Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Zum Begriff "Berufsausbildung" bei der Gewährung eines Kinderfreibetrags.
Die Zeit nach dem Abschluß einer Fachschulausbildung bis zum Berufsantritt kann nicht als Ferienzeit der Zeit der Berufsausbildung zugerechnet werden.
Die Probezeit bei erstmaligem Berufsantritt ist keine Berufsausbildung.
Normenkette
EStG § 32/2/2/a/aa
Tatbestand
Der Bf., ein Arzt, verlangt einen Kinderfreibetrag gemäß § 32 Abs. 2 Ziff. 2 Buchst. a) zu aa) EStG 1958 für seine am 25. Juli 1940 geborene Tochter und will zugleich Sonderausgaben bis zum Höchstbetrag gemäß § 10 Abs. 3 Ziff. 3 Buchst. a) und b) EStG 1958 absetzen.
Die Tochter hatte im Streitjahr 1959 die höhere Handelsschule zu Ostern (29. / 30. März 1959) verlassen. Während des Monats April blieb sie im Elternhaus und trat am 2. Mai 1959 zur Probe als Angestellte bei einer Bank ein. Nach drei Monaten wurde sie endgültig als Maschinenbuchhalterin angestellt. Der Bf. trug den vollen Unterhalt für die Tochter bis zu ihrem Dienstantritt am 2. Mai 1959. Das Finanzamt und das Finanzgericht versagten den Kinderfreibetrag, weil die Tochter im Streitjahr nicht mindestens vier Monate in der Berufsausbildung gestanden habe.
Das Finanzgericht führte aus, die Berufsausbildung sei mit dem Abschluß der höheren Handelsschule im März 1959 beendet gewesen. Die Tochter sei im Streitjahr nicht weiter für einen Beruf ausgebildet worden. Die Probezeit bei der Bank sei keine Berufsausbildung. Der Arbeitgeber habe nur feststellen wollen, ob die Tochter für seinen Betrieb geeignet sei. Eine Probezeit diene der Berufserprobung, nicht der Berufsausbildung. Die Probezeit sei keine Lehrzeit, Praktikantenzeit oder Volontärzeit. Die Zeit zwischen dem Verlassen der Handelsschule (Ende März) und dem Berufsantritt (Anfang Mai) könne auch nicht als Ferien- oder Urlaubszeit der Ausbildungszeit zugerechnet werden. Das sei allenfalls bei Ferienzeiten zwischen zwei Ausbildungsabschnitten möglich, wie es das Finanzgericht Stuttgart im Urteil IV 771/61 vom 21. November 1961 (Entscheidungen der Finanzgerichte 1962 Nr. 326 S. 303) angenommen habe. Hier sei die Berufsausbildung mit dem Schulabschluß beendet worden. In solchen Fällen könnte man allenfalls die Ausbildungszeit als mit dem Ablauf des Kalendermonats beendet ansehen, in dem das Kind die Schule verlassen habe. Die Aufwendungen des Bf. könnten, wie es das Finanzamt auch getan habe, nur für die drei ersten Monate des Streitjahrs mit einem Freibetrag gemäß § 33 a EStG berücksichtigt werden.
Mit seiner Rb. rügt der Bf. unrichtige Rechtsanwendung und macht geltend, die Probezeit habe bis Ende Juli 1959 gedauert. Das Finanzgericht habe auch übersehen, daß die Tochter sich bis zum Dienstantritt bei der Bank auf ihren Beruf vorbereitet habe.
Entscheidungsgründe
Die Rb. konnte keinen Erfolg haben.
Die Freibeträge der §§ 32, 33, 33 a EStG berücksichtigen typisierend den Mehraufwand, der den begünstigten Steuerpflichtigen normalerweise erwächst, ohne Rücksicht darauf, ob im Einzelfall die tatsächlichen Aufwendungen den Freibetrag erreichen oder übersteigen. Kinderfreibeträge für das Anfangs- und das Letztjahr werden für das ganze Kalenderjahr gewährt, wenn die Voraussetzungen mindestens vier Monate erfüllt waren. Nach den einwandfrei zustande gekommenen tatsächlichen Feststellungen des Finanzgerichts wurde die Tochter im Streitjahr nur drei Monate bis zum Abschluß der Handelsschule im März für einen Beruf auf Kosten des Bf. ausgebildet. Zutreffend hat sich das Finanzgericht auf das Urteil des Finanzgerichts Stuttgart IV 771/61 a. a. O. berufen, das die übergangszeit zwischen dem Ende der Fachschulausbildung und dem Berufsantritt nicht als Ferienzeit der Berufsausbildung zugerechnet hat. Auch der Senat ist der Auffassung, daß Ferien nur als Zeit der Berufsausbildung angesetzt werden können, wenn sie zwischen zwei Ausbildungsabschnitten liegen.
Die Tatsache allein, daß der Bf. den Unterhalt für seine Tochter volle vier Monate lang getragen hat, reicht für die Gewährung des Kinderfreibetrages nicht aus.
Der Auffassung des Bf., daß sich seine Tochter während der Probezeit bei der Bank in der Berufsausbildung befunden habe, folgt der Senat nicht. Die Probezeit ist keine Ausbildungszeit und steht einer Volontärzeit nicht gleich. Die Vereinbarung von Probezeiten ist nicht nur bei Berufsanfängern üblich, sondern wird auch oft mit älteren Arbeitnehmern beim Eintritt in ein neues Arbeitsverhältnis vereinbart, damit der Arbeitgeber prüfen kann, ob der Arbeitnehmer den Erwartungen des Arbeitgebers entspricht. Jedenfalls dient die Probezeit nicht der beruflichen Ausbildung des Arbeitnehmers. Oft liegt sie auch im Interesse des Arbeitnehmers selbst, der ohne Bindung an Kündigungsbestimmungen ausscheiden kann, wenn ihm das neue Arbeitsverhältnis nicht zusagt.
Fundstellen
Haufe-Index 411130 |
BStBl III 1964, 300 |
BFHE 1964, 188 |
BFHE 79, 188 |