Entscheidungsstichwort (Thema)
Zinsen auf Entschädigungen i.S. von § 24 Nr.3 EStG: Zwangsversteigerung, Enteignung, Zahlung von Bargebotszinsen - Verletzung des Rechts auf Gehör - Unzulässigkeit des Antrags auf Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Revisionsverfahren
Leitsatz (amtlich)
1. Eine "Inanspruchnahme von Grundstücken für öffentliche Zwecke" i.S. von § 24 Nr.3 EStG setzt voraus, daß sich ein öffentlich-rechtlicher Funktionsträger das Grundstück unter Einsatz oder Androhung von Hoheitsmitteln (etwa eines Enteignungsverfahrens) beschafft.
2. Die aufgrund eines Zwangsversteigerungsverfahrens von der öffentlichen Hand als Ersteherin gezahlten sog. Bargebotszinsen stellen keine "Zinsen auf Entschädigungen" i.S. von § 24 Nr.3 EStG dar.
Orientierungssatz
1. Nicht jeder Erwerb von Grundstücken für öffentliche Zwecke erfüllt das in § 24 Nr. 3 EStG geforderte Tatbestandsmerkmal der "Inanspruchnahme ... für öffentliche Zwecke" und nicht jede für einen solchen Erwerb aufgewendete Gegenleistung der öffentlichen Hand stellt eine "Entschädigung" im dort gemeinten Sinne dar.
2. Setzt sich eine FG im Rahmen der Begründung seines Entscheidungsergebnisses nicht mit jedem der von einem Kläger angeführten rechtlichen Gesichtspunkten ausdrücklich und ausführlich auseinander, kann darin keine Verletzung des Rechts auf Gehör erblickt werden (vgl. BFH-Beschluß vom 26.4.1995 I B 166/94).
3. Der Antrag, die Zuziehung des Bevollmächtigten für das außergerichtliche Vorverfahren für notwendig zu erklären, ist im Revisionsverfahren unzulässig. Die Entscheidung nach § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO gehört sachlich zum Kostenfestsetzungsverfahren (vgl. BFH-Urteil vom 14.12.1994 X R 74/94).
4. Die Verfassungsbeschwerde wurde gemäß §§ 93a, 93b BVerfGG nicht zur Entscheidung angenommen (BVerfG-Beschluß vom 30.9.1998, Az. 2 BvR 1448/98).
Normenkette
EStG § 24 Nr. 3, § 34 Abs. 1, 2 Nr. 3; FGO § 139 Abs. 3 S. 3, § 96 Abs. 2; ZVG § 49 Abs. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die für das Streitjahr 1991 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden. Der Kläger war ursprünglich zusammen mit seiner Cousine je zur Hälfte Eigentümer des Schloßgutes X. Dieses Gut umfaßte eine mittelalterliche Burg mit Nebengebäuden sowie ca. 40 ha land- und forstwirtschaftlichen Grundbesitz. Die Cousine übertrug ihren Hälfteanteil an dem Schloßgut gegen Zusage einer Leibrente auf die Gemeinde X, deren Rechtsnachfolgerin im Zuge der Gebietsreform 1978 die Stadt S geworden ist.
Schon im Jahre 1970 hatte die Gemeinde X beim zuständigen Landratsamt beantragt, zur Erweiterung des Friedhofs eine Teilfläche von rd. 2 450 qm aus einem ca. 5 250 qm großen Flurstück des Gutes, dem ehemaligen Schloßgarten, zu enteignen und sie (Gemeinde) in den Besitz dieser Teilfläche einzuweisen. Diese Enteignung scheiterte indessen bereits an der fehlenden Bestimmtheit des Enteignungs- und Besitzeinweisungsbeschlusses. Auch eine von der Gemeinde geplante Turnhallenerweiterung, für die eine Fläche des Gutes von 140 qm benötigt worden wäre, kam nicht zustande. Laut telefonischer Auskunft des zuständigen Liegenschaftsbearbeiters der Stadt S soll der Kläger für seinen Hälfteanteil einen derart hohen Kaufpreis gefordert haben, daß der Gemeinde eine Einigung nicht vertretbar erschienen sei.
