Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Hat sich ein tarifbeteiligter Arbeitgeberverband aufgelöst, so gilt ein von ihm geschlossener Tarifvertrag nicht ohne weiteres für die bisherigen Mitglieder des Arbeitgeberverbandes fort. Die Vorschriften des bisherigen Tarifvertrages können vielmehr nur auf Grund entsprechender ausdrücklicher oder stillschweigender Vereinbarungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmern maßgebend sein.
Damit die Steuerfreiheit für Lohnzuschläge nach § 34 a EStG eingreift, müssen in solchen Fällen die Bestimmungen eines Tarifvertrages eindeutig und nach außen erkennbar übernommen worden sein.
Normenkette
EStG §§ 19, 34a
Tatbestand
Die Bfin. hat ihren Arbeitnehmern Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit gezahlt, denen zunächst ein Manteltarifvertrag zugrunde gelegen hat. Zum 31. Dezember 1959 hat sich aber der Fachverband, dem die Bfin. angehörte und der den Manteltarif abgeschlossen hatte, aufgelöst. Daraufhin hat die Bfin. mit der Gewerkschaft am 29. März 1960 mit Wirkung ab 1. April 1960 einen neuen Lohntarifvertrag (Haustarifvertrag) geschlossen. Die Bfin. hat auf die Zuschläge keine Lohnsteuer einbehalten.
Das Finanzamt nahm die Bfin. als Haftende in Anspruch, weil sie auf die ab dem 1. Januar 1960 gezahlten Zuschläge hätte Lohnsteuer einbehalten müssen. Das Finanzamt führte aus, durch die Auflösung des Fachverbandes sei die eine Tarifpartei weggefallen, der Manteltarifvertrag also hinfällig geworden. Infolgedessen seien die von der Bfin. gezahlten Zuschläge nicht mehr auf Grund eines Tarifvertrags gezahlt worden und seien demnach auch nicht mehr nach § 34 a EStG steuerfrei.
Die Sprungberufung blieb ohne Erfolg. Wie das Finanzamt, so war auch das Finanzgericht der Auffassung, daß die ab dem 1. Januar 1960 gezahlten Zuschläge nicht mehr begünstigt seien.
Mit ihrer Rb. rügt die Bfin. unrichtige Anwendung des bestehenden Rechts. Nach ihrer Auffassung müssen trotz der Auflösung des Fachverbandes doch die Rechtsnormen des Tarifvertrags als fortbestehend gelten. Jedenfalls sei der von ihr dann mit der Gewerkschaft geschlossene Haustarif eine ausreichende Grundlage.
Entscheidungsgründe
Die Rb. mußte zur Aufhebung der Vorentscheidung führen.
Wie der Senat in dem Grundsatzurteil VI 162/62 S vom 25. Oktober 1963 (BStBl 1964 III S. 11) dargelegt hat, sind Zuschläge auch dann nach § 34 a EStG begünstigt, wenn für den Betrieb zwar unmittelbar kein Tarifvertrag gilt, die Bestimmungen eines einschlägigen Tarifvertrages aber kraft Vereinbarung für den Arbeitgeber und alle in Betracht kommenden Betriebsangehörigen (Arbeitnehmer) gelten. Im Streitfall kann aus den vom Finanzgericht angeführten Gründen nicht ohne weiteres angenommen werden, daß der Tarifvertrag auch nach dem Wegfall der einen Tarifpartei noch fortbestanden habe. Die Steuerfreiheit könnte nur damit begründet werden, daß die Bestimmungen des Tarifvertrages durch Vereinbarung übernommen worden seien. Eine solche übernahme liegt aber nicht schon in dem von der Bfin. geschlossenen "Lohntarifvertrag" vom 29. März 1960, der kein vollständiger Tarifvertrag ist, sondern lediglich eine Lohngruppeneinteilung bringt. Es mag sein, daß die Bfin. und ihre Arbeitnehmer von dem Weitergelten des bisherigen Tarifvertrages ausgegangen sind. Die Begünstigung des § 34 a EStG kann jedoch nur bei einer eindeutigen und nach außen erkennbaren übernahme der Bestimmungen des Tarifvertrages gewährt werden.
Wie der Senat in dem Urteil VI 162/62 S nochmals betont hat, setzt die Inanspruchnahme des Arbeitgebers aber voraus, daß das Recht und Billigkeit nicht widerspricht. Diese Frage ist in jedem Streitfall zu prüfen.
Das angefochtene Urteil, das diese Frage nicht erörtert hat, war danach aufzuheben. Dem Senat erschien es, weil die maßgebenden Grundsätze durch das Urteil VI 162/62 S klargestellt sind, zweckmäßig, die Sache unmittelbar an das Finanzamt zur Entscheidung im Einspruchsverfahren zurückzuverweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 424145 |
BStBl III 1964, 10 |
BFHE 1964, 25 |
BFHE 78, 25 |