Leitsatz (amtlich)
Die Kürzung der Summe des Gewinns und der Hinzurechnungen um den Teil des Gewerbeertrags einer GmbH, der auf die Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes entfällt (§ 9 Nr. 1 Satz 3 GewStG 1957), ist nach § 9 Nr. 1 Satz 4, § 36 Abs. 2 GewStG 1962 ausgeschlossen, wenn der Grundbesitz einer KG dient, an welcher auch Gesellschafter der GmbH beteiligt sind.
Normenkette
GewStG 1957 § 9 Nr. 1 S. 3; GewStG 1962 § 9 Nr. 1 S. 4, § 36 Abs. 2
Tatbestand
Die Revisionsbeklagte (Steuerpflichtige), eine GmbH, hat im wesentlichen nur Erträge aus der Vermietung ihrer Grundstücke an die Firma H-KG. Die Anteile der Firma H-KG befinden sich zu 100 % in den Händen der Firma L-KG, als deren Betriebstätte die Firma H-KG behandelt wird. An der Firma L-KG sind neben dritten Personen auch die Gesellschafter der Steuerpflichtigen beteiligt. Die Beteiligungen aller Gesellschafter der Steuerpflichtigen zusammengenommen ergeben mehr als 25 % der Anteile an der L-KG. Die Beteiligung jedes einzelnen Gesellschafters der Steuerpflichtigen an der L-KG für sich genommen beträgt weniger als 25 %. Die Beteiligung des Gesellschafters T läge allerdings dann über 25 %, wenn man die Anteile seiner Angehörigen berücksichtigen würde.
Die Steuerpflichtige beantragte in ihrer Gewerbesteuererklärung 1960, bei der Festsetzung des einheitlichen Gewerbesteuer-Meßbetrags die Summe des Gewinns und der Hinzurechnungen in voller Höhe nach § 9 Nr. 1 Satz 3 GewStG zu kürzen und den Meßbetrag auf 0 DM festzusetzen. Der Meßbetrag nach dem Gewerbekapital beträgt unstreitig 0 DM. Die Steuerpflichtige vertrat dabei den Standpunkt, ein Ausschluß der Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 4 GewStG sei nicht gegeben, weil § 18 Abs. 2 GewStDV wegen seiner Zusammenrechnung der Anteile von Angehörigen bei der Berechnung von wesentlichen Beteiligungen verfassungswidrig sei und die Beteiligung des Gesellschafters T allein an der L-KG unter 25 % liege.
Der Revisionskläger (FA) folgte dem Antrag der Steuerpflichtigen nicht, sondern setzte unter Anwendung des § 18 Abs. 2 GewStDV den Gewerbesteuer-Meßbetrag auf 4 520 DM fest. Der Einspruch der Steuerpflichtigen blieb erfolglos.
Im Verfahren vor dem FG beantragte das FA, den Gewerbesteuer-Meßbetrag gemäß den unstreitigen Ergebnissen einer inzwischen durchgeführten Betriebsprüfung auf ... DM festzusetzen.
Das FG hob die Einspruchsentscheidung auf und setzte den einheitlichen Gewerbesteuer-Meßbetrag auf 0 DM fest. Es begründete sein in Entscheidungen der Finanzgerichte 1964 S. 442 (EFG 1964, 442) veröffentlichtes Urteil damit, daß die Voraussetzungen des § 9 Nr. 1 Satz 4 GewStG nicht erfüllt seien. Die H-KG sei kein Gewerbebetrieb eines Gesellschafters der Steuerpflichtigen und auch kein Gewerbebetrieb aller Gesellschafter der Steuerpflichtigen. Dies gehe daraus hervor, daß zahlreiche Gesellschafter der L-KG (deren Betriebstätte die H-KG sei) nicht Gesellschafter der Steuerpflichtigen seien. Es könne auch dahingestellt bleiben, ob die Neufassung des § 9 Nr. 1 Satz 4 im GewStG 1962, wonach die frühere Fassung "oder einem Unternehmen dient, an dem ein Gesellschafter oder Genosse wesentlich beteiligt ist" weggefallen sei, schon für das Streitjahr gelte, denn eine derartige wesentliche Beteiligung liege im Hinblick auf die Rechtsprechung des BVerfG (vgl. Urteil 1 BvR 845/58 vom 24. Januar 1962, BStBl I 1962, 500) nicht vor. Es dürfe aber auch keine Zusammenrechnung der Anteile aller Gesellschafter der Steuerpflichtigen an der Firma L-KG erfolgen, da hierfür keine gesetzliche Grundlage vorhanden sei. Weder § 9 Nr. 1 Satz 4 GewStG noch § 18 Abs. 2 GewStDV oder § 17 EStG nähmen eine solche Zusammenrechnung von Anteilen mehrerer Gesellschafter einfach wegen ihres Gesellschaftsverhältnisses vor.
