Leitsatz (amtlich)
Überläßt ein freier Erfinder die Verwertung seiner Erfindung einer durch Betriebsaufspaltung entstandenen und von ihm beherrschten Betriebskapitalgesellschaft, so liegt keine die Vergünstigung nach § 4 Nr. 3 ErfVO ausschließende Verwertung im eigenen Betrieb vor (Änderung der Rechtsprechung; vgl. BFH-Urteil vom 9. Juli 1970 IV R 16/69, BFHE 99, 533, BStBl II 1970, 722).
Normenkette
ErfVO § 4 Nr. 3
Tatbestand
Streitig ist, ob bei den Einkommensteuerveranlagungen für die Jahre 1961 bis 1965 die Steuervergünstigung nach § 4 Nr. 3 der Verordnung über die einkommensteuerliche Behandlung der freien Erfinder - ErfVO - vom 30. Mai 1951 (BGBl I 1951, 387) zu gewähren ist.
Die Kläger und Revisionskläger (im folgenden: Kläger) sind die Erben des A (im folgenden: Steuerpflichtiger). Der Steuerpflichtige war Erfinder. Bis Anfang des Jahres 1956 wertete er seine Erfindungen selbst aus. Am 17. Februar 1956 gründete er zusammen mit seiner Ehefrau (der Klägerin zu 1.) eine GmbH, an deren Stammkapital (20 000 DM) er zunächst mit 18 000 DM und seine Ehefrau mit 2 000 DM beteiligt waren; vom 1. April 1964 an war der Steuerpflichtige alleiniger Inhaber aller Anteile. Dieser GmbH übertrug der Steuerpflichtige mit Lizenzvertrag vom 17. Februar 1956 das Recht auf Auswertung seiner Erfindungen. Der Steuerpflichtige übernahm gegenüber der GmbH die Verantwortung für das einwandfreie Funktionieren der von ihm entwickelten Konstruktion und verpflichtete sich, die technische Entwicklung der von ihm gemachten Erfindung auf dem modernsten Stand zu halten. Am 16. Juli 1961 schloß der Steuerpflichtige einen weiteren Lizenzvertrag mit der GmbH, mit dem er der GmbH die Verwertung einer weiteren Erfindung übertrug.
Bei seinen Einkommensteuerveranlagungen für die Jahre bis 1964 erhielt der Steuerpflichtige für die von ihm in der vertraglich vereinbarten Höhe vereinnahmten Lizenzgebühren die Vergünstigung nach § 4 Nr. 3 ErfVO.
Im Anschluß an eine Betriebsprüfung vertrat der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) die Auffassung, daß die Erfindervergünstigung nicht in dem vom Steuerpflichtigen begehrten Umfang gewährt werden könne. Der in § 4 Nr. 3 ErfVO vorgesehene Vergünstigungszeitraum von acht Jahren habe für einige der vom Steuerpflichtigen gemachten Erfindungen bereits im Jahre 1960 geendet; außerdem seien die aufgrund des Lizenzvertrages aus dem Jahre 1961 hergestellten Erzeugnisse keine neuen begünstigungsfähigen Erfindungen gewesen; schließlich liege das in dem Lizenzvertrag vom Jahre 1956 vom Steuerpflichtigen übernommene Fabrikationsrisiko außerhalb des Rahmens der Erfindertätigkerit, so daß die dafür gezahlten Entgelte nicht unter die Erfindervergünstigung fallen könnten. Auf dieser Grundlage änderte das FA die vorläufigen Einkommensteuerveranlagungen für die Jahre 1961 bis 1964 und setzte die Einkommensteuer für das Jahr 1965 erstmalig fest (Bescheide vom 24. Januar 1969).