1978 beantragte die Stadt S, nachdem Bemühungen um eine gütliche Einigung unter den Miteigentümern des Schloßgutes gescheitert waren, zwecks Vermeidung weiterer Rechtsstreitigkeiten die Zwangsversteigerung des Gutes zum Zwecke der Aufhebung der Gemeinschaft. Auf einen Vorschlag des Klägers, eine Teilung des Gutes in Natur gemäß § 752 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) vorzunehmen, soll die Stadt S nicht eingegangen sein. Mit Beschluß vom 20. März 1979 ordnete das zuständige Amtsgericht die Zwangsversteigerung des Gutes an. Nach Abschluß diverser Rechtsbehelfsverfahren fand die Zwangsversteigerung am 18. November 1986 statt. Bei der Versteigerung bot auch der Kläger mit. Den Zuschlag erhielt aber die Stadt S aufgrund eines Bargebots von 3,7 Mio. DM. Der Kläger wandte sich ohne Erfolg gegen den Zuschlagsbeschluß. Der Verteilungstermin wurde dadurch aber immer wieder hinausgeschoben. Er fand schließlich am 18. September 1991 statt. Aufgrund des Teilungsplanes wurden an den Kläger im September 1991 1,85 Mio. DM ausbezahlt. Dieser Betrag erhöhte sich um 50 % der Bargebotszinsen gemäß § 49 Abs. 2 des Gesetzes über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung (ZVG) in Höhe von 357 666 DM.
In ihrer Einkommensteuererklärung 1991 begehrten die Kläger, diese Zinsen nach § 34 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. § 24 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) begünstigt zu versteuern.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) lehnte dies in dem angefochtenen Einkommensteuerbescheid ab. Mit ihrer nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage machten die Kläger geltend, die Zwangsversteigerung des Gutes sei einer Enteignung für öffentliche Zwecke gleichgekommen. Die Stadt S verfüge über keine Privatsphäre und könne daher nur öffentlich-rechtlich tätig werden. Bei dem Meistgebot habe es sich daher um eine Entschädigung i.S. des § 24 Nr. 3 EStG gehandelt.
Das Finanzgericht (FG) hat die Klage mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1995, 917 veröffentlichten Urteil als unbegründet abgewiesen.
Mit ihrer Revision rügen die Kläger die Verletzung formellen und materiellen Rechts.
Sie beantragen, die Vorentscheidung aufzuheben und den angefochtenen Einkommensteuerbescheid 1991 dahingehend zu ändern, daß die streitigen Bargebotszinsen in Höhe von 357 666 DM nur dem halben Steuersatz unterworfen werden. Ferner beantragen sie, die Zuziehung des Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
1. Die von der Revision erhobene Verfahrensrüge greift nicht durch. Zu Unrecht machen die Kläger geltend, das FG habe ihnen das Recht auf Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes --GG--, § 96 Abs. 2 FGO) dadurch versagt, daß es einzelne, von den Klägern im erstinstanzlichen Verfahren schriftsätzlich vorgetragene Tatsachen und Rechtsausführungen nicht im Urteilstatbestand selbst wiedergegeben, sondern lediglich auf die einschlägigen Schriftsätze und Aktenteile Bezug genommen habe.
a) Für die schlüssige Rüge einer Verletzung des rechtlichen Gehörs muß der Revisionskläger unter anderem substantiiert darlegen, zu welchen Sach- oder Rechtsfragen er sich vor dem FG nicht äußern konnte oder welches Vorbringen das FG bei seiner Entscheidung nicht zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat (vgl. z.B. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 119 Rdnr. 14).
b) Daran fehlt es im Streitfall. Allein aus dem Umstand, daß das FG nicht sämtliche der von den Klägern in einer nicht geringen Zahl mehr oder minder umfangreicher Schriftsätze nebst zahlreichen Anlagen vorgetragenen Details im Urteilstatbestand als solchem wiedergegeben, sondern sich insoweit auf eine "gedrängte Darstellung" des auf der Grundlage des von ihm eingenommenen materiell-rechtlichen Standpunkts als wesentlich angesehenen Sachverhalts beschränkt (vgl. § 105 Abs. 3 Satz 1 FGO) und im übrigen auf die genau bezeichneten Aktenteile Bezug genommen hat (§ 105 Abs. 3 Satz 2 FGO), kann nicht gefolgert werden, daß das FG diese ergänzenden Einzelheiten nicht zur Kenntnis genommen und nicht in seine rechtlichen Erwägungen einbezogen habe.
