Leitsatz (amtlich)
Im einheitlichen Gewinnfeststellungsverfahren ist ein Zwischenurteil darüber nicht zulässig, ob ein Gesellschafter zu einem bestimmten Zeitpunkt aus einer KG ausgeschieden ist.
Normenkette
FGO § 99
Tatbestand
Streitig ist, ob das Ausscheiden eines Gesellschafters aus einer KG bei der einheitlichen Gewinnfeststellung 1952 zu berücksichtigen ist.
Die Revisionsklägerin ist eine KG. Zu ihren Gesellschaftern gehörte K.
Zwischen der KG und K. entstand 1952 ein sich über viele Jahre hinziehender Streit über sein Ausscheiden. Es wurde prozessiert, und es wurden mehrere Vergleiche geschlossen. Mit Rücksicht auf die auch zivilrechtlich ungeklärte Frage der Höhe des Auseinandersetzungsguthabens des K. erließ das FA im Jahre 1958 nach dem Ergebnis einer Betriebsprüfung einen berichtigten einheitlichen Gewinnfeststellungsbescheid 1952, in dem ein Veräußerungsgewinn für K. nicht festgestellt wurde.
Diesen Bescheid focht die KG mit dem Einspruch an. Sie begehrte eine andere Verteilung des festgestellten Verlustes auf die Gesellschafter. Dem entsprach das FA in der Einspruchsentscheidung. Gleichzeitig beseitigte es den einheitlich festgestellten Verlust durch Ansatz eines dem K. zuzurechnenden Veräußerungsgewinns und gelangte so zu einem einheitlichen Gewinn. Der Feststellung dieses Veräußerungsgewinns legte es ein Urteil des Landgerichts (LG) vom 21. September 1960 zugrunde.
Hiergegen erhob K. Klage (damals Berufung) beim FG mit der Begründung; für 1952 sei kein Veräußerungsgewinn festzusetzen. Denn er sei erst durch den Vergleich vom 28. Oktober 1954 ausgeschieden.
Das FG gelangte zu dem Ergebnis, K. sei nicht zum 31. Dezember 1952, sondern später aus der KG ausgeschieden. Es traf jedoch keine endgültige Entscheidung über die Höhe des einheitlich festzustellenden Gewinns, sondern fällte folgende auf § 99 FGO gestützte Zwischenentscheidung:
"Die K. bei seinem Ausscheiden aus der KG zustehenden Ansprüche sind bei der Ermittlung des einheitlich festzustellenden Gewinns der KG nicht für das Jahr 1952 anzusetzen."
Zur Begründung des Zwischenurteils führt die Vorentscheidung im wesentlichen aus, eine abschließende Entscheidung über die Höhe des einheitlich festzustellenden Gewinns durch Endurteil sei besonders deshalb nicht möglich, weil die Ermittlungen über etwaige Rückstellungen der KG und über Rückstellungen der verbleibenden Gesellschafter für das Prozeßrisiko noch nicht abgeschlossen seien. Wenn § 99 FGO überhaupt einen Sinn haben und seinen Zweck, der Prozeßökonomie zu dienen, erfüllen solle, müsse man annehmen, daß auch in Fällen der vorliegenden Art ein Zwischenurteil zulässig sei.
Die Vorinstanz zog die KG zum Verfahren von Amts wegen nach § 60 Abs. 3 FGO zu.
Mit der Revision beantragt die KG, die Vorentscheidung aufzuheben, festzustellen, daß K. zum 31. Dezember 1952 ausgeschieden sei, und den berichtigten Feststellungsbescheid, der ohne Veräußerungsgewinne einen Verlust ausweise, bestehen zu lassen.