Gegen diese Bescheide erhob der Steuerpflichtige Sprungklage. Das Klageverfahren wurde nach dem Tode des Steuerpflichtigen von den Klägern als den Erben des Steuerpflichtigen weitergeführt. Zur Begründung der Klage wurde ausgeführt, es treffe nicht zu, daß der Vergünstigungszeitraum für einige der vom Steuerpflichtigen gemachten Erfindungen bereits im Jahre 1960 geendet habe. Die betreffenden Erfindungen seien im Jahre 1952 lediglich erprobt, aber noch nicht verwertet worden. Entgegen der Auffassung des FA müßten auch die im Lizenzvertrag von 1961 erwähnten Erfindungen als begünstigungsfähig behandelt werden; das FA sei insoweit an die Anerkennungsbescheide des Senators für Finanzen gebunden.
Das FG wies die Klage ab. Zur Begründung seiner in den EFG 1973, 494 veröffentlichten Entscheidung führte es aus: Nach § 4 Nr. 3 ErfVO setze die begehrte Einkommensteuervergünstigung voraus, daß die Erfindung nicht im eigenen Betrieb des Erfinders verwertet werde. An dieser Voraussetzung fehle es, wenn der Erfinder sein Patent zunächst selbst im eigenen Betrieb gewerblich ausgewertet habe und dann im Wege der Betriebsaufspaltung eine GmbH gründe, der er die Verwertung überlasse (Urteil des BFH vom 9. Juli 1970 IV R 16/69, BFHE 99, 533, BStBl II 1970, 722). Die Aufgliederung eines ursprünglich einheitlichen Betriebes in zwei Teile könne nach Wortlaut, Sinn und Zweck des § 4 Nr. 3 ErfVO nicht bewirken, daß die Vergünstigung nunmehr zu gewähren sei. Der Große Senat des BFH sei zwar in seinem Beschluß vom 8. November 1971 GrS 2/71 (BFHE 103, 440, BStBl II 1972, 63) davon ausgegangen, daß bei einer Betriebsaufspaltung zwei Unternehmen vorhanden seien. Trotz der formalen Trennung in zwei Unternehmen werde jedoch der Tatsache einer wirtschaftlichen Beherrschung der Betriebsgesellschaft durch die Inhaber des Besitzunternehmens eine entscheidende Bedeutung beigemessen. Eine solche wirtschaftliche Beherrschung eines Unternehmens durch eine bestimmte Person sei auch für die hier zu entscheidende Frage maßgebend, ob es sich um eine Verwertung der Erfindung im eigenen oder in einem fremden Betrieb handle. - Der Rechtsprechung des BFH zu anderen Fällen, in denen die Erfindervergünstigung anerkannt worden sei, obwohl der Erfinder die Herstellung und den Vertrieb des von ihm erfundenen Gegenstands einer hierzu von ihm gegründeten und beherrschten Kapitalgesellschaft überlassen habe (Urteile vom 26. Mai 1971 IV R 61/66, BFHE 102, 482, BStBl II 1971, 735; und vom 23. April 1971 IV 99/65, BFHE 102, 473, BStBl II 1971, 710), könne sich das FG nicht anschließen. Würde man auch demjenigen Erfinder die Steuervergünstigung zubilligen, der seine Erfindung auf eine von ihm gegründete GmbH übertrage, dann wären diejenigen Erfinder benachteiligt, die aus finanziellen oder sonstigen Gründen keine selbständige Kapitalgesellschaft zu gründen vermögen und deshalb die Erfindung weiterhin im eigenen Betrieb verwerten. - Die Entscheidung werde schließlich auch nicht durch den Umstand beeinflußt, daß sich das FA an eine Verwaltungsvorschrift gebunden fühle, nach der das BFH-Urteil IV R 16/69 erst für die Wirtschaftsjahre anzuwenden sei, die nach dem 31. Dezember 1970 begonnen hätten (vgl. Erlaß des Finanzministers des Landes Nordrhein-Westfalen vom 8. November 1971 - S 2292 - 4 - VB 1, DB 1971, 2237). Das FG sei weder an entsprechende Verwaltungsvorschriften noch an die übereinstimmende Auffassung der Beteiligten zu dieser Rechtsfrage gebunden.
