Leitsatz (amtlich)
Streiten die Beteiligten im Revisionsverfahren über die Besteuerungsgrundlagen einer Einkommensteuerschuld, so ist bei der Bemessung der Revisionssumme eine von der nach der Tabelle berechneten Einkommensteuerschuld abgezogene Investitionsprämie nach dem KoG nicht zu berücksichtigen.
Normenkette
BFH-EntlG Art. 1 Nr. 5; FGO § 155; ZPO §§ 3-9; KoG § 32
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) hat die Kläger für den Veranlagungszeitraum 1975 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Nach vorausgegangener Steuerfestsetzung unter Vorbehalt, die zu einer Steuerschuld von null DM gelangt war, berichtigte das FA nach einer Betriebsprüfung die ursprüngliche Steuerfestsetzung. Es berücksichtigte nunmehr erstmals Einkünfte der Ehefrau aus Gewerbebetrieb in Höhe von 372 941 DM, die sich nach Auffassung des FA aus der Veräußerung von Grundstücken ergaben. Nach Abzug eines Verlustes aus dem Jahre 1974 in Höhe von 203 267 DM setzte das FA die Einkommensteuerschuld der Kläger nach der Splitting-Tabelle auf 47 936 DM fest. Nach Abzug einer Ermäßigung gemäß § 14 Abs. 1 des Gesetzes zur Förderung der Vermögensbildung der Arbeitnehmer vom 12. Juli 1961 (VermBG) in Höhe von 2 885 DM und der Gewährung einer Investitionsprämie nach dem Gesetz zur Anpassung und Gesundung des deutschen Steinkohlenbergbaues und der deutschen Steinkohlenbergbaugebiete vom 15. Mai 1968 -- KoG -- (BGBl I, 365, BStBl I, 939) in Höhe von 40 057 DM verblieb eine Einkommensteuerschuld von 4 994 DM. Die Kläger wenden sich dagegen, daß das FA die Veräußerungsgewinne zur Besteuerung herangezogen hat, anstatt sie -- wie die Kläger es für zutreffend halten -- als private Veräußerungsgewinne anzuerkennen. Sie haben nach erfolglosem Klageverfahren Revision eingelegt.
Das FA ist der Ansicht, die Revision sei unzulässig, da die Beschwersumme im Streitfall nicht erreicht sei. Unter Berücksichtigung der Kohleprämie ergebe sich lediglich eine steuerliche Belastung von 4 994 DM gegenüber der ursprünglichen Steuerfestsetzung von null DM. Dieser Betrag liege unter der Revisionssumme von 10 000 DM. Demgegenüber meinen die Kläger, die Kohleprämie müsse außer Betracht bleiben; dies ergebe sich als Folge der Grundsätze, die der Bundesfinanzhof (BFH) im Urteil vom 19. Juni 1979 VIII R 69/77 (BFHE 128, 319, BStBl il 1980, 17) ausgesprochen habe.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist zulässig. Der Wert des Streitgegenstandes überschreitet den Betrag von 10 000 DM (Art. 1 Nr. 5 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs -- BFH-EntlG -- vom 8. Juli 1975, BGBl I, 1861, BStBl I, 932 i. d. F. des Gesetzes vom 4. August 1980, BGBl I, 1147, BStBl I, 462).
Der Streitwert für die Zulässigkeit der Revision richtet sich nach § 155 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i. V. m. §§ 3 bis 9 der Zivilprozeßordnung (ZPO). Maßgeblich für die Ermittlung des Streitwerts ist der Antragdes Revisionsklägers im Revisionsverfahren. Entscheidend ist in der Regel der unmittelbar umstrittene Steuerbetrag, nicht das geldwerte Interesse des Revisionsklägers schlechthin und in seiner Gesamtheit. Die finanziellen Auswirkungen auf andere Steuern bleiben grundsätzlich unberücksichtigt (vgl. Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 10. Aufl., § 115 FGO Tz. 22 f. m. w. N. auf die ständige Rechtsprechung des BFH).
Im Streitfall beantragen die Kläger sinngemäß, den Veräußerungsgewinn der Ehefrau außer Ansatz zu lassen (womit zugleich der Verlustabzug aus dem Jahre 1974 entfallen würde). Dies führt im Ergebnis zu einer erstrebten Einkommensteuerschuld von null DM. Dem ist die vom FA festgesetzte Einkommensteuerschuld gegenüberzustellen. Der Senat kann offenlassen, wie sich die Ermäßigung gemäß § 14 Abs. 1 VermBG auf die Berechnung der Revisionssumme auswirkt. Jedenfalls führt die besondere Ausgestaltung des Verfahrens über die Gewährung der Investitionsprämie nach dem KoG (§ 32 KoG) dazu, als vom FA festgesetzte und von den Klägern bekämpfte Einkommensteuerfestsetzung nicht den Betrag von 4 994 DM, sondern die nach der Splitting-Tabelle festgesetzte Einkommensteuerschuld von 47 936 DM anzusehen.
