Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Kirchensteuer kann zum Abzug als Sonderausgabe nur zugelassen werden in Höhe des im Veranlagungszeitraum gezahlten Betrages abzüglich des im gleichem Zeitraum etwa erstatteten Kirchensteuerbetrages.
Beihilfen, die jemand von dritter Seite zu gezahlten Krankenversicherungsbeiträgen erhält, sind keine Erstattungen, die zu einer Minderung der anzuerkennenden Sonderausgaben führen.
Normenkette
EStG § 10 Abs. 1 Ziff. 2; EStG § 10 Abs. 1 Ziff. 4; EStR Abschn. 101 Abs. 2
Tatbestand
Die Bfin. und ihr Ehemann beantragten in der Einkommensteuererklärung für das Jahr 1959 435 DM Beiträge an eine private Krankenkasse und 208 DM Kirchensteuer als Sonderausgaben abzusetzen. Dabei waren 203,10 DM unberücksichtigt, die der Ehemann von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte neben seiner Rente in Monatsbeträgen als Beihilfe zu der privaten Krankenversicherung erhalten hatte. Ferner stand der Kirchensteuerzahlung eine Erstattung von 325 DM gegenüber.
Das Finanzamt erkannte von den beantragten beiden Sonderausgaben nur Krankenkassenbeiträge von 232 DM an. Das Finanzamt war der Auffassung, nur die nach Verrechnung mit den Erstattungen verbleibenden tatsächlichen Aufwendungen seien abzugsfähig. Es verwies dabei auf Abschn. 101 Abs. 2 EStR 1958.
Die Bfin. ist demgegenüber der Auffassung, die Regelung in den EStR verstoße gegen den Wortlaut des Gesetzes. Dieser spreche von "gezahlter" Kirchensteuer. Aus dem darin zum Ausdruck kommenden Bruttoprinzip ergebe sich die Unzulässigkeit der Verrechnung mit erstatteten Steuern. Es komme lediglich auf die Tatsache des Zahlungsvorgangs an. Auch für die Verrechnung der von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte geleisteten Beihilfen mit den Krankenkassenbeiträgen fehle es an einer Rechtsgrundlage.
Das Finanzgericht, dessen Entscheidung in "Entscheidungen der Finanzgerichte" 1962 S. 493 Nr. 531 veröffentlicht ist, sah übereinstimmend mit dem Finanzamt in den Erstattungen eine Minderung der anzuerkennenden Sonderausgaben.
Mit der Rb. wiederholt die Bfin. ihr früheres Vorbringen.
Entscheidungsgründe
Das Rechtsmittel ist hinsichtlich der Kirchensteuer unbegründet, führt aber im Streitpunkt der Krankenkassenbeiträge zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung.
I. - Die Bfin. legt dem Wort "gezahlte" Kirchensteuer im § 10 Abs. 1 Ziff. 4 EStG 1958 eine Bedeutung bei, die ihm nicht zukommt. Die Sonderausgaben des § 10 EStG sind ihrem Wesen nach nicht abzugsfähige Kosten der Lebenshaltung (ß 12 EStG), sie sind Verwendung des erzielten Einkommens. Aus sozialen und anderen Erwägungen hat sich jedoch der Gesetzgeber entschlossen, die im § 10 EStG aufgezählten "Aufwendungen" bei der Einkommensermittlung in Ausnahme von dem Prinzip des § 12 EStG zum Abzug zuzulassen. Dieses Wort Aufwendungen im einleitenden Satz des § 10 Abs. 1 EStG kann bei der Anwendung der folgenden Ziffern nicht außer Betracht bleiben. Aus ihm ergibt sich, daß die wirtschaftliche Belastung des Einkommens, sein Schwund durch Verausgabung für die in den folgenden sieben Ziffern näher bestimmten Zwecke der Anlaß für die mit § 10 EStG gewollte steuerliche Begünstigung ist. Eine wirtschaftliche Belastung liegt aber insoweit nicht vor, als der Zahlung von Kirchensteuer eine Rückzahlung von Kirchensteuer gegenübersteht. Nur der dann noch bestehenbleibende Rest an geleisteter Kirchensteuer ist eine Aufwendung im Sinne des § 10 EStG.
