Leitsatz (amtlich)
1. Wer ein zu seinem Betriebsvermögen gehöriges Grundstück in Vorwegnahme der Erbfolge unter Vorbehalt des Nießbrauchsrechtes unentgeltlich seiner Tochter schenken will, muß es vorher mit dem vollen Teilwert aus dem Betriebsvermögen entnehmen.
2. Vor dieser Privatentnahme den aktivierten Grundstückswert in einen Nutzungswert, den das Nießbrauchsrecht verkörpert, und in einen Substanzwert zu spalten und nur den Substanzwert mit dem Teilwert aus dem Betriebsvermögen zu entnehmen, widerspräche dem Umstand, daß die Schenkung und die sie voraussetzende Bestellung des Nießbrauchs zugunsten des Schenkers in der Privatsphäre vollzogen werden, und damit die volle Entnahme des Grundstücks voraussetzen.
Normenkette
EStG § 6 Abs. 1 Nrn. 4-5, § 7 Abs. 1
Tatbestand
Streitig ist bei der Einkommensteuerveranlagung 1964, ob bei der aufgrund einer Schenkung erfolgten Entnahme eines Betriebsgrundstückes durch die gleichzeitige Bestellung eines Nießbrauchsrechtes des Schenkers und Betriebsinhabers der Entnahmewert (Teilwert) gemindert wird.
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) betreibt eine Großhandlung. Im Jahre 1964 übertrug sie ihr gemischt-genutztes Grundstück im Wege der vorweggenommenen Erbfolge unentgeltlich auf ihre Tochter. Die Klägerin behielt sich den lebenslänglichen Nießbrauch an dem Grundstück vor, der gleichzeitig mit dem Eigentumswechsel im Grundbuch eingetragen wurde. 1/3 des Grundstücks diente den Gewerbezwecken der Klägerin und war in ihren Steuerbilanzen als Betriebsvermögen ausgewiesen. Auch nach dem Übergang des Grundstückeigentums auf ihre Tochter nutzte die Klägerin den gewerblichen Teil des Grundstücks für ihren Betrieb. In der Steuerbilanz führte sie den bisherigen Bilanzansatz des Grundstücks fort. Der Beklagte und Revisionskläger (FA) behandelte die Übertragung des Grundstücks auf die Tochter der Klägerin hinsichtlich des betrieblichen Teils als eine Entnahme, für die es einen Teilwert von 22 333 DM errechnete. Abzüglich des Buchwertes des Grundstückes von 10 688 DM ergab sich daraus ein Entnahmegewinn von 11 645 DM, den das FA im Einkommensteuerbescheid 1964 nach Berücksichtigung einer Gewerbesteuerrückstellung von 940 DM dem gewerblichen Gewinn der Klägerin hinzusetzte.
Nach erfolglosem Vorverfahren wandte sich die Klägerin mit ihrer Klage zunächst gegen die Hinzurechnung eines Entnahmegewinns überhaupt. Im Verlaufe des Verfahrens schränkte sie ihr Klagebegehren ein und focht die Höhe des Entnahmegewinns an.
Das FG hielt die Klage für begründet. Es vertrat die Auffassung, der Verkehrswert des betrieblich genutzten Teils des Grundstücks, den die Beteiligten übereinstimmend mit 22 333 DM beziffert hätten, könne nicht unverändert als Teilwert des Betriebsgrundstücks angesehen werden. Denn der Nießbrauch dürfe bei der Ermittlung des Teilwertes nicht außer Betracht bleiben. Die Bestellung des Nießbrauchs sei in derselben Urkunde enthalten wie die Auflassung des Grundstückes an die Tochter. Beide Rechtsvorgänge fielen zeitlich zusammen. Wirtschaftlich gesehen habe die Tochter das Grundstück von vornherein belastet mit dem Nießbrauch erhalten. Dementsprechend habe die Klägerin nicht den vollen Grundstückswert, sondern nur den um den Wert des Nießbrauchs geminderten Grundstückswert auf ihre Tochter übertragen. Nur diesen niedrigeren Wert hätte auch ein fiktiver Erwerber des Unternehmens erhalten und deshalb im Rahmen des Gesamtkaufpreises für das Grundstück auch nur ein entsprechend niedrigeres Entgelt zu zahlen. Hieraus folge, daß als Teilwert für die Entnahme des betrieblich genutzten Grundstücksteils der Grundstückswert abzüglich des Nießbrauchswertes anzusetzen sei. Gegen den von den Beteiligten übereinstimmend angenommenen Wert des Nießbrauchs mit 1 750 DM bestünden keine Bedenken. Um diesen Betrag habe das FA den Entnahmegewinn zu hoch angesetzt. Das FG berief sich bei seiner Begründung vor allem auf das Urteil des BFH vom 6. Juli 1966 VI 148/65 (BFHE 86, 676, BStBl III 1966, 622).