Der BdF trat dem Verfahren bei. Er hält das Zwischenurteil mit im wesentlichen folgender Begründung für unzulässig: Anspruch im Sinn des § 99 FGO sei bei der Anfechtungsklage gegen einen Steuerbescheid der festgesetzte Steuerbetrag. Bei einem Gewinnfeststellungsbescheid (§ 215 Abs. 2 AO) sei es der Anspruch des Staates, die Einkünfte, an denen mehrere beteiligt seien, als Einheit festzustellen und auf die Beteiligten zu verteilen. In einem Gewinnfeststellungsverfahren könne mithin eine Entscheidung über den Grund des Anspruchs z. B. darüber ergehen, ob es sich um einen Zusammenschluß mehrerer Beteiligter, um einen körperschaftsteuerpflichtigen nichtrechtsfähigen Verein oder um eine stille Gesellschaft mit einem Einzelkaufmann handle. Über einzelne Streitpunkte, die nicht den Grund, sondern die Höhe des Anspruchs beträfen, sehe die FGO kein Zwischenurteil vor. Die in dem angefochtenen Urteil angenommene weitergehende Zulässigkeit eines Zwischenurteils entspreche zwar dem früheren Rechtszustand nach § 284 Abs. 2 AO a. F., der auch Zwischenurteile über selbständige Streitpunkte gekannt habe. Da aber ein praktisches Bedürfnis, von dieser weitgehenden Möglichkeit eines Zwischenurteils Gebrauch zu machen, schon früher kaum bestanden habe, habe die FGO diese Möglichkeit nicht übernommen. Ein Zwischenurteil sei jetzt nur insoweit zulässig, als eine Feststellungsklage erhoben werden und ein Feststellungsurteil ergehen könne. Das sei für einzelne Besteuerungsgrundlagen nicht möglich (§ 213 Abs. 1 AO). Auch aus der Begründung zu § 99 FGO ergebe sich, daß der Grund des Anspruchs berührt werden müsse. Das vom FG für zulässig gehaltene Zwischenurteil diene auch nicht der Prozeßökonomie, weil, gleichgültig wie die Entscheidung des BFH ausfalle, in jedem Fall Feststellungen über die Höhe des Anspruchs und damit über die gesamten mit dem Ausscheiden des K. in Verbindung stehenden Fragen erforderlich würden.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision der KG führt zur ersatzlosen Aufhebung der Vorentscheidung.
Ein Zwischenurteil im Sinn des § 99 FGO war nicht zulässig. Nach § 99 FGO kann das Gericht durch Zwischenurteil über den Grund vorab entscheiden, wenn bei einer Leisuungs- oder Anfechtungsklage gegen einen Verwaltungsakt der in § 229 AO bozeichneten Art ein Anspruch nach Grund und Betrag streitig ist. Mit dem BdF ist der Senat der Auffassung, daß im einheitlichen Gewinnfeststellungsverfahren eine Vorabentscheidung nach § 99 FGO in dem Sinn, daß nur dem Grunde nach über das Bestehen einzelner erheblicher Sachverhaltsteile entschieden wird, nicht zulässig ist. Die Entscheidung hängt eng mit dem Begriff des Streitgegenstands zusammen. Wird als Streitgegenstand im einheitlichen Gewinnfeststellungsverfahren die Rechtmäßigkeit des Anspruchs des Staates auf Feststellung und Verteilung des Gewinns angesehen, so ergibt sich die Unzulässigkeit des Zwischenurteils über den Grund eines einzelnen, die Höhe des Gewinns bestimmenden Vorgangs aus dem Wesen und dem Sinn und Zweck des Zwischenurteils. Es soll der Prozeßökonomie dienen und ist deshalb nur dort vertretbar und sinnvoll, wo die Möglichkeit besteht, den Prozeß endgültig zu erledigen, ohne auf die ebenfalls bestrittene Höhe des Anspruchs einzugehen, Dieser Zweck kann durch ein Zwischenurteil über einzelne Streitpunkte nicht erreicht werden, weil in dem sich daran anschließenden Verfahren weitere einzelne Streitpunkte auftreten oder in den Rechtsstreit eingeführt werden könnten. Das zeigt, worauf der BdF mit Recht hinweist, der vorliegende Streit mit besonderer Deutlichkeit. Es ist kein Fall denkbar, in dem der Rechtsstreit mit dem Zwischenurteil endgültig abgeschlossen wäre. Denn wird das Zwischenurteil vom BFH bestätigt, so muß noch über die vorbehaltene Höhe des Gewinns entschieden werden, da die KG auch für den Fall, daß K. nicht zum 31. Dezember 1952, sondern erst später ausgeschieden ist, durch Rückstellungen den Gewinn gemindert haben will. Hält der BFH das Zwischenurteil für sachlich unrichtig, so muß die Höhe des Veräußerungsgewinns ermittelt werden.
