Entscheidungsstichwort (Thema)
Bewertung, Vermögen-, Erbschaft-, Schenkungsteuer, Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Hat der Trustee eines englischen Nachlasses erst 21 Jahre nach dem Tode des Erblassers innerhalb eines abgegrenzten Personenkreises die Nachlaßbegünstigten und ihre Anteile zu bestimmen und ihnen die Substanz des Nachlasses zu übertragen, so liegt der Fall einer aufschiebenden Bedingung vor. Zur Zeit des Todes des Erblassers fehlt es an einem steuerpflichtigen Erbanfall. Es liegt weder der übergang des Nachlasses auf eine Stiftung des Erblassers noch eine Zweckzuwendung vor.
Die testamentarische Einsetzung eines Trustee für einen englischen Nachlaß mit der Maßgabe, daß er die Nachlaßbegünstigten und ihre Anteile bestimmen soll, enthält keinen Verstoß im Sinne des Art. 30 EGBGB.
Zur Bedeutung des internationalen Privatrechts (Erbrechts) bei Anwendung des ErbStG.
Normenkette
ErbStG § 2 Abs. 2 Ziff. 1, § 4 Ziff. 1, §§ 8, 14/1/1/a; StAnpG § 1
Tatbestand
Am 22. Januar 1953 verstarb in London Frau X. Y., zuletzt wohnhaft gewesen in F. in der Bundesrepublik Deutschland und in S. in Großbritannien, laut Erklärung des Managers der S. Executor & Trustee Company Limited britische Staatsangehörige; sie hinterließ Vermögen in Deutschland und außerhalb Deutschlands. Ihr Ehemann war bereits am 30. März 1944 gestorben. Hinsichtlich des in Deutschland befindlichen Teils ihres Nachlasses hatte sie durch letztwillige Verfügung vom 16. August 1944 ihre Adoptivtöchter A. und E., die beiden Abgabepflichtigen, je zur Hälfte zu Erbinnen bestimmt. Insoweit hatte sie die erstgenannte Tochter zur Testamentsvollstreckerin ernannt. Dagegen hatte die Erblasserin durch Testament vom 26. Januar 1949 in London die S. Executor & Trustee Company Limited dazu bestimmt, Executor und Trustee ihres Nachlasses außerhalb Deutschlands zu sein. In diesem letzten Willen überließ sie ihr gesamtes dingliches und persönliches Vermögen außerhalb Deutschlands dem Trustee. Dieser sollte freie Verfügungsmacht über jeden Bestandteil des Nachlasses außerhalb Deutschlands haben. Spätestens 21 Jahre nach dem Tode der Erblasserin sollte der Trustee den Nachlaß unter den beiden Töchtern A. und E. und ihren Nachkommen, soweit sie dann leben würden, nach seinem unbeschränkten Ermessen verteilen. Er war auch ermächtigt, hierbei innerhalb des genannten Familienkreises eine Auswahl zu treffen. Bis zu der Verteilung war ihm der Nachlaß anvertraut, und er konnte in dieser Zeit nach seinem unbeschränkten Ermessen Zahlungen zur Erhaltung des Nachlasses und auch zum Unterhalt oder zur Unterstützung der begünstigten Personen, gegebenenfalls auswahlweise, leisten. Keine der begünstigten Personen sollte in irgendeiner Beziehung Rechte an dem Nachlaß haben oder - bei Gefahr des Verlustes jeglicher Anwartschaft - auch nur befugt sein, die Gültigkeit des Testaments oder die Angemessenheit der Maßnahmen des Trustee in Zweifel zu ziehen.
Streitig ist die Erstreckung der Erbschaftsteuerpflicht der genannten beiden Adoptivtöchter auf den außerhalb Deutschlands befindlichen Teil des Nachlasses.
Das Amtsgericht hat unter dem 12. Dezember 1953 hinsichtlich des gesamten Nachlasses der Erblasserin folgenden Erbschein erteilt:
auf die beiden Adoptivtöchter als Erbinnen je zur Hälfte sämtlichen zur Zeit des Erbfalls im früheren Reichsgebiet befindlichen Vermögens,
ebenfalls auf die beiden Adoptivtöchter, ferner ihre Abkömmlinge, hinsichtlich des zur Zeit des Erbfalls außerhalb des früheren Reichsgebiets befindlichen Vermögens.
