Leitsatz (amtlich)
1. Als Einlagen sind Nutzungsrechte nur geeignet, wenn sie die Eigenschaft eines Wirtschaftsguts besitzen. Das ist nur der Fall, wenn sie einen feststellbaren wirtschaftlichen Wert haben.
2. Als Teilwert eines solchen Nutzungsrechts können höchstens die ersparten Aufwendungen angesetzt werden.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 1, 3, § 5 Abs. 2, § 6 Abs. 1 Nr. 5
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) und ihr inzwischen verstorbener Ehemann, die im Streitjahr 1972 zur Einkommsteuer zusammen veranlagt wurden, waren gemeinschaftliche Eigentümer eines Einfamilienhauses. Das Gebäude wurde zu ca. 2/3 privat genutzt und diente zu ca. 1/3 der Arztpraxis des Ehemannes. Ein schriftlicher Mietvertrag hinsichtlich der beruflichen Nutzung des der Ehefrau gehörenden Grundstücksteils wurde nicht abgeschlossen. Bei der Veranlagung 1972 versagte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) den Abzug der Hälfte der den Praxisanteil betreffenden Grundstücksaufwendungen (allgemeine Hausunkosten und Absetzung für Abnutzung - AfA -) mit der Begründung, daß der Ehemann die Aufwendungen nur entsprechend seinem Eigentumsanteil als Betriebsausgabe geltend machen könne und bei der Klägerin die Berücksichtigung als Werbungskosten wegen fehlender Einkünfte aus ihrer Hälfte des Praxisanteils ausgeschlossen sei. Unerheblich sei, daß der Ehemann die Hausunkosten getragen habe. Denn dies beruhe auf privaten Gründen, die steuerrechtlich unbeachtlich seien.
Nach erfolglosem Einspruch gab das Finanzgericht (FG) der Klage statt. Es ging davon aus, daß die den Miteigentumsanteil der Klägerin betreffenden Grundstücksaufwendungen (1/2 von 1/3) als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zu berücksichtigen seien. Denn durch die unentgeltliche Nutzungsüberlassung habe sich das gemeinschaftliche Einkommen der Eheleute entsprechend erhöht. Unerheblich sei, daß sie der Ehemann getragen habe. Denn für die Abzugsfähigkeit als Werbungskosten sei es unschädlich, wenn ein Dritter (im Streitfall der Ehemann) die den Eigentümer angehenden Aufwendungen bezahle.
Mit der wegen grundsätzlicher Bedeutung vom FG zugelassenen Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts. Es macht geltend: Die den Miteigentumsanteil der Klägerin betreffenden Aufwendungen seien nicht abzugsfähig (so auch Urteil des FG Düsseldorf vom 24. Mai 1973 IX 12/73 E, Entscheidungen der Finanzgerichte 1973 S. 595 - EFG 1973, 595 -). Dem entspreche auch das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 31. Mai 1972 IV R 31/69 (BFHE 106, 79, BStBl II 1972, 699), in welchem der BFH in einem Fall der unentgeltlichen Nutzungsüberlassung eines PKW für den Betrieb des anderen Ehegatten die auf den PKW entfallenden AfA nicht einkunftsmindernd berücksichtigt habe.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen mit der Einschränkung, daß gegen den vollen Abzug der vom Ehemann geleisteten Aufwendungen keine Einwendungen erhoben werden.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Zurückverweisung der Sache an das FG. Die tatsächlichen Feststellungen des FG reichen nicht aus für eine Entscheidung darüber, ob der angefochtene Bescheid rechtmäßig ist.
1. Die mit der Arztpraxis zusammenhängenden allgemeinen Grundstücksaufwendungen sind Betriebsausgaben des Ehemannes, auch soweit sie auf den Miteigentumsanteil der Klägerin entfallen. Dem steht § 748 BGB nicht entgegen. Nach dieser Vorschrift ist zwar grundsätzlich jeder Miteigentümer verpflichtet, die Lasten des gemeinschaftlichen Gegenstands sowie die Kosten der Erhaltung, der Verwaltung und einer gemeinschaftlichen Benutzung nach den Verhältnissen seines Anteils zu tragen. Die Teilhaber können jedoch etwas anderes vereinbaren (vgl. §§ 305, 745 BGB). Eine solche Vereinbarung ist auch steuerrechtlich zu beachten, soweit in ihr keine Verwendung des Einkommens liegt, z. B. durch Zuwendungen nach § 12 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes - EStG - (vgl. BFH-Urteil vom 27. Juni 1978 VIII R 168/73, BFHE 125, 532, BStBl II 1978, 674, mit weiteren Nachweisen). Im Streitfall hat die vom Gesetz abweichende Verteilung der Aufwendungen ihren Grund im Gemeinschaftsverhältnis. Sie beruht darauf, daß der Ehemann das gemeinschaftliche Einfamilienhaus über seinen Miteigentumsanteil hinaus für eigene berufliche Zwecke nutzte. Dem entspricht es, daß er im gleichen Umfang auch die Grundstückskosten trägt.
