Entscheidungsstichwort (Thema)
Verletzung der Mitwirkungspflicht im Verwaltungsverfahren über Erlassantrag und Nachschieben von Gründen im Klageverfahren
Leitsatz (NV)
- Hat der Steuerpflichtige nach einem Antrag auf Erlass von Säumniszuschlägen seine Mitwirkungspflicht zur Aufklärung des Sachverhalts verletzt, so führt neues tatsächliches Vorbringen im Klageverfahren nur dann zur Aufhebung der den Erlassantrag ablehnenden Rechtsbehelfsentscheidung, wenn sich der neu vorgetragene Sachverhalt der Finanzbehörde spätestens im Zeitpunkt der Rechtsbehelfsentscheidung hätte aufdrängen müssen und die Finanzbehörde daher von sich aus weitere Ermittlungen hätte anstellen müssen.
- In Fällen der Verletzung der Mitwirkungspflicht nach Stellung des Erlassantrags darf das FG nicht selbst tatsächliche Feststellungen zu der Frage treffen, wie der Sachverhalt im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung tatsächlich war und ob daher der Ermessensentscheidung der Finanzbehörde ein vollständig und einwandfrei ermittelter Sachverhalt zu Grunde lag.
Normenkette
AO 1977 §§ 88, 90, 227; FGO § 102
Verfahrensgang
FG Rheinland-Pfalz (EFG 1999, 319) |
Tatbestand
Streitig ist in der Sache der Teilerlass von Säumniszuschlägen für die verspätete Zahlung von Einkommensteuerrückständen für die Jahre 1988 und 1989.
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger), der mit seiner Ehefrau für die Streitjahre (1988 und 1989) zur Einkommensteuer zusammenveranlagt worden ist, erzielte in diesen Veranlagungszeiträumen Einkünfte aus Gewerbebetrieb, aus nichtselbständiger Arbeit und aus Vermietung und Verpachtung. Der Kläger war als Geschäftsführer und seine Ehefrau als kaufmännische Angestellte in einer X-GmbH tätig, deren Anteile er und seine Ehefrau zu 100 v.H. hielten. Die Eheleute erzielten außerdem Einkünfte aus Gewerbebetrieb aus einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), die X-maschinen an die X-GmbH vermietete. Das Vermögen der GbR wurde am 30. Juni 1989 an die GmbH veräußert.
Aufgrund der Nichtzahlung festgesetzter Einkommensteuervorauszahlungen oder wesentlich höherer Steuerfestsetzungen als die Vorauszahlungen kam es für die Jahre 1987 bis 1989 zu erheblichen Steuerrückständen des Klägers und seiner Ehefrau. Diese Steuerrückstände wurden nach Tätigwerden der Vollstreckungsstelle (Pfändung von Forderungen aus Anteilsverkäufen und der Lohneinkünfte, Entgegennahme einer Grundschuld) in Raten getilgt. Bis zur vollständigen Begleichung der Einkommensteuer 1987 bis 1989 im Jahre 1992 entstanden neben Säumniszuschlägen für 1987 für die Streitjahre Säumniszuschläge in Höhe von … DM (1988) und … DM (1989).
