Leitsatz (amtlich)
Eigene Einkünfte des Kindes eines Steuerpflichtigen mindern auch dann den Ausbildungsfreibetrag, wenn sie im Kalenderjahr der Berufsausbildung in Zeiträumen außerhalb der Ausbildung erzielt werden.
Normenkette
EStG 1977 § 33a Abs. 2, 4, § 2
Verfahrensgang
Tatbestand
I.
Der im Jahre 1957 geborene Sohn der Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) besuchte bis zum 31. Mai 1977 ein Gymnasium und vom 1. Oktober bis 31. Dezember 1977 die Universität. Während dieser Ausbildungszeiten war er jeweils am Ausbildungsort, außerhalb des elterlichen Wohnorts, untergebracht. Die Kläger trugen nur während der Ausbildungszeiten seine Unterhaltskosten. Sie erhielten während dieser Zeit für ihn Kindergeld.
Vom 1. Juni bis 30. September 1977 bezog der Sohn der Kläger Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 7 167 DM. Andere Einkünfte oder Bezüge hatte er während des Streitjahres nicht.
Bei der Einkommensteuerveranlagung 1977 versagte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) den von den Klägern begehrten Ausbildungsfreibetrag in vollem Umfang. Im Einspruchsverfahren berücksichtigte das FA jedoch einen Ausbildungsfreibetrag in Höhe von 585 DM. Es zog dabei von den Einnahmen des Sohnes in Höhe von 7 167 DM den Werbungskosten-Pauschbetrag von 564 DM, den Arbeitnehmer-Freibetrag von 480 DM und den Weihnachts-Freibetrag von 400 DM (zusammen 1 444 DM) ab und kam so zu Einkünften des Sohnes im Jahre 1977 von 5 723 DM. Das FA rechnete diese Einkünfte gemäß Abschn. 68 Abs. 5 der Lohnsteuer-Richtlinien 1978 (LStR) anteilig auf den Ausbildungszeitraum von insgesamt acht Monaten um (8/12 von 5 723 DM = 3 815 DM). Da der Betrag von 3 815 DM den Betrag von 1 600 DM (anteiliger Betrag aus 2 400 DM, § 33 a Abs. 2 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes 1977 - EStG -) um 2 215 DM übersteigt und da der anteilige (8/12) Ausbildungsfreibetrag bei auswärtiger Unterbringung 2 800 DM beträgt, kam das FA zu einem Ausbildungsfreibetrag von 2 800 DM ./. 2 215 DM = 585 DM.
Mit der Klage begehrten die Kläger die Berücksichtigung eines Ausbildungsfreibetrags von 8/12 aus 4 200 DM = 2 800 DM ohne jede Minderung wegen eigener Einkünfte des Sohnes.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage mit dem in den Entscheidungen der Finanzgerichte 1979 S. 447 (EFG 1979, 447) veröffentlichten Urteil statt. Es führte im wesentlichen aus: Die Verrechnung der Einkünfte des Sohnes auf den anteiligen Freibetrag verletze im Streitfall das Gerechtigkeitsempfinden. Sie sei auch mit dem Zweck des § 33 a Abs. 2 EStG nicht zu vereinbaren. Denn der Unterhaltsverpflichtete könne dem Unterhaltsbegehren nicht dadurch begegnen, daß er den Unterhaltsberechtigten auf Mittelzuflüsse aus dem vorangegangenen und späteren Erwerbsleben verweise. Der Anspruch auf Berücksichtigung eines Ausbildungsfreibetrags setze voraus, daß die Kindeseinkünfte nicht zu hoch seien. Die außerhalb des Unterstützungszeitraums dem Kind zugeflossenen Einkünfte seien nicht anders zu behandeln als Einkünfte, die im vorausgegangenen oder dem nachfolgenden Kalenderjahr zugeflossen seien; sie seien also nicht zu berücksichtigen. Eine Ausnahme sei nur gerechtfertigt, wenn die Einkünfte des Kindes, die außerhalb des Unterstützungszeitraums zugeflossen seien, zu erheblichen Ersparnissen geführt hätten.
II.
