Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfahrensaussetzung wegen Einspruchs gegen Änderungsbescheid
Leitsatz (NV)
Legt der Kläger gegen einen während des finanzgerichtlichen Verfahrens ergangenen Änderungsbescheid Einspruch ein, so ist das Verfahren auszusetzen, bis über den außergerichtlichen Rechtsbehelf abschließend entschieden worden ist.
Normenkette
FGO §§ 68, 74
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) wendete sich mit seiner Klage gegen den Einkommensteuerbescheid 1986 vom 19. August 1988 sowie die dazu ergangene Einspruchsentscheidung vom 20. Juni 1991. Während des Klageverfahrens erließ der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) unter dem 26. Januar 1993 einen geänderten Einkommensteuerbescheid, in dem er die Steuer hinsichtlich einzelner Besteuerungsgrundlagen vorläufig festsetzte (§ 165 Abs. 1 der Abgabenordnung -- AO 1977 --). Der Kläger stellte im Klageverfahren nicht den Antrag nach § 68 der Finanz gerichtsordnung (FGO), den Bescheid zum Gegenstand des Verfahrens zu machen. Das Finanzgericht (FG) wies im Urteil vom 4. Februar 1993 die Klage ab, ohne den Änderungsgbescheid zu erwähnen. Gegen diesen Bescheid legte der Kläger unter dem 22. Februar 1993 Einspruch ein. Außerdem stellte er in der Revisionsbegründungsschrift vom 27. Mai 1993 den Antrag nach § 68 FGO.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).
Das FG hat rechtsfehlerhaft über den Einkommensteuerbescheid 1986 vom 19. August 1988 entschieden, ohne das Verfahren entsprechend § 74 FGO bis zum Abschluß des Rechtsbehelfsverfahrens gegen den Änderungsbescheid vom 26. Januar 1993 auszusetzen (vgl. Beschluß des Großen Senats des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 25. Oktober 1972 GrS 1/72, BFHE 108, 1, BStBl II 1973, 231). Darin liegt ein von Amts wegen, auch ohne Revisionsrüge zu beachtender Verstoß gegen die Grundordnung des Verfahrens (BFH-Urteil vom 15. Februar 1990 V R 124/84, BFH/NV 1990, 722) selbst dann, wenn das FG keine Kenntnis von dem Änderungsbescheid gehabt haben sollte.
Der Kläger hat den Änderungsbescheid nicht in zulässiger Weise zum Gegenstand des Verfahrens gemacht. Er hat die entsprechende Erklärung entgegen § 68 Satz 2 FGO nicht innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Bescheids abgegeben. Auf dieses Erfordernis hatte das FA in der Rechtsbehelfsbelehrung hingewiesen (§ 68 Satz 3 FGO). Die Monatsfrist wurde durch den Bescheid in Lauf gesetzt, da dieser zutreffend den Prozeßbevollmächtigten des Klägers bekanntgegeben wurde (BFH- Urteil vom 5. Mai 1994 VI R 98/93, BFHE 174, 208). Der in der Revisionbegründungsschrift vom 27. Mai 1993 gestellte Antrag ist verspätet.
Das Rechtsbehelfsverfahren gegen den Änderungsbescheid genießt Vorrang vor dem Verfahren gegen den ursprünglichen Einkommensteuerbescheid. Solange der Änderungsbescheid Bestand hat, kann der ursprüngliche Bescheid keine Wirkung entfalten. Dieser ist in dem Umfang, in dem er in den Änderungsbescheid aufgenommen ist, suspendiert und bleibt dies für die Dauer der Wirksamkeit des Änderungsbescheids (BFH-Beschlüsse in BFHE 108, 1, BStBl II 1973, 231; vom 11. Februar 1994 III B 127/93, BFHE 173, 14, BStBl II 1994, 658). Bei dem vorliegenden Änderungsbescheid, in dem die Steuer hinsichtlich einzelner Besteuerungsgrundlagen vorläufig festgesetzt worden ist, handelt es sich um einen Steuerbescheid i. S. des § 157 AO 1977 (BFH-Urteil vom 9. August 1991 III R 41/88, BFHE 166, 1, BStBl II 1992, 219). An der Verpflichtung, das Verfahren wegen eines Änderungsbescheids, der nicht gemäß § 68 FGO zum Gegenstand des Verfahrens gemacht, sondern mit dem Einspruch angefochten worden ist, entsprechend § 74 FGO auszusetzen, hat sich durch die Einführung der Monatsfrist nach § 68 Satz 2 FGO (FGO- Änderungsgesetz vom 21. Dezember 1992, BGBl I 1992, 2109, BStBl I 1993, 90) nichts geändert (BFH-Beschluß in BFHE 173, 14, BStBl II 1994, 658).
Fundstellen
Haufe-Index 420271 |
BFH/NV 1995, 418 |