Gegen das Urteil des FG legten die Kläger Revision ein. Sie rügen unrichtige Anwendung des § 4 Nr. 3 ErfVO. Zur Begründung führen sie aus, eine Erfindung werde nach dem BFH-Urteil IV 99/65 selbst dann in einem fremden Betrieb verwertet, wenn sie einer vom Erfinder allein gehaltenen Kapitalgesellschaft gegen Zahlung von Lizenzgebühren überlassen werde. Bis zum Ergehen des Urteils IV R 16/69 (am 9. Juli 1970) habe die Finanzverwaltung die Steuervergünstigung nach § 4 Nr. 3 ErfVO auch in den Fällen gewährt, in denen die Kapitalgesellschaft, welcher die Erfindung zur Verwertung überlassen worden sei, aus einer Betriebsaufspaltung hervorgegangen sei (Abschn. 149 Abs. 4 Satz 4 EStR); auf diese Praxis hätten sich die Steuerpflichtigen eingestellt. Für Veranlagungszeiträume, welche vor dem Erlaß des Urteils IV R 16/69 geendet hätten, müßte das Vertrauen der Steuerpflichtigen auf eine entsprechende Handhabung durch die Finanzverwaltung geschützt werden, zumal ein - offensichtlich auf § 131 AO gestützter - gemeinsamer Ländererlaß ergangen sei, der das BFH-Urteil IV R 16/69 für Veranlagungszeiträume vor dem 31. Dezember 1970 für unanwendbar erklärt habe.
Die Kläger beantragen, "unter Abänderung des angefochtenen Urteils nach den zuletzt in I. Instanz gestellten Anträgen zu erkennen", hilfsweise, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.
Dem FG kann nicht darin gefolgt werden, daß dem Steuerpflichtigen die Tarifvergünstigung nach § 4 Nr. 3 ErfVO zu versagen ist, weil er seine Erfindungen "im eigenen gewerblichen Betrieb verwertet" habe.
1. Nach § 4 ErfVO werden den Erfindern unter gewissen Voraussetzungen bei der Veranlagung zur Einkommensteuer Vergünstigungen gewährt. Die hier streitige Vergünstigung nach § 4 Nr. 3 ErfVO setzt u. a. voraus, daß "die Erfindung nicht im eigenen gewerblichen Betrieb verwertet" wird. Wie sich aus der amtlichen Begründung zum Entwurf der Erfinderverordnung (Bundesrats-Drucksache 136/51 S. 3 zu § 5) ergibt, beruht der Sinn dieser Regelung ausschließlich auf praktischen Erwägungen. Der Verordnungsgeber ging davon aus, daß bei der Verwertung der Erfindung im eigenen gewerblichen Betrieb keine praktikable Möglichkeit besteht, den aus der Auswertung der Erfindung herrührenden Erfindergewinn von dem übrigen gewerblichen Gewinn mit einiger Sicherheit zutreffend abzugrenzen. Derartige Schwierigkeiten bestehen dagegen nicht, wenn die Auswertung der Erfindung durch einen Dritten erfolgt, dem die Erfindung veräußert wird oder der mit dem Erfinder ein patentrechtliches Nutzungsverhältnis eingeht (fremdbetriebliche Verwertung); vgl. hierzu BFH-Urteil IV 99/65; Streck, StuW 1974 Sp. 126 [128]; Seithel, FR 1967, 288; Ranft, StRK, Anmerkung Erfinderverordnung, § 4, Rechtsspruch 11.
Der erkennende Senat hat demgemäß- im Anschluß an die insoweit einhellige Meinung im Schrifttum - entschieden, daß die Überlassung des Patents zur gesamten (Herstellung und Vertrieb umfassenden) Auswertung an eine (möglicherweise eigens dafür gegründete) vom Erfinder beherrschte oder sogar allein von ihm gehaltene Kapitalgesellschaft gegen Zahlung von Lizenzgebühren eine Verwertung in einem fremden Betrieb darstellt (BFH-Urteil IV 99/65). Der Senat ist dabei davon ausgegangen, daß eine Kapitalgesellschaft als juristische Person eigene Rechtspersönlichkeit hat, die beachtet werden muß, falls dem nicht steuerlich zu berücksichtigende wirtschaftliche Gesichtspunkte eindeutig entgegenstehen. Diese Auffassung liegt auch dem BFH-Urteil IV R 61/66 zugrunde.