Mit der Revision rügt das FA eine Verletzung des § 33 a Abs. 2 EStG. Es weist darauf hin, daß nach dieser Vorschrift die eigenen Einkünfte und Bezüge "im Kalenderjahr" zu berücksichtigen seien. Es sei also auf die jährlichen Einkünfte und Bezüge abzustellen. § 33 a Abs. 2 EStG sei § 32 Abs. 2 Satz 2 EStG in der bis 1974 geltenden Fassung vergleichbar.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Der Bundesminister der Finanzen (BdF) ist dem Verfahren beigetreten (§ 122 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Er hat im wesentlichen folgendes ausgeführt: Entsprechend der neueren Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zu § 32 Abs. 2 Nr. 2 letzter Satz EStG 1965 sei § 33 a Abs. 2 Satz 2 EStG dahingehend auszulegen, daß sich der Relativsatz " die zur Bestreitung seines Unterhalts oder seiner Berufsausbildung bestimmt oder geeignet sind" nur auf das vorangegangene Wort "Bezüge" beziehe und der Begriff Einkünfte mit dem in § 2 Abs. 4 EStG verwendeten Begriff inhaltsgleich sei. Aus dieser Rechtsprechung habe die Finanzverwaltung entsprechende Folgerungen für die Anwendung des § 33 a Abs. 1 Satz 3 EStG gezogen, weil dessen Wortlaut § 32 Abs. 2 Nr. 2 EStG 1965 nachgebildet sei.
Für die Auslegung des wortgleichen Relativsatzes in § 33 a Abs. 2 Satz 2 EStG dürfe nichts anderes gelten. Demnach könne von der Anrechnung der eigenen Einkünfte, die das Kind im Kalenderjahr nach Abschluß seiner Berufsausbildung erzielt habe, nicht deshalb abgesehen werden, weil diese für die vorausgehende Zeit nicht zur Bestreitung des Unterhalts oder der Berufsausbildung bestimmt oder geeignet gewesen seien.
Zwar habe der BFH zur Auslegung des § 33 a Abs. 1 Satz 3 EStG 1955 früher die Auffassung vertreten, grundsätzlich seien nur solche Einkünfte zu berücksichtigen, die zur Bestreitung des Unterhalts bestimmt oder geeignet seien (Urteil vom 31. Januar 1958 VI 207/57 U, BFHE 66, 277, BStBl III 1958, 108). Diese Rechtsprechung sei jedoch durch die späteren BFH-Urteile zum gleichlautenden § 32 Abs. 2 Nr. 2 letzter Satz EStG 1965 überholt.
Eine andere Beurteilung ergebe sich auch nicht aus § 33 a Abs. 4 EStG. Einer Auslegung dieser Vorschrift dahingehend, daß bei der Berechnung auf jeden einzelnen Kalendermonat abzustellen, d. h. für jeden einzelnen Monat zu prüfen sei, ob dem Kind eigene Einkünfte zur Verfügung gestanden hätten, stehe die Tatsache entgegen, daß Einkünfte für das Kalenderjahr bezogen und ermittelt würden. Würde man von dem für die Einkunftsermittlung geltenden Jahresprinzip abgehen und auf einen kürzeren Zeitraum, etwa den Kalendermonat, abstellen, träten in anderen Fällen Schlechterstellungen auf. Das wäre z. B. der Fall, wenn die Einkünfte des Kindes in einzelnen Monaten mehr, in anderen weniger als 200 DM betrügen, insgesamt aber für den Teil des Kalenderjahres, in dem das Kind in Berufsausbildung gestanden habe, nicht mehrn als den zeitanteiligen Betrag von 2 400 DM ausmachten. In solchen Fällen gewähre die Finanzverwaltung jedoch bisher den Ausbildungsfreibetrag ohne Anrechnung der eigenen Einkünfte.
Entscheidungsgründe
III.
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Klageabweisung.
Nach § 33 a Abs. 2 Satz 1 EStG werden bei einem Steuerpflichtigen, dem Aufwendungen für die Berufsausbildung eines Kindes erwachsen, für das er Anspruch auf Kindergeld nach dem Bundeskindergeldgesetz hat, auf Antrag folgende Beträge (Ausbildungsfreibeträge) vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen:
(1) für ein Kind, das das 18. Lebensjahr vollendet hat,
a) ein Betrag von 2 400 Deutsche Mark im Kalenderjahr, wenn das Kind im Haushalt des Steuerpflichtigen untergebracht ist,
b) ein Betrag von 4 200 Deutsche Mark im Kalenderjahr, wenn das Kind zur Berufsausbildung auswärtig untergebracht ist.
