Leitsatz (amtlich)
1. Die selbständige Nutzungsfähigkeit von Gegenständen ist zu verneinen, wenn sie wirtschaftlich ein einheitliches Ganzes bilden. Ein "einheitliches Ganzes" können Gegenstände im Einzelfall auch bilden, wenn sie weder ständig noch vorübergehend miteinander verbunden werden.
2. Für Flachpaletten, auf denen Ware gelagert wird, kann eine Investitionszulage gewährt werden, da die Paletten nicht selbständig nutzungsfähig sind.
Normenkette
BHG 1962 § 21 Abs. 2 S. 2
Tatbestand
Die Steuerpflichtige betreibt in Berlin (West) eine Spedition und Lagerei. Im Jahr 1963 erwarb sie einen Elektrogabelstapler und 1010 Stück sogenannte "Flachpaletten". Die Paletten sind Platten von 0,80m x 1,08m mit einem 10 cm hohen Fuß, auf denen Ware gestapelt wird; mit dem Gabelstapler kann die Palette mit den Waren angehoben und an einen anderen Platz geschafft werden. Die Steuerpflichtige schaffte den Stapler an, weil der eingelagerte Zucker nicht mehr in Säcken, sondern in Paketen geliefert wird und die Behörden eine Änderung der Lagerhaltung gefordert hatten.
Das FA versagte für die Flachpaletten die Investitionszulage (InvZul) nach § 21 Abs. 2 Satz 2 des Gesetzes zur Förderung der Wirtschaft von Berlin (West) vom 26. Juli 1962 - BHG 1962 - (BGBl I 1962, 492, BStBl I 1962, 997). Es meint, die Paletten mit einem Anschaffungspreis von je 24,62 DM bzw. 16,95 DM seien keine Sachgesamtheit, da sie selbständig nutzungsfähig seien. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.
Das FG gab der Klage statt und führte in dem in EFG 1966, 498 veröffentlichten Urteil aus: Von der InvZul seien nur Wirtschaftsgüter mit Anschaffungs- oder Herstellungskosten bis zu 600 DM ausgenommen, die einer selbständigen Bewertung und Nutzung fähig seien. Die Flachpaletten seien nicht selbständig nutzbar. Wenn sie auch nicht miteinander verbunden seien, so bildeten sie doch ein einheitliches Ganzes, da sie nur in großer Zahl betrieblich eingesetzt werden könnten. Der Einsatz eines Gabelstaplers für nur wenige Paletten wäre sinnlos. Die Nutzungsfähigkeit des Gabelstaplers und der Paletten hänge daher von der Zusammenfassung ab. Es sei unerheblich, ob Gabelstapler in anderen Betrieben zu anderen Zwecken eingesetzt würden; maßgebend sei die betriebliche Funktion im Betrieb der Steuerpflichtigen.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision, mit der das FA unrichtige Anwendung von Bundesrecht rügt, ist unbegründet.
Das FG ist ohne Rechtsverstoß davon ausgegangen, daß nach § 21 Abs. 2 Satz 2 BHG 1962 Wirtschaftsgüter von der InvZul ausgeschlossen sind, deren Anschaffungskosten 600 DM nicht übersteigen, wenn sie einer selbständigen Bewertung und Nutzung fähig sind (vgl. Urteile des BFH IV 289/65 vom 21. Juli 1966, BFH 87, 180, BStBl III 1967, 59; VI 302/65 vom 29. Juli 1966, BFH 87, 310, BStBl III 1967, 151).
Ein Wirtschaftsgut ist einkommensteuerrechtlich nicht selbständig nutzungsfähig, wenn es nach außen hin zusammen mit anderen Gegenständen als "einheitliches Ganzes" in Erscheinung tritt (BFH-Urteil I 286/56 S vom 16. Dezember 1958, BFH 68, 198, BStBl III 1959, 77). Die Festigkeit der Verbindung, ihre technische Gestaltung und ihre Dauer sind, wie der BFH betont hat, nicht immer maßgeblich, wie etwa bei technisch aufeinander abgestimmten und genormten Gerüstteilen des Baugewerbes, die der BFH stets als einheitliches Ganzes (Sachgesamtheit) angesehen hat (BFH-Urteile I 84/56 U vom 18. Dezember 1956, BFH 64, 70, BStBl III 1957, 27; VI 302/65, a. a. O.).
Diese einkommensteuerrechtlichen Grundsätze gelten nach den BFH-Urteilen IV 289/65 und VI 302/65 (a. a. O.) auch für die Auslegung des § 21 BHG 1962. Das FG hat die Flachpaletten demnach zu Recht nicht als selbständig nutzungsfähig angesehen, da sie in ihrer betrieblichen Verwendung als "einheitliches Ganzes" in Erscheinung treten. Sie bilden wirtschaftlich eine Einheit. Wie das FG zutreffend hervorhebt, ist die im Streitfall sogar von den Behörden angeordnete Umstellung der Lagerung nur sinnvoll, wenn eine größere Zahl dieser Paletten eingesetzt wird, zumal sich sonst die Anschaffung eines Elektrogabelstaplers mit rund 24 000 DM nicht lohnen würde.
Das FG hat sich auch nicht mit den Grundsätzen des BFH-Urteils I 201/62 U vom 27. März 1963 (BFH 76, 837, BStBl III 1963, 304) in Widerspruch gesetzt. In diesem Urteil hat der BFH die in einer Lampenstube zusammengefaßten Grubenlampen und Einrichtungsgegenstände als selbständig bewertungs- und nutzungsfähig angesehen. Damals ging es um einen anderen Sachverhalt. Die Gegenstände waren in der Lampenstube zusammengefaßt, weil der Steuerpflichtige verpflichtet war, Lampen für die unter Tage tätige Belegschaft einer Firma zu stellen und zu warten, besonders sie zu laden, zu füllen, zu reinigen usw. Wie der BFH hervorhob, bilden die Lampen und Einrichtungen auf Grund ihrer gleichartigen Zweckbestimmung allein ebensowenig ein einheitliches Ganzes wie die anderen Wirtschaftsgüter eines Betriebs; denn in jedem Unternehmen werden die Anlagegüter einem einheitlichen betrieblichen Zweck untergeordnet und bilden so organisatorisch und technisch in mehr oder minder großem Umfang eine wirtschaftliche Einheit. Die Flachpaletten stehen in einem viel engeren technischen Zusammenhang zueinander, da sie, wie dargelegt, wirtschaftlich sinnvoll nur in einer größeren Zahl eingesetzt werden können.
Nach den Entscheidungen des Senats VI 55/65 vom 29. Juli 1966 (BFH 87, 313, BStBl III 1967, 125) und VI 302/65 (a. a. O.) kann allerdings die InvZul nicht gewährt werden, wenn der Steuerpflichtige für die streitigen Wirtschaftsgüter die Bewertungsfreiheit für geringwertige Wirtschaftsgüter nach § 6 Abs. 2 EStG 1961 in Anspruch genommen hat. Hier hat die Steuerpflichtige jedoch, wie das FA nicht bestreitet, die Anschaffungskosten der Flachpaletten aktiviert und mit 10 v. H. jährlich abgeschrieben.
Fundstellen
Haufe-Index 412852 |
BStBl II 1968, 258 |
BFHE 1968, 63 |