Der Kläger und seine Ehefrau machten daraufhin geltend, die Weiterberechnung von Säumniszuschlägen zur Einkommensteuer 1988 und 1989 für die Dauer der Ratenzahlungen sei unbillig gewesen. Sie ―der Kläger und seine Ehefrau― seien nämlich wegen der unerwartet hohen Kosten für den Umbau ihres Wohnhauses zahlungsunfähig gewesen. Da sie zudem Einkommensteuererstattungen für 1990 und 1991 erhielten, beantragten sie, die Säumniszuschläge insoweit zu erlassen, als sie bei Stundung der Rückstände für 1988 und 1989 in Höhe der für 1990 und 1991 bestehenden Einkommensteuererstattungsansprüche vermeidbar gewesen wären, da sie nicht entstanden wären.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt ―FA―) lehnte den Erlassantrag ab. Hiergegen erhoben der Kläger und seine Ehefrau Beschwerde. In dem Beschwerdeschreiben vom 16. Juni 1993 kündigten sie eine ausführliche Begründung der Beschwerde an. Trotz Aufforderung durch das FA (Schreiben vom 25. Juni 1993), die Begründung bis zum 21. Juli 1993 abzugeben, blieb diese aus. Das FA forderte dann nochmals mit Schreiben vom 3. November 1993 zur Abgabe der Begründung innerhalb von vier Wochen auf. In diesem Schreiben legte das FA eingehend dar, dass nach Aktenlage keine Gründe für den begehrten Erlass der Säumniszuschläge ersichtlich seien. Zu der vom Kläger und seiner Ehefrau behaupteten Stundungssituation im Zeitpunkt der Ratenzahlungen führte das FA aus, einer solchen Situation habe im Wesentlichen die Forderung des Klägers und seiner Ehefrau aus dem Verkauf der GbR an die X-GmbH entgegengestanden. Nach Aktenlage habe diese Forderung … DM betragen und hätte daher zur sofortigen Tilgung aller Steuerrückstände ausgereicht. Umstände, welche die Höhe der Forderung in Frage stellen könnten, seien aus dem Akteninhalt nicht zu entnehmen. Da der Kläger und seine Ehefrau auf dieses Schreiben wiederum nicht antworteten, setzte das FA erneut eine Frist zur Vorlage der Beschwerdebegründung bis zum 31. Dezember 1993. Dabei wies das FA darauf hin, dass über die Beschwerde eine Entscheidung nach Aktenlage getroffen werden müsse, wenn die Beschwerdebegründung nicht innerhalb der Frist vorgelegt werde oder keine Gründe für eine Verzögerung angegeben würden. Auch dieses Schreiben des FA blieb ohne Antwort.
Während des Beschwerdeverfahrens nahm das FA eine Vergleichsrechnung vor, in welcher Höhe Säumniszuschläge angefallen wären, wenn die Einkommensteuererstattung 1990 mit der Wertstellung des Eingangstages der Steuererklärung (31. Januar 1992) statt mit dem Abrechnungsstichtag des Steuerbescheides (6. April 1992) auf die rückständige Einkommensteuer 1989 umgebucht worden wäre. Als Ergebnis dieser Ermittlung wurde ein Teilbetrag der Säumniszuschläge zur Einkommensteuer 1989 in Höhe von … DM erlassen.
Im Übrigen wies die Oberfinanzdirektion (OFD) die Beschwerde durch eine anhand der Aktenlage eingehend begründete Entscheidung zurück. Hiergegen erhob der Kläger Klage.
Im Klageverfahren trug der Kläger u.a. vor, die Forderung aus dem Verkauf der GbR, die für das FA für die Verneinung der Stundungssituation und damit u.a. für die Ablehnung des Teilerlasses der Säumniszuschläge maßgebend gewesen sei, habe in Wirklichkeit keinen Wert gehabt. Sie habe zwar laut Gewinnermittlung … DM betragen. Er ―der Kläger― und seine Ehefrau hätten aus der Kaufpreisforderung aber nichts erhalten, weil der in der Gewinnermittlung ausgewiesene Erlös ausschließlich aus der Übernahme der Verbindlichkeiten der GbR durch die GmbH stamme.
Das FA räumte im Klageverfahren ein, dass die Annahme der Werthaltigkeit der Forderung aus dem Verkauf der GbR entscheidend für die Ablehnung des Teilerlasses der Säumniszuschläge gewesen sei. Für die nunmehrige Behauptung, dass die Forderung nicht werthaltig gewesen sei, habe der Kläger aber keinerlei Unterlagen vorgelegt, und seine Argumentation stehe auch im Widerspruch zum Inhalt der Akten. Selbst wenn aber ein derartiger Nachweis geführt werde, habe dies zwar die Unrichtigkeit der Beschwerdeentscheidung zur Folge. Der Kläger sei dann jedoch erlassunwürdig, weil er die Freistellung von weiteren, einschneidenden Vollstreckungsmaßnahmen quasi erschlichen habe.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage mit der in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1999, 319 veröffentlichten Entscheidung insoweit statt, als es die Beschwerdeentscheidung aufhob und das FA zur erneuten und fehlerfreien Ausübung seines Ermessens unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts verpflichtete.