Mit der wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Revision beantragt das FA, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen. Es ist der Meinung, die Vorentscheidung verstoße gegen § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG. Zum Betriebsvermögen habe ein nicht mit einem Nießbrauch belasteter Grundstücksteil gehört. Nur dieser habe zum Teilwert entnommen werden können. Ein Erwerber des ganzen Betriebes hätte für den unbelasteten Teil des Grundstücks den Preis bezahlt, der bei der Veranlagung ohne Berücksichtigung des Nießbrauchs angesetzt worden sei.
Mit dem Einverständnis der Beteiligten entscheidet der Senat gemäß § 90 Abs. 2 FGO ohne mündliche Verhandlung.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist begründet.
Die Klägerin hat mit dem Gesamtgrundstück dessen zu ihrem Betriebsvermögen gehörigen Teil im Wege der vorweggenommenen Erbfolge ihrer Tochter geschenkt. Diese Schenkung war - bilanzrechtlich gesehen - ein privater Vorgang; sie konnte nur im außerbetrieblichen privaten Bereich vollzogen werden. Sie setzt daher hinsichtlich des zum Betriebsvermögen gehörigen Teils eine Entnahme zu privaten Zwecken voraus, die gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG mit dem Teilwert zu erfolgen hatte. Da der Teilwert des betrieblichen Teils des Grundstücks nach den Feststellungen der Vorinstanz 22 333 DM und der Buchwert 10 688 DM betrugen, entstand durch die Entnahme ein laufender Gewinn von 11 645 DM, wie das FA angenommen hat.
Der Entnahmegewinn von 11 645 DM bedarf nicht deshalb einer Korrektur - wie die Vorinstanz irrtümlich angenommen hat -, weil sich die Klägerin bei der unentgeltlichen Übertragung mit Einwilligung der Tochter ein lebenslängliches dingliches Nießbrauchsrecht an dem Grundstück vorbehalten hat. Die unentgeltliche Übertragung des Grundstücks hat dadurch ihren Charakter als Schenkung des ganzen Grundstücks nicht verloren, sie wurde nur mit einer Auflage verbunden (vgl. BFH-Urteil vom 23. August 1963 VI 81/62 U, BFHE 77, 450, BStBl III 1963, 484). Die Bestellung des dinglichen Nutzungsrechtes zugunsten des Schenkers stellt keine, auch keine teilweise Gegenleistung des Beschenkten für den Erwerb des Grundstücks dar; vielmehr mindert sie für eine gewisse Zeit den Nutzungswert des Grundstücks für den Beschenkten. Diese zeitlich begrenzte Minderung des Nutzungswertes des geschenkten Grundstücks hat aber auf die oben dargelegte notwendige Entnahme des betrieblichen Teils des Grundstücks und damit auch auf die Höhe des Entnahmegewinns keinen Einfluß. Denn so wie die Schenkung selbst als vorweggenommene erbrechtliche Regelung nur als Vorgang in der Privatsphäre gesehen werden kann, stellt auch die mit der Schenkung gekoppelte Bestellung des Nießbrauchsrechtes am gesamten Grundstück einen Teil dieser in der Privatsphäre liegenden Regelung dar. Sie setzt nicht nur zivilrechtlich, sondern auch begrifflich die Schenkung des gesamten Grundstücks und damit bilanzrechtlich die Entnahme des gesamten betrieblichen Teils des Grundstücks voraus.
Schon aus diesem Grunde kann das neu bestellte Nießbrauchsrecht am bisherigen betrieblichen Teil des Grundstücks nicht so behandelt werden, als hätte die Klägerin bei der Entnahme einen Teil des aktivierten Grundstückswertes zurückbehalten. Damit würde man einen Teil des privaten Vorgangs der vorweggenommenen erbrechtlichen Regelung in die betriebliche Sphäre verlegen, d. h. die notwendige Trennung dieser beiden Bereiche aufgeben. Das Nutzungsrecht am Grundstück ist zwar unselbständiger Teil und Ausfluß des Eigentumsrechtes am Grundstück, wenn es dem Eigentümer zusteht, aber als unabhängig vom Eigentum, durch eine zur Privatsphäre gehörige Regelung begründetes Nießbrauchsrecht stellt es bilanziell ein neues, im privaten Bereiche geschaffenes selbständiges Wirtschaftsgut dar, das - da es die Klägerin teilweise weiterhin betrieblich nutzen und daher insoweit mit Recht zum Betriebsvermögen rechnen will - erst durch eine Einlage wieder Betriebsvermögen wird. Diese Einlage hat nach § 6 Abs. 1 Nr. 5 EStG mit dem Teilwert zu erfolgen.
