Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsausgaben bei einem Fotomodell
Leitsatz (NV)
Auch bei einem Fotomodell können Aufwendungen für Kleidung und Kosmetika in der Regel nur abgezogen werden, wenn sich der den Beruf fördernde Teil der Aufwendungen nach objektiven Maßstäben zutreffend und in leicht nachprüfbarer Weise abgrenzen läßt und nicht nur von untergeordneter Bedeutung ist. Spezielle Schminke, die bei Fotoaufnahmen erforderlich ist, kann dagegen als Arbeitsmittel absetzbar sein.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 4, § 12 Nr. 1 S. 2
Tatbestand
Die Kläger sind zusammenveranlagte Eheleute; sie waren im Streitjahr als Arbeitnehmer nichtselbständig tätig. Daneben erzielte die Klägerin als Fotomodell Einkünfte aus Gewerbebetrieb. In der Einnahme-Überschußrechnung setzte sie Einnahmen in Höhe von 8 460 DM und Betriebsausgaben in Höhe von 12 954 DM an, so daß sich ein Verlust von 4 494 DM ergab. Die Aufstellung der Betriebsausgaben enthielt u. a. folgende Ansätze:
- Schminke 1 271,22 DM
- Kraftfahrzeugkosten 2 573,66 DM
- Reisespesen 1 860,00 DM
- Betriebsbedarf 3 259,49 DM.
Bei der Veranlagung erkannte der Beklagte, Revisionsbeklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) den Ansatz für Schminke nicht an und kürzte die Kfz-Kosten um einen Privatanteil von 25 v. H. = 643,41 DM, so daß ein Verlust von 2 579 DM verblieb. Die Kläger erhoben Einspruch und machten zusätzlich Absetzungen für Abnutzung (AfA) auf den PKW der Klägerin in Höhe von 1 267 DM sowie Verpflegungsmehraufwendungen für eine Geschäftsreise nach . . . in Höhe von 62 DM geltend.
In der Einspruchsentscheidung berücksichtigte das FA die um einen Privatanteil von 25 v. H. gekürzte AfA. In bezug auf die Aufwendungen für Schminke sowie zu den unter Position ,,Betriebsbedarf" ausgewiesenen Aufwendungen für Accessoirs, Kleidung, Haarpflege, Sonnenbank und kosmetische Behandlungen vertrat das FA die Auffassung, daß es sich bis auf einen Betrag von 36 DM um nicht abziehbare Aufwendungen handele. Die zu den Reisekosten (Verpflegungsmehraufwendungen) vorgelegten Aufzeichnungen hielt das FA für unschlüssig und widersprüchlich und kürzte die Aufwendungen um 50 v. H. (1 860 DM + 62 DM = 1 922 DM; 50 v. H. von 1 922 DM = 961 DM). Im Ergebnis erkannte das FA hinsichtlich der umstrittenen Positionen danach folgende Aufwendungen an:
- Schminke 0,00 DM
- Kraftfahrzeugkosten 2 881,00 DM
- Reisespesen 961,00 DM
- Betriebsbedarf 36,00 DM
3 878,00 DM.
Das FA saldierte die zusätzlichen Kürzungen bei den Betriebsausgaben der Klägerin mit nachträglich anerkannten Werbungskosten des Klägers in gleicher Höhe; die Steuerschuld blieb unverändert.
Mit der Klage beantragten die Kläger, den Verlust aus Gewerbebetrieb mit . . . DM anzusetzen:
1. Die Schminke in Höhe von 1 271 DM sei ausschließlich für die Aufmachung der Klägerin an Drehtagen und bei Proben und Vorstellungen verbraucht worden. Die Klägerin habe daneben Aufwendungen für private Schminke in Höhe von 2 400 DM gehabt.
2. Zur Position ,,Betriebsbedarf" legten die Kläger vor, eine Aufstellung I (Kleidungsstücke, Accessoirs, kosmetische Behandlungen, Sonnenbank) über 3 259 DM - 2 427 DM seien als Betriebsausgaben abziehbar -, eine Aufstellung II (Kleidungsstücke, Friseur, Kosmetika) über 4 632 DM und eine Aufstellung IV (Kleidungsstücke, Kosmetika, Schminke u. a.) über 2 602 DM. Die Aufwendungen nach Aufstellung IV seien privat, die übrigen betrieblich veranlaßt und in Höhe von 7 061 DM abziehbar.