Mit der gemäß § 184 FGO als Revision zu behandelnden Rechtsbeschwerde beantragt das FA, das angefochtene Urteil aufzuheben und den einheitlichen Gewerbesteuer-Meßbetrag für 1960 auf ... DM festzusetzen. Gerügt wird die unrichtige Anwendung des § 9 Nr. 1 Satz 4 GewStG.
Die Anwendung des § 9 Nr. 1 Satz 3 GewStG sei schon deshalb ausgeschlossen, weil der Grundbesitz dem Gewerbebetrieb eines Gesellschafters diene. Auf die Frage der wesentlichen Beteiligung im Sinne der zweiten Alternative des § 9 Nr. 1 Satz 4 GewStG komme es nicht an. Da unter Beachtung der Bilanzbündeltheorie der Mitunternehmeranteil jedes Gesellschafters an der H-KG bzw. L-KG als ein eigener gewerblicher Betrieb anzusehen sei, sei die Auffassung des FA mit dem Wortlaut der ersten Alternative in Satz 4 a. a. O. ohne Schwierigkeiten zu vereinbaren.
Selbst wenn man dieser Auffassung jedoch nicht folgen sollte, sei immer noch die Frage zu klären, ob eine Zusammenrechnung der Beteiligungen aller Gesellschafter der Steuerpflichtigen, die zusammen rund 63 % der Anteile an der L-KG ausmachten, wirklich ausgeschlossen sei, wie dies das FG annehme. Die Zusammenrechnung stehe zu dem Wortlaut der hier streitigen Vorschrift nicht in Widerspruch. Wenn die Vergünstigung des § 9 Nr. 1 Satz 3 GewStG nach dem Wortlaut des Gesetzes auch dann ausgeschlossen sei, wenn der Grundbesitz dem Gewerbebetrieb eines einzelnen Gesellschafters diene, so sei nicht einzusehen, warum die Vergünstigung dann zum Zuge kommen solle, wenn der Grundbesitz dem Gewerbebetrieb aller Gesellschafter diene.
Die Steuerpflichtige beantragt unter Wiederholung ihres bisherigen Vorbringens und unter Hinweis auf die Vorentscheidung sowie auf die Neufassung des § 9 Nr. 1 Satz 4 im GewStG 1962 die Zurückweisung der Revision als unbegründet. Insbesondere beruft sie sich darauf, daß die nach der früheren Fassung des § 9 Nr. 1 Satz 4 GewStG als schädlich anzusehende Verwendung des Grundbesitzes für ein Unternehmen, an dem ein Gesellschafter wesentlich beteiligt ist, nun vom Gesetz nicht mehr erfaßt werde. Da die bisherige Regelung, die sich auch auf Personengesellschaften bezogen habe, ohne Einschränkung ersatzlos entfallen sei, könne die von ihr, der Steuerpflichtigen, gewählte Gestaltung nicht mehr als schädlich angesehen werden. Die 1. Alternative des § 9 Nr. 1 Satz 4 GewStG, die nunmehr die alleinige Voraussetzung für die Versagung der erweiterten Kürzung sein könne, sei nicht erfüllt, denn die Bilanzbündeltheorie könne im Bereich des Gewerbesteuerrechts nicht angewendet werden.
Der BdF, der dem Verfahren gemäß § 122 FGO beigetreten ist, führte im wesentlichen aus, daß ein Gewerbebetrieb losgelöst von einem Unternehmer nicht denkbar sei. Vielmehr sei ein Gewerbebetrieb stets einem oder mehreren Unternehmern zugeordnet. Dieser Gedanke komme auch in § 9 Nr. 1 Satz 4 GewStG zum Ausdruck. Es müsse sich nämlich um den "Gewerbebetrieb eines Gesellschafters" handeln. Das bedeute zweierlei: Einmal müsse die Person, der der Gewerbebetrieb zugeordnet sei, Unternehmer dieses Gewerbebetriebs sein, zum anderen müsse sie gleichzeitig Gesellschafter des Grundstücksverwaltungsunternehmens sein.
