Leitsatz (amtlich)
Die Vermutung des § 17 Abs. 1 Satz 2 ZG ist nur widerlegt, wenn bewiesen ist, daß jede Möglichkeit des gesetzlichen Schlusses wegfällt.
Normenkette
ZG § 17 Abs. 1 S. 2
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) meldete am 23. Januar 1975 dem Zollamt (ZA), einer Dienststelle des Beklagten und Revisionsbeklagten (Hauptzollamt – HZA –), 71 Fässer „Saftkonzentrat schwarze Johannisbeere mit einer Dichte von 1,33 oder weniger ohne Zucker” an und beantragte die Abfertigung zum freien Verkehr. Das ZA entnahm aus einem. Faß eine Probe und gab die Ware noch am selben Tage frei. Es erteilte der Klägerin einen hinsichtlich der Tarifierung vorläufigen Bescheid und erhob Zoll zum Satze von 22 %. Durch Bescheid vom 14. Mai 1975 forderte das ZA Zoll mit der Begründung nach, seine Feststellungen hätten ergeben, daß die Ware bei 15° C eine Dichte von 1,3711 aufweise, daher zur Tarifst. 20.07 A III a gehöre und einem Zollsatz von 42 % unterliege.
Mit der Klage machte die Klägerin geltend: Die Vermutung des § 17 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 des Zollgesetzes (ZG), daß die Ware einheitlich beschaffen gewesen sei, sei widerlegt, weil die gezogene Probe nicht für die gesamte Einfuhr repräsentativ sei. 63 Fässer hätten Saftkonzentrat und acht Fässer Aromakonzentrat enthalten. Dies ergebe sich aus der bei der Abfertigung vorgelegten Handelsrechnung und dem Lieferschein. Außerdem sei im Rahmen einer bei ihr durchgeführten Zollwertprüfung auf Grund der vorgelegten Unterlagen festgestellt worden, daß die Einfuhr vom 23. Januar 1975 auch Aromakonzentrat umfaßt habe (Beweis: Bericht der Betriebsprüfungsstelle Zoll vom 16. September 1976 und Zeugnis des Zollrats L). Bei der Einfuhr hätte zudem eine repräsentative Durchschnittsprobe durch Entnahmen aus einer Vielzahl von Fässern und anteilgerechtes Vermischen von Fruchtsaftkonzentrat und Aromakonzentrat gezogen werden müssen. Die Zusammensetzung des Konzentrats in den einzelnen Fässern habe bezüglich der Dichte unterschiedlich sein können, da die Ware nicht gleichzeitig produziert worden sei.
Die eingeführten Konzentrate seien einheitlich zu tarifieren und wegen ihrer durchschnittlichen Dichte von 1,33 oder weniger der Tarifst. 20.07 B II a 6 bb zuzuweisen.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit folgender Begründung ab:
Das ZA habe die eingeführte Ware im Nachforderungsbescheid richtig tarifiert. Zur Tarifnr. 20.07 gehörten Fruchtsäfte (einschließlich Traubenmost und Gemüsesäfte), nicht gegoren ohne Zusalz von Alkohol, auch mit Zusatz von Zucker. Die Unterposition A erfasse Säfte mit einer Dichte bei 15° C von mehr als 1,33. während die Unterposition B solche mit einer Dichte von 1,33 oder weniger betreffe. Die vom ZA gezogene Probe habe bei 15° C eine Dichte von 1,3711 gehabt, wie sich aus dem Untersuchungszeugnis der Zolltechnischen Prüfungs- und Lehranstalt (ZPLA) vom 29. April 1975 ergebe.
