Leitsatz (amtlich)
Erwerben Landwirtseheleute im Rahmen eines Siedlungsverfahrens vom Staat einen landwirtschaftlichen Hof je zur Hälfte als Miteigentümer zu Bruchteilen und betreiben sie die zum Hof gehörende Landwirtschaft in der Weise, daß der Ehemann den Betrieb führt und die Ehefrau im Betrieb mitarbeitet, so begründen sie steuerlich eine Mitunternehmerschaft, ohne daß es darauf ankäme, aus welchen Gründen sie den Hof gemeinsam als Miteigentümer erworben haben.
Normenkette
EStG §§ 13, 15 (Abs. 1) Nr. 2, § 15 Nr. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Kläger sind Landwirtseheleute; sie leben im gesetzlichen Güterstand. Anläßlich einer 1976 bei den Klägern durchgeführten Betriebsprüfung stellte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -- FA --) u. a. fest, daß die Kläger durch einen am 25. Februar 1969 beurkundeten Kaufvertrag die von ihnen zuvor gepachtete Domäne einschließlich Gebäuden von der staatlichen Landgesellschaft mit beschränkter Haftung je zur Hälfte zu Miteigentum erworben haben. Der erheblich unter dem Verkehrswert liegende Kaufpreis wurde durch ein Darlehen der Landeskreditanstalt finanziert, das die Eheleute als Gesamtschuldner aufgenommen hatten und das aus den Erträgen des landwirtschaftlichen Betriebes getilgt wurde. Das FA folgerte daraus, daß die Kläger "zivilrechtlich eine wirtschaftliche Risikogemeinschaft im Sinne einer BGB-Gesellschaft eingegangen sind", und betrachtete demzufolge die Kläger als Mitunternehmer des landwirtschaftlichen Betriebes und deshalb den am 13. Juni 1972 abgeschlossenen Arbeitsvertrag zwischen dem Kläger als Arbeitgeber und Inhaber des landwirtschaftlichen Betriebes und der Klägerin als im Betrieb mitarbeitende Arbeitnehmerin als gegenstandslos. Der Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft wurde daher um den zuvor als Betriebsausgaben berücksichtigten Bruttoarbeitslohn der Klägerin erhöht, während die Einkünfte der Klägerin aus nichtselbständiger Arbeit, also die um die Freibeträge und den Werbungskostenpauschbetrag geminderten Einnahmen, entfielen. Die Gewinne erhöhten sich dadurch in den Streitjahren jeweils um 904 DM (100 DM + 240 DM + 564 DM).
Das FA sah von einer einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung ab und erließ einen entsprechenden Einkommensteueränderungsbescheid, gegen den sich die Kläger nach erfolglosem Einspruch mit der Klage wandten. Sie trugen vor, ihr land- und forstwirtschaftlicher Betrieb werde nicht in der Rechtsform einer Personengesellschaft geführt. Beim Verkauf der Domäne habe die staatliche Landgesellschaft ebenso wie in anderen Siedlungsverfahren darauf bestanden, daß die Erwerber die Eheleute seien und daß beide Ehegatten im Grundbuch als Eigentümer eingetragen werden müßten. Dieses formale Erfordernis könne nicht zur Annahme einer Personengesellschaft führen. Statt dessen seien die Voraussetzungen für die Anerkennung eines Arbeitsverhältnisses zwischen den Ehegatten erfüllt.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1980, 336 veröffentlicht. Mit der auf die Nichtzulassungsbeschwerde des FA vom Senat zugelassenen Revision macht das FA geltend, die Vorentscheidung stehe im Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH), so vor allem zum Urteil vom 17. Juli 1975 IV R 119/74 (BFHE 116, 359, BStBl II 1975, 770); danach seien die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft ohne das Vorliegen eindeutiger vertraglicher Vereinbarungen grundsätzlich dem oder den bürgerlich-rechtlichen Eigentümern zuzurechnen.
Das FA beantragt sinngemäß, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen sinngemäß, die Revision als unbegründet zurückzuweisen. Sie weisen auf ein Schreiben des Amtes für Agrarstruktur hin, wonach es nach den siedlungsrechtlichen Bestimmungen erforderlich sei, daß beide Ehegatten Gesamtschuldner der gewährten Siedlungskredite und zu gleichen Teilen Miteigentümer der Siedlerstelle würden.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet.
