Leitsatz (amtlich)
Die Anteile des Trägerunternehmens an einer in der Rechtsform einer GmbH errichteten Unterstützungskasse sind jedenfalls dann nicht wertlos, wenn das Kassenvermögen durch keinerlei Verpflichtungen aus laufenden Renten belastet ist.
Normenkette
BewG i.d.F. vor dem ÄndG-BewG 1963 § 66 Abs. 3; VStG § 3 Abs. 1 Nr. 7; StAnpG § 6
Tatbestand
Die Klägerin beschäftigte in den Jahren 1956 bis 1960 durchschnittlich 30 Angestellte, zwei Arbeiter und sechs Lehrlinge. Sie gründete im Juni 1956 eine Unterstützungskasse (U-Kasse) in der Rechtsform einer GmbH. Der Zweck der Kasse besteht darin, den Arbeitern und Angestellten in Fällen der Not und im Alter einmalige oder laufende Unterstützungen zu gewähren. Nach dem Leistungsplan konnten in den Jahren 1956 bis 1960 laufende Altersrenten nicht anfallen. Das Stammkapital der U-Kasse von 60 000 DM übernahmen die Klägerin in Höhe von 59 500 DM und der andere Gesellschafter mit 500 DM. Die Klägerin zahlte ihre Stammeinlage nicht ein, sondern wies zum 31. Dezember 1956 eine Darlehnsschuld an die U-Kasse aus.
Das FA (Beklagter und Revisionskläger) hat bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens zum 1. Januar 1956 weder die Anteile an der U-Kasse noch die Verbindlichkeit der Klägerin gegenüber der Kasse berücksichtigt. Bei der Feststellung der Einheitswerte zum 1. Januar 1957 und zum 1. Januar 1960 setzte es die Anteile an der U-Kasse nicht an, zog aber die Schuld gegenüber der U-Kasse vom Rohvermögen ab. Außerdem bildete es als Besitzposten einen aktiven Rechnungsabgrenzungsposten in Höhe von 59 499 DM.
Der Einspruch gegen die Feststellungsbescheide war ohne Erfolg.
Das FG erachtete die Klage gegen den Feststellungsbescheid zum 1. Januar 1956 als unzulässig. Die Feststellungen zum 1. Januar 1957 und zum 1. Januar 1960 hob es auf.
Die Revision des FA rügt Verletzung des § 6 StAnpG. Die Klägerin habe durch einen Mißbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechts die Steuern gemindert. Die U-Kasse sei mit einem Kapital von 60 000 DM ausgestattet worden, obwohl nach dem Leistungsplan innerhalb der ersten zehn Jahre nach Gründung der Kasse laufende Zahlungen nicht anfallen könnten, weil keiner der Betriebsangehörigen eine ununterbrochene Dienstzeit von zehn Jahren nachweisen könne. Die Ausstattung mit einem derart hohen Kapital sei deshalb nicht erforderlich gewesen. Die nach dem Zuwendungsgesetz zugelassenen Zuführungen hätten bei weitem ausgereicht, um die Pensionslast der Kasse zu decken. Tatsächlich seien auch unbestritten nur im Jahre 1956 und im Jahre 1957 je 50 DM an einmaligen Unterstützungen gezahlt worden. Bei dieser Sachlage sei die Steuerumgehungsabsicht eindeutig, denn die Klägerin könne wirtschaftliche Gründe für die Gestaltung der U-Kasse nicht geltend machen. Die handelsrechtliche Gestaltung dürfe deshalb steuerlich nicht anerkannt werden, so daß bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens der Klägerin weder ein Darlehen in Höhe des tatsächlich von ihr übernommenen Stammkapitals der U-Kasse noch in Höhe des Mindestkapitals einer GmbH von 20 000 DM anerkannt werden könnte.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Auf die Revision wird die Vorentscheidung aufgehoben.