(2) (hier nicht einschlägig).
Nach § 33 a Abs. 2 Satz 2 EStG vermindern sich diese Freibeträge "jeweils um die eigenen Einkünfte und Bezüge des Kindes, die zur Bestreitung seines Unterhalts oder seiner Berufsausbildung bestimmt oder geeignet sind, soweit diese 2 400 Deutsche Mark im Kalenderjahr übersteigen, sowie um die dem Kind als Zuschuß gewährten Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz". § 33 a Abs. 4 EStG bestimmt schließlich, daß sich "für jeden vollen Kalendermonat, in dem die in den Absätzen 1 bis 3 bezeichneten Voraussetzungen nicht vorgelegen haben, ... die dort bezeichneten Beträge um je ein Zwölftel (ermäßigen)". Der Senat kommt aufgrund dieser Vorschriften zu dem Ergebnis, daß den Klägern wegen der Höhe der von ihrem Sohn im Streitjahr 1977 bezogenen Einkünfte kein höherer Ausbildungsfreibetrag gewährt werden kann, als er vom FA berücksichtigt wurde.
1. Zutreffend gehen die Verfahrensbeteiligten davon aus, daß den Klägern dem Grunde nach nur ein anteiliger Ausbildungsfreibetrag von 2 800 DM zusteht. Denn ihr Sohn befand sich im Streitjahr nur während eines Zeitraums von acht Monaten in Ausbildung und war während dieser Zeit auswärtig untergebracht. Deshalb haben die Voraussetzungen des § 33 a Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b EStG nur während dieser acht Monate vorgelegen, so daß sich nach § 33 a Abs. 4 EStG der Betrag von 4 200 DM um 4/12 (= 1 400 DM) auf 2 800 DM ermäßigt.
2. Der Begriff der "Einkünfte" in § 33 a Abs. 2 Satz 2 EStG läßt es nicht zu, die von dem Sohn der Kläger bezogenen Einkünfte lediglich auf die Monate zu beziehen, in denen sie ihm zugeflossen sind, d. h., sie bei der Berechnung des Minderungsbetrags nach dieser Vorschrift auszuscheiden.
a) Für diese Auslegung spricht zunächst der Wortlaut des § 33 a Abs. 2 Satz 2 EStG. Der letzte Satzteil dieser Vorschrift, der mit "sowie" eingeleitet wird und auf den sich der "soweit"-Satz nicht bezieht, macht deutlich, daß die Anrechnung von Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) nicht ein Übersteigen der 2 400 DM-Grenze voraussetzt. Dagegen dürfen nur die "Einkünfte" und die "Bezüge" den Ausbildungsfreibetrag mindern, die 2 400 DM übersteigen. Der "soweit"-Satz bezieht sich also auf beide Begriffe, nämlich auf Einkünfte und auf Bezüge.
Grammatikalisch wäre es denkbar, auch den Relativsatz "die zur Bestreitung... geeignet sind" sowohl auf "Einkünfte" als auch auf "Bezüge" zu beziehen. Für eine solche Auslegung ließe sich anführen, daß sich das vor dem Wort "Einkünfte" stehende Wort "eigene" ebenso wie die hinter dem Wort "Bezüge" stehenden Worte "des Kindes" sowohl auf "Einkünfte" als auch auf "Bezüge" beziehen. Grammatikalisch ist es aber ebenso möglich, diesen Relativsatz lediglich dem Begriff "Bezüge" zuzuordnen. Der übrige Wortlaut der Vorschrift spricht dafür, der letztgenannten Auslegung den Vorzug zu geben.