Nach § 17 Abs. 1 ZG werde vermutet, daß der nichtgeprüfte Teil einer Ware dem geprüften Teil entspreche, wenn die Beschaffenheit einer Ware stichprobenweise ermittelt werde und in der Zollanmeldung nicht angegeben sei, daß die Ware in sich unterschiedlich beschaffen sei. Gegen die Anwendung der Vermutungsvorschrift lasse sich nicht einwenden, die Stichprobe sei nicht ordnungsgemäß gezogen worden. Nach der Niederschrift über die Entnahme der Probe habe bei der Ziehung der Probe ein Vertreter der Transportgesellschaft mitgewirkt, die im Namen der Klägerin den Zollantrag gestellt habe. Der Vertreter der Klägerin habe ausweislich der Niederschrift keine Anregungen für die Probeentnahme gegeben. Es sei weder die Anmeldung berichtigt noch darauf hingewiesen worden, daß die Dichte der in den einzelnen Fässern enthaltenen Ware unterschiedlich sein könne. Weder aus den mit der Zollanmeldung vorgelegten Papieren noch aus den sonstigen Umständen sei für das ZA erkennbar gewesen, daß Gegenstand der Einfuhr zwei verschiedene Produkte mit erheblich unterschiedlicher Dichte hätten sein können. Die bessere Kenntnis der wirklichen Beschaffenheit der eingeführten Ware habe der Importeur. Ihm obliege es auch, das ZA auf tariflich relevante Besonderheit, die sich aus nicht allgemein bekannten Techniken oder Handelsbräuchen ergeben könnten, hinzuweisen. Zur Feststellung der tatsächlichen Beschaffenheit der Ware habe es daher genügt, daß das ZA nur aus einem der 71 Fässer bzw. Behälter eine Probe entnommen habe.
Die Vermutung des § 17 Abs. 1 Satz 2 ZG sei nicht wiederlegt worden. So weit eine solche Vermutung reiche, beschränke sich die Ermittlungspflicht nach § 204 Abs. 1 der Reichsabgabenordnung (AO) gemäß § 17 Abs. 3 ZG auf die Beweiserhebung durch diejenigen Beweismittel, die zur Widerlegung der Vermutung angeboten würden. Das FG habe ohne Einschränkung zu prüfen und zu ermitteln, ob die Vermutung widerlegt sei. Gegebenenfalls müsse es nachträglich die Beschaffenheit der Ware durch Beweiserhebung feststellen (vgl. Schwarz-Wockenfoth, Zollgesetz vom 14. Juni 1961, § 17 Anm. 11).
Weder aus dem Vorbringen der Klägerin noch aus den übrigen bekanntgewordenen Umständen ergebe sich, daß die tatsächliche Dichte des Inhalts der einzelnen Fässer nachträglich durch Verprobung festgestellt werden könnte. Die von der Klägerin angebotenen Beweismittel seien nicht geeignet, die gesetzliche Vermutung zu widerlegen. Die Angaben aus den in der mündlichen Verhandlung von der Klägerin vorgelegten Lieferscheinen könnten nicht übernommen werden. Dort werde zwar zwischen Konzentrat und Aroma unterschieden. Es könne aber nicht mehr festgestellt werden, ob die Angaben im Lieferschein der tatsächlichen Beschaffenheit der eingeführten Ware entsprächen. Insbesondere könne nicht mehr festgestellt werden, ob sich in sieben Fässern tatsächlich nur Aromakonzentrat befunden habe. Der von der Klägerin als Zeuge benannte Betriebsprüfer Zollrat L habe offensichtlich die eingeführte Ware nicht gesehen. Aus dem Prüfungsbericht vom 16. September 1976 ergebe sich nicht ohne weiteres, daß Fruchtsaft- und Aromakonzentrat eingeführt worden seien. Die Prüfungsfeststellung, beide Fruchtsaftbestandteile seien an die Firma X zum gleichen Preis verkauft worden, schließe nicht aus, daß bei der Einfuhr im Januar 1975 nur einer der Bestandteile gestellt worden sei. Außerdem weise der Prüfer darauf hin, daß Fruchtsaft- und Aromakonzentrate künstlich hergestellt und bei der Herstellung von Trinksäften – unzulässigerweise – verwendet würden. Danach könne nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, daß die Einfuhr von Saftkonzentrat stets mit der Einfuhr von Aromakonzentrat gekoppelt sei, zumal beide Komponenten zum gleichen Preis gehandelt würden und der Preis als Indiz für die wahre Beschaffenheit der Ware hier ausscheide. Insoweit, als die Prüfer von der Lieferung von Aromakonzentraten ausgingen, handele es sich um eine persönliche Wertung, an die das HZA und auch das FG nicht gebunden seien.