Zur Begründung führte das FG aus, dass die Entscheidung, ob Ermessensfehler i.S. des § 102 der Finanzgerichtsordnung (FGO) vorlägen, nach Maßgabe der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung zu treffen sei. Dabei setze die fehlerfreie Ermessensausübung durch die Finanzbehörde voraus, dass ihrer Entscheidung ein einwandfrei und erschöpfend ermittelter Sachverhalt zugrunde liege und alle für die Ermessensausübung nach dem Zweck der Ermächtigungsnorm wesentlichen Gesichtspunkte tatsächlich und rechtlich spätestens in der letzten Verwaltungsentscheidung berücksichtigt würden. Daran fehle es im Streitfall. Das FA habe im Klageverfahren die Möglichkeit eingeräumt, dass die Forderung aus dem Verkauf der GbR nicht werthaltig gewesen sei. Treffe dies in Abweichung von den Feststellungen der Beschwerdeentscheidung zu, führe das zur Unrichtigkeit der Beschwerdeentscheidung. Entgegen der Auffassung des FA könne die Beschwerdeentscheidung dann aber nicht im Ergebnis im Hinblick auf die vom FA behauptete Erlassunwürdigkeit des Klägers aufrecht erhalten werden. Insoweit handele es sich um ein unbeachtliches Nachschieben von Gründen, da die Beschwerdeentscheidung keine Ausführungen zur Erlasswürdigkeit des Klägers enthalte. Der Sachverhaltsvortrag des Klägers im Klageverfahren und die entsprechenden Feststellungen in der Beschwerdeentscheidung der OFD widersprächen sich ferner in der Frage der Zahlungsunfähigkeit des Klägers. Die einwandfreie Klärung dieser Frage liege nicht vor, so dass die Verwaltung auch insoweit ihr Ermessen nicht fehlerfrei habe ausüben können.
Die Kosten des Klageverfahrens erlegte das FG dem Kläger auf. Dies begründete es damit, dass die OFD in der Beschwerdeentscheidung zutreffend ausgeführt habe, die Beurteilung der Vermögenssituation, Überschuldung, Zahlungsunfähigkeit und Stundungsvoraussetzungen habe nach Aktenlage erfolgen müssen, weil der Kläger trotz Aufforderung keine weitere Begründung des Erlassantrags und der Beschwerde vorgebracht und insoweit seine Mitwirkungspflicht verletzt habe. Dass der Kläger gleichwohl im Klageverfahren obsiegt habe, beruhe erst auf dem Vorbringen in diesem Klageverfahren, so dass ihm wegen dieses verspäteten und verschuldeten Vorbringens die Kosten aufzuerlegen seien.
Gegen das Urteil des FG richtet sich die vom erkennenden Senat zugelassene Revision des FA.
Das FA rügt eine Verletzung des § 102 FGO. Nach dieser Bestimmung hielten Ermessensentscheidungen einer gerichtlichen Überprüfung stand, wenn die Finanzbehörde von einem einwandfrei und erschöpfend ermittelten Sachverhalt ausgegangen sei und alle für die Ermessensausübung wesentlichen Gesichtspunkte spätestens in der letzten Verwaltungsentscheidung berücksichtigt habe. Das FG habe die Ermessensentscheidung der Verwaltung daher nur aufheben dürfen, wenn diese wesentlichen Aspekte des Sachverhalts vernachlässigt hätte. Hierzu seien die Ausführungen des FG widersprüchlich. Einerseits lege das FG dar, dass die Finanzbehörde nicht den zutreffenden Sachverhalt zugrunde gelegt habe. Andererseits führe das FG im Rahmen der Kostenentscheidung aus, dass die wegen Verletzung der Mitwirkungspflicht nach Aktenlage getroffene Entscheidung der OFD nicht zu beanstanden sei.
Bei dem Vortrag des Klägers im Klageverfahren, die Forderung aus dem Verkauf der GbR sei nicht werthaltig gewesen, handele es sich um neues tatsächliches Vorbringen. Wenn das FG meine, aufgrund dieses neuen Vorbringens könnten die Voraussetzungen für eine dem Kläger günstigere Ermessensentscheidung gegeben sein, so hätte es die dazu erforderlichen tatsächlichen Feststellungen selbst treffen müssen. Denn wenn der Vortrag des Klägers nicht zutreffe, sei die Beschwerdeentscheidung der OFD nicht zu beanstanden. Die Auffassung des FG führe zu der merkwürdigen Konsequenz, dass nach Maßgabe der Sach- und Rechtslage der letzten Verwaltungsentscheidung fehlerfrei getroffene Entscheidungen auf "Zuruf" des Klägers ermessensfehlerhaft würden. Dabei komme hinzu, dass die Finanzbehörde dann letztlich selbst überprüfen müsse, ob sie wirklich einen Fehler gemacht habe.
Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen.
Der Kläger hat sich im Revisionsverfahren nicht geäußert.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.
1. Das Urteil des FG verstößt gegen § 102 FGO. Nach dieser Bestimmung ist die gerichtliche Überprüfung von Ermessensentscheidungen der Finanzverwaltung auf die Frage begrenzt, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens nicht beachtet worden sind oder ob das Ermessen fehlerhaft ausgeübt worden ist (Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 102 Rz. 2, mit ausführlichen Rechtsprechungsnachweisen). Bei der Ablehnung des vom Kläger und seiner Ehefrau begehrten Teilerlasses von festgesetzten Säumniszuschlägen handelt es sich um Ermessensentscheidungen des FA und (bei der Beschwerdeentscheidung) der OFD (§ 227 der Abgabenordnung ―AO 1977―), so dass die Überprüfungsmöglichkeit durch das FG gemäß § 102 FGO beschränkt war.
Maßgeblich für die Überprüfung von Ermessensentscheidungen in den genannten Grenzen ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) und des Bundesfinanzhofs (BFH) die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung (Gräber/von Groll, a.a.O., § 102 Rz. 13, mit ausführlichen Rechtsprechungsnachweisen). Im Streitfall geht es daher entscheidend um die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung der OFD. Zu diesem Zeitpunkt war, wie das FA im Klageverfahren eingeräumt hat, für die Ablehnung des Teilerlasses der Säumniszuschläge entscheidend die Annahme der Werthaltigkeit der Forderung des Klägers und seiner Ehefrau aus dem Verkauf der GbR an die X-GmbH. Dass die Forderung nicht werthaltig gewesen sein soll, war weder der OFD noch dem FA bekannt. Dies ist vom Kläger erst im Klageverfahren vorgetragen worden.
Das FG dürfte daher nicht allein wegen dieses neuen tatsächlichen Vorbringens im Klageverfahren die den Teilerlass der Säumniszuschläge ablehnende Entscheidung des FA und die Beschwerdeentscheidung der OFD aufheben. Erst im Klageverfahren nachgeschobene Gründe gegen eine Ermessensentscheidung sind unbeachtlich (u.a. BFH-Urteil vom 14. Oktober 1987 II R 120/85, BFH/NV 1989, 80; BFH-Beschluss vom 17. Februar 2000 V B 117/99, BFH/NV 2000, 973).
2. Eine fehlerfreie Ermessensentscheidung setzt allerdings voraus, dass der entscheidungserhebliche Sachverhalt einwandfrei und erschöpfend ermittelt worden ist (ständige Rechtsprechung, s. u.a. BFH-Urteil vom 12. Dezember 1996 VII R 53/96, BFH/NV 1997, 386, m.w.N.). Aber auch hier kommt es auf den Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung an. Entscheidend ist somit im Streitfall, ob das FA und die OFD im Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung ihrer Pflicht zur einwandfreien und erschöpfenden Sachverhaltsermittlung nachgekommen waren.
Der Umfang der Ermittlungspflicht der Finanzbehörden richtet sich nach § 88 AO 1977. Diese Vorschrift gilt auch im Billigkeitsverfahren, das im Streitfall bei der Entscheidung über den Teilerlass der Säumniszuschläge gegeben war (BFH-Beschlüsse vom 4. Februar 1987 II B 116/86, BFH/NV 1988, 328; vom 13. März 1990 VII S 3/90, BFH/NV 1991, 171). Die Ermittlungspflicht wird dabei begrenzt durch die dem Steuerpflichtigen gemäß § 90 AO 1977 auferlegten Mitwirkungspflichten (BFH-Beschluss in BFH/NV 1991, 171).
So spricht im Streitfall gegen die Verletzung der Pflicht des FA und der OFD zur einwandfreien und erschöpfenden Sachverhaltsermittlung, dass das FA den Kläger und seine Ehefrau nach der Beschwerdeeinlegung gegen die Ablehnung des Teilerlasses dreimal vergeblich zu einer Begründung der Beschwerde aufgefordert hat. Zu der vom Kläger und seiner Ehefrau behaupteten Stundungssituation bei den Ratenzahlungen der Einkommensteuerrückstände hat das FA ausgeführt, dass einer solchen Situation im Wesentlichen die Forderung des Klägers und seiner Ehefrau aus dem Verkauf der GbR an die X-GmbH entgegen gestanden habe. Das FA hat also deutlich gemacht, dass es von einer Werthaltigkeit der Forderung ausging. Angesichts der Tatsache, dass der Kläger darauf nicht reagiert hat, können das FA und die OFD nur dann ihre Ermittlungspflicht nach § 88 AO 1977 verletzt haben, wenn sich die fehlende Werthaltigkeit der Forderung nach Lage des Falles hätte aufdrängen müssen und FA oder OFD daher von sich aus hätten weitere Ermittlungen anstellen müssen.