In dem Erbschein, dessen Erstreckung auf das außerdeutsche Vermögen der Erblasserin Bedenken begegnet (ß 2369 BGB; Martin Wolff, Das internationale Privatrecht Deutschlands, 3. Auflage, 1954, S. 236), ist als Wohnsitz der Erblasserin außer F. auch England festgehalten und die Testamentsvollstreckerschaft hinsichtlich des deutschen Teils des Nachlasses sowie die Einsetzung eines Executor und Trustee nach englischem Recht hinsichtlich des außerhalb Deutschlands befindlichen Teils des Nachlasses vermerkt. Es ist in dem Erbschein auch angeführt, daß die Verteilung des außerdeutschen Teils des Nachlasses völlig im Ermessen des Trustee liegt.
Ein Testamentsvollstreckerzeugnis zugunsten der Adoptivtochter A. hinsichtlich des Nachlasses in Deutschland liegt vor.
Das Finanzamt hat zunächst auf Grund der Auskünfte der Testamentsvollstreckerin auf dem ihr zugegangenen Fragebogen vom 5. März 1953 gegenüber den beiden Abgabepflichtigen den vorläufigen Erbschaftsteuerbescheid vom 2. Juli 1953 hinsichtlich des deutschen Teils des Nachlasses erlassen. Diesem Bescheid ist der weitere vorläufige Erbschaftsteuerbescheid vom 16. September 1954 gefolgt. Dieser erstreckt sich sowohl auf den inländischen als auch auf den ausländischen Nachlaß.
Der Einspruch der beiden Abgabepflichtigen vom 8. Oktober 1954 gegen diesen weiteren vorläufigen Bescheid hat zu einer Verböserung durch den Einspruchsbescheid vom 28. Januar 1955 geführt. In dem Einspruchsbescheid ist der Antrag der Abgabepflichtigen, den außerhalb Deutschlands gelegenen Teil des Nachlasses bei der Heranziehung zur Erbschaftsteuer außer Betracht zu lassen, abgelehnt worden. Gleichzeitig wurde der steuerpflichtige Nachlaß wegen zu hoher Abzüge für die Vermögensabgabeverbindlichkeiten und wegen des Abzugs einer Rückerstattungsschuld sowie zweier weiterer nunmehr gestrichener Abzüge höher angesetzt.
Auf die Berufung der beiden Abgabepflichtigen hat das Finanzgericht die Entscheidung des Finanzamts dahin abgeändert, daß lediglich der in Deutschland belegene Teil des Nachlasses der Erbschaftsteuer unterliegt.
Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde (Rb.) des Vorstehers des Finanzamts. Er beantragt, die Einspruchsentscheidung wiederherzustellen.
Zur Begründung der Heranziehung des in England befindlichen Teils des Nachlasses zur Erbschaftsteuer bringt der Vorsteher des Finanzamts auch den Gesichtspunkt vor, es handle sich hier um ein stiftungsähnliches Vermögen, etwa eine Zweckzuwendung im Sinne des § 4 Ziff. 1 a des Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG).
Entscheidungsgründe
Die persönliche Erbschaftsteuerpflicht tritt für den gesamten Erbanfall nach § 8 ErbStG ein, wenn der Erblasser zur Zeit seines Todes oder der Erwerber zur Zeit der Entstehung der Steuerschuld ein Inländer ist. Nach der ausdrücklichen Bestimmung des § 8 a. a. O. gelten als Inländer solche natürliche Personen, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. Die erbschaftsteuerliche Inländereigenschaft hängt also, entgegen der Annahme des Finanzamts in seinem Schriftsatz vom 10. September 1956, nicht von der Staatsangehörigkeit des Erblassers ab. Es kann daher für die erbschaftsteuerliche Inländereigenschaft die Frage der Staatsangehörigkeit der Erblasserin dahingestellt bleiben. Entscheidende Voraussetzung für die persönliche Erbschaftsteuerpflicht der Adoptivtöchter der Erblasserin ist der unstreitige Wohnsitz der Erblasserin in F. in der Bundesrepublik zur Zeit ihres Ablebens. Sie ist vom Finanzamt bis zu ihrem Tode als unbeschränkt steuerpflichtig geführt worden. Der persönlichen Erbschaftsteuerpflicht der Erben des Nachlasses eines zuletzt in der Bundesrepublik wohnhaft gewesenen Erblassers würde es auch nicht entgegenstehen, wenn neben dem inländischen noch ein weiterer Wohnsitz im Ausland zur Zeit des Todes bestanden hätte (so auch Model, Erbschaftsteuer, 2. Auflage, 1953, § 8 Anm. 7 und 9, S. 212, 214; Megow, Erbschaftsteuergesetz, 3. Auflage, 1955, § 8 Anm. I und X, S. 155, 166; Kapp, Erbschaftsteuergesetz, 3. Auflage, 1957, § 8 Anm. 3 a, S. 139).