Ebensowenig kann eine Verletzung des Rechts der Kläger auf Gehör darin erblickt werden, daß sich das FG im Rahmen der Begründung seines Entscheidungsergebnisses nicht mit jedem der von den Klägern angeführten rechtlichen Gesichtspunkte ausdrücklich und ausführlich auseinandergesetzt hat (vgl. auch Beschluß des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 26. April 1995 I B 166/94, BFHE 177, 451, BStBl II 1995, 532, unter II. 2. a der Gründe; Gräber/von Groll, a.a.O., § 105 Rdnr. 24, m.w.N. aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts).
c) Abgesehen davon vermochten die Kläger auch nicht --wie geboten (vgl. z.B. Gräber/Ruban, a.a.O., § 119 Rdnr. 14, m.w.N.)-- substantiiert darzulegen, daß die Entscheidung des FG unter Zugrundelegung dessen sachlich-rechtlicher Auffassung ohne die von den Klägern beanstandeten (vermeintlichen) Verfahrensmängel anders hätte ausfallen können.
2. Auch die materiell-rechtlichen Rügen der Revision haben keinen Erfolg. Ohne Rechtsirrtum hat das FG angenommen, daß die nach zutreffender und übereinstimmender Auffassung der Beteiligten als Einkünfte aus Kapitalvermögen i.S. von § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG 1991 zu erfassenden Bargebotszinsen (vgl. § 49 Abs. 2 ZVG) nicht nach § 24 Nr. 3 i.V.m. § 34 Abs. 1 und 2 Nr. 3 EStG steuerbegünstigt sind.
a) Nach § 34 Abs. 1 und 2 Nr. 3 EStG unterliegen dem ermäßigten Steuersatz "Nutzungsvergütungen und Zinsen i.S. des § 24 Nr. 3, soweit sie für einen Zeitraum von mehr als 3 Jahren nachgezahlt werden". Den außerordentlichen Einkünften i.S. von § 24 Nr. 3 EStG unterfallen unter anderem "Zinsen ... auf Entschädigungen, die mit der Inanspruchnahme von Grundstücken für öffentliche Zwecke zusammenhängen".
b) Zutreffend ist das FG davon ausgegangen, daß die hier streitigen Bargebotszinsen diese Voraussetzungen nicht erfüllen. Sie stellen nicht Zinsen auf eine Entschädigung dar, die von der Schuldnerin (Stadt S) wegen der Inanspruchnahme des Schloßguts für öffentliche Zwecke an den Kläger gezahlt wurden.
aa) Mit Recht hat das FG im Anschluß an das rechtskräftige Urteil des FG Hamburg vom 13. Juni 1983 II 56/81 (EFG 1984, 71; im Ergebnis bestätigt durch den auf Art. 1 Nr. 7 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs gestützten, nicht mit Gründen versehenen BFH-Beschluß vom 28. Juli 1987 IX R 109/83, nicht veröffentlicht) darauf hingewiesen, daß nicht jeder Erwerb von Grundstücken für öffentliche Zwecke das in § 24 Nr. 3 EStG geforderte Tatbestandsmerkmal der "Inanspruchnahme ... für öffentliche Zwecke" erfüllt und nicht jede für einen solchen Erwerb aufgewendete Gegenleistung der öffentlichen Hand eine "Entschädigung" im dort gemeinten Sinne darstellt.