1. Die Klage gegen den Feststellungsbescheid über den Einheitswert des Betriebsvermögens zum 1. Januar 1956 ist nicht unzulässig, sondern unbegründet. Die Klägerin hat mit ihrer Klage nicht nur die Feststellungsbescheide 1957 und 1960, sondern auch den Feststellungsbescheid 1956 angegriffen und begehrt, ihn aufzuheben. Als gemeinsame Begründung hat sie angegeben, daß die durch die Gründung der U-Kasse bestehende bürgerlich-rechtliche Lage, insbesondere ihre Darlehnsverbindlichkeit gegenüber der Kasse, bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens berücksichtigt werden müsse. Sie hat damit zum Ausdruck gebracht, daß sie sich auch durch den Feststellungsbescheid zum 1. Januar 1956 in ihren Rechten verletzt fühlt (§ 40 Abs. 2 FGO). Ob diese Beschwer objektiv gegeben ist, ist nicht eine Frage der Zulässigkeit, sondern der Begründetheit (vgl. v. Wallis-List in Hübschmann-Hepp-Spitaler, Kommentar zur Reichsabgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, § 40 FGO Anm. 21).
Die Klage ist jedoch unbegründet, weil die U-Kasse erst im Juni 1956 gegründet worden ist. Bei der Einheitsbewertung ist aber von den Verhältnissen des Feststellungszeitpunkts auszugehen (vgl. §§ 21 Abs. 2, 22 Abs. 2, 23 Abs. 2 BewG). Feststellungszeitpunkt für die Feststellung des Einheitswerts zum 1. Januar 1956 ist der Beginn des Kalenderjahres 1956. Ereignisse, die nach diesem Zeitpunkt eintreten, können grundsätzlich nicht zurückbezogen werden. Damit können die Auswirkungen auf Grund der Gründung der U-Kasse bei der Feststellung des Einheitswerts des Betriebsvermögens zum 1. Januar 1956 noch nicht berücksichtigt werden. Die Klage ist deshalb insoweit unbegründet.
2. Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, daß in der Gründung einer U-Kasse in der Rechtsform einer GmbH in der Regel nicht ein Mißbrauch bürgerlich-rechtlicher Gestaltungsformen zur Steuerersparnis gesehen werden kann, mit der Folge, daß der Einheitswert des Betriebsvermögens so festzustellen wäre, wie er sich bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen rechtlichen Gestaltung ergäbe (§ 6 StAnpG). Dabei ist davon auszugehen, daß das Steuerrecht die gewählte bürgerlich-rechtliche Gestaltung grundsätzlich beachtet. Nach § 3 Abs. 1 Nr. 7 VStG sind rechtsfähige Unterstützungskassen unter den dort näher angegebenen Voraussetzungen von der Vermögensteuer befreit. Der Gesetzgeber hat nicht vorgeschrieben, in welcher Rechtsform die U-Kasse eingerichtet und betrieben werden muß. Deshalb ist es nicht zu beanstanden, wenn für eine U-Kasse die Rechtsform einer Kapitalgesellschaft gewählt wird. In der Wahl dieser Rechtsform allein kann nicht deshalb ein Mißbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechts gesehen werden, weil die GmbH als Kapitalgesellschaft eine Mindestausstattung mit Kapital erfordert, die möglicherweise höher liegt als die nach dem Zuwendungsgesetz vom 26. März 1952 (BGBl I 1952 S. 206, BStBl I 1952, 227) als abzugsfähige Betriebsausgaben zu behandelnden Zuwendungen. Der Senat braucht indessen nicht zu entscheiden, ob durch die Rechtsform der GmbH für eine U-Kasse im Zusammenwirken mit einer Kapitalausstattung, die wesentlich höher ist als das für die Gründung einer GmbH erforderliche Mindestkapital, ein Mißbrauch im Sinn des § 6 StAnpG liegen könnte. Denn im vorliegenden Fall führt die gewählte Rechtsform der GmbH für die U-Kasse nicht dazu, daß die Steuerpflicht umgangen oder gemindert würde. Deshalb ist die Darlehnsverbindlichkeit bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens der Klägerin als Schuld zu berücksichtigen, wenn die U-Kasse das Darlehen unter anzuerkennenden Voraussetzungen gewährt hat, d. h. wenn das Trägerunternehmen auf Grund seiner wirtschaftlichen Lage in ausreichendem Maß für die Sicherheit der Mittel bürgt.