Mithin bestehen insoweit in dem hier streitigen Fall grundsätzlich keine Bedenken gegen die Anwendung des deutschen ErbStG unter Mitberücksichtigung des ausländischen Besitzes.
Unabhängig davon, daß der Nachlaß der Erblasserin unter der Voraussetzung ihrer alleinigen britischen Staatsangehörigkeit nach Art. 25 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB) grundsätzlich (vgl. Art. 28 EGBGB und Martin Wolff, a. a. O. S. 227 und S. 232) in erbrechtlicher Hinsicht dem englischen Recht unterliegt, hängt die Frage, wie sich die deutsche Erbschaftsteuerpflicht hinsichtlich des im Ausland befindlichen Teils des Nachlasses der Erblasserin regelt, von den Bestimmungen des ErbStG ab. Das ErbStG ist auf dem BGB aufgebaut. Es verwendet die Begriffe des BGB, z. B. denjenigen des Eigentums, des Erbanfalls, des Vermächtnisanfalls, der Schenkung, des Vor- und Nacherbfalls, des Nießbrauchs. Grundsätzlich hat deshalb die Besteuerung eines Erbfalls nach dem ErbStG auf der Grundlage der Begriffe des BGB zu erfolgen. Wenn Rechtsformen ausländischen Rechts, die von dem deutschen Erbrecht abweichen, wie z. B. die Rechtsform eines britischen Trust, im Einzelfall zu beurteilen sind, so ist nach § 1 des Steueranpassungsgesetzes (StAnpG) der Sinn und Zweck der deutschen Besteuerungsvorschriften maßgebend. Daher ist in solchem Falle an Hand des deutschen ErbStG zu prüfen, ob und inwieweit jene ausländischen Rechtsformen als von der deutschen Besteuerung betroffen anzusehen sind. Eine abweichende Handhabung würde zu ungleichmäßiger Anwendung des deutschen Steuerrechts auf wirtschaftlich gleichliegende Fälle führen (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs V e A 62/28 vom 8. Oktober 1929 in Steuer und Wirtschaft - StuW - 1929 Nr. 996, sowie die Urteile des erkennenden Senats III 128/55 U vom 19. Oktober 1956 - Slg. Bd. 63 S. 431, Bundessteuerblatt (BStBl) 1956 III S. 363 - und III 298/56 U vom 27. September 1957 - BStBl 1957 III S. 427 ff. -). Es ist daher hinsichtlich des außerhalb Deutschlands befindlichen Teils des Nachlasses zu prüfen, welche Rechtsgestaltungen sich nach englischem Recht ergeben und welche Anwendung des deutschen Erbschaftsteuerrechts auf sie nach den Begriffen des BGB in Betracht kommen kann.
Im vorliegenden Fall hat nach der testamentarischen Bestimmung der Erblasserin die S. Executor & Trustee Company Limited auf Grund ihrer Einsetzung als Executor und Trustee den gesamten Nachlaß mit dem Zeitpunkt ihres Ablebens "upon trust" erworben (vgl. z. B. Curti, Englands Privat - und Handelsrecht, 1927 S. 211). Der Trustee hat nach seinem völlig freien Ermessen den Nachlaß zu verwalten, die Forderungen einzuziehen, die Einnahmen dem Bestande des Nachlasses zuzuführen, die Verbindlichkeiten einschließlich der steuerlichen abzudecken und auch vor Ausantwortung des Nachlasses Zahlungen an die nachlaßbegünstigten Benefiziare (beneficiaries) zu leisten. Im Jahre 1974, 21 Jahre nach dem Ableben der Erblasserin, soll der Trustee den Trustfonds unter den dann lebenden Nachlaßbegünstigten verteilen (power of appointment), entweder an alle oder an einen oder an mehrere von ihnen je nach seinem freien Ermessen, und zwar zu solchen Teilen, wie er sie als angebracht erachtet (power of apportionment), was nach englischem Erbrecht - abweichend von § 2065 BGB - zulässig ist (vgl. Meyer in Zeitschrift für vergleichende Rechtswissenschaft, 1903, S. 370).