Die jugoslawischen Präferenzpapiere seien nicht anzuerkennen gewesen, weil sie erst nach der Einfuhr ausgestellt worden seien. Nach den gesamten Umständen sei die Feststellung der Nämlichkeit der eingeführten Waren nicht mehr möglich.
Mit der Revision macht die Klägerin geltend:
Sie rüge die Verletzung materiellen Rechts.
Das FG habe nicht berücksichtigt, daß der eingeführte Fruchtsaft aus dem Saftkonzentrat und dem dazugehörigen Aromakonzentrat bestanden habe. Beide Komponenten hätten eine einzige, einheitliche Ware gebildet, die einheitlich zu tarifieren sei. Es sei unbestritten, daß das Saftkonzentrat bei 15° C eine Dichte von mehr als 1,33 gehabt habe und daher der Tarifst. 20.07 A III a zuzuordnen gewesen sei. Dagegen habe Aromakonzentrat bei 15° C in der Regel eine Dichte zwischen 0,98 und 0,96. Beim Zusammenfügen der beiden Komponenten ergebe sich ein Fruchtsaft, dessen Dichte bei 15° C weniger als 1,33 betrage.
Die Vermutung des § 17 Abs. 1 Salz 2 ZG sei entgegen der Auffassung des FG durch die Feststellungen widerlegt, die Zollrat L bei der Zollwertprüfung getroffen habe und die in dem Bericht vom 16. September 1976, insbesondere in dessen Anlage 1, enthalten seien. Aus dem Bericht ergebe sich, daß sie am 23. Januar 1975 auch Aromakonzentrat eingeführt habe, um welche Menge es sich gehandelt habe und an wen die Ware weiterveräußert worden sei. Diese Feststellungen des Prüfers könnten nicht als Ergebnis persönlicher Wertung behandelt werden. Denn der Prüfer habe sie nach intensiver Kontrolle des Vorganges eindeutig getroffen. Das werde dadurch bestätigt, daß er in anderen Punkten des Berichts unsichere Feststellungen durch entsprechende Einschränkungen gekennzeichnet habe. Es habe zumindest Anlaß bestanden, Zollrat L über seine Feststellungen als Zeugen zu vernehmen, zumal ein entsprechender Antrag gestellt gewesen sei. Das mit diesem Antrag verbundene Beweisthema sei ausreichend formuliert gewesen und hätte zumindest sachdienlich ausgelegt werden müssen.
Das ZA habe die Probe nicht ordnungsgemäß gezogen. Es hätte auch ohne ausdrückliches Verlangen des Spediteurs nach Anhang 8 zur Dienstanweisung zum Zollgesetz und zur Allgemeinen Zollordnung (ZollDA) eine Durchschnittsprobe ziehen müssen. Denn die Tarifierung der Ware sei besonders schwierig gewesen. Das ergebe sich schon daraus, daß nach dem Zolltarif (ZT) die Dichte eines Fruchtsaftes bei 15° C zu ermitteln sei und im übrigen die Tarifierung auch davon abhänge, daß der Fruchtsaft nicht gegoren sei, keinen Alkoholzusatz enthalte und ob ihm etwa Zucker zugesetzt sei. Die zutreffende Tarifierung hänge also von einer Vielzahl von Einzelheiten der Beschaffenheit der Ware ab, die bei deren Einfuhr nicht ohne weiteres zu ermitteln und festzustellen seien. Deshalb habe es zur Ermittlung der Beschaffenheit der Ware nicht genügt, nur einem Faß eine Stichprobe zu entnehmen.
