Leitsatz (amtlich)
1. Zur rechtlichen Bedeutung von § 33a Abs. 6 EStG (§ 65 EStDV) bei Körperbehinderten.
2. Mit den Pauschbeträgen nach §§ 33a Abs. 6 EStG und 65 EStDV sind in der Regel die typischen Krankheitskosten abgegolten, die mit der Körperbehinderung, derentwegen die Pauschsätze gewährt werden, in Zusammenhang stehen.
2. Macht der Steuerpflichtige geltend, seine Ausgaben insgesamt hätten den Pauschbetrag überstiegen, so steht ihm frei, seine Krankheitskosten darzutun und die Anwendung des § 33 Abs. 1 EStG zu verlangen.
Normenkette
EStG 1965 § 33 Abs. 1, § 33a Abs. 6; EStDV § 65; LStDV § 26
Tatbestand
Das FA hatte es im Lohnsteuerverfahren für die Streitjahre 1965 und 1966 abgelehnt, für den Steuerpflichtigen und seine Ehefrau Beträge für Diätkosten mit je 600 DM jährlich gemäß § 33 EStG anzusetzen, weil dem Steuerpflichtigen und seiner Ehefrau Pauschbeträge für Körperbehinderte gemäß § 33a Abs. 6 EStG (§ 26 LStDV, § 65 EStDV 1965) mit je 960 DM gewährt worden seien; mit diesen Pauschbeträgen seien auch die Diätkosten abgegolten.
Das FG, dessen Urteil in EFG 1967, 511 veröffentlicht ist, gab der Klage insoweit statt. Es führte unter Hinweis auf das Urteil des Senats VI 38/62 U vom 22. November 1963 (BFH 78, 360, BStBl III 1964, 139) aus, durch die erwähnten Pauschbeträge würden nur typische zusätzliche Aufwendungen abgegolten, die einem Steuerpflichtigen aus der Körperbehinderung erwüchsen; andere Kosten, z. B. Krankheitskosten, könnten nach § 33 EStG gesondert geltend gemacht werden, auch wenn sie mit der Körperbehinderung zusammenhingen. Die Staffelung der Pauschbeträge nach §§ 26 LStDV und 65 EStDV nach dem Grad der Erwerbsminderung zeige, daß die Pauschbeträge auch die Nachteile ausgleichen sollten, die einem Steuerpflichtigen durch eine Minderung seiner Erwerbsmöglichkeiten entstünden. Abgegolten würden dadurch vor allem allgemeine Erschwernisse und Kosten, die eine körperliche Behinderung zwangsläufig mit sich bringe. Ausgaben für typische Krankendiät seien dagegen Krankheitskosten, die durch den Pauschbetrag für Körperbehinderte nicht abgegolten würden, auch wenn sie auf derselben Krankheit wie die festgestellte Erwerbsminderung beruhten. Diätkosten seien vielmehr stets wie andere Krankheitskosten nach § 33 EStG besonders zu berücksichtigen. Da der Steuerpflichtige keine höheren Beträge nachgewiesen habe, seien die Diätkosten mit den in Abschn. 39 Abs. 6 LStR genannten Beträgen anzusetzen.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision des FA ist begründet.
Der Senat hat im Urteil VI 313/64 vom 30. November 1966 (BFH 88, 407, BStBl III 1967, 457) entschieden, wie Krankheitskosten im Sinn des § 33 Abs. 1 EStG zu behandeln sind, wenn dem Steuerpflichtigen gleichzeitig ein Pauschbetrag nach § 33a Abs. 6 EStG (§ 65 EStDV) gewährt wird. In allen Fällen steht es den Steuerpflichtigen offen, anstelle der Pauschbeträge, die nur der Vereinfachung für alle Beteiligten dienen sollen, die Krankheitskosten einzeln darzutun und die Anwendung der allgemeinen Vorschrift des § 33 Abs. 1 EStG zu verlangen. Entscheidet sich der Steuerpflichtige für die Pauschbeträge, so kann er nach dem Urteil VI 313/64 (a. a. O.) Aufwendungen für Krankheiten nur in begrenztem Umfang geltend machen, vor allem dann, wenn die Krankheit mit der Körperbehinderung nicht im Zusammenhang steht oder wenn sie zwar mit der Körperbehinderung zusammenhängt, aber die entstandenen Kosten nicht typisch sind, wie z. B. die Kosten für eine Operation oder einen Krankenhausaufenthalt. Dagegen werden die Kosten, die üblicherweise durch die Krankheit, die die Körperbehinderung verursacht, entstehen, durch den Pauschbetrag abgegolten. Dazu gehören auch Mehraufwendungen für Diätkost, wenn das Leiden mit der Körperbehinderung, derentwegen der Pauschbetrag gewährt wird, in Zusammenhang steht.
Das FG nimmt an, die Pauschbeträge sollten auch einen steuerlichen Ausgleich für beschränkte Erwerbsmöglichkeiten bieten, hätten also den Charakter einer Steuermilderung aus Billigkeitsgründen. Das ist nicht richtig. § 33a Abs. 6 EStG ist, wie der Senat wiederholt dargelegt hat, nur eine der Arbeitsvereinfachung dienende Vorschrift; sie dient der leichteren Anwendung des § 33 EStG in einem schwierigen Grenzgebiet. Keineswegs kommt der Vorschrift aber die Bedeutung zu, die das FG ihr beimißt.
Zu Unrecht beruft sich das FG auf das Urteil des Senats VI 38/62 U (a. a. O.). Danach können bei schwer gehbehinderten Steuerpflichtigen Kfz-Kosten neben dem Pauschsatz nach § 33 EStG anerkannt werden. An dieser Auffassung hat der Senat in der Grundsatzentscheidung VI 313/64 (a. a. O.) festgehalten. Diese Auffassung beruht vor allem darauf, daß die Pauschsätze zu einer Zeit geschaffen wurden, als die Motorisierung in dem heutigen Umfang noch nicht bestand und man deshalb annehmen muß, daß die Mehrkosten für die Benutzung eines Kraftwagens bei schwer Gehbehinderten durch die Pauschsätze auch nicht abgegolten sein können.
Die Vorentscheidung war nach allem wegen unrichtiger Anwendung der §§ 33, 33a Abs. 6 EStG, 65 EStDV aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Nach den tatsächlichen Feststellungen des FG beruhen die Körperbehinderungen des Steuerpflichtigen und seiner Frau, die zu einer Erwerbsminderung von je 60 v. H. geführt haben und derentwegen die Pauschsätze nach § 65 EStDV gewährt wurden, auf mehreren inneren Leiden, darunter Magen-, Darm-, Galle- und Leberleiden. Die Diät steht offensichtlich mit diesen Leiden in Zusammenhang und ist für diese Krankheiten auch typisch. Die Kosten sind deshalb mit den Pauschsätzen steuerlich abgegolten. Da die Steuerpflichtigen die Höhe ihrer Krankheitskosten nicht einzeln nachgewiesen haben, sondern die Pauschsätze beanspruchen, können sie die streitigen Diätkosten nicht zusätzlich nach § 33 EStG geltend machen. Als Krankheitskosten können nach § 33 EStG für 1965 lediglich die vom FA und FG anerkannten 182 DM in Betracht kommen, die aber die zumutbare Eigenbelastung von 432 DM (§ 64 EStDV) nicht überschreiten. Die Sachbehandlung des FA war für beide Streitjahre richtig, so daß die Klagen abzuweisen waren.
Fundstellen
Haufe-Index 68008 |
BStBl II 1968, 437 |
BFHE 1968, 3 |