Für die Beantwortung der Frage, wer als nachlaßbegünstigt hinsichtlich des in England befindlichen Teiles des Nachlasses in Betracht kommt, ist zunächst die rechtliche Stellung des Nachlaß-Trustee zu klären, dem im vorliegenden Fall, wie in England üblich, weitgehende Befugnisse übertragen sind.
Vorstehend und im folgenden ist bewußt nicht von Erben, sondern von "Nachlaßbegünstigten" die Rede, weil das englische Testamentsrecht keine Gesamtrechtsnachfolge von Erben, sondern nur eine Art von Vermächtnisnehmern im deutschen Sinne kennt. Wem das zugedacht ist, was nach Tilgung der Verbindlichkeiten und nach Leistung der Vermächtnisse übrig bleibt, ist für den restlichen Teil des Nachlasses ebenfalls nur eine Art von Vermächtnisnehmer (residuary legatee) (vgl. Curti, a. a. O., S. 202 ff.; Hillebrand, Einführung in das bürgerliche Recht Englands, 1946, S. 58; Liebegott, Nachlaßbehandlung im englischen Recht, in Archiv für bürgerliches Recht, 1913, S. 338; Meyer, a. a. O., S. 384; Heymann in Enzyklopädie der Rechtswissenschaft, II, 7. Auflage 1914, S. 341).
Was den Nachlaß-Trustee betrifft, so steht ihm am Nachlaß das gesetzliche Eigentum (legal ownership) zu, d. h. das Eigentum auf Grund des strikten Common Law, während die im Testament begünstigten Personen nach Billigkeitsrecht bzw. Gewohnheitsrecht Equity Eigentümer (equitable owner) sind. Die beiden Eigentumsrechte bestehen nebeneinander (vgl. Heymann in Festschrift für Heinrich Brunner, 1910, S. 496; Hillebrand, a. a. O., S. 43; Odgers, Common Law of England, 3. Auflage, 1927, Band 1 S. 21 und Band 2 S. 789; Heymann in Enzyklopädie, a. a. O., S. 309, 341). Es ist zu prüfen, wie dieser Eigentums-Dualismus als von der deutschen Besteuerung betroffen im Sinne der oben angeführten Rechtsprechung des Senats anzusehen ist. Das deutsche Erbrecht und das deutsche ErbStG kennen grundsätzlich keine Duplizität des Eigentums mehr, wie etwa früher das Ober- und Untereigentum bei Fideikommissen (vgl. Heymann, Festschrift a. a. O., S. 491). Auch die Unterscheidung im deutschen Steuerrecht zwischen bürgerlich-rechtlichem und wirtschaftlichem Eigentum trifft nicht das Verhältnis zwischen dem Vollrecht des englischen Trustee und den Anwartschaften der Benefiziare in einem Falle der vorliegenden Art. Wie Heymann, a. a. O., S. 497, an Hand der geschichtlichen Entwicklung des strikten und des Billigkeitsrechts in England auch hinsichtlich der englischen Hypothek (mortgage) nachgewiesen hat, bleibt in England Common Law das Maßgebende bei der rechtlichen Beurteilung, so tief auch das Billigkeitsrecht praktisch einschneidet. Der Trustee ist vollberechtigter Eigentümer, im Prozeß aktiv und passiv legitimiert. Das Eigentum unterliegt als volles dingliches Recht seiner Verfügungsgewalt, haftet für seine Schulden. Der Trustee vermag auf einen gutgläubigen Erwerber (der die Trust-Eigenschaft des Vermögens nicht kennt) Eigentum wirksam zu übertragen (vgl. Heymann, a. a. O., S. 498 und 507; Curti, a. a. O., S. 135). Hierin besonders erweist sich hinsichtlich des Trust die größere Stärke des strikten Rechts im Vergleich zum Billigkeitsrecht, weil ein Benefiziar das verkaufte Vermögen nicht zu vindizieren vermag (equity follows the law).
Daher ist der Trustee eines englischen Nachlasses, wenn ihm, wie hier, weit mehr Befugnisse als diejenigen eines deutschen Testamentsvollstreckers zustehen, im Hinblick auf die ihm in England gewährte Rechtsstellung auch für das deutsche ErbStG als Eigentümer des Nachlasses vom Augenblick des Ablebens des Erblassers an zu behandeln. Er setzt die Persönlichkeit des Erblassers in vermögensrechtlicher Beziehung fort (vgl. Liebegott, a. a. O., S. 355). Seine Stellung ist, weil der Erblasser gestorben ist, nicht die eines Treuhänders im deutschen Sinne für den Erblasser. Er ist auch nicht Treuhänder der im Testament begünstigten Personen, die noch gar nicht bestimmt sind und ihn nicht bestellt haben. Der englische Nachlaß-Trustee ist nicht einem deutschen Treuhänder gleichzustellen (so auch Heymann, a. a. O., S. 474, Anmerkung 1).
