Entscheidungsstichwort (Thema)
Zu den Voraussetzungen, unter denen ein Umbau einem Neubau i.S. des § 7 Abs. 5 EStG gleichsteht
Leitsatz (NV)
Bleiben bei der Umgestaltung eines Gebäudes wesentliche Elemente wie z.B. Fundamente, tragende Außen- und Innenwände, Geschoßdecken und Dachkonstruktion erhalten, so steht der Umbau nicht einem Neubau gleich, für den degressive AfA nach § 7 Abs. 5 EStG in Anspruch genommen werden könnten. Das gilt auch dann, wenn lediglich ein Gebäudeteil, der als selbständiges Wirtschaftsgut zu behandeln ist (Praxis), umgebaut wird.
Normenkette
EStG § 7 Abs. 5
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger ist als Zahnarzt selbständig tätig. Er betreibt die von seinem Vater übernommene Praxis in dem von seinen Eltern 1954 errichteten, mittlerweile auf ihn übergegangenen Gebäude. Die Praxis befand sich zunächst ausschließlich im Erdgeschoß des Hauses (Nutzfläche 109 qm). Im ersten Obergeschoß und im Dachgeschoß befanden sich selbstgenutzte Wohnräume. Auch der Keller war ursprünglich nur privat genutzt. Das Verhältnis der privaten zur beruflichen Nutzung betrug 64 zu 36.
In den Jahren 1982/83 errichtete der Kläger einen vom Keller bis zum ersten Obergeschoß reichenden Anbau und baute das Keller- sowie das Erdgeschoß grundlegend um.
Im Kellergeschoß wurden tragende Wände versetzt und die Garagen zum Personalraum nebst Naßzelle umgebaut. In einem weiteren Kellerraum wurde ein Labor eingerichtet.
In den Praxisräumen im Erdgeschoß wurden die bisherigen Mauern teilweise abgebrochen, die Grundrißgestaltung unter Einbeziehung der Anbaufläche durch neue Zwischenwände wesentlich verändert und die Funktion der bisherigen Praxisräume teilweise geändert. Erd- und Kellergeschoß wurden durch eine Wendeltreppe miteinander verbunden.
Im Zuge dieser Umbaumaßnahme wurden im Untergeschoß die Wasser- und Elektroinstallationen, der Estrich, die Bodenbeläge, der Putz und die Wandverkleidung sowie sämtliche Türen und Fenster erneuert.
Durch den Um- und Erweiterungsbau vergrößerte sich die der Praxis dienende Nutzfläche um 61,8 qm auf insgesamt 170,8 qm. Die Nutzfläche des zu privaten Wohnzwecken genutzten Gebäudeteils vergrößerte sich durch den Anbau lediglich um 24,4 qm. Das Verhältnis zwischen privat und beruflich genutzter Fläche veränderte sich somit auf 44 zu 56.
Die Gesamtaufwendungen für die An- und Umbaumaßnahmen beliefen sich auf 502512 DM. Davon entfielen 386935 DM (77 v.H.) auf die Praxisräume.
In ihrer Einkommensteuererklärung 1984 vertraten die Kläger die Auffassung, daß es sich bei diesen Aufwendungen um Herstellungskosten handle, die zu neuen Wirtschaftsgütern geführt hätten. Sie beanspruchten daher für die aktivierten Umbaukosten degressive Absetzung für Abnutzung (AfA) nach § 7 Abs. 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) vertrat dagegen bei der Steuerfestsetzung die Auffassung, es seien keine neuen Wirtschaftsgüter hergestellt worden. Die Bauaufwendungen könnten daher als nachträgliche Herstellungskosten nur im Rahmen der bisherigen AfA-Sätze berücksichtigt werden.
Hiergegen erhoben die Kläger nach erfolglosem Einspruch Klage. Sie modifizierten ihr Begehren in der Weise, daß sie degressive AfA nur noch für den betrieblich genutzten Gebäudeteil begehrten. Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt.
Hiergegen richtet sich die Revision des FA, mit der die Verletzung materiellen Rechts gerügt wird.
Die Beteiligten haben übereinstimmend auf mündliche Verhandlung verzichet (§ 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, zur Neufestsetzung der Steuer und im übrigen zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO).