Es steht fest, daß die Kläger zu gleichen Teilen Miteigentümer des von ihnen 1969 erworbenen landwirtschaftlichen Anwesens mit allen dazugehörigen Liegenschaften sind und als Gesamtschuldner zur Bezahlung des Kaufpreises den Siedlerkredit erhalten haben. Im Hinblick auf das "Arbeitsverhältnis" zwischen den Ehegatten steht außerdem fest, daß der Kläger diesen landwirtschaftlichen Betrieb einerseits selbst führt und die Klägerin andererseits im Betriebe mitarbeitet. Auf die Art der Mitarbeit kommt es in diesem Zusammenhang nicht an.
Diese Umstände allein führen nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats zur Annahme einer Mitunternehmerschaft zwischen den Klägern (§ 15 [Abs. 1] Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes -- EStG --).
Wie der Senat in dem grundlegenden Urteil vom 7. Oktober 1982 IV R 186/79 (BFHE 136, 537, BStBl II 1983, 73) näher ausgeführt hat, ist Unternehmer eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes in der Regel der Eigentümer des landwirtschaftlichen Grundbesitzes, falls er nicht aufgrund steuerrechtlich anzuerkennender Rechtsbeziehungen die Nutzungen dieses Vermögens einem anderen überlassen oder mit einem anderen teilen muß. Solche beachtlichen Rechtsbeziehungen können einerseits ein Pachtvertrag oder ein sonstiger Nutzungsüberlassungsvertrag oder andererseits ein Gesellschaftsvertrag sein. Besteht kein Vertragsverhältnis der genannten Art, nach dem ein anderer als der Eigentümer eines landwirtschaftlichen Hofes berechtigt oder mitberechtigt ist, die Nutzungen des der Landwirtschaft dienenden Grund und Bodens zu ziehen, so sind dem Eigentümer allein die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft zuzurechnen, auch wenn er den Betrieb nicht selbst führt, sondern durch einen anderen führen läßt.
Wenn aber in der Land- und Forstwirtschaft bei der Feststellung des Unternehmers grundsätzlich vom Eigentum am land- und forstwirtschaftlich genutzten Grundbesitz auszugehen ist, so ergibt sich daraus, daß dann, wenn entweder der land- und forstwirtschaftliche Grundbesitz den Eheleuten gemeinsam gehört, z. B. aufgrund einer bestehenden ehelichen Gütergemeinschaft, oder jedem Ehegatten ein erheblicher Teil des landwirtschaftlichen Grundbesitzes zu Alleineigentum oder zu Miteigentum gehört, und die Eheleute in der Landwirtschaft gemeinsam arbeiten, eine Mitunternehmerschaft zu bejahen ist, ohne daß Vereinbarungen über ein Gesellschaftsverhältnis vorliegen müssen. Die Mitunternehmerschaft ist hier in der wirtschaftlichen Zweckgemeinschaft begründet, zu der sich die Eheleute durch, den gemeinsamen Einsatz und die gemeinsame Bearbeitung ihres beiderseitigen landwirtschaftlichen Grundvermögens zum Zwecke der gemeinsamen Erzielung von Gewinn zusammengeschlossen haben. Im Urteil vom 27. Februar 1962 l 140/61 U (BFHE 74, 574, BStBl III 1962, 214) vertritt daher der BFH den Standpunkt, daß Eheleute, wenn sie gemeinsam einen landwirtschaftlichen Betrieb auf Grundstücken bewirtschaften, die zu einem wesentlichen Teil -- d. h. zu mehr als 20 v. H. -- teils dem einen und teils dem anderen Ehegatten gehören, als Mitunternehmer zu behandeln sind. Diese Voraussetzungen liegen nach den obigen Feststellungen auch bei den Klägern im Streitjahr vor. Wenn das FG zur Begründung seiner gegenteiligen Auffassung -- in Anlehnung an § 45 EStG 1925 -- ausführt, für die Zurechnung der Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft sei es ohne Bedeutung, ob der Unternehmer Eigentümer, Nießbraucher, Pächter oder ein sonstiger Nutzungsberechtigter des betreffenden Betriebsvermögens ist, so verkennt es den Inhalt dieser Aussage. Gemeint ist, daß es gleichgültig ist, welche dieser Voraussetzungen vorliegt; eine von ihnen muß aber gegeben sein. Der Kläger ist jedoch weder Pächter noch Nießbraucher noch aufgrund eines sonstigen Nutzungsüberlassungsvertrages Nutzungsberechtigter am Miteigentumsanteil der Klägerin; er selbst ist nur Miteigentümer zur Hälfte. Das reicht für die Annahme der Alleinunternehmerschaft in der Land- und Forstwirtschaft nicht aus.
