Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsaufspaltung: Überlassung von Patenten, wesentliche Betriebsgrundlage, immaterielle Wirtschaftsgüter als wesentliche Betriebsgrundlage der Betriebsgesellschaft, notwendiges Betriebsvermögen des Besitzunternehmens
Leitsatz (amtlich)
Lizenzeinnahmen aus der Überlassung von Patenten im Rahmen einer bestehenden Betriebsaufspaltung können auch dann zu gewerblichen Einkünften des Besitzunternehmens führen, wenn die Patente nicht wesentliche Betriebsgrundlagen der Betriebsgesellschaft bilden.
Orientierungssatz
1. Betriebsaufspaltung: Zu den wesentlichen Grundlagen eines Betriebs gehören diejenigen Wirtschaftsgüter, die für den Betrieb von besonderer Bedeutung sind, die also vom Betriebszweck erfordert werden und die besonderes Gewicht für die Betriebsführung besitzen (vgl. BFH-Urteil vom 24.8.1989 IV R 135/86).
2. Auch die von einer Besitzgesellschaft der Betriebsgesellschaft im Rahmen einer Betriebsaufspaltung überlassenen immateriellen Wirtschaftsgüter (hier: Erfindungen) können eine wesentliche Betriebsgrundlage des Betriebsunternehmens darstellen, sofern die Umsätze des Betriebsunternehmens in erheblichem Umfang auf diesen Wirtschaftsgütern beruhen, wobei hierfür ein Umsatzanteil von 25 % als ausreichend angesehen wird.
3. Im Falle einer Betriebsaufspaltung gehört ein Wirtschaftsgut zum notwendigen Betriebsvermögen des Besitzunternehmens, wenn es dazu dient, die Vermögenslage und Ertragslage der Betriebsgesellschaft zu verbessern und damit den Wert der Beteiligung daran zu erhalten oder zu erhöhen; nicht erforderlich ist, daß es dem Besitzunternehmen unmittelbar dient oder daß es für den Betrieb notwendig, wesentlich oder gar unentbehrlich ist. Notwendiges Betriebsvermögen des Besitzunternehmens können daher regelmäßig auch Wirtschaftsgüter sein, die keine wesentlichen Betriebsgrundlagen der Betriebsgesellschaft darstellen. Allerdings muß ihre Überlassung in einem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Überlassung wesentlicher Betriebsgrundlagen stehen. Dies gilt auch für Patente und Erfindungen unabhängig davon, ob sie bereits mit Begründung der Betriebsaufspaltung oder zu einem späteren Zeitpunkt überlassen werden.
Normenkette
EStG § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 18 Abs. 1 Nr. 1, § 4 Abs. 1, § 15 Abs. 1 Nr. 1; GewStG § 2 Abs. 1 S. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war Inhaber eines Einzelunternehmens. Ab 1976 übernahm eine neu gegründete GmbH, deren Geschäftsführer der Kläger war und an der er (neben seinen Kindern) zu 52 % beteiligt war, die Produktion mit unverändertem Unternehmensziel. Sie mietete die dem Kläger gehörenden, auf ihre Betriebszwecke zugeschnittenen Büro- und Fertigungsgebäude des bisherigen Einzelunternehmens an. Insoweit gehen die Beteiligten unstreitig vom Bestehen einer Betriebsaufspaltung aus.
1987 erteilte der Kläger der GmbH bestimmte Lizenzen für die Herstellung, den Gebrauch und Vertrieb von Lizenzgegenständen unter Verwendung von Patenten, deren Erfinder und Inhaber er seit 1985/1986 war, und überließ ihr das erforderliche Know-how. Die GmbH war zur Ausübung der Lizenzen verpflichtet. Ihre Umsätze aufgrund der Lizenzen betrugen von 1987 bis 1993 im Durchschnitt 19 % ihrer Gesamtumsätze. Die vereinnahmten Lizenzgebühren behandelte der Kläger als Einkünfte aus selbständiger Arbeit i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Demgegenüber beurteilte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) die Lizenzeinnahmen für die Streitjahre 1990 bis 1992 als gewerbliche Einkünfte und setzte die Gewerbesteuermeßbeträge des Klägers entsprechend fest.
Die Klage blieb ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte aus, die Patente seien Betriebsvermögen des bereits seit 1976 bestehenden Besitzunternehmens geworden. Denn die Patentüberlassung hätte wie die Überlassung der Grundstücke derselben gewerblichen Marktteilnahme des Klägers gedient. Sie habe die Grundstücksüberlassung ergänzt und die Marktchancen der GmbH gesteigert. Im einzelnen wird auf die in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1998, 96 abgedruckten Entscheidungsgründe verwiesen.