Der Trustee eines englischen Nachlasses ist auch nicht seinerseits als erbschaftsteuerpflichtig hinsichtlich des Nachlasses zu erachten; denn entscheidend ist hierfür der Wille des Erblassers. Dieser ist nicht darauf gerichtet, dem Trustee durch seine Bestallung in der letztwilligen Verfügung eine - bereichernde - Zuwendung zu machen, mag auch eine Vergütung für seine Tätigkeit vorgesehen sein. Der Nachlaß ist im englischen Recht ein Vermögen, das gebunden ist, die Verfügungsgewalt des Trustee wieder zu verlassen, sobald es an die Benefiziare verteilt wird. Der Reichsfinanzhof hat in seinem Urteil I a A 43/21 vom 25. Mai 1921 (Slg. Bd. 6 S. 62) sogar in dem Falle der übertragung von Grundstückseigentum auf einen Fiduziar den Willen der Bereicherung und damit das Vorliegen einer Schenkungsteuerpflicht verneint.
Der Erbschaftsteuerbescheid des Finanzamts ist in der Tat nicht gegen den Trustee gerichtet, sondern gegen die beiden Adoptivtöchter der Erblasserin, die nach deren englischem Testament zu den Nachlaßbegünstigten gehören. Die Nachlaßverteilung soll erst im Jahre 1974 stattfinden, und es ist heute überhaupt noch nicht abzusehen, wer von den Mitgliedern des in Betracht stehenden Familienkreises dann am Leben sein wird, und wem von ihnen - und gegebenenfalls zu welchem Anteil - der Trustee den Nachlaß gegebenenfalls überantworten wird. Es handelt sich mithin um gänzlich ungewisse Verhältnisse. Alle ein testamentarisches Anwartschaftsrecht auf den Erwerb des Nachlasses besitzenden Personen können sich lediglich als unter einer aufschiebenden Bedingung berechtigt erachten. Bloße Anwartschaften, deren Verwirklichung nicht von dem Willen der Anwärter abhängt, sind nicht erbschaftsteuerpflichtig (vgl. auch § 23 Abs. 3 ErbStG). Es liegt der typische Fall einer aufschiebenden Bedingung vor (so auch Heymann, a. a. O., S. 513, und für das amerikanische Nachlaß-Trustee-Recht die Urteile des Reichsfinanzhofs III e A 37/35 vom 24. September 1935 in Slg. Bd. 38 S. 225, StuW 1935 Nr. 672, und III e A 33/35 vom 16. Januar 1936 in StuW 1936 Nr. 131). Die Benefiziare erwerben ihren Nachlaßanteil erst durch die übertragung vom Trustee, und so steht ihr künftiges Eigentum am Nachlaß dem jetzigen Eigentum des Trustee nicht entgegen. Es verhält sich nicht so wie im deutschen Erbrecht, nach dem die Erben sofort Rechtsnachfolger des Erblassers werden und der Testamentsvollstrecker, der nicht dem Trustee gleichzustellen ist, den Nachlaß für die bereits in ihre Rechte eingetretenen begünstigten Personen verwaltet.
Da ein Nachlaßerwerb durch die Benefiziare noch nicht eingetreten ist, können sie zur Zeit auch nicht zur deutschen Erbschaftsteuer herangezogen werden, unbeschadet der Besteuerung des Nachlasses einschließlich der gegebenenfalls in der Zwischenzeit angesammelten Erträge nach der künftigen Verteilung.