3. Ferner erklärten sich die Kläger mit einer Kürzung der PKW-Kosten nicht mehr einverstanden, da das Kraftfahrzeug nicht privat genutzt worden sei.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage zum Teil statt. Es erkannte die Aufwendungen für Schminke in Höhe von 875 DM (= 70 v. H.) und für weiteren Betriebsbedarf in Höhe von 2 350 DM (1/3 von 7 061 DM) als Betriebsausgaben an. Die Fahrtkosten kürzte es - einvernehmlich - um 45 DM. Die umstrittenen Positionen wurden danach folgendermaßen berücksichtigt:
- Schminke 875,00 DM
- Kfz-Kosten 2 881,00 DM
- Reisespesen 916,00 DM
- Betriebsbedarf 2 386,00 DM.
Die Kläger und das FA haben gegen das Urteil des FG Revision eingelegt.
Die Kläger rügen die Verletzung materiellen Rechts und tragen im einzelnen vor:
1. Die Kraftfahrzeugkosten hätten nicht um einen Privatanteil in Höhe von 960 DM gekürzt werden dürfen. Nachweislich seien keine Privatfahrten durchgeführt worden.
2. Die Reisespesen seien wie beantragt mit 1 860 DM anzusetzen. Zwar hätten einige ,,Ausbesserungen" vorgenommen werden müsen; zudem habe der Prozeßbevollmächtigte die Reisekostenabrechnung nach dem Wochenvormerkkalender ausgefüllt. Diese Punkte rechtfertigen jedoch nicht die Kürzung der Spesen um 50 v. H.
3. Die Aufwendungen für Schminke hätten nicht um 30 v. H. gekürzt werden dürfen, da der gesamte Aufwand an ,,privater Schminke" von rd. 2 400 DM steuerlich von vornherein nicht geltend gemacht worden sei. Im übrigen habe sie, die Klägerin, den Betriebsbedarf nach Aufstellung I (3 259 DM) bereits um 831 DM für private Schminke gekürzt.
4. Die Aufwendungen für Betriebsbedarf, die nach den Aufstellungen I und II 7 061 DM betragen hätten, hätte das FG nicht auf 2 350 DM ermäßigen dürfen. Auch bei diesen Aufwendungen habe es sich ausschließlich um betrieblich veranlaßten Aufwand gehandelt. Nach dem Vertrag mit der Firma . . . habe sie, die Klägerin, selbst für ihre Ausstattung aufkommen müssen. Der private Aufwand sei in Aufstellung IV aufgeführt und steuerlich nicht geltend gemacht worden.
Das FA rügt die Verletzung materiellen und formellen Rechts und trägt vor:
1. Bei den Aufwendungen für Schminke gehe das FG zu Unrecht davon aus, daß es sich nicht um gemischte Aufwendungen gehandelt habe; auch ,,kontrastreiche Schminke" könne im Privatbereich verwendet werden. Ferner stehe diese Annahme in klarem Widerspruch zu dem Inhalt der Akten. Aus den vorgelegten Unterlagen ergebe sich, daß es sich um gewöhnliche Kosmetika gehandelt habe, nicht aber um spezielle Schminke für die Bühne oder den Mannequin-Bedarf. Bereits im Schriftsatz vom 9. Januar 1984 habe das FA die ausschließlich berufliche Brauchbarkeit der Schminke bestritten. Das FG widerspreche sich selbst, wenn es ausführe, daß die Ausgaben keine gemischten Aufwendungen seien, dann aber ausführe, daß die in der Aufstellung enthaltenen Kosmetika auch privat verwandt worden sein könnten. Die Kürzung um 30 v. H. sei unverständlich.