Der Begriff "Bezüge" ist im Einkommensteuergesetz nicht festgelegt oder definiert; er ist einer näheren Bestimmung oder einer Eingrenzung zugänglich. Der Begriff der "Einkünfte" hingegen ist einkommensteuerrechtlich durch § 2 Abs. 2 EStG geprägt. Die Absätze 2 bis 7 des § 2 EStG machen deutlich, daß der Begriff der "Einkünfte" auf das Kalenderjahr abstellt. Denn für die Einkunftsermittlung gilt grundsätzlich das Jahresprinzip, weil die Einkommensteuer eine Jahressteuer ist (§ 2 Abs. 7 Satz 1 EStG) und die Grundlagen für ihre Festsetzung jeweils für ein Kalenderjahr zu ermitteln sind (§ 2 Abs. 7 Satz 2 EStG). Der Hinweis des FG auf die in § 2 Abs. 7 Satz 3 und § 4a Abs. 2 EStG geregelten Ausnahmen spricht gerade für die Richtigkeit der Annahme, daß nur in wenigen und zwar ausdrücklich geregelten Ausnahmefällen vom Jahresprinzip für die Einkunftsermittlung abzugehen ist.
Daß der Einkunftsbegriff des Einkommensteuergesetzes auf das Kalenderjahr abstellt, wird auch dadurch verdeutlicht, daß bei der Ermittlung der "Einkünfte" aus nichtselbständiger Arbeit, um die es im vorliegenden Fall geht, der Werbungskosten-Pauschbetrag von 564 DM (§ 9a Nr. 1 EStG), der Weihnachts-Freibetrag (§ 19 Abs. 3 EStG) und der Arbeitnehmer-Freibetrag (§ 19 Abs. 4 EStG) jeweils in voller Höhe von den Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit (Arbeitslohn) des Kalenderjahres abgezogen werden, und zwar unabhängig davon, wann diese Einnahmen zugeflossen sind oder ob sie gar nur während eines Monats des Jahres bezogen wurden (vgl. § 19 Abs. 3 Satz 2 EStG). Daß der Einkunftsbegriff auch in § 33a Abs. 2 Satz 2 EStG vom Jahresprinzip ausgeht, zeigt sich besonders bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb, die auch ein in Ausbildung befindliches Kind haben kann. Bei diesen Einkünften ist es nur im Wege der Schätzung möglich, sie einem besonderen Abschnitt innerhalb eines Kalenderjahres (z. B. Monat) zuzuordnen. Das Jahresprinzip in § 33a Abs. 2 Satz 2 EStG wird schließlich durch die Begrenzung der anrechnungsfreien Einkünfte auf 2 400 DM "im Kalenderjahr" in dem "soweit"-Satz, der sich - wie dargelegt - auch auf die "Einkünfte" bezieht, noch besonders hervorgehoben.
Es wäre allerdings nicht ausgeschlossen, in einzelnen Vorschriften des Einkommensteuergesetzes denselben Begriff "Einkünfte" mit einem unterschiedlichen Inhalt zu gebrauchen. Dafür müßte sich jedoch aus § 33a Abs. 2 EStG ein Anhaltspunkt ergeben. Ein solcher ist indessen nicht ersichtlich. Bei dieser Wortinterpretation steht es der Anrechnung der Einkünfte folglich nicht entgegen, wenn diese dem Kind vor Beginn der Ausbildung, in einem Zeitraum zwischen zwei Ausbildungsabschnitten oder erst nach Abschluß der Ausbildung zugeflossen sind, wenn sie ihm also während der Ausbildung nicht zur Bestreitung des Unterhalts oder der Berufsausbildung zur Verfügung gestanden haben (so insbesondere auch Blümich/Falk, Einkommensteuergesetz, 11. Aufl., § 33 a Anm. V 5; Gilov, Deutsche Steuer-Zeitung, Ausgabe A 1977 S. 46,47 - DStZ A 1977, 46, 47-; Lukas, Deutsches Steuerrecht 1980 S. 432, 435 - DStR 1980, 432, 435-; WoIf, DStR 1977, 179, 182, jeweils mit weiteren Hinweisen; anderer Ansicht jedoch Herrmann-Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, 18. Aufl., § 33a EStG 1979 Anm. II 3 c - grüne Blätter -).
Allerdings meint das FG Düsseldorf in seinem in EFG 1980, 238 abgedruckten Urteil, es sei nicht ersichtlich, weshalb die "Bezüge" zum Unterhalt oder zur Berufsausbildung bestimmt oder geeignet sein müßten, dasselbe aber für die "Einkünfte" nicht zu gelten habe. Der Senat räumt ein, daß dies nicht einleuchtend erscheinen mag.
