Leitsatz (amtlich)
1. Die Verpflichtung, ein Erbbaurecht zu bestellen, unterliegt der Grunderwerbsteuer auch dann, wenn dem Erbbauberechtigten schon zuvor die Verwertungsbefugnis eingeräumt worden war.
2. Im Lande Baden-Württemberg gilt die Zahlung von Erbbauzinsen seit dem 14. Mai 1970 nicht mehr als dauernde Last; die Übernahme der Verpflichtung, einen Erbbauzins zu entrichten, gehört daher mit ihrem kapitalisierten Wert zu der Gegenleistung für die Bestellung des Erbbaurechts.
Normenkette
GrEStG Baden-Württemberg § 1 Abs. 1 Nr. 1; GrEStG Baden-Württemberg § 1 Abs. 2; GrEStG Baden-Württemberg § 1 Abs. 5; GrEStG Baden-Württemberg § 2 Abs. 2 Nr. 1; GrEStG Baden-Württemberg § 26; GrEStG Baden-Württemberg § 27; GrEStG Baden-Württemberg § 28; ErbbauVO §§ 9, 11 Abs. 2; BewG § 13 Abs. 1
Tatbestand
Der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) war durch notariell beurkundeten Vertrag an einem städtischen Grundstück ein Erbbaurecht bestellt worden. Der Beginn dieses Rechts war schuldrechtlich auf den 1. Januar 1970 festgelegt; es soll am 31. Dezember 2068 enden. Der Erbbauzins war rückwirkend ab 1. Januar 1970 mit jährlich 2,70 DM/qm vereinbart. Die Klägerin hatte daneben die Hälfte der Vermessungs- und Vermarkungskosten sowie die von der Stadt verauslagten Entwässerungs- und Wasserversorgungsbeiträge übernommen.
Das FA (Beklagter und Revisionsbeklagter) hatte die Bestellung des Erbbaurechts der Grunderwerbsteuer unterworfen. Dabei war es von einer Bemessungsgrundlage ausgegangen, in die es die übernommenen Kosten und die Wasserbeiträge sowie den Kapitalwert des Erbbauzinses einbezogen hatte.
Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das FG sah den Vertrag über die Bestellung des Erbbaurechts als grunderwerbsteuerpflichtig an. Das gelte gemäß § 1 Abs. 5 des Grunderwerbsteuergesetzes vom 2. August 1966 i. d. F. der Bekanntmachung vom 25. Mai 1970 - GrEStG Baden-Württemberg - auch dann, wenn die Klägerin vor Abschluß dieses Vertrages die Verwertungsbefugnis erlangt hätte. Der Besteuerung sei nicht der Einheitswert des Erbbaurechts, sondern u. a. der auf der Grundlage des § 13 Abs. 1 BewG kapitalisierte Erbbauzins zugrunde zu legen. Die Zahlung des Erbbauzinses sei Gegenleistung für die Einräumung des Erbbaurechts und gelte kraft der im Streitfall anwendbaren gesetzlichen Fiktion des § 27 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 GrEStG Baden-Württemberg nicht als dauernde Last.
Die Klägerin rügt mit ihrer Revision die Verletzung des § 1 Abs. 5 GrEStG Baden-Württemberg sowie die Anwendung des § 27 Abs. 2 Nr. 2 Halbsatz 2 GrEStG Baden-Württemberg.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist unbergründet. Die Entscheidung des FG läßt keine Rechtsfehler erkennen. Der angefochtene Steuerbescheid ist rechtmäßig. Das FA hat die Bestellung des Erbbaurechts zutreffend der Grunderwerbsteuer unterworfen und die Steuer richtig berechnet und festgesetzt.
1. Die Verpflichtung der Stadt, der Klägerin ein Erbbaurecht an ihrem Grundstück zu bestellen, unterliegt der Grunderwerbsteuer (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 und § 2 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG Baden-Württemberg, § 11 Abs. 2 der Erbbaurechtsverordnung - ErbbauVO -, § 313 BGB; vgl. Urteil des BFH vom 28. November 1967 II R 37/66, BFHE 91, 191, BStBl II 1968, 223). Da das Erbbaurecht dem Grundstück gleichsteht (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG Baden-Württemberg), so ist, wie der Senat in der genannten Entscheidung ausgeführt hat, "... die Bestellung des Erbbaurechts ... nichts anderes als eine Aufteilung des Eigentums und insofern eine teilweise Übertragung der bisher im Eigentum enthaltenen Rechte in einem Umfange, dem § 2 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG eigentumsgleichen Wert beimißt".