1. Die AfA nach § 7 Abs. 5 EStG können nur für Neubauten in Anspruch genommen werden. Die bauliche Umgestaltung eines vorhandenen Gebäudes kann jedoch grundsätzlich nicht als Herstellung eines neuen Gebäudes angesehen werden, solange das Gebäude in seiner wesentlichen Substanz nicht beeinträchtigt wird (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 28. Juni 1977 VIII R 115/73, BFHE 122, 512, BStBl II 1977, 725), so z.B. dann, wenn die Außenmauern zum überwiegenden Teil weiter benutzt werden und mit dem Umbau lediglich eine Umgestaltung des durch die Außenmauern umbauten Raumes vorgenommen wird (BFH-Urteil vom 13. Januar 1972 IV R 180/67, BFHE 104, 489, BStBl II 1972, 331, zu § 16 des Berlinhilfegesetzes 1962 - BHG -). Wegen des auch im Gesetzeswortlaut zum Ausdruck kommenden Zwecks des § 7 Abs. 5 EStG, die Erneuerung des Gebäudebestandes zu fördern (vgl. Clausen in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, § 7 EStG Anm. 463 m.w.N.), ist es nämlich erforderlich, daß das hergestellte Gebäude in bautechnischer Hinsicht neu ist (BFH-Urteile in BFHE 122, 512, BStBl II 1977, 725; vom 31. März 1992 IX R 175/87, BFHE 168, 109, BStBl II 1992, 808).
Der grundlegende Umbau eines Gebäudes steht nur dann einem Neubau gleich, wenn die neu eingefügten Gebäudeteile dem Gesamtgebäude das bautechnische Gepräge eines neuen Gebäudes verleihen (vgl. die zur Selbstverbrauchsteuer nach § 30 des Umsatzsteuergesetzes - UStG - 1973 ergangenen BFH-Urteile vom 13. April 1972 V R 151/71, BFHE 105, 198, BStBl II 1972, 654; vom 10. Oktober 1974 V R 123/73, BFHE 114, 291, BStBl II 1975, 424; vom 26. Januar 1978 V R 137/75, BFHE 124, 259, BStBl II 1978, 280; vom 26. Januar 1978 V R 154/74, BFHE 124, 392, BStBl II 1978, 363; zu § 82a der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung - EStDV -: BFH-Urteil vom 19. März 1991 IX R 131/86, BFH/NV 1991, 670; zu § 7 Abs. 5 EStG: BFH-Urteil in BFHE 168, 109, BStBl II 1992, 808). Das ist insbesondere dann der Fall, wenn verbrauchte Teile, die für die Nutzungsdauer bestimmend sind, ersetzt werden (BFH-Urteil in BFHE 124, 392, BStBl II 1978, 363). Demgegenüber kann von einem Neubau nicht gesprochen werden, wenn wesentliche Elemente wie z.B. Fundamente, tragende Außen- und Innenwände, Geschoßdecken und die Dachkonstruktion erhalten bleiben (BFH-Urteile in BFHE 122, 512, BStBl II 1977, 725; in BFH/NV 1991, 670; in BFHE 168, 109, BStBl II 1992, 808).
Die Beantwortung der Frage, ob es sich bei einer Baumaßnahme lediglich um den Umbau eines alten oder aber um die Herstellung eines neuen Gebäudes handelt, liegen weitgehend auf tatsächlichem Gebiet. Der BFH kann nur prüfen, ob das FG bei Würdigung der festgestellten Tatsachen aufgrund der gezogenen Schlüsse zu dem von ihm gefundenen Ergebnis kommen konnte.
Das ist hier nicht der Fall. Das FG hat es - entgegen der vorstehend wiedergegebenen Rechtsprechung des BFH - für unerheblich gehalten, daß Fundamente, Außenwände, Geschoßdecken und die Dachkonstruktion des Altbaus erhalten blieben.