Es kann dahingestellt bleiben, ob ein Zwischenurteil des hier vorliegenden Inhalts zulässig sein könnte, wenn Streitgegenstand bei der einheitlichen Gewinnfeststellung jeweils nur der vom Kläger geltend gemachte Sachverhalt und dessen Auswirkung auf die Gewinnhöhe wären. Denn der Große Senat des BFH entschied im Beschluß Gr. S. 1/66 vom 17. Juli 1967 (BFH 91, 393, BStBl II 1968, 344), Streitgegenstand sei nicht das einzelne Besteuerungsmerkmal, sondern die Rechtmäßigkeit des die Steuer (den Steuermeßbetrag) festsetzenden Steuerbescheids (Steuermeßbescheids). Wendet man diesen Streitgegenstandsbegriff auf die einheitliche Gewinnfeststellung an, so ist Streitgegenstand die Rechtmäßigkeit des den Gewinn feststellenden und ihn auf die Beteiligten verteilenden Bescheids. Streitgegenstand ist hier nicht der einzelne Vorgang, der den Gewinn beeinflußt, wie z. B. die Frage einer Rückstellung oder einer Teilwertabschreibung, sondern die verselbständigte Besteuerungsgrundlage als Ganzes, d. h. der Gewinn. Nur die Rechtmäßigkeit des Gewinns selbst in seiner Gesamtheit kann daher auch Gegenstand eines finanzgerichtlichen Urteils sein.
Die Entscheidung der Vorinstanz kann nicht in ein Teilurteil im Sinn des § 98 FGO umgedeutet werden, weil sie sich nicht mit einem in sich abgeschlossenen Teil des Streitgegenstands befaßt, der mit der Entscheidung durch das Gericht endgültig erledigt werden kann.
Im Urteil IV 330/57 U vom 21. Juli 1960 (BFH 71, 429, BStBl III 1960, 409) behandelte der Senat ein unzulässiges Zwischenurteil als verunglücktes Endurteil, entschied über die im Zwischenurteil behandelte Frage sachlich und verwies die Sache zur erneuten Entscheidung an die Vorinstanz zurück. Er hielt diese Umdeutung des unzulässigen Zwischenurteils aus prozeßökonomischen Erwägungen für angebracht, weil nur noch für die Steuerfestsetzung zu entscheiden blieb, ob statt der bisherigen Zusammenveranlagung eine getrennte Veranlagung der Ehegatten durchzuführen war. Es handelte sich damals also um einen Fall, in dem durch die Entscheidung des BFH in der Sache (es handelte sich um die Höhe der Besteuerung eines Veräußerungsgewinns) der Rechtsstreit im wesentlichen beendet wurde. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Es mag Fälle geben, in denen es zweckmäßig wäre, darüber, ob ein Gesellschafter zu einem bestimmten Zeitpunkt aus einer Gesellschaft ausgeschieden ist, vorab bindend für den weiteren Fortgang des Prozesses zu entscheiden. Das Gesetz bietet hierzu jedoch mit gutem Grund keine Möglichkeit, weil sonst bei dem umfassenden Streitgegenstandsbegriff die Gefahr bestünde, daß sich der Steuerprozeß in eine Anzahl einzelner Teilprozesse auflöst, in denen über Einzelsachverhalte durch Teilurteil oder Zwischenurteil entschieden werden könnte, was im Ergebnis nicht der Verfahrensökonomie entsprechen würde.
Fundstellen
Haufe-Index 68207 |
BStBl II 1968, 804 |
BFHE 1968, 365 |