In diesem Zusammenhang hat das Finanzamt in seinem Einspruchsbescheid vom 28. Januar 1955 darauf hingewiesen, daß der außerhalb Deutschlands belegene Teil des Nachlasses laut der in dem Umschlag Bl. 53 der Akten des Finanzamts befindlichen Photokopie der Empfangsbescheinigung der englischen Behörde vom 25. April 1953 einstweilen bereits in England versteuert ist. Aus dieser Versteuerung in England ergibt sich nicht ein bereits erfolgter Eintritt einer persönlichen Erbberechtigung. Die englische Nachlaßsteuer (Estate Duty) ist nicht eine persönliche Steuer der Erbberechtigten, sondern eine unpersönliche, auf dem Nachlaß als solchem ruhende Abgabe. Sie ist keine Erbanfallsteuer, sondern eine Nachlaßsteuer. Die Steuerverbindlichkeit entsteht mit dem Tode des Erblassers und wird innerhalb kurzer Zeit nach der Vorlage der Vermögensaufstellung und des Affidavits des Trustee bei der englischen Steuerbehörde fällig. Der Erblasser ist der Steuerschuldner. Es ist Sache des Executor oder Trustee, die Steuerschuld des Erblassers rechtzeitig abzudecken (vgl. Weise, Die Steuern im Vereinigten Königreich - Kieler Studien des Instituts für Weltwirtschaft, Baade -, Kiel, 1957 S. 195 ff., 172 bis 176; Stephen's, Commentaries on the Laws of England, II, Jenks, 1925, S. 747). Anders würde der Fall der nachlaßbegünstigten Personen nur dann liegen, wenn die Berechtigung der endgültigen Nachlaßbegünstigten hinsichtlich des außerhalb Deutschlands belegenen Teils des Nachlasses von vornherein feststünde, der Erwerb der Nachlaßanteile nicht aufschiebend bedingt wäre und dem Trustee lediglich die Nachlaßverwaltung und -verwertung sowie die formelle Erbauseinandersetzung oblägen; nur in diesem Falle würde nach deutschem Erbschaftsteuerrecht der Erbfall mit dem Ableben der Erblasserin anzunehmen sein (so auch Urteil des Reichsfinanzhofs III e 49/37 vom 12. Mai 1938 in Slg. Bd. 44 S. 23, StuW 1938 Nr. 365, und Ott in StuW 1938 Spalte 902).
Der Erbschein des Amtsgerichts vom 12. Dezember 1953, der ebenfalls nicht aussprechen kann, welche bestimmten Personen schon jetzt hinsichtlich des außerhalb Deutschlands belegenen Teils des Nachlasses begünstigt sind, steht der steuerlichen Entscheidung nicht entgegen.
Die in dem englischen Testament der Erblasserin vorgesehene Regelung hinsichtlich des außerhalb Deutschlands belegenen Teils ihres Nachlasses verstößt auch nicht etwa in der Hinsicht, daß die Benefiziare noch nicht bestimmt oder noch nicht bestimmbar sind, im Sinne des Art. 30 EGBGB gegen die guten Sitten oder gegen den Zweck eines deutschen Gesetzes. Von einem Verstoß gegen die guten Sitten kann ohnehin nicht gesprochen werden. In der Auslegung des Art. 30 a. a. O. bezüglich derjenigen ausländischen Vorschriften, die gegen den Zweck eines deutschen Gesetzes verstoßen, ist Vorsicht zu üben (vgl. Staudinger, Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 2. Teil, 9. Auflage, 1931, S. 814; Martin Wolff, Das internationale Privatrecht Deutschlands, 3. Auflage, 1954, S. 234). Wenn der deutsche Gesetzgeber eine Vorschrift des deutschen Rechts als zwingend erklärt (z. B. daß die Erbfolge mit dem Tode des Erblassers eintritt), so setzt er hierbei voraus, daß deutsches Recht überhaupt zur Anwendung kommt. Ob dies der Fall ist, bestimmt sich nach den Normen des internationalen Privatrechts, die im vorliegenden Fall ergeben, daß ausländisches Recht anzuwenden ist (Art. 25 EGBGB). Art. 30 a. a. O. ist lediglich dann wegen Verstoßes gegen den Zweck eines deutschen Gesetzes anzuwenden, wenn der Zweck der Vorschrift nach seiner Natur verlangt, daß die deutsche Vorschrift über ihre normale örtliche Reichweite hinaus zur Geltung gebracht wird. Diese Voraussetzung kann im vorliegenden Fall nicht als erfüllt angesehen werden.