2. Das vom FG gefundene Ergebnis läßt sich nicht damit rechtfertigen, daß es sich bei dem für Praxiszwecke genutzten Teil des Gebäudes um ein selbständiges Wirtschaftsgut handelt und die Kläger nach der Modifizierung ihres Klagebegehrens die degressiven AfA (wie in § 7 Abs. 5a EStG vorgesehen) lediglich für dieses Wirtschaftsgut in Anspruch nehmen wollen. Es ist zwar richtig, daß bei einem Umbau, der nur den Teil eines Gebäudes betrifft, Fundamente, Außenwände, Geschoßdecken und Dachkonstruktion häufig erhalten bleiben. Zum einen ist das jedoch nicht immer so, was am Beispiel eines vertikal nach Nutzungsfunktionen getrennten Gebäudes deutlich wird. Zum anderen ist auch bei der Qualifizierung des Umbaus von selbständig bewertbaren Gebäudeteilen der Zweck des Gesetzes, nämlich die Erneuerung des Gebäudebestandes, zu beachten. Dieser Zweck kann auch bei einem selbständig bewertbaren Gebäudeteil nur erfüllt werden, wenn der Gebäudeteil in bautechnischer Hinsicht neu hergestellt worden ist (BFH-Urteil vom 24. November 1992 IX R 62/88, BFHE 169, 380, BStBl II 1993, 188 zu den Voraussetzungen der Neuherstellung bei Eigentumswohnungen).
3. Der Anbau stellt für sich genommen kein selbständiges Wirtschaftsgut dar, für das - abweichend vom übrigen Gebäude - AfA nach § 7 Abs. 5 EStG in Anspruch genommen werden könnten. Nach dem übereinstimmenden Vortrag der Beteiligten ist der Anbau mit dem Altbau verschachtelt. Die jeweiligen Geschoßflächen des Anbaus dienen demselben Zweck wie die entsprechenden Geschoßflächen des Altbaus, so daß die Voraussetzungen, unter denen ein Anbau als neues Wirtschaftsgut anzusehen ist, nicht erfüllt sind (BFH-Urteile vom 9. August 1974 V R 11/74, BFHE 114, 569, BStBl II 1975, 342; vom 18. August 1977 V R 164/75, BFHE 123, 165, BStBl II 1978, 46; Hermann/Heuer/Raupach, a.a.O., § 7 EStG Anm. 397).
4. Aus den vom FG für seine Auffassung herangezogenen BFH-Urteilen in BFHE 114, 291, BStBl II 1975, 424 und in BFHE 124, 259, BStBl II 1978, 280 kann nichts anderes hergeleitet werden. In diesen Urteilen hat der V.Senat des BFH ausgesprochen, daß für die Beantwortung der Frage, ob die Neubauteile dem Gebäude das Gepräge geben, nicht allein der äußere Eindruck entscheidend sei, daß vielmehr auch die Veränderungen im Inneren des Gebäudes zu berücksichtigen seien. Zum einen können jedoch auch bei unverändertem äußeren Eindruck wesentliche Gebäudeteile wie Fundamente, tragende Innenwände und Geschoßdecken abgebrochen und erneuert worden sein. Zum anderen ist zu bedenken, daß in den Fällen, die den beiden Urteilen des V.Senats zugrunde lagen, besondere Umstände dafür sprachen, daß ein neues Wirtschaftsgut geschaffen worden war. Im ersten Fall wurde ein landwirtschaftliches Anwesen in einen modernen Gastronomie- und Hotelbetrieb umgebaut, im zweiten ging aus einer einfachen Scheune eine modern eingerichtete Pferdeklinik hervor. Solche besonderen Umstände sind im Streitfall nicht gegeben.
5. Liegt somit wegen der Beibehaltung der alten Fundamente, fast aller Außenwände, der Geschoßdecken und Dachkonstruktion kein Neubau vor, so kommt es nicht auf die Höhe der Umbaukosten an. Unerheblich ist auch, ob durch die streitigen Baumaßnahmen die Nutzungsdauer des Gebäudes verlängert wurde (BFH-Urteil in BFH/NV 1991, 670). Das FA hat zu Recht die streitigen Bauaufwendungen als nachträgliche Herstellungskosten nur im Rahmen der bisherigen AfA-Sätze berücksichtigt.
Fundstellen
Haufe-Index 64522 |
BFH/NV 1994, 705 |