Diese Aufwendungen können entgegen der Ansicht des FG nicht als Werbungskosten bei den Einkünften der Klägerin aus Vermietung und Verpachtung berücksichtigt werden; denn es fehlt insoweit an dem erforderlichen Zusammenhang mit der Erzielung eigener Einkünfte (vgl. BFH-Urteil vom 31. Oktober 1978 VIII R 196/77, BFHE 127, 168, BStBl II 1979, 401).
2. AfA für den zu Praxiszwecken genutzten Miteigentumsanteil der Klägerin können nicht angesetzt werden. Die Klägerin kann sie nicht geltend machen, weil sie keine eigenen Einkünfte erzielt hat, ihr Ehemann konnte sie nicht geltend machen, weil er insoweit nicht Eigentümer war.
a) Ein Ansatz von AfA kommt nicht bereits deshalb in Betracht, weil das FA bisher nach der von der Klägerin vertretenen Ansicht verfahren ist. Das gälte selbst dann, wenn der Vortrag der Klägerin zutreffen sollte, daß dies in einer Vielzahl von Fällen und über einen längeren Zeitraum geschehen sei. Entgegen der Ansicht der Klägerin hat sich zu dieser Frage noch kein Gewohnheitsrecht gebildet. Die Klägerin verkennt die Voraussetzungen für die Bildung von Gewohnheitsrecht. Hierfür genügt nicht allein die ständige Übung durch die beteiligten Kreise. Darüber hinaus ist erforderlich, daß sich hierzu ein Rechtsbewußtsein dieser Kreise gebildet hat. Jahrelange Verwaltungsübung allein schafft kein Gewohnheitsrecht (BFH-Urteile vom 27. Juni 1963 IV 111/59 U, BFHE 77, 586, BStBl III 1963, 534, und vom 15. Januar 1969 I 18/65, BFHE 95, 92, BStBl II 1969, 310; Tipke/Kruse, Reichsabgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, Kommentar, § 2 AO Rdnr. 34). Außerdem müßte nach der Rechtsprechung des BFH hinzukommen, daß die Rechtsprechung sich mit der betreffenden Rechtsfrage befaßt hat und daß die Gerichte diese Rechtsüberzeugung teilten. An all diesen Voraussetzungen fehlt es hier.
b) Das von der Klägerin begehrte Ergebnis läßt sich auch nicht aus der ehelichen Lebensgemeinschaft und der Ehe als Erwerbs- und Wirtschaftsgemeinschaft herleiten. Für die Einkommensbesteuerung ist jeder Ehegatte steuerpflichtig i. S. von § 1 EStG. Das hat zur Folge, daß jeder Ehegatte eigene Einkünfte und eigenes Einkommen hat (vgl. Littmann, Das Einkommensteuerrecht, 12. Aufl., § 2 Rdnr. 59). Hieran ändern auch der gesetzliche Güterstand oder güterrechtliche Vereinbarungen nichts. Diesen können keine unmittelbaren Wirkungen für die Einkommensteuer beigemessen werden (BFH-Urteil vom 22. Juni 1977 I R 185/75, BFHE 123, 136, BStBl II 1977, 836). Die Zusammenveranlagung von Eheleuten führt nur zu einer Zusammenrechnung, nicht aber zu einer einheitlichen Ermittlung der Einkünfte im Rahmen eines ehelichen Gemeinschaftsverhältnisses. Die eheliche Gemeinschaft ist kein Gesellschaftsverhältnis mit den Rechtsfolgen des § 15 Nr. 2 EStG und wird es auch nicht durch die Zusammenveranlagung.