Zutreffend hat das FG die Besteuerung dieses Erwerbsvorgangs auch für den Fall bejaht, daß der Klägerin schon vor der Bestellung des Erbbaurechts die Verwertungsbefugnis eingeräumt gewesen wäre. Denn selbst wenn der Klägerin eine solche Befugnis schon vor dem 14. Mai 1970 zugestanden hätte, wäre die spätere vertragliche Bestellung des Erbbaurechts zu besteuern. Das folgt entgegen der Ansicht der Klägerin in der Revisionsbegründung aus § 1 Abs. 5 GrEStG Baden-Württemberg, wonach die Erfüllung sowohl der Hauptals auch der Ergänzungstatbestände die Steuer auslöst. Dies gilt auch dann, wenn diese Tatbestände nacheinander erfüllt werden. Daher unterliegt in der Regel dem Grunde nach jeder dieser Erwerbsvorgänge der Grunderwerbsteuer. Da aber die mehreren Erwerbsvorgänge nacheinander gegeben und die entsprechenden Gesetzestatbestände nacheinander erfüllt sein können, läßt das Gesetz die Steuererhebung nur insoweit zu, "als beim späteren Erwerb eine Gegenleistung vereinbart wird, deren Wert den Betrag übersteigt, von dem beim vorausgegangenen Rechtsvorgang die Steuer berechnet worden ist" (§ 1 Abs. 5 Satz 3 GrEStG Baden-Württemberg). Dementsprechend wären im Streitfall beide Erwerbsvorgänge (die Einräumung einer Verwertungsbefugnis und die Bestellung des Erbbaurechts) jeweils für sich und voneinander unabhängig steuerpflichtig. Die Steuer würde aber, wie das FG zutreffend ausgeführt hat, zur Vermeidung einer doppelten Besteuerung nur einmal von der Gegenleistung oder von dem höheren Wert erhoben werden.
Die Klägerin verkennt darüber hinaus Inhalt und Bedeutung des Satzes 4 in § 1 Abs. 5 GrEStG Baden-Württemberg. Nach dieser Vorschrift unterliegt der spätere Erwerb nur dann nicht der Grunderwerbsteuer, wenn der vorausgegangene Erwerb von der Besteuerung ausgenommen war. Diese Voraussetzung ist im Streitfall nicht gegeben. Die Bestimmungen über die Ermittlung und Berechnung der Gegenleistung in § 27 GrEStG Baden-Württemberg, auf die sich die Klägerin für ihre Ansicht beruft, können die Besteuerung dem Grunde nach weder beeinflussen noch ausschließen. Sie wirken sich allein darauf aus, wie die Gegenleistung der Höhe nach anzusetzen und der Steuerberechnung zugrunde zu legen ist. Unter welchen Voraussetzungen ein Erwerbsvorgang schon dem Grunde nach von der Besteuerung ausgenommen sein soll, legt dagegen das Gesetz ausdrücklich im einzelnen fest (vgl. u. a. § 3, § 4 Abs. 1, § 5 GrEStG Baden-Württemberg). Die Bestellung eines Erbbaurechts fällt unter keine dieser Bestimmungen über das Ausgenommensein von der Besteuerung.
Deshalb hat das FG - nach der für zutreffend erkannten Rechtsauffassung zu Recht - keine tatsächlichen Feststellungen darüber getroffen, ob der Klägerin bereits vor dem 25. Mai 1970 die Verwertungsbefugnis an dem Erbbaurecht zugestanden hat. Mangels einer insoweit zulässigen und begründeten Verfahrensrüge (vgl. § 120 Abs. 2 Satz 2 FGO) der Klägerin hat der Senat von den sonstigen tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil auszugehen (§ 118 Abs. 2 FGO).