Im Gegenteil ist dem deutschen Erbschaftsteuerrecht der Fall eines Erwerbs von Todes wegen unter einer aufschiebenden Bedingung keineswegs unbekannt. Er ist vielmehr im § 14 Abs. 1 Ziff. 1 a ErbStG (vgl. § 2074 BGB) ausdrücklich geregelt. Wie diese Regelung ergibt, wird nach deutschem Erbschaftsteuerrecht ein Erwerb von Todes wegen unter einer aufschiebenden Bedingung anerkannt. In diesem Falle entsteht die Erbschaftsteuerschuld erst mit dem Zeitpunkt des Eintritts der Bedingung. So würde auch im vorliegenden Fall nach Ablauf der 21 Jahre nach dem Tode der Erblasserin die deutsche Erbschaftsteuerpflicht für die dann vom Trustee bestimmten, sich am Leben befindenden nachlaßbegünstigten Personen in Betracht kommen.
Nicht haltbar ist der Versuch des Finanzamts, hinsichtlich der Benefiziare eine Art Stiftung im Sinne des deutschen Rechts anzunehmen. Zwar unterliegt der übergang von Vermögen auf eine vom Erblasser angeordnete Stiftung nach § 2 Abs. 2 Ziff. 1 ErbStG der Erbschaftsteuer. Im vorliegenden Fall ist indessen eine selbständige Stiftung im Sinne des § 80 BGB - nur solche Stiftungen sind in § 2 Abs. 2 Ziff. 1 ErbStG gemeint, weil es bei einer sogenannten unselbständigen Stiftung an einem Vermögensübergang fehlt (vgl. z. B. Kipp, Erbschaftsteuergesetz, § 2 Anmerkung 91, S. 133; Model, Erbschaftsteuer, § 2 Anmerkung 29, S. 116; Megow, Erbschaftsteuergesetz, 3. Auflage, 1955, § 2 Anmerkung IX, S. 76) - im englischen Testament der Erblasserin nicht errichtet. Vielmehr ist nach ihrem klaren Willen der gesamte Nachlaß nicht auf eine Stiftung, sondern auf den Trustee übergegangen. Die Organisation einer selbständigen Rechtspersönlichkeit - mit Satzung und Vorstand - ist nicht vorgesehen (ebenso für den Fall eines amerikanischen Trustee Urteil des Reichsfinanzhofs III e A 86/34 vom 17. Oktober 1935, Mrozek-Kartei, Erbschaftsteuergesetz 1925, § 2 Abs. 1 Ziff. 1, Rechtsspruch 17).
Auch eine Vermögensübertragung auf eine "stiftungsähnliche" Gemeinschaft, nämlich auf die gesamten gegebenenfalls im Jahre 1974 für die noch nicht bestimmte Zuweisung seitens des Trustee in Frage kommenden Familienmitglieder, ist entgegen der Auffassung des Finanzamts nicht anzunehmen. Die Gesamtheit dieser natürlichen Personen mit ihren selbständigen Willensbildungen kann einer juristischen Person nicht gleicherachtet werden.
Die von dem Finanzamt in Bezug genommene Vorschrift des § 12 StAnpG über "Familienstiftungen" ist nach Abs. 1 Satz 3 daselbst auf erbschaftsteuerlichem Gebiet unanwendbar.
Die von dem Finanzamt versuchte Konstruktion einer Stiftung oder eines stiftungsähnlichen Gebildes richtet sich praktisch gegen die von der Erblasserin in übereinstimmung mit den Grundsätzen des englischen Erbrechts letztwillig verfügte Hinausschiebung des Eintritts der Erbfolge, infolge deren bis zur Entscheidung des Trustee rechtlich und wirtschaftlich ein Erwerb der Substanz von Todes wegen nicht erfolgt (ebenso z. B. Mirre in StuW 1935 Sp. 1486 ff.). Nach Art. 25 EGBGB wird indessen ein Ausländer, selbst wenn er einen deutschen Wohnsitz hatte, nach den Gesetzen des Staates beerbt, dem er zur Zeit seines Todes angehört hat. In der Tat hat die Erblasserin durch die Errichtung eines im englischen Recht vorgesehenen Trust ihren Willen zu erkennen gegeben, daß für den außerhalb Deutschlands gelegenen Teil des Nachlasses noch keine erbrechtliche Folge eintritt. Die Konstruktion einer Stiftung darf nicht zur Umgehung des Willens der Erblasserin führen.