Das FG übersieht die wirtschaftlichen Folgen, zu denen seine Meinung zwingen würde. Wäre sie nämlich zutreffend, so hätte die staatliche Landgesellschaft mit beschränkter Haftung das Miteigentum an dem landwirtschaftlichen Hof an die Klägerin nicht als Mitlandwirtin (Mitunternehmerin) neben ihrem Ehemann veräußert, sondern an die Klägerin als Privatperson, die am Betrieb nicht beteiligt wäre. Ihre Miteigentumshälfte wäre also nicht Betriebsvermögen, sondern Privatvermögen. Wirtschaftliches Eigentum des Klägers an ihrem Miteigentumsanteil käme nach § 39 der Abgabenordnung (AO 1977) schon deshalb nicht in Betracht, weil der Kläger die Klägerin von der Einwirkung auf ihren Eigentumsanteil wirtschaftlich nicht ausschließen kann. Das landwirtschaftliche Vermögen wäre also durch die Veräußerung in einen betrieblichen und einen privaten Teil aufgespalten worden. Dadurch wäre genau das Gegenteil von dem eingetreten, was die Siedlungsbestimmungen mit dem Erfordernis verfolgen, daß im Siedlungsverfahren immer die Eheleute gemeinsam als Käufer auftreten und somit je zur ideellen Hälfte Miteigentümer werden. Der Sinn dieser Forderung liegt darin, daß man die Eheleute bei derartigen landwirtschaftlichen Siedlerstellen als Wirtschaftsgemeinschaft ansieht und ihnen deshalb gemeinsam die Verantwortung für eine erfolgreiche Bewirtschaftung des übertragenen Betriebes und die davon abhängige Rückzahlung des Siedlerkredites übertragen will. Diese Handhabung der Siedlerstellen beruht auf der allgemeinen Erfahrung, daß bei landwirtschaftlichen Betrieben dieser Größenordnung grundsätzlich der gemeinsame Einsatz der Ehegatten erforderlich ist, um erfolgreich zu wirtschaften.
Entgegen der Meinung der Kläger sind die vom Ehemann für den Betrieb zugepachteten Grundstücke für das Vorliegen der Mitunternehmerschaft zwischen den Eheleuten ohne Bedeutung. Für die Frage, wem die Pachtgrundstücke, die ja für den Gesamtbetrieb zugepachtet wurden, und ihre Erträge als Betriebsinhaber zuzurechnen sind, gilt grundsätzlich dasselbe, was für die Inhaberschaft des Betriebes insgesamt gilt.
Das FA hat die Frage der Mitunternehmerschaft nicht im einheitlichen Gewinnfeststellungsverfahren, sondern bei der Einkommensteuerveranlagung der zusammenveranlagten Ehegatten entschieden. Da ein die Mitunternehmerschaft bejahender, in vollem Umfang anfechtbarer Folgebescheid auch erlassen werden kann, wenn der erforderliche Grundlagenbescheid noch nicht vorliegt, besteht ohne Rüge für den Senat schon deshalb keine Veranlassung zu prüfen, ob es sich um einen Fall von geringerer Bedeutung (§ 215 Abs. 4 der Reichsabgabenordnung, § 180 Abs. 3 AO 1977) handelt oder verneinendenfalls ein Verfahrensmangel vorliegt.
Fundstellen
Haufe-Index 74703 |
BStBl II 1983, 636 |
BFHE 1983, 561 |