Entscheidungsstichwort (Thema)
"Liebhaberei" bei Vermietung und Verpachtung; Verteilung größeren Erhaltungsaufwands
Leitsatz (NV)
1. Vermietet eine Hauseigentümerin ein aufwendig umgebautes Einfamilienhaus an ihren Sohn zu einer Miete, die nicht einmal ein Drittel der Werbungskosten erreicht, ist das Mietverhältnis unter dem Gesichtspunkt der "Liebhaberei" steuerlich nicht zu berücksichtigen.
2. Gibt der Eigentümer die Absicht auf, ein Gebäude zur Einkunftserzielung zu nutzen, ist noch nicht berücksichtigter größerer Erhaltungsaufwand auch nach § 82 b EStDV a. F. in voller Höhe abzusetzen.
Normenkette
EStG §§ 2, 21; EStDV § 82 b a. F
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist Eigentümerin eines zum 1. März 1961 bezugsfertig gewordenen, zu Herstellungskosten von 304 900 DM errichteten Einfamilienhauses in ... , das sie bis April 1982 selbst bewohnte. Das Grundstück ist rd. 14 800 qm groß.
Aufgrund einer dem Sohn der Klägerin erteilten Baugenehmigung wurde das Haus in der Zeit von April 1982 bis März 1983 grundlegend erweitert und umgestaltet. Die Klägerin trug die Baukosten von 1 517 832 DM aus eigenen Mitteln. Sie vermietete das Haus ihrem Sohn vom 1. April 1983 an mit schriftlichem Vertrag vom 30. März 1983 zu einer Monatsmiete von 1 250 DM. Die Nebenkosten gehen zu Lasten des Mieters.
Die Klägerin erklärte Mieteinnahmen in Höhe von 11 250 DM für 1983 und je 15 000 DM für 1984 bis 1986. Als Absetzungen für Abnutzung (AfA) machte sie jeweils 2,5 v. H. von 227 236 DM (5 681 DM) sowie gemäß § 7 Abs. 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) 5 v. H. der Herstellungskosten des An- und Umbaus von 1 517 832 DM (75 891 DM) geltend. Die Aufwendungen für Grundsteuer, Schornsteinreinigung und Hausversicherungen gab sie in Höhe von 2 899 DM für 1983, 3 486 DM für 1984, 4 946 DM für 1985 und 4 949 DM für 1986 an.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) erkannte als Werbungskosten für die Streitjahre dem Grunde nach an AfA in Höhe von jährlich 43 626 DM sowie die Aufwendungen für Grundsteuer, Schornsteinreinigung und Hausversicherungen und kürzte diese Werbungskosten um 86,47 v. H. mit der Begründung, die tatsächlich gezahlte Miete betrage lediglich 13,53 v. H. der Kostenmiete. Ungekürzt zog das FA größeren Erhaltungsaufwand aus den Jahren 1980 und 1981 gemäß § 82 b der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) ab, und zwar in Höhe von 11 272 DM für 1983 und je 4 211 DM für 1984 und 1985. Unter Einbeziehung des größeren Erhaltungsaufwands errechnete das FA in der Einspruchsentscheidung vom 19. April 1988 für 1983 einen Werbungskostenüberschuß bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung aus dem Haus in ... in Höhe von 6 317 DM und positive Einkünfte in Höhe von 4 414 DM für 1984, 4 217 DM für 1985 und 8 427 DM für 1986. Das zu versteuernde Einkommen beträgt nach der Einspruchsentscheidung ... DM für 1983, ... DM für 1984, ... DM für 1985 und ... DM für 1986. Die Einkommensteuer setzte das FA unter Berücksichtigung eines Steuerabzugsbetrags für ausländische Einkünfte von ... DM für 1983, ... DM für 1984, ... DM für 1985 und ... DM für 1986 auf ... DM für 1983, ... DM für 1984, ... DM für 1985 und ... DM für 1986 fest.