Indessen ist der Begriff "Bezüge", wie dargelegt, einkommensteuerrechtlich nicht fest umschrieben und kann deshalb eingeschränkt oder präzisiert werden. Der Begriff "Einkünfte" hingegen wird im Einkommensteuerrecht grundsätzlich auf das Jahr bezogen gesehen, so daß die Begrenzung durch den Relativsatz für diesen Begriff nicht verständlich wäre (so schon der Senat zu § 32 Abs. 2 Nr. 2 letzter Satz EStG 1965 im Urteil vom 8. November 1972 VI R 257/71, BFHE 107, 436, BStBl II 1973, 143, sowie zu § 33 a Abs. 1 Satz 3 EStG 1967 im Urteil vom 1. März 1974 VI R 43/71, BFHE 111,514, BStBl II 1974,339).
b) Die Entstehungsgeschichte des § 33 a Abs. 2 Satz 2 EStG spricht ebenfalls für die unter a) gefundene Auslegung. Der Senat hat § 32 Abs. 2 Nr. 2 letzter Satz EStG 1965, der § 33a Abs. 2 Satz 2 EStG in dem hier streitigen Punkt weitestgehend entsprach, dahingehend ausgelegt, daß sich der Relativsatz "die zur Bestreitung geeignet sind" nur auf "Bezüge" bezieht (BFHE 107, 436, BStBl II 1973, 143). Er hat weiter betont, daß die Anrechnung der Kindeseinkünfte selbst dann zutreffend ist, wenn sie im Einzelfall "nicht für dessen Unterhalt oder Ausbildung verwendet werden konnten, etwa weil das Kind die Einkünfte erst nach Abschluß seiner Ausbildung erzielt hat" (Urteil vom 8. November 1972 VI R 8/71, BFHE 107, 444, BStBl II 1973,142). Da der Gesetzgeber in Kenntnis dieser Rechtsprechung § 33a Abs. 2 Satz 2 EStG wortgleich formuliert hat, ist anzunehmen, daß er die bisherige Auslegung auch für die neue Vorschrift erreichen wollte. Soweit dagegen auf die Auslegung des § 33 a Abs. 1 Satz 3 EStG durch die Rechtsprechung Bezug genommen wird (so das Niedersächsische FG in dem in EFG 1979,128 abgedruckten Urteil), schlägt diese Argumentation nicht durch. Zwar hat der Senat den Relativsatz "die zur Bestreitung des Unterhalts ... geeignet sind" in seiner früheren Rechtsprechung dahingehend interpretiert, daß er sich auf Einkünfte und Bezüge beziehe. Diese Rechtsprechung ist indessen durch die BFH-Urteile in BFHE 107,436, BStBl II 1973,143 und in BFHE 107, 444, BStBl II 1973,142 sowie - speziell zu § 33 a Abs. 1 Satz 3 EStG - in BFHE 111,514, BStBl II 1974, 339 überholt.
Soweit das FG Rheinland-Pfalz in dem in EFG 1980,76 abgedruckten Urteil ausführt, die Behandlung hinsichtlich des Kinderfreibetrags in § 32 Abs. 2 Nr. 2 letzter Satz EStG 1965 dürfe nicht auf den Ausbildungsfreibetrag des § 33 a Abs. 2 EStG übertragen werden, weil der Kinderfreibetrag den Steuerpflichtigen nicht nur für beschränkte Zeit, sondern regelmäßig für das ganze Jahr zugestanden habe, während der Ausbildungsfreibetrag nach § 33a, Abs. 4 EStG nur für die Monate der Berufsausbildung in Betracht komme, hält der Senat diesen Einwand ebenfalls nicht für durchgreifend. Derselbe Gesetzeswortlaut muß nicht deshalb unterschiedlich ausgelegt werden, weil er sich das eine Mal auf einen unteilbaren Betrag (Kinderfreibetrag) und das andere Mal auf einen teilbaren Betrag (anteiliger Ausbildungsfreibetrag nach § 33a Abs. 4 EStG) bezieht.
c) Es mag verständlich erscheinen, daß es als unbefriedigend oder ungerecht empfunden wird, auch Einkünfte auf den Ausbildungsfreibetrag anzurechnen, die das Kind erst nach Abschluß der Berufsausbildung, aber im Kalenderjahr der Ausbildung, erzielt. Der Senat sieht sich gleichwohl nicht zu einer anderen Gesetzesauslegung veranlaßt.