Es sei unbestritten, daß diese beiden Voraussetzungen des § 9 Nr. 1 Satz 4 GewStG erfüllt seien, wenn der Gewerbebetrieb einer einzigen natürlichen Person gehöre, also einem Alleinunternehmer. Ebensowenig sei es zweifelhaft, daß diese Vorschrift Anwendung finde, wenn eine juristische Person, z. B. eine GmbH, Gesellschafter des Grundstücksverwaltungsunternehmens sei und ihr der Grundbesitz dieses Unternehmens zur Nutzung überlassen sei. Auch in diesem Falle sei ein Gesellschafter des Grundstücksverwaltungsunternehmens, die GmbH, Unternehmer des Gewerbebetriebs, dem der Grundbesitz diene.
Zweifelhaft könne danach nur sein, ob etwas anderes gelte, wenn der betreffende Gesellschafter des Grundstücksverwaltungsunternehmens nicht Alleinunternehmer, sondern Mitunternehmer des Gewerbebetriebs sei, in dem der Grundbesitz des Grundstücksverwaltungsunternehmens gewerblich genutzt werde. Dies sei jedoch nicht der Fall. Nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 GewStG gelte als Gewerbebetrieb stets und in vollem Umfang die Tätigkeit einer Personengesellschaft, bei der die Gesellschafter als Unternehmer (Mitunternehmer) des Gewerbebetriebs anzusehen seien. Während bei einer Kapitalgesellschaft die Gesellschaft als solche als juristische Person Unternehmer des Gewerbebetriebs sei, seien bei einer Personengesellschaft die einzelnen Gesellschafter Unternehmer und Steuerschuldner. Bei einer Personengesellschaft, bei der die Gesellschafter Mitunternehmer seien, stelle sich der von allen Gesellschaftern gemeinschaftlich geführte Gewerbebetrieb gewerbesteuerlich zwar als ein Steuerobjekt dar, gleichwohl trage aber jeder einzelne Gesellschafter diesen Gewerbebetrieb zusammen mit den anderen unternehmerisch. Dieser eine Gewerbebetrieb gehöre den Gesellschaftern zwar gemeinschaftlich, er sei aber damit auch Gewerbebetrieb jedes einzelnen.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage.
Nach dem Wortlaut des § 9 Nr. 1 Satz 4 GewStG erscheint es im vorliegenden Falle zweifelhaft, ob die Anteile der Gesellschafter der Steuerpflichtigen an der L-KG als "Gewerbebetriebe dieser Gesellschafter" anzusehen sind. So läßt sich einerseits aus § 2 Abs. 2 Nr. 1 GewStG entnehmen, daß das GewStG eine Unterscheidung vornimmt zwischen dem Gewerbebetrieb als solchem und der Stellung als Mitunternehmer einer Personengesellschaft. Auch § 5 GewStG differenziert zwischen den Pflichten der Mitunternehmer und den Verbindlichkeiten des Gewerbebetriebs. Andererseits kann auch der von einer Personengesellschaft unterhaltene Gewerbebetrieb als Gewerbebetrieb der Gesellschafter dieser Personengesellschaft bezeichnet werden.