aaa) Schon der allgemeine Wortsinn des in § 24 Nr. 3 EStG verwendeten Begriffs der "Inanspruchnahme" legt es nahe, darunter nicht jedweden Erwerb der öffentlichen Hand zu verstehen. "Inanspruchnahme" meint nämlich in erster Linie das Ausnutzen oder Gebrauchmachen von etwas, was einem als Recht zusteht (Duden, Das große Wörterbuch der Deutschen Sprache, Bd. 4, Stichwort "Inanspruchnahme"; Meyers Großes Universal Lexikon, Bd. 17, Deutsches Wörterbuch G-N, Stichwort "Inanspruchnahme"; FG Hamburg in EFG 1984, 71). Unter "Rechten" in diesem Sinne, die der Inhaber für sich ausnutzen kann, können im Hinblick auf den Kontext des in § 24 Nr. 3 EStG gebrauchten Terminus "Inanspruchnahme" ("... Entschädigungen, die mit der Inanspruchnahme ... für öffentliche Zwecke zusammenhängen") nicht schlechthin alle Rechtspositionen und Erwerbschancen verstanden werden, die jedermann, also auch der Private, wahrnehmen kann. Vielmehr können damit unter Ausklammerung zivilrechtlicher Positionen nur diejenigen Sonderrechte (Hoheitsrechte) gemeint sein, die einem mit öffentlichen Aufgaben betrauten Funktionsträger im Hinblick auf dessen Erfüllung hoheitlicher Aufgaben und die Wahrung des Gemeinwohls durch das öffentliche Recht, namentlich vor allem durch die Enteignungsgesetze, eingeräumt worden sind.
bbb) Sinn und Zweck sowie Entstehungsgeschichte des § 24 Nr. 3 EStG bestätigen die Richtigkeit dieser Wortlautinterpretation. Die genannte Vorschrift ist durch das Steueränderungsgesetz (StÄndG) 1965 (BGBl I 1965, 377) als Reaktion auf das BFH-Urteil vom 14. Juni 1963 VI 216/61 U (BFHE 77, 169, BStBl III 1963, 380) in das EStG eingefügt worden. In diesem Urteil hatte der BFH keine gesetzliche Handhabe gesehen, die aus Anlaß einer Grundstücksbeschlagnahme zugunsten der Besatzungsmacht für mehrere Jahre nachgezahlte Nutzungsentschädigung dem ermäßigten Steuersatz nach § 34 i.V.m. § 24 (Nr. 1) EStG zu unterwerfen. Demgegenüber hielt der Gesetzgeber des StÄndG 1965 für solche Beschlagnahmefälle die Gewährung der Tarifvergünstigung für geboten, "weil sich des öfteren aus Gründen, die nicht vom Empfänger zu vertreten sind, die Nutzungsvergütungen in einem Kalenderjahr zusammenballen und daß dann infolge der Progression des Einkommensteuertarifs Härten eintreten können" (Zweiter Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses, BTDrucks IV/3189, S. 8).
Lieferten mithin den Anlaß für die Schaffung des § 24 Nr. 3 EStG gerade die Fälle der hoheitlichen Inanspruchnahme von Grundstücken und die damit regelmäßig einhergehende fehlende Einflußmöglichkeit des Grundstückseigentümers auf die nähere Ausgestaltung des Nutzungsverhältnisses, insbesondere auch soweit dieses die Festlegung der Höhe und der Zeitpunkte der Zahlung der zu gewährenden (Nutzungs-)Entschädigung betrifft, so hat die Vorinstanz daraus im Einklang mit der herrschenden Meinung (vgl. insbesondere FG Hamburg in EFG 1984, 71; Hildesheim in Hartmann/Böttcher/Nissen/Bordewin, Einkommensteuergesetz, § 24 Rdnr. 59; Jacobs-Soyka in Littmann/Bitz/Hellwig, Einkommensteuergesetz, 15. Aufl., § 24 Rdnr. 117; Frotscher/ Zimmermann, Einkommensteuergesetz, § 24 Rdnr. 153; kritisch Schmidt/Seeger, Einkommensteuergesetz, 16. Aufl., § 24 Rdnr. 108; Blümich/Stuhrmann, Einkommensteuergesetz, 15. Aufl., § 24 Rdnr. 80) mit Recht hergeleitet, daß die "Inanspruchnahme für öffentliche Zwecke" i.S. von § 24 Nr. 3 EStG einen entsprechenden Hoheitsakt oder doch zumindest die Anwendung "hoheitlichen Drucks" erfordert. Folglich bleibt für die Anwendung dieser Vorschrift dann kein Raum, wenn die öffentliche Hand beim Erwerb des Grundstücks auf die Ausübung jedweden hoheitlichen Drucks verzichtet und der Steuerpflichtige ihr das Grundstück deshalb als gleichberechtigter Vertragspartner frei von gegenwärtigem und künftig zu gewärtigendem Zwang veräußert.