3. Das FG ist rechtsirrtümlich davon ausgegangen, die Anteile an einer U-Kasse, die in Form einer Kapitalgesellschaft betrieben wird, hätten in jedem Fall keinen Wert für das Trägerunternehmen. Dies mag, worüber in diesem Verfahren nicht zu entscheiden ist, im Regelfall zutreffen, wenn der Barwert der Rentenlast der Kasse das Kassenvermögen aufzehrt. Der Senat hat für den Abzug der durch das Kassenvermögen nicht gedeckten Spitzenlast beim Trägerunternehmen entschieden, daß das gesamte Kassenvermögen in erster Linie zur Deckung der laufenden Renten diene (Urteil III 28/61 U vom 22. Oktober 1965, BFH 84, 4, BStBl III 1966, 3). Diese Entscheidung beruht auf der Überlegung, daß eine U-Kasse freiwillige Leistungen erbringt, die sich erst durch die Bewirkung der Leistungen zu einer rechtsähnlichen Verpflichtung verdichten. Damit haben aktive Arbeitnehmer des Trägerunternehmens während der Zeit ihrer aktiven Tätigkeit mangels einer rechtsverbindlichen Zusage keinerlei Ansprüche gegen die Kasse und belasten deren Vermögen nicht. Bei einem Unternehmen, das sich im Aufbau befindet oder deren Arbeitnehmerschaft altersmäßig so geschichtet ist, daß noch keine Pensionäre vorhanden sind, ist damit das Kassenvermögen im Sinn dieser Rechtsprechung zunächst nicht belastet. Es braucht nicht entschieden zu werden, ob die Anteile an U-Kassen, die in Form der GmbH betrieben werden, für die Vermögensbesteuerung des Trägerunternehmens immer mit dem Nennwert anzusetzen sind (vgl. Entscheidung des Bundesfinanzhofs IV R 140/70 vom 14. Januar 1971, BFH 101, 95, BStBl II 1971, 180). In einem Fall, in dem das Kassenvermögen noch mit keiner konkreten Rentenverpflichtung belastet ist, haben die Anteile an der Kasse trotz der Vermögensbindung des Kassenvermögens für das Trägerunternehmen wegen der Möglichkeit, das Kassenvermögen unbeschränkt für betriebliche Zwecke zu verwenden, einen Wert, der jedenfalls über 0 DM liegt. Die Anteile der Klägerin an der von ihr gegründeten U-Kasse können deshalb bei der Einheitsbewertung ihres Betriebsvermögens nicht mit 0 DM angesetzt, sondern müssen mit ihrem gemeinen Wert als Besitzposten berücksichtigt werden (§ 66 Abs. 3 BewG in der Fassung vor dem Gesetz zur Änderung des Bewertungsgesetzes vom 10. August 1963). Dieser gemeine Wert ist, da Ausschüttungen aus dem Kassenvermögen an die Klägerin nicht erfolgen, nur unter Berücksichtigung des Vermögenswerts zu ermitteln.
Der Senat kann mangels tatsächlicher Feststellungen nicht entscheiden, ob die Darlehnsforderung der U-Kasse gegen die Klägerin vollwertig ist. Dies wäre allerdings Voraussetzung dafür, daß das Darlehnsverhältnis zwischen der Klägerin und der U-Kasse steuerlich anerkannt werden könnte. Ist die Darlehnsforderung gegen die Klägerin aber vollwertig, so besteht keine Veranlassung, für die Ermittlung des gemeinen Werts der Anteile an der U-Kasse einen Abschlag vom Vermögenswert vorzunehmen.
4. Da das FG von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen ist, war seine Entscheidung aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif. Sie wird deshalb an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Das FG wird zweckmäßig das Verfahren solange aussetzen, bis das FA den gemeinen Wert der Anteile der Klägerin an der U-Kasse ermittelt und festgestellt hat.
Fundstellen
Haufe-Index 69528 |
BStBl II 1971, 654 |
BFHE 1971, 401 |