Im Hinblick auf diese bei Auslegung des Gesetzes nach dem bloßen Wortlaut nicht auszuräumenden Zweifel ist es geboten, auch den Sinn und die Entstehungsgeschichte der Vorschrift zu deren Auslegung mitheranzuziehen. Beide zeigen, daß unter "Gewerbebetrieb eines Gesellschafters" auch ein Gewerbebetrieb zu verstehen ist, an dem der Gesellschafter als Mitunternehmer beteiligt ist:
Ausgangspunkt für die erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 3 GewStG war der Gedanke, die Kapitalgesellschaften - und später auch gewisse Personengesellschaften -, die ohne Rücksicht auf die Art ihrer Tätigkeit stets gewerbesteuerpflichtig sind, den Einzelpersonen gewerbesteuerlich insoweit gleichzustellen, als sie ausschließlich eigenen Grundbesitz oder neben eigenem Grundbesitz eigenes Kapitalvermögen verwalten und nutzen. Das Bedürfnis für eine solche Gleichstellung erschien dem Gesetzgeber jedoch insoweit nicht gegeben, als der verwaltete und genutzte Grundbesitz ganz oder zum Teil dem Gewerbebetrieb eines Gesellschafters der Kapitalgesellschaft - bzw. der Personengesellschaft - oder einem Unternehmen diente, an dem ein Gesellschafter oder Genosse wesentlich beteiligt ist (so noch die Fassung des GewStG 1957). Diese Ausnahme von der erweiterten Kürzungsmöglichkeit beruht darauf, daß in diesen Fällen eine gewerbliche Nutzung des Grundbesitzes vorliegt, die auch dann eine Einbeziehung der Grundstückserträge in den Gewerbeertrag nach sich ziehen würde, wenn Grundstückseigentümer nicht eine Gesellschaft, sondern eine Einzelperson wäre, die das Grundstück ihrem eigenen Gewerbebetrieb dienstbar gemacht hätte. Da durch § 9 Nr. 1 Satz 3 GewStG nur eine Gleichstellung der Gewerbebetriebe kraft Rechtsform mit den Einzelpersonen hinsichtlich der Grundstücksverwaltung und -nutzung erreicht, nicht aber eine Bevorzugung der Gesellschaften gegenüber den Einzelpersonen geschaffen werden sollte, stellt sich Satz 4 der Vorschrift als folgerichtige Ausnahme zu ihrem Satz 3 dar. Würde man - wie die Steuerpflichtige meint - nur die Nutzung eines solchen Grundbesitzes durch einen als Einzelunternehmen des Gesellschafters gestalteten Gewerbebetrieb als schädlich ansehen, die Nutzung durch einen Gewerbebetrieb, an dem der Gesellschafter als Mitunternehmer beteiligt ist, dagegen außer Betracht lassen, so würde man dem vom Gesetzgeber erstrebten Zweck der Bestimmung nicht gerecht werden. Zu Recht weist der BdF darauf hin, daß es zu widersinnigen Ergebnissen führen würde, wenn man die erweiterte Kürzung versagen wollte im Falle der Nutzung des Grundbesitzes durch ein Einzelunternehmen eines Gesellschafters, sie aber gewähren müßte, sobald der Gesellschafter in dieses Einzelunternehmen noch eine weitere Person als Mitunternehmer mit geringer Beteiligung aufnähme.
Auch die durch das GewStG 1962 eingetretene, auf das Streitjahr zurückwirkende Änderung des § 9 Nr. 1 Satz 4 GewStG zwingt nicht zu einer anderen rechtlichen Beurteilung. Zwar wurde im Zuge dieser Änderung der Teil des gesetzlichen Tatbestands ersatzlos gestrichen, der die Nutzung des Grundbesitzes durch ein "Unternehmen, an dem der Gesellschafter oder Genosse wesentlich beteiligt ist" als der erweiterten Kürzung entgegenstehend beschrieben hatte. Diese Änderung betrifft jedoch ausschließlich Kapitalgesellschaften. Dies ergibt sich einmal daraus, daß die vom Gesetz verwendete Wortfassung "wesentlich beteiligt" einen typischerweise auf Kapitalgesellschaften zutreffenden steuerrechtlichen Ausdruck darstellt. Darüber hinaus beruht die ersatzlose Streichung des § 9 Nr. 1 Satz 4 letzte Alternative GewStG auf der ausschließlich auf Kapitalgesellschaften bezogenen Rechtsprechung des BVerfG (vgl. Urteil 1 BvR 845/58, a. a. O.). Auch im Schrifttum zum GewStG in der vor 1962 gültigen Fassung wird die Auffassung vertreten, daß als "Unternehmen, dem ein Gesellschafter oder Genosse wesentlich beteiligt ist" nur eine Kapitalgesellschaft zu verstehen ist (vgl. u. a. Blümich-Boyens-Klein-Steinbring, Gewerbesteuergesetz, 6. Aufl., 1958, § 9 I 5).
Der Antrag des FA auf Verböserung des angefochtenen Gewerbesteuermeßbescheids konnte nach dem Inkrafttreten der FGO nicht mehr zum Erfolg führen. Von der auch während des Rechtsmittelverfahrens bestehenden Möglichkeit der Änderung des angefochtenen Verwaltungsakts (§ 68 FGO) hat das FA keinen Gebrauch gemacht.
Fundstellen
Haufe-Index 68697 |
BStBl II 1969, 738 |
BFHE 1970, 40 |