Die Klägerin beantragt, das FG-Urteil aufzuheben, unter Abänderung der Einspruchsentscheidung vom 1. April 1976 den Nachforderungsbescheid vom 14. Mai 1975 aufzuheben und unter Änderung des Zollbescheids vom 23. Januar 1975 den Zoll auf 37 419,42 DM festzusetzen; hilfsweise, die Sache an das FG zurückzuverweisen; die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären. Das HZA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist zulässig, aber nicht begründet.
Das FG hat die Klage gegen den Nachforderungsbescheid vom 14. Mai 1975 zu Recht abgewiesen. Denn die diesem Bescheid zugrunde liegende Auffassung, die gesamte am 23. Januar 1975 auf Antrag der Klägerin zum freien Verkehr abgefertigte Ware sei ein unter die Tarifst. 20.07 A III a fallender Fruchtsaft mit einer Dichte bei 15° C von mehr als 1,33 gewesen, entspricht der Sach- und Rechtslage. Diese Auffassung wird gestützt durch die Tatsache, daß die Klägerin die Ware als einheitlich beschaffenes Konzentrat des Saftes schwarzer Johannisbeeren angemeldet hatte und die aus einem Faß gezogene Probe eine Dichte bei 15° C von 1,3711 aufwies. Wenn nämlich in der Zollanmeldung nicht angegeben ist, daß die Ware in sich unterschiedlich beschaffen sei, und die Beschaffenheit der Ware stichprobenweise ermittelt wird, wird nach § 17 Abs. 1 Satz 2 ZG vermutet, daß der nicht geprüfte Teil der Ware dem geprüften Teil entspricht.
Das FG hat zutreffend entschieden, daß das ZA sich damit begnügen durfte, nur aus einem einzigen Faß eine Probe zu entnehmen. Nach § 16 Abs. 1 Satz 2 ZG entscheidet die Zollstelle, ob und in welchem Umfang die Menge und die Beschaffenheit des Zollguts ermittelt werden. Da die Klägerin für alle 71 Fässer eine einheitlich beschaffene Ware angemeldet hatte, lag es im Rahmen des dem ZA durch § 16 Abs. 1 Satz 2 ZG bei der Ermittlung der Beschaffenheit der Ware eingeräumten Ermessens, nur einem einzigen Faß eine Probe zu entnehmen. Die Klägerin irrt mit der Auffassung, eine ordnungsgemäße Probe liege nur vor, wenn sie für die ganze Ware repräsentativ und daher entsprechend dem Anhang 8 zur ZollDA als Durchschnittsprobe gezogen worden sei. Der Gesetzgeber hat es für die Beschaffenheitsvermutung des § 17 Abs. 1 Satz 2 ZG genügen lassen, daß bei einer nicht als unterschiedlich beschaffenen angemeldeten Ware eine Stichprobe entnommen worden ist. Er hat damit darauf verzichtet, als Voraussetzung der für die gesamte Ware geltenden Beschaffenheitsvermutung die Entnahme von so vielen Proben zu verlangen, wie es zur Gewinnung eines für die gesamte Warenmenge repräsentativen Ergebnisses notwendig wäre (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 12. Februar 1974 VII R 11/71, BFHE 112, 93).