Der Senat hält es in Übereinstimmung mit dem nicht veröffentlichten Urteil des FG Nürnberg vom 5. April 1979 VI 346/78 für sachgerecht, Einkünfte des Kindes, die es vor Beginn seiner Berufsausbildung oder wie im Streitfall zwischen zwei Ausbildungsabschnitten, jedoch im Kalenderjahr der Ausbildung bezogen hat, nach § 33a Abs. 2 Satz 2 EStG mindernd zu berücksichtigen, und zwar unabhängig davon, ob dem Kind diese Einkünfte während der Ausbildung noch zur Verfügung stehen oder nicht; denn jedenfalls hätte es diese Einkünfte für seinen Unterhalt oder seine Berufsausbildung während der Zeit der Berufsausbildung verwenden können. Es erscheint dann aber nicht unvertretbar, ebenso die Einkünfte des Kindes mindernd zu berücksichtigen, die ihm erst nach der Berufsausbildung, aber im Kalenderjahr der Berufsausbildung, zugeflossen sind. Denn im Ergebnis ist es gleichgewichtig, ob ein Kind zunächst Einkünfte erzielt, die es alsbald verbraucht, so daß sie ihm während der anschließenden Ausbildungszeit nicht (mehr) zur Verfügung stehen, oder ob es die Einkünfte erst nach der Berufsausbildung erzielt, so daß sie ihm ebenfalls während der Ausbildungszeit (noch) nicht zur Verfügung stehen konnten. In beiden Fällen müssen die unterhaltsverpflichteten Eltern Leistungen für den Unterhalt und die Ausbildung des Kindes erbringen.
Ganz entscheidend leitet den Senat bei diesen Erwägungen der Fall, daß sich ein Kind während des gesamten Kalenderjahres in Berufsausbildung befindet, aber nebenbei - z. B. durch gelegentliches Arbeiten - noch 8 000 DM im Kalenderjahr verdient, diese Beträge aber alsbald für sich (z. B. PKW-Kauf) verbraucht. In diesem Fall können die Eltern den Ausbildungsfreibetrag nicht erhalten, da diese Kindeseinkünfte nicht ausgeschieden werden können. Es erscheint dem Senat im Verhältnis zu diesem Fall ungerecht, den Eltern dagegen dann einen (anteiligen) Ausbildungsfreibetrag zu gewähren, wenn das Kind erst nach der Berufsausbildung, jedoch im Kalenderjahr der Berufsausbildung, die Einkünfte in Höhe von 8000 DM erzielte.
Nach Überzeugung des Senats sind somit bei jeder Lösung der aufgezeigten Fallgestaltungen und bei folgerichtiger Anwendung des jeweiligen Lösungsweges Fälle denkbar, deren Beurteilung als ungerecht empfunden werden kann. Der Senat hält es deshalb für zutreffend, an seiner vorstehend wiedergegebenen Auslegung aufgrund des Gesetzeswortlauts (a) und der Entstehungsgeschichte, (b) festzuhalten, zumal hierfür auch noch die folgenden Überlegungen (unter d und e) sprechen.
d) Die Auslegung, daß nur Einkünfte mindernd berücksichtigt werden dürfen, die zur Bestreitung des Unterhalts oder der Berufsausbildung zur Verfügung standen, erscheint in vielen Fällen kaum praktikabel.
aa) Zum einen zeigt gerade der Streitfall, daß die Einkünfte des Sohnes diesem "an sich" für die Zeit seiner Ausbildung vom 1. Oktober an zur Verfügung standen; denn er hat sie insoweit zuvor erzielt und hätte sie für seinen Unterhalt während dieser Ausbildungszeit verwenden können. Davon ist denn auch das FG Nürnberg in seinem oben bezeichneten Urteil vom 5. April 1979 für den Fall ausgegangen, daß das Kind vor Eintritt in die Berufsausbildung am 1. Oktober 1977 vom 1. Januar bis zum 30. September 1977 Einkünfte in Höhe von rd. 8 500 DM bezog. Konsequent hätte das FG im vorliegenden Fall jedenfalls für den zweiten Ausbildungsabschnitt des Sohnes der Kläger vom 1. Oktober an dessen Einkünfte als zum Unterhalt oder zur Berufsausbildung zur Verfügung stehend ansehen müssen. Der Gesetzgeber wollte jedoch offenbar eine solche den Einzelfall berücksichtigende Betrachtung vermeiden. Sie müßte möglicherweise jeweils zu der Prüfung zwingen, ob das Kind zu Beginn der Berufsausbildung noch die erzielten Einkünfte hat und ob sie also noch zur Bestreitung des Unterhalts oder der Berufsausbildung geeignet sind.
