidung des FA vom 3. April 1997 den Sammeländerungsbescheid über die gesonderte und einheitliche Gewinnfeststellung 1985 bis 1989 vom 9. Dezember 1992 --soweit dieser die Jahre 1985 bis 1988 betrifft-- in der Weise zu ändern, dass in Höhe der vGA der X-GmbH in Höhe von 1 924 DM (1985), 40 481 DM (1986), 22 532 DM (1987) und 22 988 DM (1988) Aufwand in gleicher Höhe berücksichtigt wird, der weder durch die Erhöhung der Beteiligung an der Y-AG noch im Wege einer Einkunftsberichtigung nach § 1 AStG zu kompensieren ist.
Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
1. Erbringt eine Tochtergesellschaft (T 1) im Hinblick auf die Beteiligung ihrer Muttergesellschaft (M) eine unentgeltliche Leistung an eine Schwestergesellschaft (T 2), liegt darin, wie auch in anderen Fällen der Leistung an eine dem Gesellschafter nahestehende Person, eine vGA seitens T 1 (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Beschluss des Großen Senats des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 26. Oktober 1987 GrS 2/86, BFHE 151, 523, BStBl II 1988, 348 unter C.II.2.a).
Welche Folgen sich hieraus für M ergeben, beurteilt sich nach der Art der an T 2 erbrachten Leistung.
a) Handelt es sich um ein Wirtschaftsgut, das Gegenstand einer (verdeckten) Einlage sein kann, entstehen M aus der Verwendung des erlangten Vorteils nachträgliche Anschaffungskosten auf ihre Beteiligung, die sich in einer Erhöhung ihres bilanzierten Vermögens niederschlagen. Eine Einlage setzt eine Mehrung des Betriebsvermögens voraus. Die Mehrung des Betriebsvermögens kann aus der Entstehung bzw. der Erhöhung eines Aktivpostens oder dem Wegfall bzw. der Verminderung eines Passivpostens bestehen (BFH-Urteil vom 12. April 1989 I R 41/85, BFHE 156, 481, BStBl II 1989, 612 unter II.4.).
b) Überlässt T 1 an T 2 dagegen unentgeltliche Nutzungen, erbringt M wie bei einer unmittelbaren Leistung an T 2 dadurch keine (verdeckte) Einlage, die zu einer Erhöhung des Beteiligungswertes führt. Es ist davon auszugehen, dass M den von T 1 zugewendeten Vorteil tatsächlich erhalten, aber für die Zwecke ihrer Beteiligung verbraucht hat, so dass sich bei ihr Ertrag und Aufwand in gleicher Höhe gegenüberstehen (BFH-Beschluss in BFHE 151, 523, BStBl II 1988, 348 unter C.II.2.b).
Was für Nutzungsüberlassungen gilt, gilt ebenso für Dienstleistungen (BFH-Urteil vom 14. März 1989 I R 8/85, BFHE 156, 452, BStBl II 1989, 633 unter II.2.c).
Unerheblich ist auch, ob T 1 die Dienstleistungen selbst erbringt, oder ob sie sie von einem Dritten erbringen lässt, dessen Tätigkeit sie bezahlt. Vielmehr hat der Große Senat des BFH den Verbrauch des durch die vGA bei M entstandenen Vorteils gerade daraus hergeleitet, dass die Nutzungsüberlassung durch T 1 nicht anders behandelt werden könne, als wenn M mit Mitteln der T 1 einen Dritten zur Nutzungsüberlassung veranlasst (BFH-Beschluss in BFHE 151, 523, BStBl II 1988, 348 unter C.II.2.b). Entgegen der vom FA vertretenen Auffassung führt der Umstand, dass T 1 Aufwendungen entstanden sind, nicht dazu, dass diese Aufwendungen mittels einer Einlage den Gewinn bei M erhöhen und den bei T 2 mindern (BFH-Beschluss in BFHE 151, 523, BStBl II 1988, 348 unter C.I.3.d). Die Figur der sog. Aufwandseinlage gibt es nur bei der betrieblich veranlassten Nutzung betriebsfremden Vermögens (BFH-Beschluss in BFHE 151, 523, BStBl II 1988, 348 unter C.I.1.b bb).
c) Dagegen liegt ein einlagefähiges Wirtschaftsgut vor, wenn T 2 einen Vertrag über Nutzungen oder Dienstleistungen abschließt und T 1 bilanzierte Schulden aus diesem Vertragsverhältnis (beispielsweise rückständige Mieten oder Vermittlungshonorare) übernimmt. Ähnlich verhält es sich, wenn die Mutter im Rahmen eines zwischen ihr und der Tochter bestehenden Nutzungs- oder Dienstverhältnisses rückständige Mietschulden erlässt. In diesen Fällen werden bestehende Passivposten vermindert (vgl. BFH-Urteil in BFHE 156, 481, BStBl II 1989, 612).