Dem FG ist allerdings zuzugeben, daß das BFH-Urteil VI 148/65 dem Anscheine nach für seine Auffassung spricht. Denn in den Entscheidungsgründen dieses Urteils finden sich folgende Ausführungen zur Streitfrage: "Nach bürgerlichem Recht muß zwar der Käufer eines Grundstücks dem Verkäufer durch ein besonderes Rechtsgeschäft das dingliche Wohnrecht einräumen. Das geschieht in der Regel in der gleichen Vertragsurkunde wie der Verkauf. Der Käufer räumt dabei formalrechtlich dem Verkäufer das Wohnrecht an dem ihm übertragenen Haus in Anrechnung auf den Kaufpreis ein. Wirtschaftlich ist es aber so, daß der Käufer von vornherein das Eigentum am Grundstück nicht voll erwirbt, sondern belastet mit dem dinglichen Wohnrecht des Veräußerers. Der Senat hat deshalb in den Urteilen vom 4. März 1960 VI 223/58 U (Steuerrechtsprechung in Karteiform - StRK -, Einkommensteuergesetz, § 21, Rechtsspruch 78), vom 19. Februar 1965 VI 278/63 (HFR 1965, 407) und vom 7. Mai 1965 VI 303/64 (HFR 1965, 506) ausgesprochen, daß der Veräußerer mit dem Nießbrauch bzw. mit dem Wohnrecht etwas zurückbehalten hat, was ihm vor der Übertragung des Grundstücks schon zustand. Nach diesen Grundsätzen kann man in der Einräumung des Wohnrechts wirtschaftlich keine Gegenleistung für die Eigentumsübertragung sehen." Abgesehen davon, daß es sich bei diesem Falle um die Veräußerung eines Grundstücks, nicht aber um eine Schenkung und nicht um die Übertragung eines bisher zum Betriebsvermögen gehörigen Grundstücks handelte, dienten die wiedergegebenen Ausführungen dem VI. Senat nur als Begründung dafür, daß es sich bei der Einräumung des dinglichen Wohnrechtes um keine zusätzliche Gegenleistung des Käufers gehandelt habe. Auch der erkennende Senat vertritt die Auffassung, die er allerdings anders als der VI. Senat begründet, daß das Nießbrauchsrecht oder das dingliche Wohnrecht, das sich der bisherige Eigentümer eines Gebäudegrundstücks bei der Eigentumsübertragung des Grundstücks vorbehält, keine Gegenleistung, sondern eine Auflage darstellt, die einer sonst unentgeltlichen Übertragung nicht den Charakter der Schenkung nimmt. Diese Annahme kann aber bei einem Betriebsgrundstück nicht dazu führen, daß bei der durch die Schenkung notwendig gewordenen Entnahme des Grundstücks sein Entnahmewert um den Wert des Nießbrauchsrechtes gekürzt werden müßte. Man braucht sich nur klar zu machen, daß es sich beim Grundstück und beim Nießbrauchsrecht um zwei verschiedene Wirtschaftsgüter handelt, wobei das Nießbrauchsrecht erst anläßlich der unentgeltlichen Übertragung des Grundstücks, also nach der Entnahme des Grundstücks bestellt werden kann.
Die gegenteilige Auffassung (vgl. Littmann, Information 1972 S. 505), die schon vor der Entnahme den Buchwert des aktivierten Teils des Grundstücks in den beim Betriebsvermögen verbleibenden Nutzungswert und in den zu entnehmenden Substanzwert spalten will, führt - im Gegensatz zur Auffassung des erkennenden Senats - zu keiner Auflösung aller in diesem Grundstücksteil steckenden stillen Reserven, obwohl das endgültige Ausscheiden des gesamten betrieblichen Teils des Grundstücks aus dem Betriebsvermögen eine solche Auflösung fordert. Sie könnte auch nicht später nachgeholt werden, wenn das Nießbrauchsrecht durch den Tod des Berechtigten erlischt. Denn dieses Erlöschen würde nicht zu der Annahme berechtigen, auch der noch verbliebene Nutzungswert des Grundstücks sei nunmehr entnommen. Auch Littmann berücksichtigt nicht, daß der in der Bilanz aktivierte Wert des zum Betriebsvermögen gehörigen Grundstücksteils vor der Schenkung aus privaten Gründen nicht gespalten werden kann in einen Wert, "der nicht durch den Nießbrauch belastet ist" - wie Littmann sagt -, und einen in das Nießbrauchsrecht verwandelten Wertteil des Grundstücks; denn die private Schenkung setzt die Entnahme des gesamten betrieblich genutzten Teils des Grundstücks voraus. Es gibt keinen "nicht durch den Nießbrauch belasteten" Teil des Grundstückswertes. Das Nießbrauchsrecht ist ein selbständiges Wirtschaftsgut, das nach dem bürgerlichen Recht (vgl. §§ 1030 ff. BGB) dem Nichteigentümer des Grundstücks eingeräumt wird; sein Wert ist kein Sachund Substanzwert, sondern der Wert eines Rechtes, das auf einer fremden Sache als Ganzer lastet. Als Institut des bürgerlichen Rechts kann es auch bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise nicht vom Eigentümer eines Betriebsgrundstücks vor der Schenkung des Grundstücks durch Spaltung des bilanzierten Grundstückswertes in der Bilanz angesetzt werden.