2. Hinsichtlich des sog. Betriebsbedarfs greife das für gemischte Aufwendungen geltende Abzugsverbot des § 12 Nr. 1 Satz 2 (EStG) ebenfalls ein. Billigkeitsgründe hätten nicht berücksichtigt werden dürfen. Ein außerordenlich hoher Aufwand für Kosmetika und Bekleidung sei nicht gegeben; in anderen Fällen, die dem FA vorgelegen hätten, hätten einzelne Mannequins Aufwendungen in Höhe von 10 500 DM bis 18 000 DM als Privatanteil erklärt.
Entscheidungsgründe
I. 1. Die Revision der Kläger ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.
1. Die Schätzung des Anteils, der auf die private Nutzung des PKW entfällt, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Schätzung von Besteuerungsgrundlagen (§ 162 der Abgabenordnung - AO 1977 -) gehört zu den tatsächlichen Feststellungen i. S. von § 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Der Bundesfinanzhof (BFH) kann die Schätzung des FG nur daraufhin prüfen, ob die Schätzung überhaupt zulässig war und ob das FG anerkannte Schätzungsgrundsätze, Denkgesetze und allgemeine Erfahrungssätze beachtet hat (vgl. Urteil des BFH vom 15. Januar 1985 IX R 81/83, BFHE 143, 61, BStBl II 1985, 252). Das ist hier der Fall.
Betriebliche PKW werden erfahrungsgemäß oft auch privat genutzt; der private Nutzungsanteil betrieblicher PKW liegt nach Abschn. 118 Abs. 2 der Einkommensteuer-Richtlinien (EStR) 1987 üblicherweise bei 20 bis 25 v. H. (vgl. auch Schmidt/Heinicke, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, 9. Aufl., 1990, § 4 EStG, Anm. 109c). Im finanzgerichtlichen Verfahren haben die Kläger keine objektiv nachprüfbaren Unterlagen vorgelegt (wie etwa ein Fahrtenbuch), aus denen verläßlich auf die tatsächliche Nutzung hätte geschlossen werden können. Das FG hat zu Recht die eidesstattlichen Versicherungen der Kläger nicht als geeigneten Nachweis angesehen, zumal sich die Kläger zunächst selbst mit einem privaten Nutzungsanteil von 25 v. H. einverstanden erklärt hatten. Die im Revisionsverfahren vorgetragenen Gesichtspunkte sind als nachträgliches Vorbringen gemäß § 118 Abs. 2 FGO unbeachtlich.
2. Die Kürzung der Reisespesen um 50 v. H. ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Auch in diesem Punkt war das FA zur Schätzung berechtigt, da die Aufzeichnungen der Klägerin erhebliche Mängel aufwiesen, die im Klageverfahren nicht beseitigt werden konnten. Das gilt um so mehr, wenn - wie die Kläger im Revisionsverfahren vortragen - die Aufzeichnungen nicht nach den tatsächlichen Fahrten, sondern nach dem sog. Wochenvormerkkalender aufgestellt worden sein sollten. Sicherere Feststellungen und eine weitere Aufklärung des Sachverhaltes waren dem FG nicht möglich.
3. Schließlich kann dem Revisionsbegehren der Kläger auch insoweit nicht entsprochen werden, als sie die Kürzung der Aufwendungen für den sog. Betriebsbedarf rügen. Das FG hätte insoweit überhaupt keine Betriebsausgaben absetzen dürfen.
Gemäß § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG können Aufwendungen für Kleidung und Kosmetika als typische Kosten der privaten Lebensführung grundsätzlich nicht als Betriebsausgaben abgezogen werden. Ein Abzug kommt nur dann in Betracht, wenn sich der den Beruf fördernde Teil der Aufwendungen nach objektiven Maßstäben zutreffend und in leicht nachprüfbarer Weise abgrenzen läßt und nicht nur von untergeordneter Bedeutung ist (BFH-Beschlüsse vom 19. Oktober 1970 GrS 2/70, BFHE 100, 309, BStBl II 1971, 17, und vom 27. November 1978 GrS 8/77, BFHE 126, 533, BStBl II 1979, 213; BFH-Urteil vom 6. Juli 1989 IV R 91-92/87, BFHE 158, 221, BStBl II 1990, 49; Arndt in Kirchhof/Söhn, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 12 Rdnr. B 150 ,,Kleidung").