Mit seiner Revision rügt der Kläger Verletzung materiellen Rechts. Die Vorentscheidung sei mit dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 23. Januar 1980 I R 33/77 (BFHE 130, 173, BStBl II 1980, 356) nicht vereinbar. Wie dort seien auch im Streitfall Erfindungen erst --11 Jahre-- nach Begründung der Betriebsaufspaltung überlassen worden. Sie seien nicht als gewillkürtes Betriebsvermögen in das Einzelunternehmen eingelegt worden. Notwendiges Betriebsvermögen liege nicht vor. Die Patente hätten zu keinem Zeitpunkt eine wesentliche Betriebsgrundlage der Betriebs-GmbH gebildet. Bei ihrer Überlassung habe er mit einem Anteil der Umsätze aufgrund der Lizenzen von lediglich ca. 10 % am Gesamtumsatz der GmbH gerechnet. Das Wesen der GmbH sei infolge der Nutzung der Patente auch nicht verändert worden.
Der Kläger beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben und die Gewerbesteuermeßbeträge für die Streitjahre seinem Antrag in der Vorinstanz entsprechend festzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision als unzulässig zu verwerfen, da sie nicht die verletzte Rechtsnorm bezeichne. Hilfsweise beantragt das FA, im wesentlichen mit den Gründen der Vorentscheidung, die Revision als unbegründet zurückzuweisen. Die BFH-Entscheidung in 130, 173, BStBl II 1980, 356 sei nicht einschlägig.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist zulässig, da sie erkennen läßt, daß die §§ 15 und 18 EStG sowie § 2 Abs. 1 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) verletzt worden sein sollen (vgl. BFH-Urteil vom 18. Dezember 1990 VIII R 290/82, BFHE 163, 423, BStBl II 1991, 361).
Sie ist jedoch unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Zu Recht hat das FG die Vergütungen für die Überlassung der Patente an die GmbH als gewerbliche Einkünfte des Klägers behandelt (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG, § 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG).
1. Die Vermietung und Verpachtung von Wirtschaftsgütern ist grundsätzlich dem Bereich der privaten Vermögensverwaltung zuzuordnen. Die Vermietung an eine Kapitalgesellschaft ist jedoch gewerblich, wenn die überlassenen Wirtschaftsgüter für die Kapitalgesellschaft eine wesentliche Grundlage ihres Betriebs bilden und der oder die Inhaber des überlassenen Vermögens ihren Willen auch in der Kapitalgesellschaft durchsetzen können (BFH-Beschluß vom 8. November 1971 GrS 2/71, BFHE 103, 440, BStBl II 1972, 63). Unter den genannten Voraussetzungen einer sachlichen und persönlichen Verflechtung ist von einer Betriebsaufspaltung auszugehen; das Besitzunternehmen beteiligt sich über das Betriebsunternehmen am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr, es ist insoweit gewerblich tätig.
Zu den wesentlichen Grundlagen eines Betriebs gehören diejenigen Wirtschaftsgüter, die für den Betrieb von besonderer Bedeutung sind, die also vom Betriebszweck erfordert werden und die besonderes Gewicht für die Betriebsführung besitzen (BFH-Urteil vom 24. August 1989 IV R 135/86, BFHE 158, 245, BStBl II 1989, 1014). Dies trifft auf die der GmbH mietweise überlassenen Betriebsgrundstücke unstreitig zu.
2. Ob auch die vom Kläger überlassenen Patente wesentliche Betriebsgrundlagen der GmbH geworden sind, braucht der Senat nicht zu entscheiden. Zwar können auch überlassene immaterielle Wirtschaftsgüter, insbesondere Erfindungen, wesentliche Betriebsgrundlagen darstellen, sofern die Umsätze des Betriebsunternehmens in erheblichem Umfang auf diesen Wirtschaftsgütern beruhen (BFH-Urteile vom 20. September 1973 IV R 41/69, BFHE 110, 368, BStBl II 1973, 869; vom 1. Juni 1978 IV R 152/73, BFHE 125, 280, BStBl II 1978, 545; vom 26. Januar 1989 IV R 151/86, BFHE 156, 138, BStBl II 1989, 455; vom 6. November 1991 XI R 12/87, BFHE 166, 206, BStBl II 1992, 415; vom 26. August 1993 I R 86/92, BFHE 172, 341, BStBl II 1994, 168). Im Urteil in BFHE 110, 368, BStBl II 1973, 869 hat der BFH hierfür einen Umsatzanteil von 25 % als ausreichend angesehen. Vorliegend betrug der Anteil der Umsätze der GmbH aufgrund der Lizenzen durchschnittlich nicht mehr als 19 % und überstieg lediglich in den Jahren 1987 und 1990 25 % der Gesamtumsätze der GmbH.