2. Zutreffend haben FA und FG die vertragliche Bestellung des Erbbaurechts (u. a. ) nach dem kapitalisierten Erbbauzins (§ 9 ErbbauVO) und nicht nach dem Einheitswert des Erbbaurechts (§ 26 Abs. 2 i. V. m. § 28 GrEStG Baden-Württemberg) besteuert.
Die Steuer war vom Wert der Gegenleistung zu berechnen (§ 26 Abs. 1, § 2 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG Baden-Württemberg). Die Voraussetzungen, unter denen die Steuer vom (Einheits-) Wert des Erbbaurechts zu berechnen ist (§ 26 Abs. 2 GrEStG Baden-Württemberg), liegen im Streitfall nicht vor. Weder mangelt es an einer Gegenleistung noch kann eine solche nicht ermittelt werden noch geht es um die Vereinigung aller Anteile an einer Gesellschaft oder deren Übertragung. Gegenleistung im Sinne der genannten Vorschriften ist jede Leistung, die der Erbbauberechtigte als Entgelt für die Bestellung des Erbbaurechts gewährt. Welche Leistungen als Gegenleistungen im einzelnen gelten, wird in § 27 GrEStG Baden-Württemberg näher abgegrenzt. Nach Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 erster Halbsatz dieser Vorschrift gehören dauernde Lasten zwar nicht zur Gegenleistung (vgl. auch § 11 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 GrEStG 1940). Dementsprechend hat der BFH in dem Urteil vom 19. November 1968 II R 16/68 (BFHE 94, 160, BStBl II 1969, 90) den mit der Eintragung in das Grundbuch entstehenden Erbbauzins nicht in die Bemessung der Steuer für die Verpflichtung zur Bestellung eines Erbbaurechts einbezogen. Diese Rechtsauffassung kann für das Land Baden-Württemberg nach der Ergänzung des § 27 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 durch § 4 Nr. 9 des Gesetzes über die Grunderwerbsteuerbefreiung bei Änderung der Unternehmensform und zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes vom 12. Mai 1970 (BStBl I 1970, 752; in Kraft getreten am 14. Mai 1970) nicht (mehr) gelten. Nach der (angefügten) Vorschrift, daß die Verpflichtung zur Zahlung des Erbbauzinses nicht als dauernde Last gilt, können die Erbbauzinsverpflichtungen für die Ermittlung der Gegenleistung nicht mehr als dauernde Last gewertet werden. Die Übernahme einer solchen Verpflichtung gehört deshalb aufgrund der gesetzlichen Fiktion, wovon das FG zutreffend ausgegangen ist, mit den sonstigen Leistungen der Klägerin zur Gegenleistung für die Bestellung des Erbbaurechts.
Fehl geht in diesem Zusammenhang die Auffassung der Klägerin, es sei "... der ... Erwerbsvorgang nach den Steuergesetzen zu beurteilen, die zu dem Zeitpunkt gültig waren, als die Klägerin ... das strittige Grundstück wirtschaftlich in Besitz genommen hat". Maßgebend für die Besteuerung und damit für die anzuwendenden Gesetzesvorschriften ist der Zeitpunkt, in dem der steuerpflichtige Erwerbsvorgang stattfindet. Das war im Streitfall der Abschluß des notariell beurkundeten Vertrages vom 14. April 1971 über die Bestellung des Erbbaurechts. Dieser Rechtsvorgang hat mit einer eventuellen Einräumung der Verwertungsbefugnis an dem Erbbaurecht, wie oben unter 1. dargelegt, nichts zu tun. Die Bestellung des Erbbaurechts unterliegt daher dem Grunde und der Höhe nach der Grunderwerbsteuer, wie sie sich aus den am 14. April 1971 geltenden Vorschriften ergibt.
3. FA und FG haben zu Recht den Erbbauzins mit seinem gemäß § 13 Abs. 1 BewG kapitalisierten Wert als (Teil-)Gegenleistung der Besteuerung zugrunde gelegt. Die Berechnungen sind fehlerfrei, der Ansatz nicht zu beanstanden. Die Klägerin hat denn auch gegen den zugrunde gelegten Wert als solchen keine Einwendungen erhoben.
Fundstellen
Haufe-Index 72719 |
BStBl II 1978, 318 |
BFHE 1978, 381 |