Bei der nach § 16 Abs. 1 Satz 2 ZG getroffenen Entscheidung darüber, in welchem Umfang die Beschaffenheit des Zollguts ermittelt wird, brauchte das ZA nicht darauf Rücksicht zu nehmen, daß die Klägerin in der Zollanmeldung die angegebene Dichte von 1,33 nicht auf eine bestimmte Temperatur bezogen hatte. Denn für den Umfang, in dem die Beschaffenheit des Zollguts zu ermitteln war, kam es darauf an, daß die Klägerin das Zollgut als eine einheitlich beschaffene Ware angemeldet und bei der Angabe des Dichtegrades einheitlich eine genaue Obergrenze gesetzt hatte. Auf mögliche Schwierigkeiten bei der Tarifierung der Ware, also bei ihrer Einordnung in eine Tarifnorm, brauchte das ZA keine Rücksicht zu nehmen, da es bei der Entscheidung nach § 16 Abs. 1 Satz 2 ZG nur um eine solche über die Ermittlung einer Tatsache, nämlich der Beschaffenheit des Zollguts geht, nicht um die rechtliche Bedeutung der Tatsache. Die dem ZA vorgelegte Rechnung der Lieferfirma vom 21. Januar 1975 gab keinen Anlaß, an der Einheitlichkeit der Ware zu zweifeln. Die Rechnung enthält zwar die Warenbezeichnung „Saftkonzentrat und Aromakonz. Johannisbeer schwarz”, jedoch für alle – nur der Größe nach getrennt aufgeführten – Fässer; auch sie bringt also zum Ausdruck, daß eine insgesamt einheitlich beschaffene Ware vorliege. Schließlich fällt besonders ins Gewicht, daß die Klägerin trotz der zusätzlichen Erwähnung von Aromakonzentrat in der Rechnung unterlassen hat, durch ihren Vertreter gegenüber dem ZA geltend zu machen, daß die Ware entgegen dem Wortlaut der Zollanmeldung und entgegen dem durch die einheitliche Darstellung des Inhalts der einzelnen Fässer in der Rechnung bekundeten Sachverhalt unterschiedlich beschaffen sei, daß sie also das ZA durch die Untätigkeit ihres Vertreters bei der Probeentnahme sogar in der Überzeugung bestärkt hat, daß eine einheitliche Ware vorliege.
Die auf § 17 Abs. 1 Satz 2 ZG beruhende Vermutung, daß der nicht geprüfte Teil der von der Klägerin angemeldeten Ware dem geprüften Teil entsprach, also ebenfalls ein Konzentrat des Saftes schwarzer Johannisbeeren mit einer Dichte bei 15° C von 1,3711 war, hat das FG zutreffend als nicht widerlegt angesehen. Der nach § 17 Abs. 1 Satz 2 ZG zulässige Beweis des Gegenteils besteht im Nachweis, daß aus dem als Vermutungsgrundlage behandelten Tatbestand (der Beschaffenheit der entnommenen Probe) notwendig ein anderer Schluß zu ziehen ist, daß also jede Möglichkeit des gesetzlichen Schlusses wegfällt (vgl. Baumbach-Lauterbach-Albers-Hartmann, Zivilprozeßordnung, 37. Aufl., § 292 Anm. 2 B). Soweit die Vermutung des § 17 Abs. 1 Satz 2 ZG reicht, beschränkt sich nach § 17 Abs. 3 ZG die Ermittlungspflicht nach § 204 Abs. 1 AO auf die Beweiserhebung durch diejenigen Beweismittel, die zur Widerlegung der Vermutung angeboten werden. Es kann hier dahinstehen, ob diese ausdrücklich nur die Ermittlungspflicht der Zollbehörde betreffende Vorschrift entgegen ihrem Wortlaut dahin auszulegen ist, daß sie auch die auf § 76 der Finanzgerichtsordnung (FGO) beruhende Ermittlungspflicht des FG einschränkt. Denn auch wenn man diese Frage zugunsten der Klägerin verneint, ist festzustellen, daß das FG seiner Ermittlungspflicht aus § 76 FGO nachgekommen ist. Das FG hat zwar zunächst die Regelung des § 17 Abs. 3 ZG wiedergegeben, jedoch im unmittelbaren Anschluß daran ausgeführt, es habe ohne Einschränkung zu prüfen und zu ermitteln, ob die Vermutung widerlegt sei. Es ist also davon ausgegangen, daß seine auf § 76 FGO beruhende Ermittlungspflicht nicht durch § 17 Abs. 3 ZG eingeschränkt sei.
Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ist die Vorschrift des § 76 Abs. 1 FGO, daß das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen erforscht, dahin auszulegen, daß das Gericht gehalten ist, erforderlichenfalls unter Ausnutzung aller verfügbaren Beweismittel den Sachverhalt so vollständig wie möglich aufzuklären, und daß es daher auf die Vernehmung eines von einem Beteiligten benannten Zeugen im Regelfall nur verzichten darf, wenn die Richtigkeit der durch den Zeugen zu bekundenden Tatsache zugunsten des betreffenden Beteiligten unterstellt, der Zeuge nicht erreichbar oder die Tatsache rechtsunerheblich ist (vgl. Urteil vom 11. Januar 1977 VII R 4/74, BFHE 121, 152, BStBl II 1977, 310). Diesen Anforderungen ist das FG gerecht geworden.