Diese letztgenannten Fälle unterscheiden sich aus der Sicht des Veräußerers nicht (wesentlich) von denen, in welchen die Veräußerung an einen privaten Erwerber erfolgt. Gerät ein solcher privater Erwerber mit der Gegenleistung in Verzug und fließen daher die in mehreren Jahren aufgelaufenen Verzugszinsen dem Veräußerer zusammengeballt zu (zu weiteren Beispielen vgl. den vorletzten Absatz des BFH-Urteils vom 21. April 1966 VI 366/65, BFHE 85, 448, BStBl III 1966, 460), so unterliegt diese Einnahme dem normalen Steuersatz. Nichts anderes kann aber nicht zuletzt wegen des steuerlichen Gleichbehandlungsgebots (Art. 3 Abs. 1 GG) für den Fall gelten, in dem der Steuerpflichtige das Grundstück frei von jeglichem Zwang an die öffentliche Hand veräußert, selbst wenn diese das Objekt zu öffentlichen Zwecken erwirbt. Dementsprechend hat denn auch der BFH im Urteil vom 14. März 1985 IV R 143/82 (BFHE 143, 457, BStBl II 1985, 463, 464, rechte Spalte) "die Sonderbehandlung von nachgezahlten Nutzungsvergütungen und Zinsen, die mit einer Inanspruchnahme von Grundstücken für öffentliche Zwecke zusammenhängen, gegenüber anderen gegen den Willen des Steuerpflichtigen zusammengeballt zufließenden Zahlungen" mit der auch hier für die Eingrenzung des Anwendungsbereichs des § 24 Nr. 3 i.V.m. § 34 Abs. 2 Nr. 3 EStG für maßgeblich gehaltenen Erwägung gerechtfertigt, daß "bei Grundstücksbeschaffungsmaßnahmen für öffentliche Zwecke ... dem Grundstückseigentümer regelmäßig ein ungleich geringerer Gestaltungsspielraum (bleibe) als bei sonst üblichen Grundstücksverwertungen ..."
bb) Bei Beachtung dieser Grundsätze unterliegen die streitigen Bargebotszinsen nicht dem ermäßigten Steuersatz. Denn der Erwerb des hälftigen Anteils des Klägers an dem Schloßgut durch die Stadt S im Rahmen der Teilungsversteigerung beruhte nicht darauf, daß die Stadt S öffentlich-rechtliche Sonderrechte in Anspruch nahm oder den Kläger durch die Androhung der Ingebrauchnahme solcher Hoheitsrechte unter Druck setzte.
aaa) Mit dem Betreiben der Teilungsversteigerung (vgl. § 180 ZVG) nahm die Stadt S nur mehr ihre zivilrechtlichen Ansprüche auf Auseinandersetzung wahr, die ihr zum einen als (Bruchteils-)Miteigentümerin (vgl. §§ 749 Abs. 1 und 753 Abs. 1 Satz 1 BGB) und zum anderen als Mitglied der Erbengemeinschaft (vgl. § 2042 Abs. 1 und Abs. 2 i.V.m. § 753 Abs. 1 Satz 1 BGB), d.h. in ihrer Eigenschaft als Einzelrechtsnachfolgerin der Miterbin (vgl. § 2033 Abs. 1 BGB), zustanden. Entgegen der von der Revision vertretenen Ansicht kann der Umstand, daß sich die Stadt S zur Durchsetzung ihrer auf Privatrecht beruhenden Auseinandersetzungsansprüche im Wege der Teilungsversteigerung der Hilfe des (staatlichen) Vollstreckungsgerichts bediente (bedienen mußte), gerade nicht als Beleg für die Inanspruchnahme hoheitlicher Sonderrechte seitens der Stadt S gewertet werden. Diese Zuhilfenahme basierte allein auf dem staatlichen Vollstreckungsmonopol, welchem sich gerade der Inhaber privater Rechte im grundsätzlichen Gegensatz zum Hoheitsträger unterwerfen muß.