Nach § 32 Abs. 1 Satz 1 KoG können Steuerpflichtige, die den Gewinn aufgrund ordnungsmäßiger Buchführung nach § 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ermitteln und im Begünstigungszeitraum in einem Steinkohlenbergbaugebiet eine Betriebsstätte errichten oder erweitern, auf Antrag unter weiteren, hier nicht streitigen Voraussetzungen einen Abzug von der Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer in bestimmter Höhe vornehmen. Übersteigt der abzugsfähige Betrag die für den Veranlagungszeitraum geschuldete Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer, so kann der übersteigende Betrag von der Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer für die vier darauf folgenden Veranlagungszeiträume abgezogen werden; der Abzug ist in diesen Veranlagungszeiträumen jedoch nur insoweit zulässig, als er in dem dem jeweiligen Veranlagungszeitraum vorangegangenen Veranlagungszeitraum nicht möglich war (§ 32 Abs. 4 Satz 5 KoG).
Die Gewährung der Investitionsprämie nach § 32 KoG ist damit Teil des Einkommensteuer- oder Körperschaftsteuerfestsetzungsverfahrens (BFH-Urteil vom 13. Februar 1974 I R 114/72, BFHE 111, 420, BStBl II 1974, 317). Dies zwingt jedoch noch nicht dazu, bei der Berechnung der Revisionssumme der erstrebten Einkommensteuerschuld als festgesetzte Einkommensteuerschuld den Betrag gegenüberzustellen, der sich nach Abzug der Investitionsprämie von der nach der Splitting-Tabelle errechneten Einkommensteuerschuld ergibt. Kommt § 32 KoG zur Anwendung, so besteht das Steuerfestsetzungsverfahren aus zwei Teilen. Im ersten Abschnitt ist auf der Grundlage des zu versteuernden Einkommensbetrages unter Anwendung der Steuertabelle die Einkommensteuerschuld festzusetzen. Im zweiten Abschnitt kommt es nach Abzug der Investitionsprämie zur Festsetzung der abschließenden Einkommensteuerschuld. Der erkennende Senat schließt sich insoweit dem VIII. Senat in BFHE 128, 319, BStBl II 1980, 17 an. Der VIII. Senat hat a. a. O. im einzelnen dargelegt, warum eine Beschwer des Steuerpflichtigen, der sich gegen den Ansatz bestimmter Besteuerungsgrundlagen richtet, nicht dadurch entfällt, daß infolge Gewährung und Anrechnung der Investitionsprämie nach dem KoG eine Einkommensteuerschuld von null DM verbleibt. In dem vom VIII. Senat entschiedenen Fall war das Finanzgericht (FG) davon ausgegangen, daß nur der Steuerbetrag, der nach Abzug der Kohleprämie verbleibe, "bestandskräftig" sei. Dem widersprach der VIII. Senat mit der Begründung, daß man nach dieser Auffassung die Steuer vor Abzug der Kohleprämie und die abziehbare Kohleprämie selbst zu den Besteuerungsgrundlagen rechnen müsse. Dies hätte -- so der VIII. Senat -- zur Folge, daß die Entscheidung über einen etwaigen Verbrauch der Kohleprämie erst bei der Veranlagung des Jahres getroffen werden könnte, in dem nach Abzug der Kohleprämie noch ein Steuerbetrag übrigbleibe. Ebenso würde bis zu diesem Zeitpunkt offenbleiben, ob die Steuer vor Abzug der Kohleprämie zutreffend sei. Im Einzelfall könnte ein Steuerpflichtiger somit die unrichtige Anwendung des Steuergesetzes für vier aufeinanderfolgende Veranlagungen erst im fünften Veranlagungszeitraum geltend machen. Gerade dies aber sei nach dem Wortlaut des § 32 Abs. 4 Satz 5 KoG nicht gewollt. Denn die Wortfassung, daß ein Abzug in den vier darauffolgenden Veranlagungszeiträumen nur insoweit zulässig sei, als er in dem dem jeweiligen Veranlagungszeitraum vorangegangenen Veranlagungszeitraum nicht möglich sei, zeige, daß die Entscheidung über den materiellen Verbrauch der Kohleprämie in dem Veranlagungszeitraum getroffen werde, in dem eine Abzugsmöglichkeit von der Einkommensteuer bestanden habe.
Entfällt danach die Beschwer nicht deshalb, weil die abschließende Einkommensteuerschuld nach Berücksichtigung der Kohleprämie null DM beträgt, so kann auch bei der Berechnung der Beschwersumme (Revisionssumme) der erstrebten Steuerfestsetzung nicht diejenige gegenübergestellt werden, die sich nach Berücksichtigung der Kohleprämie ergibt. Denn dann könnte der Fall eintreten, daß die Berücksichtigung der Kohleprämie der revisionsrechtlichen Überprüfung einer Steuerfestsetzung entgegenstünde, die gerade Möglichkeit und Umfang des Abzugs der Kohleprämie mit denkbarer Auswirkung auf fünf Veranlagungszeiträume mitbestimmt. Dies kann nicht der Sinn des Gesetzes sein.
Der erkennende Senat hat gemäß §§ 121, 97 FGO die Möglichkeit, die Zulässigkeit der Revision im Zwischenverfahren festzustellen. Da die Beteiligten nicht auf mündliche Verhandlung verzichtet haben, kann der Senat nicht durch Urteil (Zwischenurteil) erkennen (§§ 121, 90 Abs. 2 FGO). Er hält es jedoch für zweckmäßig und sachdienlich, einen Zwischenvorbescheid zu erlassen (§§ 121, 90 Abs. 3 FGO).
Fundstellen
Haufe-Index 74580 |
BStBl II 1983, 331 |
BFHE 1982, 390 |