Es durfte davon absehen, den von der Klägerin als Zeugen benannten Zollrat L zu vernehmen. Die Klägerin hatte behauptet, im Rahmen einer Zollwertprüfung vom September 1976 sei auf Grund der vorgelegten Unterlagen eindeutig festgestellt worden, daß die Einfuhr vom 23. Januar 1975 Saftkonzentrat und Aromakonzentrat enthalten habe. Zum Beweis dafür hatte sie sich in erster Linie auf den Prüfungsbericht vom 16. September 1976, nur in zweiter Linie auf das Zeugnis von Zollrat L berufen. Das FG konnte sich darauf beschränken, den Prüfungsbericht zu würdigen. Denn der Zeuge war nur für eine Tatsache benannt, die Gegenstand des Prüfungsberichts war, nämlich für eine bei der Zollwertprüfung getroffene Feststellung. Seine Vernehmung hätte nur den Inhalt des Prüfungsberichts bestätigen können. Zu der Frage, wie die eingeführte Ware beschaffen war, hätte sie nichts ergeben können, weil der Zeuge die Ware nicht gesehen hat.
Das FG hat dem Prüfungsbericht entnommen, daß die Klägerin Fruchtsaftkonzentrat und Aromakonzentrat an die Firma X zum gleichen Preis verkauft habe. Seine Auffassung, das schließe nicht aus, daß bei der Einfuhr im Januar 1975 dem ZA nur Fruchtsaftkonzentrat gestellt worden sei, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Sie hält sich im Rahmen der dem FG nach § 96 FGO zustehenden freien Beweiswürdigung. Sie wird im übrigen durch die Feststellung untermauert, der Prüfer habe darauf hingewiesen, daß Fruchtsaft- und Aromakonzentrate künstlich hergestellt und bei der Produktion von Trinksäften verwendet würden. Schließlich hat das FG den Prüfungsbericht mit Recht als das Ergebnis einer von den Prüfern vorgenommenen persönlichen Wertung von Unterlagen, d. h. als eine Würdigung des von ihnen festgestellten Tatsachenmaterials, angesehen, die das FG im Rahmen der ihm obliegenden Tatsachenwürdigung nicht zu übernehmen brauchte und die – wie es ohne Rechtsfehler angenommen hat – keine Gewähr dafür bot, daß die von der Klägerin am 23. Januar 1975 dem ZA angemeldete Ware anders beschaffen war, als die Klägerin selbst in der Zollanmeldung angegeben hatte.
Das FG durfte auch die ihm in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Lieferscheine als nicht beweiskräftig dafür ansehen, daß die am 23. Januar 1975 angemeldete Ware nicht nur aus Saftkonzentrat, sondern auch aus Aromakonzentrat bestanden habe. Denn die Angaben in einem Lieferschein lassen nicht ohne weiteres den Schluß zu, daß die gelieferte Ware den in ihm enthaltenen Angaben entspricht, besonders dann nicht, wenn der Empfänger die von ihm eingeführte Ware dem ZA gegenüber für ihre Abfertigung zum freien Verkehr als einheitlich beschaffen angemeldet hat.
Da es sich bei der am 23. Januar 1975 angemeldeten Ware nach den eigenen Angaben der Klägerin nur um Saftkonzentrat handelte, das einheitlich beschaffen war, und die Richtigkeit dieser Angaben nicht widerlegt ist, kann es nicht mehr auf die Frage ankommen, ob bei der gleichzeitigen Gestellung von Saftkonzentrat mit Aromakonzentrat tariflich eine einheitliche Ware vorliegt.
Fundstellen
Haufe-Index 510556 |
BFHE 1979, 434 |