Im Streitfall ist jedoch nicht zu beurteilen, ob die Überlassung von Patenten als solche zur Begründung einer Betriebsaufspaltung geführt hat. Die sachliche Verflechtung mit der Folge der Betriebsaufspaltung war infolge der fortbestehenden Vermietung der Betriebsgrundstücke bereits gegeben. Diese Betriebsaufspaltung qualifizierte die Einkünfte des Klägers aus der Verpachtung der Betriebsgrundstücke als gewerblich. Dies gilt auch für die Lizenzeinnahmen des Klägers; denn die überlassenen Patente bildeten notwendiges Betriebsvermögen des Besitzunternehmens (vgl. BFH-Urteile vom 21. September 1977 I R 39-40/74, BFHE 123, 464, BStBl II 1978, 67; vom 23. Januar 1991 X R 47/87, BFHE 163, 460, BStBl II 1991, 405).
3. Im Falle einer Betriebsaufspaltung gehört ein Wirtschaftsgut zum notwendigen Betriebsvermögen des Besitzunternehmens, wenn es dazu dient, die Vermögens- und Ertragslage der Betriebsgesellschaft zu verbessern und damit den Wert der Beteiligung daran zu erhalten oder zu erhöhen (BFH-Urteile vom 7. März 1978 VIII R 38/74, BFHE 124, 533, BStBl II 1978, 378; vom 10. November 1994 IV R 15/93, BFHE 176, 535, BStBl II 1995, 452); nicht erforderlich ist, daß es dem Besitzunternehmen unmittelbar dient. Die Qualifizierung eines Wirtschaftsgutes als notwendiges Betriebsvermögen setzt auch nicht voraus, daß es für den Betrieb notwendig, wesentlich oder gar unentbehrlich ist (BFH-Urteile vom 1. Dezember 1976 I R 73/74, BFHE 121, 135, BStBl II 1977, 315; vom 19. Februar 1987 IV R 175/85, BFHE 149, 196, BStBl II 1987, 430; vom 6. März 1991 X R 57/88, BFHE 164, 246, BStBl II 1991, 829; in BFHE 176, 535, BStBl II 1995, 452; vom 13. November 1996 XI R 31/95, BFHE 182, 79, BStBl II 1997, 247). Notwendiges Betriebsvermögen des Besitzunternehmens im Rahmen einer Betriebsaufspaltung können daher regelmäßig auch Wirtschaftsgüter sein, die keine wesentlichen Betriebsgrundlagen der Betriebsgesellschaft darstellen. Allerdings muß ihre Überlassung in einem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Überlassung wesentlicher Betriebsgrundlagen stehen (BFH-Urteile in BFHE 123, 464, BStBl II 1978, 67; in BFHE 163, 460, BStBl II 1991, 405; vom 17. November 1992 VIII R 36/91, BFHE 169, 389, BStBl II 1993, 233; vgl. auch Urteil des FG Münster vom 25. Juli 1996 3 K 5462/93 E und 3 K 5463/93 G, EFG 1997, 203). Dies gilt auch für Patente und Erfindungen (BFH-Urteil vom 9. Juli 1970 IV R 16/69, BFHE 99, 533, BStBl II 1970, 722) unabhängig davon, ob sie bereits mit Begründung der Betriebsaufspaltung oder zu einem späteren Zeitpunkt überlassen werden (BFH-Urteil vom 21. Oktober 1988 III R 258/84, BFH/NV 1989, 321).
4. Nach diesen Grundsätzen hat das FG im Streitfall notwendiges Betriebsvermögen zutreffend bejaht. Es ist davon ausgegangen, daß die Patentüberlassung wie die Vermietung der Grundstücke derselben gewerblichen Beteiligung des Klägers am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr diente. Sie ergänzte daher die Grundstücksüberlassung und steigerte so die Marktchancen der GmbH. Deren Umsätze sind infolge der Benutzung der Patente auch gestiegen. Der Anteil der Umsätze aufgrund der Lizenzen am Gesamtumsatz war nicht von lediglich untergeordneter Bedeutung.
5. Der Streitfall ist, wie das FA zu Recht ausführt, mit dem in BFHE 130, 173, BStBl II 1980, 356 entschiedenen Fall nicht vergleichbar. Dort ging es um Patente, deren Inhaber nicht die Besitzgesellschaft, sondern ein Gesellschafter des Besitz- und des Betriebsunternehmens war, der sie der Betriebsgesellschaft und Dritten unmittelbar zur Nutzung überlassen hatte (vgl. dazu auch BFH-Urteil in BFH/NV 1989, 321).
Fundstellen
Haufe-Index 56071 |
BFH/NV 1999, 415 |
BStBl II 1999, 281 |
BFHE 187, 36 |
BFHE 1999, 36 |
BB 1998, 2617 |
BB 1999, 28 |
DB 1999, 28 |
DStR 1998, 2005 |
DStRE 1999, 15 |
DStRE 1999, 15 (Leitsatz) |
DStZ 1999, 184 |
HFR 1999, 103 |
StE 1998, 787 |