Entscheidungsstichwort (Thema)
Grunderwerbsteuer/Kfz-Steuer/sonstige Verkehrsteuern
Leitsatz (amtlich)
über die Steuervergünstigung nach § 9 GrEStG kann nur im Steuerfestsetzungsverfahren und im etwa daran anschließenden Rechtsmittelverfahren, nicht aber in einem besonderen Verfahren entschieden werden.
Normenkette
GrEStG § 9
Tatbestand
Die Beschwerdeführerin (Bfin.) erwarb am 27. Oktober 1955 in der Zwangsversteigerung drei Grundstücke. Das Finanzamt zog die Bfin. durch Steuerbescheid vom 20. Dezember 1955, aufgegeben zur Post am 20. Dezember 1955, zur Grunderwerbsteuer heran. Mit Schreiben vom 2. Februar 1956, eingegangen beim Finanzamt am 3. Februar 1956, machte die Bfin. geltend, daß sie die Grundstücke zur Rettung von Grundpfandrechten, die zu ihren Gunsten auf den Grundstücken lasteten, erworben habe. Sie beantragte, die Grunderwerbsteuer gemäß § 9 Abs. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) nicht zu erheben. Das Finanzamt wies diesen Antrag durch Bescheid vom 25. Februar 1956 zurück; der Bescheid war mit einer Rechtsmittelbelehrung dahin versehen, daß der Einspruch gemäß § 235 Ziff. 5 - dritter Halbsatz - der Reichsabgabenordnung (AO) zulässig sei. Im Einspruchsverfahren machte die Bfin. erneut geltend, daß die Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung gemäß § 9 Abs. 1 GrEStG gegeben seien. Der Einspruch blieb ohne Erfolg.
Durch Urteil des Finanzgerichts wurden die Einspruchsentscheidung und der ihr zugrunde liegende Bescheid des Finanzamts vom 25. Februar 1956 aufgehoben und der Einspruch der Bfin. gegen den Steuerbescheid vom 20. Dezember 1955 als unzulässig verworfen.
Entscheidungsgründe
Die Rechtsbeschwerde (Rb.) ist zwar ordnungsgemäß eingelegt, aber nicht begründet worden. Sie ist ohne Erfolg.
Dem Finanzgericht ist darin zuzustimmen, daß über einen Antrag auf Gewährung der Steuervergünstigung nach § 9 GrEStG nicht in einem besonderen steuerlichen Verfahren zu entscheiden ist. Ein derartiger Antrag ist vielmehr Teil des Steuerfestsetzungsverfahrens. Auf das Urteil des Reichsfinanzhofs II A 261/31 vom 15. Juli 1931 (Slg. Bd. 29 S. 196, 201, Reichssteuerblatt - RStBl - 1931 S. 745), einen Fall des § 14 GrEStG 1927 betreffend (an die Stelle des § 14 GrEStG 1927 ist § 9 GrEStG 1940 getreten), wird hingewiesen. Der gleiche Standpunkt ist vom Reichsfinanzhof in dem Urteil IV A 107/35 vom 5. November 1935 (Slg. Bd. 38 S. 315) in einer Zollsache eingenommen worden. Danach ist, wenn sich die Steuervergünstigung - wie im Streitfall - ohne weiteres aus dem Gesetz ergibt, bereits im Steuerfestsetzungsverfahren darüber zu entscheiden, ob die Voraussetzungen dafür erfüllt sind. Ein neues zusätzliches Verfahren ist nicht möglich, wenn der Antrag auf Freistellung von der Steuer erst gestellt wird, nachdem die Steuerfestsetzung unanfechtbar geworden ist. Das Finanzamt konnte demgemäß das Schreiben der Bfin. vom 2. Februar 1956 nur als Einspruch gegen die Steuerfestsetzung vom 20. Dezember 1955 behandeln.
Wie das Finanzgericht zutreffend ausführt, gilt der Steuerbescheid gemäß § 17 Abs. 2 des Verwaltungszustellungsgesetzes vom 3. Juli 1952 (Bundesgesetzblatt - BGBl - I S. 379, Bundessteuerblatt - BStBl - 1952 I S. 615) mit dem Ablauf des 23. Dezember 1955 als bekanntgegeben, so daß die einmonatige Rechtsmittelfrist am 24. Januar 1956 abgelaufen war. Das als Einspruch anzusehende Schreiben der Bfin. vom 2. Februar 1956 ist demnach um 10 Tage verspätet beim Finanzamt eingegangen. Der Einspruch mußte somit als unzulässig verworfen werden.
Allerdings kann ein Steuerpflichtiger Nachsicht wegen Versäumung einer Rechtsmittelfrist beantragen, wenn er ohne Verschulden verhindert war, die Frist einzuhalten (ß 86 Abs. 1 Satz 1 AO). Ein derartiger Antrag ist nicht gestellt worden. Nach § 87 Abs. 4 AO kann die Nachsicht, wenn die Voraussetzungen dafür vorliegen, auch ohne Antrag bewilligt werden, falls das versäumte Rechtsmittel innerhalb von zwei Wochen nach Ablauf der Rechtsmittelfrist eingelegt worden ist. Das Finanzgericht hat in seiner Entscheidung angegeben, daß Gründe für die Erteilung von Nachsicht nicht vorgelegen haben. Es kann dahingestellt bleiben, ob das Finanzgericht die Nachsichtfrage ordnungsmäßig geprüft hat oder nicht. Denn im Rechtsbeschwerdeverfahren könnte eine mangelhafte Prüfung der Nachsichtfrage nur auf Rüge beachtet werden (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs Gr.S. 6/21 vom 12. Dezember 1921, Slg. Bd. 7 S. 314). Eine solche Rüge liegt nicht vor. Aus den Akten selbst ergeben sich keine Gründe, die die Gewährung von Nachsicht hätten rechtfertigen können.
Das Finanzgericht hat somit sachlich zu Recht entschieden.
Fundstellen
Haufe-Index 408905 |
BStBl III 1957, 451 |
BFHE 1958, 567 |
BFHE 65, 567 |