Für die dargelegte Lösung spricht auch noch ein weiterer rechtlicher Gesichtspunkt. Nach der Rechtsprechung (vgl. BFH-Urteile vom 21. Februar 1967 VI 263/65, BFHE 88, 168, BStBl III 1967, 311, und vom 9. November 1971 VIII R 97/69, BFHE 104, 325, BStBl II 1972, 314) steht die AfA an einem mit einem Nießbrauchsrecht belasteten Grundstück in vollem Umfang dem bürgerlichrechtlichen Eigentümer und nicht den Nießbrauchsberechtigten zu, da bürgerlich-rechtliches Eigentum und wirtschaftliches Eigentum in solchen Fällen in der Regel zusammenfallen. Auch im vorliegenden Fall ist die Klägerin nach der Schenkung als Fremdbesitzerin des Grundstücks nicht dessen wirtschaftliche Eigentümerin. Die Tochter der Klägerin als Eigentümerin des Grundstücks kann aber die AfA für das gesamte Grundstück nur dann geltend machen, wenn es auch hinsichtlich des betrieblich genutzten Teils ganz aus dem Betriebsvermögen entnommen worden ist. Das ergibt sich auch aus § 11d EStDV 1965, wonach die Tochter als die Beschenkte den betrieblichen Teil des Grundstücks zum Zwecke der AfA mit dem Teilwert anzusetzen hat, den das Grundstück bei der Klägerin nach der Entnahme hatte; denn dies ist der Wert, den der Schenker als Rechtsvorgänger für die Bemessung der AfA anzusetzen hätte, wenn er nach der Entnahme noch Eigentümer des Grundstücks geblieben wäre.
Auf der anderen Seite unterliegt der betriebliche Teil des Nießbrauchsrechtes bei der Klägerin nach der Einlage in das Betriebsvermögen keiner AfA. Denn das Nießbrauchsrecht, das die Nutzung des Grundstücks in die Form eines immateriellen und dinglichen Rechtes kleidet, unterliegt als solches bei der Klägerin keiner Abnutzung. Es erleidet durch seine Benutzung zur Erzielung von Einkünften auf seiten der Klägerin keine Minderung, wie dies § 7 EStG und § 27 EStDV 1961 voraussetzen. Die Klägerin selbst hat das persönliche dingliche Recht zur Nutzung des Grundstücks auf Lebenszeit ohne jede Einschränkung. Bei seinem Erlöschen durch den Tod der Klägerin fällt die Nutzung ungeschmälert als Ausfluß des Eigentumsrechtes an den Eigentümer des Grundstücks zurück; es wird wieder dessen unselbständiger Bestandteil (vgl. BFH-Urteil VI 263/65). Auch unter dem Gesichtspunkt der bloßen Aufwandsverteilung wäre eine AfA auf das Nießbrauchsrecht nicht gerechtfertigt, da die Klägerin das Nießbrauchsrecht als selbständiges Wirtschaftsgut ohne Aufwand sozusagen originär "erworben" hat.
Eine andere Frage ist es, ob der Teilwert des Nießbrauchsrechtes durch den Zeitablauf alljährlich eine Minderung erfährt und ob deshalb eine Abschreibung auf den niedrigeren Teilwert möglich ist. Diese Frage braucht jedoch hier nicht entschieden zu werden, da jedenfalls im Streitjahr eine solche Abschreibung noch nicht in Betracht kommt.
Demnach waren nach dem Antrag des FA die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage als unbegründet abzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 70911 |
BStBl II 1974, 481 |
BFHE 1974, 257 |