Entsprechendes gilt von der Konstruktion einer Zweckzuwendung durch das Finanzamt. Eine Zweckzuwendung ist die Zuwendung von Vermögen von Todes wegen an eine Person mit der bindenden Bestimmung, den Betrag zugunsten eines bestimmten Zweckes zu verwenden: § 4 Ziff. 1 ErbStG (vgl. Stölzle, Erbschaftsteuer, 2. Auflage, 1932, S. 181, § 4 Anmerkung 5), wobei nicht eine bestimmte Person, sondern ein unpersönlicher Zweck, z. B. die Fürsorge für einen unbestimmten Personenkreis (etwa die Armen der Stadt usw.), begünstigt wird. Im vorliegenden Falle jedoch handelt es sich bei den unter Umständen begünstigten Personen - Töchtern und Enkeln - nicht um einen unpersönlichen Zweck, nicht um einen vagen Personenkreis. Deshalb entfällt der Gesichtspunkt der Zweckzuwendung.
Da, wenn die Erblasserin allein die britische Staatsangehörigkeit besessen hat, englisches Erbrecht anzuwenden ist, greift § 2105 BGB nicht Platz. Daher können die beiden Adoptivtöchter nicht etwa unter dem Gesichtspunkt des gesetzlichen Erbfolgeanspruchs als Vorerben für die Zeit bis zur Verteilung des Nachlasses erbschaftsteuerlich behandelt werden (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs III e A 37/35 vom 24. September 1935 in Slg. Bd. 38 S. 225, StuW 1935 Nr. 672, für amerikanisches Erbrecht). Selbst wenn übrigens deutsches Recht anwendbar wäre, würden die beiden Adoptivtöchter der Erblasserin - angesichts der unbeschränkten Rechtsstellung des Trustee - als Vorerbinnen weder rechtlich noch wirtschaftlich Eigentum erworben haben. Es würde insoweit an einem erbschaftsteuerpflichtigen Erwerb fehlen (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs III e A 33/35 vom 16. Januar 1936 in StuW 1936 Nr. 131).
Demgemäß ist das Urteil des Finanzgerichts im Ergebnis insoweit bedenkenfrei, als es die Versteuerung der Substanz des außerhalb Deutschlands belegenen Teils des Nachlasses durch die Adoptivtöchter der Erblasserin ablehnt.
Die Vorinstanzen haben die Frage, ob die Erblasserin zur Zeit ihres Ablebens neben der britischen auch die deutsche Staatsangehörigkeit besessen hat, nicht geklärt. Der Senat läßt diese Frage offen. Selbst wenn im vorstehenden Sinne bei der Erblasserin zur Zeit ihres Ablebens eine doppelte Staatsangehörigkeit bestanden haben sollte, und wenn aus diesem Grunde die erbrechtlichen Verhältnisse des gesamten Nachlasses im Sinne des deutschen internationalen Privatrechts theoretisch dem deutschen Erbrecht unterlägen (Art. 24 EGBGB), während in Großbritannien wegen der britischen Staatsangehörigkeit der Erblasserin englisches Erbrecht auf den gesamten Nachlaß theoretisch angewandt werden würde, würde dies praktisch darauf hinauslaufen, daß erbrechtlich der in der Bundesrepublik Deutschland belegene Teil des Nachlasses deutschem Erbrecht unterläge und in Großbritannien der übrige Teil des Nachlasses nach englischem Recht behandelt würde; denn die deutsche erbrechtliche Behandlung würde sich praktisch nur auf den deutschen Teil des Nachlasses auswirken können, und die deutsche Steuerbehörde hätte nach § 1 StAnpG ihrer Steuerentscheidung die tatsächliche Behandlung des außerdeutschen Teils des Nachlasses nach englischem Erbrecht zugrunde zu legen (vgl. Martin Wolff, a. a. O., S. 83/84, § 17 II). Mit diesen Gegebenheiten steht es in Einklang, daß die Erblasserin über den deutschen Teil ihres Nachlasses durch ein den deutschen Erbbestimmungen folgendes Testament und über den übrigen Teil ihres Nachlasses durch eine den englischen Vorschriften entsprechende letztwillige Verfügung, einschließlich der Ernennung eines Trustee, verfügt hat. Deshalb würde der Umstand, daß die Erblasserin zur Zeit ihres Ablebens etwa auch die deutsche Staatsangehörigkeit besessen hat, im Hinblick auf die tatsächliche Behandlung des außerdeutschen Teils des Nachlasses nach englischem Erbrecht praktisch zu keiner anderen erbschaftsteuerlichen Behandlung des Falles führen können.
Somit ist die Rb. des Vorstehers des Finanzamts mit der Kostenfolge des § 309 der Reichsabgabenordnung als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 408970 |
BStBl III 1958, 79 |
BFHE 1958, 204 |
BFHE 66, 204 |