Die Klage, mit der die Klägerin den Ansatz von Werbungskostenüberschüssen in Höhe von 84 493 DM für 1983, 74 269 DM für 1984, 75 729 DM für 1985 und 71 521 DM für 1986 begehrte, blieb erfolglos. Das Finanzgericht (FG) führte zur Begründung aus, die Werbungskosten seien im Verhältnis der vereinbarten Miete zur Kostenmiete zu kürzen, weil eine Marktmiete nicht festgestellt werden könne.
Mit der Revision rügt die Klägerin Verletzung von § 7 Abs. 5, § 21 Abs. 2 EStG und macht unzureichende Sachaufklärung geltend. Auf die bei dem Umbau aufgewandten Kosten seien Absetzungen gemäß § 7 Abs. 5 EStG zu gewähren. Die Werbungskosten dürften nicht aufgrund eines Vergleichs der tatsächlichen Miete mit der Kostenmiete gekürzt werden.
Während des Revisionsverfahrens erließ das FA am 26. April 1993 unter der Überschrift "Änderung der Einkommensteuerbescheide 1983--1986" einen Bescheid, mit dem es die Einkommensteuerfestsetzung für die Streitjahre teilweise für vorläufig erklärte. Der Bescheid wurde auf Antrag der Klägerin an Stelle der ursprünglichen Einkommensteuerbescheide in Gestalt der Einspruchsentscheidung Gegenstand des Verfahrens (§§ 68, 121 Satz 1, § 123 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet.
Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Entscheidung in der Sache selbst (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO).
1. Die Klägerin erzielte in den Streitjahren entgegen der Auffassung des FG aus der Vermietung des Hauses an ihren Sohn keine Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (§ 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG).
a) Bei der Ermittlung des Einkommens zum Zwecke der Einkommensbesteuerung sind nur solche positiven oder negativen Einkünfte anzusetzen, die unter die Einkünfte des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 7 EStG fallen. Kennzeichnend für diese Einkunftsarten ist, daß die ihnen zugrundeliegenden Tätigkeiten oder Vermögensnutzungen auf eine größere Zahl von Jahren gesehen der Erzielung positiver Einkünfte oder Überschüsse dienen (vgl. § 2 Abs. 2 EStG). Fehlt es an dieser Voraussetzung, so fallen die wirtschaftlichen Ergebnisse auch dann nicht unter eine Einkunftsart, wenn sie sich ihrer Art nach unter § 2 Abs. 1 Satz 1 EStG einordnen lassen. Verluste, die dem Steuerpflichtigen durch ein solches unter keine Einkunftsart fallendes -- auch als "Liebhaberei" bezeichnetes -- Verhalten entstehen, wirken sich ebensowenig einkommensmindernd aus, wie etwaige Gewinne oder Überschüsse daraus das steuerpflichtige Einkommen erhöhen. Dies folgt aus dem Zweck des EStG, Mittel für die öffentliche Hand zu beschaffen und dabei den Steuerpflichtigen entsprechend seiner Leistungsfähigkeit heranzuziehen. Dieser Zweck ist nur zu erreichen, wenn auf Dauer gesehen positive Einkünfte für die Besteuerung erfaßt werden können. Daß Steuergesetze auch durch nicht an die Lei stungsfähigkeit anknüpfende finanzpolitische, volkswirtschaftliche, sozialpolitische, steuertechnische oder andere Erwägungen motiviert sein können, steht dem nicht entgegen.
Die Grundsätze gelten nicht nur für den Bereich der Gewinneinkünfte i. S. von § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 EStG, sondern auch bei den Überschußeinkünften i. S. von § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 bis 7 EStG (vgl. § 2 Abs. 2 EStG). Steuerfreie Veräußerungsgewinne sind nicht in die Betrachtung einzubeziehen.