Im Streitfall ist ein solcher Maßstab, nach dem die den Beruf der Klägerin fördernden Teile der Aufwendungen für Kleidung und Kosmetik zutreffend und in leicht nachprüfbarer Weise abgegrenzt werden könnten, nicht vorhanden. Die Schwierigkeiten einer zutreffenden Abgrenzung werden bereits aus dem Umstand deutlich, daß die Klägerin von sich aus die in der Aufstellung IV angeführten Aufwendungen in Höhe von 4 632 DM ausgesondert hat, ohne daß leicht und verläßlich geprüft werden könnte, welchen Bereichen die einzelnen Aufwendungen zuzuordnen sind.
Die Aufwendungen der Klägerin können auch nicht als typische Berufskleidung (Arbeitsmittel entsprechend § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 6 EStG) abgezogen werden. Berufskleidung ist die Kleidung, die ihrer Beschaffenheit nach objektiv nahezu ausschließlich für die berufliche Verwendung bestimmt ist und wegen der besonderen Eigenart des Berufes erforderlich ist (BFH-Urteil vom 9. März 1979 VI R 171/77, BFHE 127, 522, BStBl II 1979, 519). Davon abzugrenzen ist die sog. bürgerliche Kleidung, die auch außerhalb der beruflichen Tätigkeit getragen zu werden pflegt. Dieser Gruppe ist die Kleidung zuzuordnen, um die es im Streitfall geht. Diese Kleidung ist mit typischer Berufskleidung (wie etwa Uniformen, Amtstrachten, Kittel, Schutzkleidung) nicht zu vergleichen. Diese ,,normale" bürgerliche Kleidung wird auch nicht dadurch zur Berufskleidung, daß sie im konkreten Fall ausschließlich während der Arbeitszeit getragen wird (BFH-Urteil vom 20. November 1979 VI R 25/78, BFHE 129, 149, BStBl II 1980, 75).
4. Anders verhält es sich hingegen mit den Aufwendungen für Schminke. Auf der Grundlage der Feststellungen des FG kann der Senat nicht beurteilen, ob diese Aufwendungen als Arbeitsmittel (entsprechend § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 6 EStG) anzusetzen sind. Das FG hat nicht im einzelnen dargetan, welche Aufwendungen sich konkret hinter diesen Posten verbergen und ob es sich - wie die Kläger vortragen - möglicherweise um spezielle Schminke gehandelt hat, die für Fotoaufnahmen besonders erforderlich war. In diesem Fall lägen keine gemischten Aufwendungen vor.
Auch kann der Senat nicht nachvollziehen, auf welchem Wege das FG zu einer Kürzung um gerade 30 v. H. der Aufwendungen gekommen ist.
II. Auch die Revision des FA ist begründet. Sie führt ebenfalls zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.
Wie unter I. 3. dargelegt, durften die unter der Position ,,Betriebsbedarf" geltend gemachten Aufwendungen nicht als Betriebsausgaben abgezogen werden. Ob die Aufwendungen für Schminke abgezogen werden können, kann der Senat auf der Grundlage der Feststellungen des FG nicht beurteilen (vgl. die Ausführungen unter I. 4.).
Angesichts dieser rechtlichen Beurteilung kann dahinstehen, ob die Feststellungen des FG - wie das FA meint - verfahrensfehlerhaft unter Verstoß gegen den Inhalt der Akten zustande gekommen sind.
III. Bei der erneuten Verhandlung und Entscheidung wird das FG unter Beachtung der rechtlichen Beurteilung des Senats zu prüfen haben, ob die Aufwendungen für Schminke ganz oder teilweise als Betriebsausgaben abziehbar sind. Dabei wird auch der Rechenfehler zu berücksichtigen sein, der in der Einspruchsentscheidung bei der Berechnung der Reisekosten unterlaufen ist; die Reisekosten hätten wegen des Ausgangswertes von 1 860 DM (anstelle von 1 922 DM) nur um 899 DM (1 860 DM ./. 961 DM) gekürzt werden dürfen.
Fundstellen
Haufe-Index 417480 |
BFH/NV 1991, 306 |