Hierzu fehlen tatsächliche Feststellungen des FG. Das FG ist bei der Begründung der Kostenentscheidung zwar davon ausgegangen, dass die von der OFD nach Aktenlage getroffene Beschwerdeentscheidung wegen der fehlenden Mitwirkung des Klägers an der Sachverhaltsaufklärung nicht zu beanstanden sei. Das Urteil des FG ist insoweit jedoch widersprüchlich. Einerseits wird die Beschwerdeentscheidung der OFD in der Begründung der Kostenentscheidung als fehlerfrei angesehen. Andererseits wird zu der Hauptfrage der Überprüfung der Beschwerdeentscheidung auf ihre Rechtmäßigkeit die Auffassung vertreten, dass die Ermessensausübung durch die OFD fehlerhaft sei. Da das FG zum zulässigen Überprüfungsumfang der Beschwerdeentscheidung eine andere Auffassung vertreten hat, als sie vom erkennenden Senat oben dargelegt worden ist, kann nicht ausgeschlossen werden, dass es im Zusammenhang mit der Frage, ob sich die mögliche fehlende Werthaltigkeit der Forderung aus dem Verkauf der GbR dem FA oder der OFD hätte aufdrängen müssen, zu anderen tatsächlichen Feststellungen kommt als bei den Erwägungen im Rahmen der Kostenentscheidung.
3. Die Sache ist daher an das FG zurückzuverweisen, damit dieses die erforderlichen Feststellungen nachholen kann.
Kommt das FG dabei zu der Feststellung, dass sich trotz der mangelnden Mitwirkung des Klägers und seiner Ehefrau dem FA oder der OFD die mögliche fehlende Werthaltigkeit der Forderung hätte aufdrängen müssen, hat es die ablehnende Erlassentscheidung des FA und die Beschwerdeentscheidung der OFD aufzuheben und das FA zu einer erneuten Ermessensentscheidung zu verpflichten. Ergeben die tatsächlichen Feststellungen jedoch keine Verletzung der Ermittlungspflicht des FA und der OFD aus der Sicht im Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung, ist die Klage abzuweisen.
Entgegen der Auffassung des FA darf das FG jedenfalls in solchen Fällen wie hier, in denen der Kläger seine Mitwirkungspflicht zur Aufklärung des Sachverhalts verletzt hat, nicht selbst tatsächliche Feststellungen zu der Frage treffen, wie der Sachverhalt im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung tatsächlich war und ob daher der Ermessensentscheidung aus heutiger Sicht ein vollständig und einwandfrei ermittelter Sachverhalt zu Grunde lag. Im Streitfall geht es nicht darum, ob die Forderung aus dem Verkauf der GbR an die X-GmbH im Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung der OFD tatsächlich nicht werthaltig war, wie es der Kläger erstmalig im Klageverfahren vorgetragen hat. Entscheidend ist vielmehr, ob das FA oder die OFD diesen Sachverhalt, wenn er tatsächlich gegeben war, angesichts der mangelnden Mitwirkung des Klägers an der Aufklärung des Sachverhalts im Beschwerdeverfahren überhaupt ermitteln mussten.
4. Führt die erneute Entscheidung des FG zu einer Klageabweisung, ist dadurch das nachtägliche Vorbringen des Klägers (hier die fehlende Werthaltigkeit der Forderung aus dem Verkauf der GbR) nicht ausgeschlossen. Es bleibt dem Kläger unbenommen, beim FA einen erneuten Erlassantrag zu stellen und dadurch die Verwaltungsbehörde in die Lage zu versetzen, ihr Ermessen auch unter Berücksichtigung der bisher im Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung der OFD noch nicht bekannten Umstände neu auszuüben (BFH-Beschluss in BFH/NV 1991, 171).
Fundstellen
Haufe-Index 585697 |
BFH/NV 2001, 882 |