bb) Auch gesetzestechnisch würde es zu großen Schwierigkeiten führen, wenn man bei den "Einkünften" auf ihre Verfügbarkeit während der Ausbildung abstellte. In dem beim Senat anhängigen Verfahren VI R 190/79 (Urteil des FG Nürnberg vom 28. August 1979, nicht veröffentlicht), in dem der Sohn im Januar 1977 (während der Ausbildung) 1 360 DM und nach der Ausbildung (vom 1. September bis zum 31. Dezember 1977) 13 090 DM Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit hatte, müßten die vorbezeichneten Abzugsbeträge wie der Werbungskosten-Pauschbetrag, der Weihnachts-Freibetrag und der Arbeitnehmer-Freibetrag jeweils anteilig bei den einzelnen Einnahmen berücksichtigt werden, um festzustellen, ob und inwieweit die im Januar bezogenen "Einkünfte" zur Bestreitung des Unterhalts oder der Ausbildung geeignet waren. Die nur schwer praktikable Zurechnung der Abzugsbeträge zu einzelnen Einnahmen wird noch verstärkt durch das oben dargestellte Jahresprinzip, das insbesondere auch für diese Beträge gilt. Eine zutreffende Zurechnung der Werbungskosten wäre in diesem Fall - Einnahmen im Januar in Höhe von 1 360 DM, vom 1. September bis 31. Dezember in Höhe von 13 090 DM - im übrigen nahezu undurchführbar, wenn z. B. hinsichtlich des Januarbetrages keine Werbungskosten, hinsichtlich des späteren Betrags von 13 090 DM dagegen insgesamt tatsächlich 1 000 DM Werbungskosten (z. B. Fahrtkosten) entstanden wären.
Würden die den Werbungskosten-Pauschbetrag von 564 DM übersteigenden Aufwendungen von 1 000 DM lediglich bei den Einnahmen von 13 090 DM abgezogen, würde bei den Januar-Einnahmen von 1 360 DM - wohl zu Unrecht - kein anteiliger Werbungskosten-Pauschbetrag berücksichtigt werden können. Würden dagegen die tatsächlichen Werbungskosten anteilig auch auf die 1360 DM verteilt, könnte eingewandt werden, daß insoweit tatsächlich keine Werbungskosten entstanden seien.
Noch weniger praktikabel dürfte es sein, Einkünfte eines Kindes aus Gewerbebetrieb oder aus Vermietung und Verpachtung (insoweit vor allem wegen der Werbungskosten, die möglicherweise massiert nur in einem Monat des Kalenderjahres anfallen - z. B. größere Reparatur -) für einen bestimmten Monat zutreffend zu ermitteln.
e) Schließlich enthält die Gewährung des Ausbildungsfreibetrags eine typisierende Regelung; denn der Freibetrag wird, wenn Kosten dieser Art angefallen sind, unabhängig davon gewährt, wie hoch die tatsächlichen Aufwendungen des Steuerpflichtigen sind. Typisierend unterstellt der Gesetzgeber, daß dem Steuerpflichtigen in Höhe des Ausbildungsfreibetrags Aufwendungen entstanden sind (vgl. Wolf, a. a. O.). Selbst wenn der Steuerpflichtige geringere Aufwendungen hat, als der Freibetrag ausmacht, kann er den Freibetrag in Anspruch nehmen. Der Ausbildungsfreibetrag kann und soll folglich nicht die tatsächliche Belastung des Steuerpflichtigen ausgleichen. Es erscheint deshalb - ebenso typisierend nicht unvertretbar, auch die Jahreseinkünfte des Kindes zu berücksichtigen, unabhängig davon, ob sie vor, nach oder während der Zeit der Berufsausbildung erzielt wurden.