Die Absicht, Gewinne oder Einnahmeüberschüsse zu erzielen, ist eine innere Tat sache, die nur anhand äußerlicher Merk male beurteilt werden kann. Aus objektiven Umständen muß auf das Vorliegen oder Fehlen der Absicht geschlossen werden. Dabei können einzelne Umstände einen Anscheinsbeweis liefern, der vom Steuerpflichtigen entkräftet werden kann. In diesem Fall bleibt es bei der objektiven Beweislast des FA. Alle Umstände des Einzelfalles sind zu berücksichtigen. Wenn dauernde Verluste auf das Fehlen einer Gewinnerzielungsabsicht hindeuten, so gibt dies allein jedoch noch nicht den Ausschlag. Bei längeren Verlustperioden muß aus weiteren Beweisanzeichen die Feststellung möglich sein, daß der Steuerpflichtige die verlustbringende Tätigkeit nur aus im Bereich seiner Lebensführung liegenden persönlichen Gründen oder Neigungen ausübt. Steuervorteile, die sich aus der Verrechnung der erzielten Verluste mit anderen Einkünften ergeben, gehören zum persönlichen Lebensführungsbereich. Entsprechende Grundsätze gelten auch für Überschußeinkünfte (Beschluß des Großen Senats des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 25. Juni 1984 GrS 4/82, unter C IV. 3., 4., BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751; für die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung Senatsurteil vom 31. März 1987 IX R 111/86, BFHE 150, 7, BStBl II 1987, 668).
b) Die Klägerin hatte in den Streitjahren nicht die Absicht, auf Dauer gesehen Einnahmeüberschüsse aus der Vermietung des Hauses an ihren Sohn zu erzielen. Auch auf längere Sicht kann die Klägerin die Überschüsse der von ihr geltend gemachten AfA-Beträge und sonstigen Aufwendungen über die Einnahmen nicht durch ein späteres Überwiegen der Einnahmen über die Werbungskosten ausgleichen. Nichts anderes ergibt sich, wenn man der Vorausschau der Entwicklung der Einkünfte nur die AfA und sonstigen Werbungskosten zugrundelegt, die das FA dem Grunde nach anerkannt hat. Die Miete erreicht nicht einmal ein Drittel dieser Aufwendungen. Die Klägerin hat sie in den Streitjahren trotzdem nicht erhöht.
Bei der Prognose, ob auf Dauer voraussichtlich die gesamten Einnahmen die Werbungskosten überschreiten, sind die Werbungskosten auch dann nicht zu kürzen, wenn teilweise unentgeltlich vermietet wird (zur Kürzung der Werbungskosten in solchen Fällen vgl. bis Veranlagungszeitraum 1986 Senatsurteile vom 15. Dezember 1992 IX R 13/90, BFHE 170, 162, BStBl II 1993, 490; vom 15. Dezember 1992 IX R 131/90, BFHE 170, 165, BStBl II 1993, 492; vom 23. März 1993 IX R 130/92, BFHE 171, 181, BStBl II 1993, 606; vom Veranlagungszeitraum 1987 an § 21 Abs. 2 Satz 2 EStG). Die Prüfung, ob aus einer bestimmten Vermögensnutzung Einkünfte erzielt werden, geht einer Werbungskostenkürzung vor.
Die persönlichen Gründe der Klägerin für die Inkaufnahme der hohen, auch später zu erwartenden Werbungskostenüberschüsse liegen in ihren engen verwandtschaftlichen Beziehungen zu dem Mieter, ihrem Sohn und in dem aus ihrem Rechtsschutzbegehren ersichtlichen Bestreben, durch Verrechnung der Werbungskostenüberschüsse mit positiven Einkünften Einkommensteuer zu sparen. Ohne solche familiären Beweggründe wendet ein Hauseigentümer grundsätzlich nicht über 1,5 Mio DM für den Um- und Ausbau eines Einfamilienhauses aufgrund einer dem Mieter erteilten Baugenehmigung auf und fordert lediglich eine Monatsmiete von 1 250 DM über Jahre hin. Andere als familiäre Gründe für das Verhalten der Klägerin sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
2. Da das FG von anderen Grundsätzen ausgegangen ist, ist die Vorentscheidung aufzuheben.
Die Sache ist spruchreif. Für das Streitjahr 1983 sind die auf das erste Vierteljahr entfallenden Werbungskosten sowie der zuvor nicht berücksichtigte größere Erhaltungsaufwand aus den Jahren 1980 und 1981 anzusetzen. In den Jahren 1984 bis 1986 hat die Klägerin keine Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung aus dem Haus in ... erzielt.