Abgesehen davon kann in dem Betreiben der Teilungsversteigerung als solchem noch nicht ein Vorgang gesehen werden, der auf den Erwerb des Versteigerungsobjekts gerade durch die Stadt S abzielte. Das Versteigerungsverfahren eröffnete vielmehr nicht nur der Stadt S, sondern auch jedem anderen Erwerbsinteressenten, auch dem Kläger selbst, die Chance, das Schloßgut als Ganzes, d.h. sowohl den Anteil des Klägers als auch den der Stadt, als Meistbietender erstehen zu können. Diese Erwerbschance hat der Kläger denn auch selbst --wenn auch ohne Erfolg-- wahrgenommen, indem er --nach der Stadt S-- das zweithöchste Gebot abgab.
bbb) Schon aus dem Vorgesagten ergibt sich, daß die Stadt S auch bei der Abgabe des Meistgebots und der daraus resultierenden Erstehung des Schloßguts (vgl. § 81 Abs. 1 ZVG) keine öffentlich-rechtlichen Sonderrechte, sondern lediglich eine Erwerbschance wahrnahm, wie sie sich von Rechts wegen auch jedem anderen --privaten-- Mitbieter eröffnete.
Aus der Sicht des Klägers war es im übrigen unerheblich, ob er den ihm gehörenden Anteil am Gut --wie geschehen-- an die Stadt S oder an einen anderen privaten Ersteher verlor. Im letzteren Falle hätte die Frage der Anwendung des § 24 Nr. 3 i.V.m. § 34 EStG von vornherein nicht zur Diskussion gestanden. Zutreffend hat das FG deshalb darauf hingewiesen, daß eine differenzierende Anwendung der Tarifermäßigung je nachdem, ob der Ersteher des Versteigerungsobjekts die öffentliche Hand oder eine Privatperson ist, verfehlt wäre. Denn eine solche Verschiedenbehandlung wäre mit Art. 3 Abs. 1 GG nicht vereinbar.
ccc) Unter diesen Umständen hat das FG zu Recht entschieden, daß der Zwangsversteigerungserlös nicht als "Entschädigung" und die Erstehung des Schloßguts durch die Stadt S nicht als "Inanspruchnahme" i.S. von § 24 Nr. 3 EStG gedeutet werden kann.
An diesem Ergebnis vermag auch nichts der Umstand zu ändern, daß die Stadt S --worauf das FG hingewiesen hat-- möglicherweise berechtigt gewesen wäre, hinsichtlich eines geringen Teils der zum Gut gehörenden Grundstücke ein Enteignungsverfahren zu betreiben. Denn die Stadt S hatte ein solches Enteignungsverfahren weder tatsächlich in die Wege geleitet noch auch nur als konkretes Vorhaben geplant und diesen Plan dem Kläger gegenüber als Druckmittel eingesetzt.
3. Der Antrag, die Zuziehung des Bevollmächtigten für das außergerichtliche Vorverfahren für notwendig zu erklären (§ 139 Abs. 3 Satz 3 FGO), ist im Revisionsverfahren unzulässig. Die Entscheidung nach § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO gehört sachlich zum Kostenfestsetzungsverfahren. Zuständig hierfür ist das Gericht des ersten Rechtszuges, im Streitfall das FG (vgl. BFH-Urteil vom 14. Dezember 1994 X R 74/91, BFHE 176, 117, BStBl II 1995, 259).
Fundstellen
Haufe-Index 67163 |
BFH/NV 1998, 1417 |
BFH/NV 1998, 1417-1419 (Leitsatz und Gründe) |
BStBl II 1998, 560 |
BFHE 186, 214 |
BFHE 1999, 214 |
BB 1998, 1730 |
DB 1998, 2199 |
DStRE 1998, 630 |
DStRE 1998, 630-633 (Leitsatz und Gründe) |
HFR 1998, 824 |