Das Bestehen eines Nutzungs- oder Dienstverhältnisses kann jedoch nicht durch eine Fiktion des Inhalts ersetzt werden, T 1 habe mit T 2 zunächst ein angemessenes Entgelt für die erbrachte Leistung vereinbart und nachträglich auf ihre Ansprüche verzichtet oder aber das Entgelt erhalten und eingelegt (BFH-Beschluss in BFHE 151, 523, BStBl II 1988, 348 unter C.I.3.c).
2. Das FG-Urteil stimmt mit den vorstehend aufgezeigten Grundsätzen nicht überein. Nach Auffassung des FG liegt eine verdeckte Einlage bereits immer dann vor, wenn die inländische Tochtergesellschaft im Interesse der gemeinsamen Muttergesellschaft Aufwendungen trägt, die die ausländische Tochtergesellschaft erspart. Die Vorentscheidung kann daher keinen Bestand haben.
a) Die Sache ist nicht spruchreif. Aus seiner Sicht hatte das FG keinen Anlass, festzustellen, ob die Verträge, die den streitigen Aufwendungen zugrunde lagen, von der Tochter-GmbH geschlossen worden waren. Das FG hat es vielmehr nicht ausgeschlossen, dass die Tochter-AG (T 2 im Sinne der vorstehenden Ausführungen) die Verträge im eigenen Namen geschlossen und die Tochter-GmbH (T 1 im Sinne der vorstehenden Ausführungen) nur die entsprechenden Rechnungen beglichen hat. Es hielt die Unterscheidung lediglich für unmaßgeblich. Bei Vorliegen der ersten Fallvariante (Abschluss der Verträge durch die Tochter-GmbH) kommt eine Einlage nicht in Betracht, während sie im zweiten Fall möglich erscheint, sofern die Tochter-AG zunächst entsprechende Verbindlichkeiten passiviert hatte.
b) Im zweiten Rechtsgang wird zu beachten sein, dass der Akteninhalt eher gegen die zweite Fallvariante spricht. Die Tochter-AG ist erst im November 1987 --also erst am Ende des dritten Streitjahres-- ins Handelsregister eingetragen worden. Erst ab diesem Zeitpunkt erlangte sie nach Art. 643 des Schweizerischen Obligationenrechts (OR) ihre eigene Rechtspersönlichkeit. In der Phase zwischen der Unterzeichnung der Statuten und der Eintragung einer AG in das Handelsregister existiert eine sog. Vorgesellschaft, die als einfache Gesellschaft i.S. von OR 530 angesehen wird. Das gleiche gilt für eine möglicherweise vor Unterzeichnung der Statuten existierende Gründungsgesellschaft (J. Schneider, Die Aktiengesellschaft im Schweizerischen Recht, 1996, S. 11). Vor Eintragung der AG ins Handelsregister können die Gründer Verpflichtungen ausdrücklich im Namen der zu bildenden AG eingehen. Der Handelnde wird von seiner Verpflichtung befreit, wenn die AG innerhalb von drei Monaten nach Registereintragung die Verbindlichkeiten übernimmt (OR 645 Abs. 2). Daraus folgt, dass bei Verbindlichkeiten, die vor Eintragung einer AG in deren Namen eingegangen worden sind, zunächst nicht feststeht, ob sie von der AG übernommen werden. Zudem spricht im Streitfall vieles dafür, dass beim Abschluss der Verträge, die zur Etablierung der Tochter-AG vor deren Eintragung abgeschlossen wurden (Personalbeschaffung), nicht die Gründer, sondern die mit ihnen verbundene Tochter-GmbH im eigenen Namen tätig wurde. Die einzigen Zahlungen, die in den Zeitraum nach der Eintragung der Tochter-AG fallen, sind die an Herrn A, der seit Gründung der Tochter-AG auch deren Verwaltungsrat angehörte. Gerade mit Herrn A hatte die Tochter-GmbH jedoch seit September 1986 einen Beratungsvertrag abgeschlossen und ihn regelmäßig honoriert. Lediglich die Honorare, die in die Zeit nach der Eintragung der Tochter-AG fielen, hat der Betriebsprüfer den verdeckt an die Klägerin ausgeschütteten Gewinnen zugerechnet.
3. Sollte das FG im zweiten Rechtsgang feststellen, dass die vGA der Tochter-GmbH bei der Klägerin mangels Einlagefähigkeit der für die Tochter-AG übernommenen Leistungen nicht zu einer Erhöhung der Anschaffungskosten der Beteiligung geführt haben, ist zu prüfen, ob die Voraussetzungen einer Gewinnberichtigung nach § 1 AStG erfüllt sind. Der Senat sieht insoweit von Hinweisen für den zweiten Rechtsgang ab, weil für die Auslegung dieser Vorschrift der I. Senat des BFH zuständig ist (Geschäftsverteilungsplan des BFH, BStBl II 2005, 112, A. I. Senat Nr. 3 d).
Fundstellen
Haufe-Index 1403421 |
BFH/NV 2005, 1784 |
DStRE 2005, 1241 |