a) Die auf das erste Quartal 1983 entfallenden Werbungskosten sind bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zu berücksichtigen. Der Wegfall der Überschuß erzielungsabsicht hat sich erst mit Abschluß des Mietvertrags vom 30. März 1983 konkretisiert (zum Wegfall der Absicht, positive Einkünfte zu erzielen, vgl. BFH-Beschluß in BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751, unter C IV. 3. c bb --1--).
Als Werbungskosten abzuziehen sind 25 v. H. der AfA ohne Berücksichtigung der Kosten des An- und Umbaus (2,5 v. H. von 227 236 DM = 5 681 DM) und 25 v. H. der Aufwendungen für Grundsteuer, Schornsteinreinigung und Hausversicherungen (Jahresbetrag insgesamt 2 899 DM), zusammen also 2 145 DM.
Ferner ist im Jahr 1983 der noch nicht berücksichtigte größere Erhaltungsaufwand aus den Jahren 1980 und 1981 in Höhe von 19 694 DM gemäß § 82 b Abs. 1 EStDV abzusetzen. Dies ergibt sich aus einer entsprechenden Anwendung des § 82 b Abs. 2 EStDV in der im Jahr 1983 geltenden Fassung. Wird ein Gebäude während des Verteilungszeitraums (§ 82 b Abs. 1 EStDV) veräußert oder in ein Betriebsvermögen eingebracht, so ist nach dieser Vorschrift der noch nicht berücksichtigte Teil des Erhaltungsaufwands im Jahr der Veräußerung oder der Überführung in das Betriebsvermögen als Werbungskosten abzusetzen. Nach dem Grundgedanken dieser Regelung soll die durch die Verteilung gemäß § 82 b Abs. 1 EStDV erreichbare Steuervergünstigung nur solange gewährt werden, wie der Steuerpflichtige das betreffende Gebäude zur Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung nutzt. Der Senat hat die Vorschrift daher entsprechend auf den Fall angewandt, daß das Gebäude aus der Nutzungswertbesteuerung ausscheidet (Senatsurteil vom 24. November 1992 IX R 138/89, BFHE 170, 316, BStBl II 1993, 432). Nach ihrem Grundgedanken gilt die Vorschrift auch entsprechend, wenn das Gebäude nicht mehr zur Einkunftserzielung genutzt wird, weil der Eigentümer die Absicht aufgegeben hat, auf Dauer gesehen einen Totalüberschuß der Einnahmen über die Werbungskosten zu erzielen. § 82 b Abs. 2 Satz 2 EStDV i. d. F. des Art. 1 Nr. 19 der Zweiten Verordnung zur Änderung der Einkommensteuer- Durchführungsverordnung vom 23. Juni 1992 (BGBl I 1992, 1165, BStBl I 1992, 411) setzt nunmehr den Fall, daß das Gebäude nicht mehr zur Einkunftserzielung genutzt wird, ausdrücklich der Veräußerung des Gebäudes gleich.
Das vom FA für 1983 errechnete zu versteuernde Einkommen von ... DM ist danach um den vom FA anerkannten Werbungs kostenüberschuß von 6 317 DM zu erhöhen und um die insgesamt anzuerkennenden Werbungskosten von 21 839 DM auf ... DM zu mindern. Die Miete ist nicht als Einnahme anzusetzen.
b) Für die Jahre 1984 bis 1986 sind keine Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung aus dem Haus in ... anzusetzen. Das zu versteuernde Einkommen mindert sich daher für 1984 um 4 414 DM auf ... DM, für 1985 um 4 217 DM auf ... DM und für 1986 um 8 427 DM auf ... DM.
Fundstellen
Haufe-Index 419712 |
BFH/NV 1995, 11 |