Leitsatz (amtlich)
Ein Tauschvertrag im Sinne des § 1 Abs. 4 GrEStG liegt nicht vor, wenn für nur einen Vertragsteil der Anspruch auf Übereignung eines Grundstücks begründet wird, für den anderen Vertragsteil dagegen der Anspruch auf Errichtung eines Gebäudes auf seinem Grundstück.
Normenkette
GrEStG 1940 § 1 Abs. 2, 4, § 2 Abs. 2 Nr. 3
Tatbestand
Die Klägerin veräußerte durch Vertrag vom 2. Juni 1959 ihr Anwesen Haus Nr. 19 an die E.
Nach Abschnitt VIII der Vertragsurkunde vereinbarten die Beteiligten an Stelle eines Kaufpreises das Folgende:
"1. Die Verkäuferin hat mit Kaufvertrag zur Urkunde des amtierenden Notars ... von ... A aus Pl. Nr. 2116 der Gemarkung L ... eine bereits weggemessene Teilfläche von ungefähr 45 Dezimalen um den Preis von 500 DM pro Dezimale, sonach vorläufg insgesamt 22 500 DM gekauft.
Die E ... verpflichtet sich hiermit gegenüber der Verkäuferin an deren Stelle den Kaufpreis für diese Grundfläche, sowie die gesamten für den Erwerb dieses Grundstückes entstehenden Kosten und Steuern zu bezahlen.
2. Weiter verpflichtet sich die Käuferin gegenüber der Verkäuferin, für diese auf der vorbezeichneten Grundfläche ein Wohnhaus für sechs Familien auf ihre Kosten zu errichten und bis spätestens 15. Nov. 1959 schlüsselfertig zu übergeben. Der Bau dieses Wohnhauses hat nach den dieser Urkunde als Bestandteil beizuheftenden Plänen und nach der einen Bestandteil dieser Urkunde bildenden Baubeschreibung zu erfolgen ..."
Das FA (Beklagter) unterwarf mit Bescheid vom 24. Juni 1964 den Grundstückserwerb der E der Grunderwerbsteuer und setzte ferner mit Bescheid gleichen Datums gegen die Klägerin die Grunderwerbsteuer in Höhe von 15 473,95 DM fest mit der Begründung, der Vertrag vom 2. Juni 1959 sei ein Tauschvertrag, bei dem die Klägerin für die Übertragung des Anwesens ein schlüsselfertiges Gebäude erhalten habe. Der Steuerberechnung legte das FA die mit 221 057 DM ermittelten Gestehungskosten für das Gebäude zugrunde. Auf die Sprungberufung, mit der die Klägerin die Aufhebung des Steuerbescheids beantragte, setzte das FG die Grunderwerbsteuer auf 13 768,55 DM herab, weil die Klägerin einen Teil der Baukosten selbst getragen hatte. Im übrigen war es der Ansicht, die Erfüllung der von der E übernommenen Verpflichtung setze voraus, daß diese das Gebäude uneingeschränkt als Bauherr im eigenen Namen und auf eigene Rechnung errichtet habe. Mit der Errichtung des Gebäudes habe sie die wirtschaftliche Verwertungsbefugnis über ein Gebäude auf fremdem Boden erworben. Für die Übertragung dieser Verwertungsbefugnis auf die Klägerin sei gem. § 1 Abs. 2 und 4, § 2 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG Grunderwerbsteuer zu erheben.
Mit der Revision rügt die Klägerin, das FG habe § 1 Abs. 2 GrEStG unrichtig angewandt.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und des angefochtenen Steuerbescheids. Das angefochtene Urteil beruht auf unrichtiger Anwendung des § 1 Abs. 4 GrEStG. Nach dieser Vorschrift unterliegt bei einem Tauschvertrag, der für beide Vertragsteile den Anspruch auf Übereignung eines Grundstücks begründet, der Steuer sowohl die Vereinbarung über die Leistung des einen, als auch die Vereinbarung über die Leistung des anderen Vertragsteils. Entgegen der Auffassung des FG ist der Vertrag vom 2. Juni 1959 kein Tauschvertrag im Sinne des § 1 Abs. 4 GrEStG. Er begründete zwar für die E den Anspruch gegen die Klägerin auf Übereignung des Grundstücks ...straße 19, nicht aber für die Klägerin den Anspruch gegen die E auf Übereignung eines einem Grundstück gleichstehenden Gebäudes auf fremdem Boden. Ein Anspruch der Klägerin gegen die E auf Übereignung des auf dem Boden der Klägerin errichteten Gebäudes konnte durch den Vertrag vom 2. Juni 1959 nicht begründet werden, da die Klägerin als Eigentümerin des Grundstücks auch Eigentümerin des darauf errichteten Gebäudes wurde (§§ 946, 94 BGB). Der Vertrag kann auch dann nicht als Tauschvertrag im Sinne des § 1 Abs. 4 GrEStG beurteilt werden, wenn man davon ausgeht, es genüge hierfür, daß für nur einen Vertragsteil ein Anspruch auf Übereignung eines Grundstücks, für den anderen dagegen lediglich ein Anspruch auf Einräumung der rechtlichen oder wirtschaftlichen Verwertungsbefugnis (§ 1 Abs. 2 GrEStG) begründet werde. Ein Anspruch der Klägerin gegen die E auf Einräumung der Verwertungsbefugnis an dem von dieser auf dem Grundstück der Klägerin errichteten Wohnhaus sollte nach dem erkennbaren Willen der Vertragsteile nicht begründet werden. Die Leistung der E bestand in der Herstellung eines Werks (§ 631 BGB), nämlich des Gebäudes. Die E hat der Klägerin weder ein Grundstück mit einem noch zu errichtenden Gebäude noch ein bereits auf fremdem Boden bestehendes oder dort zu errichtendes Gebäude verkauft; sie hat sich vielmehr nur verpflichtet, auf dem Grundstück der Klägerin ein Gebäude für diese zu errichten. Der vom FG herangezogene Begriff des Bauherrn ist im Rahmen der §§ 1, 2 GrEStG kein selbständiges Tatbestandsmerkmal, sondern nur ein Hilfsmerkmal zur grunderwerbsteuerrechtlichen Beurteilung zivilrechtlich nicht eindeutig qualifizierbarer Verträge (vgl. Boruttau/Klein, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 9.Aufl. 1970, Vorbemerkung vor § 1 GrEStG, Anm. 18 h, 18 g, 18 f).
Da das von der E errichtete Gebäude der Klägerin als Eigentümerin des Grund und Bodens gehörte, fehlt es an einem der Grunderwerbsteuer unterliegenden Erwerbsvorgang durch die Klägerin. Die Vorentscheidung und der angefochtene Steuerbescheid waren daher aufzuheben (§ 126 Abs. 3 Nr. 1, § 100 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 FGO).
Fundstellen
Haufe-Index 70884 |
BStBl II 1974, 428 |
BFHE 1974, 203 |