Im übrigen würde die von der Klägerin vertretene Ansicht gegen Art. 6 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) verstoßen. Denn sie entspräche dem Rechtszustand bis zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 17. Januar 1957 1 BvL 4/54 (BStBl I 1957, 193), durch das § 26 EStG in der damaligen Fassung für verfassungswidrig erklärt wurde. Hierdurch wurde die Vorstellung aufgegeben, daß die Ehe eine Wirtschaftsgemeinschaft und die Ehegatten eine Veranlagungsgemeinschaft bildeten und daß sich diese Auffassung bereits aus dem Wesen der Ehe und der Haushaltsgemeinschaft ergebe. Das BVerfG vertrat vielmehr die Meinung, daß nach dem Grundsatz der Individualbesteuerung Ehegatten wie Fremde einander gegenübertreten und als solche auch entsprechende Rechtsgeschäfte abschließen könnten (vgl. insoweit auch BFHE 106, 79, BStBl II 1972, 699). Würde man der Ansicht der Klägerin folgen, hätte das zur Folge, daß Ehegattenarbeitsverträge nicht mit einkommensteuerrechtlicher Wirkung anerkannt werden könnten, weil die Tätigkeit im Rahmen der ehelichen Erwerbs- und Wirtschaftsgemeinschaft ausgeübt würde.
3. Im Streitfall könnte aber AfA auf ein Nutzungsrecht in Betracht kommen, welches der Ehemann der Klägerin erworben haben kann.
a) Hat der Ehemann der Klägerin die Anschaffungs- oder Herstellungskosten des Hauses insgesamt getragen und war die Klägerin mit der Nutzung ihres Miteigentumsanteils für Praxiszwecke einverstanden, so könnte hierdurch der Ehemann der Klägerin ein Nutzungsrecht erlangt haben (BFHE 127, 168 BStBl II 1979, 401 und die Rechtsprechungshinweise dort). In diesem Fall wären die auf diesen Miteigentumsanteil entfallenden Herstellungs- oder Anschaffungskosten entsprechend dem für die Praxis genutzten Teil für dieses Nutzungsrecht wie ein materielles Wirtschaftsgut zu aktivieren und entsprechend dem BFH-Urteil vom 31. Oktober 1978 VIII R 182/75 (BFHE 127, 163, BStBl II 1979, 399) abzuschreiben, soweit nicht in der Übernahme der Anschaffungs- oder Herstellungskosten für den Miteigentumsanteil der Klägerin eine Schenkung liegt.
b) Hatte jedoch die Klägerin die Anschaffungs- oder Herstellungskosten ihres Miteigentumsanteils selbst finanziert und hatte sie ihrem Ehemann die Nutzung in der Weise gestattet, daß dieser eine rechtlich gesicherte Position erlangte, die ihm gegen seinen Willen nicht mehr entzogen werden konnte, so könnte dieses Nutzungsrecht im Wege einer Einlage in das Betriebsvermögen des Ehemanns der Klägerin gelangt sein (vgl. BFH-Urteil vom 16. November 1977 I R 83/75, BFHE 124, 501, BStBl II 1978, 386).
aa) Als Einlagen sind Nutzungsrechte nur dann geeignet, wenn sie einen feststellbaren wirtschaftlichen Wert haben, wenn es sich mithin um ein Wirtschaftsgut handelt, das nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Bilanzierung in der Bilanz angesetzt werden darf (BFHE 124, 501, BStBl II 1978, 386). Die Überlassung von Nutzungen aus Gefälligkeit, ohne feste rechtliche Bindung, kommt als Einlage nicht in Betracht. Denn § 4 Abs. 1 EStG schreibt nicht allgemein vor, daß Gewinnerhöhungen, sei es auch nur durch Ersparung von Aufwendungen bei der Ermittlung des Gewinns abzuziehen seien, soweit ihre Ursache nicht im Betrieb, sondern im privaten Bereich liege. Die Vorschrift gebietet vielmehr den Abzug von Einlagen, welche die Eigenschaft eines Wirtschaftsguts besitzen. Das folgt auch aus § 6 Abs. 1 Nr. 5 EStG. Nach dieser Vorschrift sind Einlagen mit dem Teilwert "für den Zeitpunkt der Zuführung" anzusetzen. Für die Erhöhung des Gewinns durch fortlaufende Ersparung von Aufwendungen läßt sich kein einheitlicher Zeitpunkt der Zuführung bestimmen. "Nutzungseinlagen" (Beck, Finanz-Rundschau 1978 S. 281 - FR 1978, 281 -) - bei Gesellschaften wären es "Erfolgsbeiträge" (Groh, Festschrift für Werner Flume, Band II, 71, 77 ff.) - führen daher zu keiner Korrektur des Gewinns.