2. Entsprechendes muß auch für den Fall gelten, daß ein Erfinder die Auswertung seines Patents im Rahmen einer Betriebsaufspaltung einer von ihm beherrschten Betriebskapitalgesellschaft überläßt. Der Senat hat zwar in seinem Urteil IV R 16/69 die Auffassung vertreten, eine derartige - im Rahmen einer Betriebsaufspaltung stattfindende -Überlassung an eine Betriebs-GmbH stelle eine Verwertung der Erfindung im eigenen Betrieb dar. Diese Auffassung hat der Senat auf die Überlegung gestützt, daß auch noch nach der Betriebsaufspaltung ein wirtschaftlich einheitliches Unternehmen vorliege.
An dieser dem Urteil IV R 16/69 zugrunde liegenden Rechtsauffassung hält der Senat jedoch nicht mehr fest. Die in § 4 ErfVO geforderte Voraussetzung der Verwertung im fremden Betrieb soll nach dem Sinn und Zweck der Erfinderverordnung nur der klaren Trennung des Erfindergewinns von den übrigen Einkünften dienen. Eine einwandfreie Trennbarkeit dieser Einkünfte ist aber auch gegeben, wenn der Erfinder die Auswertung von Erfindungen im Rahmen einer Betriebsaufspaltung einer von ihm beherrschten Betriebskapitalgesellschaft überläßt. Wie der Große Senat des BFH in seinem Beschluß vom 8. November 1971 GrS 2/71 hervorgehoben hat, sind das aus einer Betriebsaufspaltung hervorgegangene Besitzunternehmen und die Betriebsgesellschaft zwei Unternehmen. Diese beiden Unternehmen stehen sich - von der engen personellen Verflechtung einmal abgesehen - zivilrechtlich und ertragsteuerrechtlich selbständig gegenüber. Da es sich um zwei Unternehmen handelt, können auch die Einkünfte, die die Erfinder (als Inhaber des Besitzunternehmens) aus der patentrechtlichen Überlassung seiner Erfindung an die Betriebsgesellschaft erzielt, von den übrigen Einkünften des Erfinders klar abgegrenzt werden (vgl. - mit weiteren Nachweisen - Herrmann/Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, 17. Aufl., Anm. 9 zu § 5 ErfVO; Littmann, Das Einkommensteuerrecht, 11. Aufl., Anm. 81 zu § 18; Streck, a. a. O.; Zinken, Der Betriebs-Berater 1972 S. 1226; Knoppe, Die Besteuerung von Lizenz- und Knowhow-Verträgen, 2. Aufl., 1972 S. 134 f.; Ranft, StRK, Anmerkung Einkommensteuer Erfinderverordnung, § 4, Rechtssprüche 10 und 11). Für die Gewährung der Tarifvergünstigung nach § 4 Nr. 3 ErfVO ist deshalb davon auszugehen, daß die Überlassung der Erfindung durch das Besitzunternehmen an die Betriebsgesellschaft als Verwertung in einem fremden Betrieb i. S. des § 4 Nr. 3 ErfVO anzusehen ist.
3. Bei Anwendung dieser Rechtsgrundsätze auf den Streitfall ergibt sich, daß dem Steuerpflichtigen die Vergünstigung nach § 4 Nr. 3 ErfVO jedenfalls nicht deshalb zu versagen war, weil er sie im Rahmen einer Betriebsaufspaltung einer von ihm beherrschten GmbH zur Auswertung überlassen hat. Die Vorentscheidung, die von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen ist, ist deshalb aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das FG zurückzuverweisen, damit dieses nunmehr über die von dem Steuerpflichtigen (bzw. seinen Rechtsnachfolgern) erhobenen Einwendungen entscheiden kann.
Fundstellen
Haufe-Index 72468 |
BStBl II 1977, 821 |
BFHE 1977, 465 |