Leitsatz (amtlich)
Stellt der Gesellschafter einer Personengesellschaft dieser ein ihm gehöriges Grundstück mit Gebäude zur Fruchtziehung und Lastentragung zur Verfügung, so ergibt sich hieraus allein nicht, daß der Gesellschaft die Möglichkeit der Verwertung des Grundstücks i. S. § 1 Abs. 2 GrEStG eingeräumt wurde.
Normenkette
GrEStG 1940, § 1 Abs. 2
Tatbestand
Im Jahre 1960 waren an der Gesellschaft bürgerlichen Rechts W und Söhne (Vorgängerin der Klägerin) die Gesellschafter B und dessen Sohn W beteiligt. Dem Gesellschafter W standen 75 v. H. und dem Gesellschafter B 25 v. H. am Gewinn der Gesellschaft zu. Nach Feststellung des FA waren der Gesellschafter W mit rund 79 v. H. und der Gesellschafter B mit ca. 21 v. H. am Gesellschaftskapital beteiligt.
Im Jahre 1960 erstellte der Gesellschafter W auf dem ihm gehörenden Grundstück ein Lagergebäude mit Büroanbau. Noch im selben Jahr wurde - nach der im Urteil des FG enthaltenen Darstellung - dieses Gebäude samt Grund und Boden vom Eigentümer W in die Gesellschaft "eingebracht". Im Grundbuch blieb W als Eigentümer eingetragen. In der Bilanz auf den 31. Dezember 1960 wurde der Wert des Grund und Bodens dem Gesellschafter W als Einlage gutgeschrieben. Eine Gutschrift für das Gebäude erfolgte nicht. Nutzen und Lasten des eingetragenen Grundstücks gingen im Jahr 1960 auf die Gesellschaft über. Ertragsteuerrechtlich nahm die Gesellschaft die gesamten Abschreibungen des Gebäudes seit 1960 für sich in Anspruch. Die Gesellschaft wurde mit Wirkung ab 1. Januar 1961 in eine KG umgewandelt.
Das beklagte FA erblickte in dem "Einbringen" des Grundstücks und des darauf errichteten Gebäudes einen grunderwerbsteuerrechtlich bedeutsamen Vorgang im Sinne von § 1 Abs. 2 GrEStG. Dementsprechend setzte es unter Beachtung des § 5 Abs. 2 GrEStG durch Bescheid vom 26. August 1964 gegenüber der KG (Klägerin) die Grunderwerbsteuer fest.
Das FG wies die gegen den Bescheid in der Gestalt der Einspruchsentscheidung gerichtete Klage ab. Zur Begründung führte es im wesentlichen aus, der Übergang der Verwertungsbefugnis auf die Klägerin ergebe sich daraus, daß diese in dem für den Eintritt der Steuerpflicht maßgeblichen Jahr 1960 und in den folgenden Jahren die Lasten des Grundstücks einschließlich des Zinsaufwands getragen habe. Sie sei berechtigt gewesen, wesentliche Teile des Grundstücks unentgeltlich für eigenbetriebliche Zwecke zu nutzen und die Erträge des vermieteten Grundstücksteils zu behalten. Da hinsichtlich des Grundstücks jedenfalls bis November 1964 keine besonderen gesellschaftsrechtlichen oder sonstigen Vereinbarungen getroffen worden seien, habe somit auch der Gesellschafter B entsprechend seinem Gewinnanteil am Aufwand und Ertrag des Grundstücks teilgehabt.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung sowie des angefochtenen Steuerbescheids einschließlich der Einspruchsentscheidung.
Gemäß § 1 Abs. 2 GrEStG unterliegen Rechtsvorgänge der Grunderwerbsteuer, die es ohne Begründung eines Anspruchs auf Übereignung einem anderen rechtlich oder wirtschaftlich ermöglichen, ein inländisches Grundstück auf eigene Rechnung zu verwerten. Dieser gesetzliche Tatbestand kann auch durch "Einbringung" eines einem Gesellschafter einer Personengesellschaft gehörenden Grundstücks in die gesellschaft erfüllt werden, vorausgesetzt, daß sich die Einwirkungsmöglichkeiten der Gesellschaft auf den gesamten Substanzwert des Grundstücks erstrecken (vgl. u. a. Urteile vom 27. Januar 1965 II 60/60 U, BFHE 82, 51, BStBl III 1965, 265; vom 8. Dezember 1965 II 148/62 U. BFHE 84, 411, BStBl III 1966, 148; vom 10. März 1970 II R 135/68, BFHE 99, 68 [73], BStBl II 1970, 522 [drittletzter Absatz]).
Die vom FG getroffenen tatsächlichen Feststellungen rechtfertigen nicht den Schluß, daß der Klägerin die Verwertungsbefugnis an dem Grundstück des Gesellschafters W eingeräumt wurde. Die Beteiligung am Wert der Substanz des Grundstücks wäre vom FA nachzuweisen gewesen. FA und FG haben diesen Nachweis als durch die Bilanzierung des Grundstücks und die ertragsteuerliche Lastentragung und Fruchtziehung erbracht angesehen sowie aus der nicht belegten Rechtsbehauptung, ein etwaiger Veräußerungsgewinn (oder Veräußerungsverlust) hätte auf beide Gesellschafter verteilt werden müssen (und dieser wäre durch die vorausgegangenen Absetzungen für Abnutzung - AfA - usw. beeinflußt gewesen). Sie ist nicht etwa auf eine Vereinbarung zwischen Vater und Sohn gestützt.
Das reicht für die Feststellung der Beteiligung an der Substanz des Grundstücks nicht aus. Auch wenn man als richtig unterstellt, die Beteiligten hätten vereinbart, für etwaige bürgerlich-rechtliche Auseinandersetzungsansprüche sei die Steuerbilanz und nicht die Handelsbilanz maßgeblich, ergäbe sich daraus nicht, die Aufnahme des Grundstücks in die Bilanz habe auch für die etwaige Auseinandersetzung eine Beteiligung an der Substanz zur Folge gehabt. Die sich aus der damaligen Ertragsteuerrechtsprechung zum Begriff des notwendigen Betriebsvermögens ergebende Verpflichtung, das einem Gesellschafter allein gehörende, aber der Gesellschaft dienende Vermögen in den Vermögensvergleich der Gesellschaft einzubeziehen, löste für sich genommen keine grunderwerbsteuerrechtlichen Folgen aus (vgl. II 148/62 U), sofern nicht die Gesellschafter vereinbart hatten, daß sich Wertschwankungen, die das Grundstück möglicherweise während der Zeit erfährt, in der es der Gesellschaft dient, auf Rechnung der Gesellschaft und erst mittelbar nach Maßgabe der Beteiligungsquoten auf Rechnung der einzelnen Gesellschafter vollziehen sollen. Eine solche bürgerlich-rechtliche Vereinbarung ergibt sich aber nicht daraus, daß die Gesellschaft AfA auf das Gebäude vornahm. Aus der ertragsteuerrechtlichen Handhabung folgt nicht, der Eigentümer des Grundstücks habe sich des Rechts auf einen etwaigen Veräußerungsgewinn begeben oder die Gesellschaft habe die Verpflichtung übernommen, einen etwaigen Veräußerungsverlust zu tragen. Tatsachen, die für eine der Klägerin eingeräumte Verwertungsbefugnis am Grundstück sprechen, hat das FG nicht festgestellt.
Fundstellen
Haufe-Index 71059 |
BStBl II 1974, 773 |
BFHE 1975, 315 |