Es ist unrichtig, daß für den Abzug nach Ziff. 4 a. a. O. ein Bruttoprinzip gilt. Denn wenn nach § 2 Abs. 1 EStG Bemessungszeitraum für die Einkommensteuer das Kalenderjahr ist, und es dann in Abs. 2 dieser Vorschrift weiter heißt, Einkommen sei der Gesamtbetrag der Einkünfte "nach Abzug der Sonderausgaben", so ergibt sich daraus klar, daß auch die Sonderausgaben unter dem Blickwinkel eines vollen Kalenderjahres zu sehen sind. Im Gegensatz zur Auffassung der Bfin. gilt also nicht ein sogenanntes Bruttoprinzip; es muß vielmehr saldiert werden, wenn im Veranlagungszeitraum Kirchensteuerbeträge erstattet worden sind. Von der Schaffung einer achten, im Gesetz nicht vorgesehenen Einkunftsart kann keine Rede sein. Von einer solchen könnte man allenfalls dann sprechen, wenn der Unterschied zwischen Erstattung und Zahlung - hier 117 DM - irgendwie einkommenerhöhend verwertet würde. Das geschieht im Streitfall aber nicht.
Die Bedeutung von "gezahlter" Kirchensteuer wird besonders deutlich, wenn man die frühere Regelung des Abzugs von Kirchensteuern zum Vergleich heranzieht. Nach § 17 Abs. 1 Ziff. 5 EStG 1925 (RGBl 1925 I S. 189) waren Kirchensteuern abzugsfähig, "soweit diese Steuern in dem Steuerabschnitt fällig geworden sind". Durch den jetzigen Wortlaut wird die Zahlung von Kirchensteuer - ohne Rücksicht auf ihre Fälligkeit - zum einzigen Merkmal erhoben, an das ihre Abzugsfähigkeit als Sonderausgabe anknüpft. Die tatsächliche Entrichtung von Kirchensteuer begründet nach dem jetzigen Gesetzeswortlaut die Abzugsfähigkeit, selbst wenn ein Kirchensteuerbescheid noch nicht vorliegt, von einer Fälligkeit ganz zu schweigen. Siehe hierzu die Entscheidungen des Bundesfinanzhofs VI 69/61 U vom 25. Januar 1963 (BStBl III S. 141, Slg. Bd. 76 S. 384) und IV 150/50 S vom 23. Februar 1951 (BStBl 1951 III S. 79, Slg. Bd. 55 S. 209).
Da im Streitfall den eingezahlten 208 DM Kirchensteuer eine Erstattung von 325 DM gegenübersteht, haben die Vorinstanzen zu Recht einen Abzug nach § 10 Abs. 1 Ziff. 4 EStG verweigert. Zu dem gleichen Ergebnis bekennen sich alle erreichbaren Erläuterungsbücher.
II. - In der Behandlung der zum Abzug beantragten 435 DM Krankenkassenbeiträge kann den Vorinstanzen nicht gefolgt werden. Denn bei den umstrittenen 203 DM handelt es sich nicht um eine Erstattung in dem Sinne, daß der Empfänger der Sonderausgaben (der Krankenversicherungsbeiträge) an den Leistenden eine Rückzahlung vornimmt; es liegt kein Rückfluß früher gezahlter Sonderausgaben vor. Vielmehr wurden von dritter Seite, nämlich von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte, auf Grund der Reichsversicherungsordnung dem Ehemann der Bfin. neben der ohnehin gezahlten Rente monatliche Beihilfen zu seinen Krankenversicherungsbeiträgen geleistet. Damit sind die 203 DM Beihilfen weitere Einkünfte aus Leibrente. Ist das der Fall, dann müssen auch die 435 DM Krankenversicherungsprämien, als den Gesamtbetrag der Einkünfte belastend, voll zum Abzug als Sonderausgaben zugelassen werden.
Für die Einkommensberechnung ist zu beachten, daß die 203 DM wie die übrige Rente nach § 22 Ziff. 1 a EStG nur mit dem Ertragsanteil anzusetzen sind. Dadurch ändert sich das zu versteuernde Einkommen zugunsten der Bfin.
III. - Da das angefochtene Urteil bei den Krankenkassenbeiträgen von anderen Rechtsvorstellungen ausgeht, war es aufzuheben. Die Sache wird an das Finanzamt zurückverwiesen, damit es unter Beachtung der vorstehenden Ausführungen im Wege einer Einspruchsentscheidung die streitige Steuer neu berechnet.
Fundstellen
Haufe-Index 410959 |
BStBl III 1963, 536 |
BFHE 1964, 592 |
BFHE 77, 592 |