bb) Das Aktivierungsverbot für nichtentgeltlich erworbene immaterielle Anlagewerte (§ 153 Abs. 3 des Aktiengesetzes - AktG -, § 5 Abs. 2 EStG), das auch für die Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 und § 4 Abs. 3 EStG und damit auch für die Ermittlung der Einkünfte aus selbständiger Arbeit gilt (BFH-Urteil vom 8. November 1979 IV R 145/77, BFHE 129, 260) steht der Einlage eines Nutzungsrechts, das die Eigenschaft eines Wirtschaftsguts besitzt, nicht entgegen. Denn der Rechtsgrund für den Abzug von Einlagen beim Vermögensvergleich, der darin besteht, daß der private Bereich und der betriebliche Bereich voneinander zu trennen sind, geht dem Aktivierungsverbot vor. Darin liegt kein Widerspruch zu dem BFH-Urteil vom 29. Januar 1975 I R 135/70 (BFHE 115, 107, BStBl II 1975, 553), nach dem der Geschäftswert wegen des Aktivierungsverbots des § 153 Abs. 5 AktG - und damit auch andere immaterielle Anlagewerte wegen des Aktivierungsverbots des § 153 Abs. 3 AktG - nicht Gegenstand einer verdeckten Einlage bei Kapitalgesellschaften sein können. Denn diese ist ihrem Wesen nach nicht in jeder Beziehung vergleichbar mit der Einlage aus dem Privatvermögen eines Einzelkaufmanns in sein Betriebsvermögen oder mit der gesellschaftsrechtlichen Sacheinlage bei Personengegellschaften oder Kapitalgesellschaften, für die immaterielle Anlagewerte ebenfalls geeignet sind (BFH-Urteil vom 15. Juli 1976 I R 17/74, BFHE 119, 285, BStBl II 1976, 748).
Der Senat hat bereits in seinem Urteil in BFHE 127, 168, BStBl II 1979, 401 ausgesprochen, daß der Einlagefähigkeit eines derartigen Nutzungsrechtes nicht entgegensteht, wenn der Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelt wird. Denn auch bei dieser Gewinnermittlungsart sind zur richtigen Ermittlung des Gewinns Entnahmen und Einlagen, soweit sie nicht in Geld bestehen, grundsätzlich in gleicher Weise zu berücksichtigen wie bei der Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich.
cc) Sollte das FG zu dem Ergebnis gelangen, daß der Ehemann der Klägerin eine gesicherte Rechtsposition erlangt hat - sie könnte auch durch Beschluß über die Benutzung des gemeinschaftlichen Hauses nach § 745 BGB eingeräumt worden sein -, so hat es den Teilwert für den Zeitpunkt der Bewirkung der Einlage zu ermitteln (§ 6 Abs. 1 Nr. 5 EStG). Dabei ist höchstens der Wert der ersparten Aufwendungen anzusetzen. Der Ansatz eines "Ertragswerts des Nutzungsrechts" kommt nicht in Betracht, weil der gedachte Erwerber des Betriebs (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG) allenfalls die ersparten Aufwendungen ersetzen wird, einen darüber hinausgehenden Ertrag des Nutzungsrechts aber selbst erzielen will (vgl. BFH-Urteile vom 5. Mai 1966 IV 252/60, BFHE 86, 28, BStBl III 1966, 370; vom 13. Oktober 1976 I R 79/74, BFHE 122, 37, BStBl II 1977, 540).
Das in den Betrieb eingelegte und mit dem Teilwert angesetzte Nutzungsrecht unterliegt jährlicher AfA, verteilt auf die Gesamtdauer des Nutzungsrechts. Die Auffassung, Nutzungsrechte unterlägen keiner AfA, ist aufgegeben (BFH-Urteil vom 27. Juni 1978 VIII R 12/72, BFHE 125, 528, BStBl II 1979, 38, mit weiteren Nachweisen).
Fundstellen
Haufe-Index 73445 |
BStBl II 1980, 244 |
BFHE 1980, 485 |