3. Auch aus § 33a Abs. 4 EStG läßt sich nicht ableiten, daß die Einkünfte des Kindes, die ihm außerhalb der Zeit seiner Berufsausbildung im Kalenderjahr zugeflossen sind, bei der Ermittlung des Ausbildungsfreibetrags auszuscheiden hätten.
Nach § 33 a Abs. 4 EStG ermäßigen sich für jeden vollen Kalendermonat, in dem die "Voraussetzungen" des Absatzes 2 nicht vorgelegen haben, die dort bezeichneten "Beträge" um je ein Zwölftel. Wie unter III. 1. ausgeführt, ist demgemäß der Ausbildungsfreibetrag im Streitfall um 4/12 auf 2 800 DM zu ermäßigen.
Der Senat rechnet zu den "Voraussetzungen" des § 33 a Abs. 2 EStG - für die Gewährung des Ausbildungsfreibetrags - die Tatbestandsmerkmale des Satzes 1, daß dem Steuerpflichtigen a) Aufwendungen für die Berufsausbildung eines Kindes erwachsen, daß er b) für das Kind Anspruch auf Kindergeld hat, daß er c) einen Antrag stellt, daß d) das Kind bestimmte Altersvoraussetzungen erfüllt und daß es e) ggf. auswärtig untergebracht ist. Dagegen ist die Minderungsregelung des Satzes 2 keine "Voraussetzung" für die Gewährung des Ausbildungsfreibetrags; sie greift vielmehr ein, wenn alle Voraussetzungen für die Gewährung des Ausbildungsfreibetrags vorliegen. Durch Satz 2 wird lediglich die Rechtsfolge "Gewährung eines Ausbildungsfreibetrags" betragsmäßig eingeschränkt.
Da die "Einkünfte" in § 33a Abs. 2 Satz 2 EStG nicht in "Beträgen" ausgedrückt werden (können), könnte man schon zweifeln, ob § 33a Abs. 4 EStG es überhaupt rechtfertigt, die nach dem Jahresprinzip (vgl. vorstehend III 2. a) ermittelten Einkünfte und Bezüge des Kindes zu zwölfteln, soweit die Voraussetzungen des § 33a Abs. 2 Satz 1 EStG nicht vorgelegen haben. Der Senat hält indessen diese Regelung in Absch. 68 Abs. 5 LStR, von der das FA im Streitfall ausgegangen ist, für mit dem Gesetz vereinbar, weil auf diese Weise die zutreffende Relation zwischen der Höhe des Ausbildungsfreibetrags, der Höhe des in § 33 a Abs. 2 Satz 2 EStG bezeichneten Betrags von 2 400 DM und dem Betrag der Jahreseinkünfte hergestellt wird. Alle diese Beträge werden nach § 33a Abs. 4 EStG somit jeweils um den gleichen (Zeit-)Anteil herabgesetzt, für den die Voraussetzungen des Absatzes 2 Satz 1 nicht vorgelegen haben. Auf diese Weise wird das Jahresprinzip für die Ermittlung der Einkünfte nicht verletzt, andererseits indessen auch bei der Höhe der anzurechnenden Einkünfte berücksichtigt, daß die Voraussetzungen für die Gewährung eines vollen Ausbildungsfreibetrags nicht vorliegen.
§ 33 a Abs. 4 EStG gestattet es jedenfalls nicht, Einkünfte, die in Monaten erzielt wurden, für die der Steuerpflichtige keinen Ausbildungsfreibetrag erhält, bei Ermittlung des Minderungsbetrags des § 33a Abs. 2 Satz 2 EStG völlig außer Ansatz zu lassen. Denn § 33 a Abs. 4 EStG gebietet nicht die Zwölftelung von Zeiträumen (des Kalenderjahres), sondern von Beträgen (hier also der Einkünfte).
4. Da das FG von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen ist, war seine Entscheidung aufzuheben.
Die Sache ist spruchreif. Da den Klägern kein höherer Ausbildungsfreibetrag gewährt werden kann, als er ihnen bereits zugestanden wurde, war die Klage abzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 413434 |
BStBl II 1981, 92 |
BFHE 1981, 486 |