Leitsatz (amtlich)
Durch Duldungsbescheid kann als Rückgewähr nach § 7 Abs. 1 AnfG auch Wertersatz gefordert werden.
Normenkette
AO 1977 § 191 Abs. 1; AnfG § 7 Abs. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Ehemann der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) schuldet dem Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA -) Steuern in erheblichem Umfang. Er bestellte an seinem Grundstück eine Grundschuld in Höhe von 50 000 DM zugunsten der Klägerin. Gleichzeitig übertrug er der Klägerin alle bestehenden und künftigen Rückgewähransprüche gegen die Gläubiger vor- und gleichrangiger Grundschulden. Die Klägerin trat von der zu ihren Gunsten bestellten Grundschuld den erstrangigen Teilbetrag von 30 000 DM an eine Bank ab.
Mit Duldungsbescheid erklärte das FA wegen Umsatzsteuerrückständen des Ehemannes gegenüber der Klägerin die Anfechtung der Grundschuldbestellung und der Übertragung der Rückgewähransprüche nach dem Anfechtungsgesetz (AnfG). In der Einspruchsentscheidung ordnete das FA unter Änderung des Duldungsbescheids an, die Klägerin habe Wertersatz zu leisten. Zu dieser Änderung sah sich das FA veranlaßt, weil das mit der Grundschuld belastete Grundstück, nachdem die Klägerin von der Grundschuld einen Teilbetrag in Höhe von 30 000 DM an die Bank abgetreten hatte, zwangsversteigert worden war. Durch die Änderung des Duldungsbescheids sollte, wie das FA in der Einspruchsentscheidung ausführte, die Duldungspflicht auf den Betrag beschränkt werden, den die Klägerin erhalten hätte, wenn sie über einen Teil der Grundschuld sowie auch über die ihr übertragenen Rückgewähransprüche nicht verfügt hätte.
Die Klage hatte keinen Erfolg.
Die Klägerin legte gegen das Urteil des FG Revision ein.
Sie beantragt, das Urteil des FG sowie den Duldungsbescheid und die Einspruchsentscheidung aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen, hilfsweise, das Urteil des FG aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.
1. Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, daß derjenige, der nach dem AnfG verpflichtet ist, die Vollstreckung zu dulden, durch Duldungsbescheid nach § 191 der Abgabenordnung (AO 1977) in Anspruch genommen werden kann (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 31. Mai 1983 VII R 7/81, BFHE 138, 416, BStBl II 1983, 545 ) und daß nach § 191 Abs. 1 AO 1977 durch Verwaltungsakt auch Wertersatz gefordert werden kann, sofern der Schuldner dazu verpflichtet ist.
a) Im Regelfall ist der Rückgewähranspruch des § 7 AnfG zwar auf Duldung der Zwangsvollstreckung in das Vermögen gerichtet, das durch die anfechtbare Rechtshandlung erlangt worden ist. Diese Beschränkung gilt aber dann nicht, wenn eine solche Zwangsvollstreckung unmöglich geworden ist oder teilweise nicht zum Erfolg führt, weil das durch anfechtbare Handlung erlangte Vermögen untergegangen, veräußert, in seinem Zustand verschlechtert oder in seinem Verkehrswert gemindert worden ist. Unter diesen Voraussetzungen hat der Anfechtungsgegner dem Gläubiger Wertersatz zu leisten. Er hat dabei den Wert zu erstatten, den der Anfechtungsgegenstand für den Gläubiger haben würde, wenn er im Vermögen des Schuldners verblieben wäre (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 16. Februar 1972 VIII ZR 189/70, Monatsschrift für Deutsches Recht - MDR - 1972, 861). Der Wertersatz ist als Modalität der Rückgewähr nach § 7 Abs. 1 AnfG anzusehen, die nicht von besonderen Anfechtungsvoraussetzungen abhängig ist. Der Anfechtungsgegner hat seine Wertersatzverbindlichkeit wie andere Geldsummenschulden durch Zahlung an den anfechtenden Gläubiger zu erfüllen (vgl. Jaeger, Gläubigeranfechtung, 2. Aufl., § 7 Anm. 4).
b) Da der Wertersatz nur eine Form der Rückgewähr nach § 7 Abs. 1 AnfG ist, widerspricht es nicht der Regelung in § 191 Abs. 1 AO 1977, ihn durch Verwaltungsakt geltend zu machen. Ohne Bedeutung ist dabei, daß der Wertersatz in der Zahlung eines bestimmten Geldbetrags besteht. Die Bedeutung der Regelung in § 191 Abs. 1 AO 1977 über den Duldungsbescheid liegt darin, daß sie die Form der Inanspruchnahme auf Rückgewähr - durch Verwaltungsakt statt durch Klage nach § 9 AnfG - bestimmt. Der Vorschrift kann dagegen nicht eine Regelung über den Gegenstand der Inanspruchnahme entnommen werden. Insoweit knüpft § 191 Abs. 1 AO 1977 an die Vorschriften über die Duldung der Vollstreckung an. In seiner Entscheidung vom 2. März 1983 VII R 120/82 (BFHE 138, 10, BStBl II 1983, 398 ) hat der Senat bereits dargelegt, daß sich die Pflicht des Anfechtungsgegners zur Rückgewähr aus dem gesetzlichen Schuldverhältnis ergibt, das für die Rückgewähr maßgebend ist. Das bedeutet, daß auch der Gegenstand der Rückgewährpflicht nach diesem gesetzlichen Schuldverhältnis zu bestimmen ist mit der Folge, daß - wie dargelegt - ihr Gegenstand auch ein Wertersatz sein kann.
c) Dagegen spricht auch nicht der Wortlaut der Regelung in § 191 Abs. 1 AO 1977, soweit diese die Inanspruchnahme durch Duldungsbescheid betrifft. Dieser Wortlaut ist nicht dahin zu deuten, daß mit dem Duldungsbescheid i. S. des § 191 Abs. 1 AO 1977 als Leistung nur die Duldung der Vollstreckung gefordert werden könne. § 191 AO 1977 gehört zu den Vorschriften des Vierten Teils der AO 1977, der mit "Durchführung der Besteuerung" überschrieben ist. Er dient also der Verwirklichung des steuerschuldrechtlichen Anspruchs. Der Hinweis auf denjenigen, der zur Duldung der Vollstreckung verpflichtet ist, ist demgemäß nur als Bezeichnung des Schuldners zu werten, der nach § 191 Abs. 1 AO 1977 durch Verwaltungsakt (Duldungsbescheid) in Anspruch genommen werden kann. Insoweit entspricht dieser Hinweis in seiner Bedeutung demjenigen auf den Haftungsschuldner in § 191 Abs. 1 AO 1977, dessen Bedeutung als Bezeichnung des Schuldners in dem Klammerhinweis (Haftungsschuldner) zum Ausdruck gebracht ist.
Auch dem Ausdruck "Duldungsbescheid" ist nicht zu entnehmen, daß mit diesem Bescheid als Leistung nur eine Duldung der Vollstreckung gefordert werden könne. Dieser Ausdruck ist erkennbar in Anlehnung an die Bezeichnung des Schuldners unter Hinweis auf dessen grundsätzliche Verpflichtung zur Duldung der Vollstreckung in § 191 AO 1977 gewählt. Schon deshalb kann diese Bezeichnung nicht dahin verstanden werden, daß durch sie auch die Art der Leistung festgelegt werden sollte, die von dem Schuldner i. S. des § 191 Abs. 1 AO 1977 gefordert werden kann. Darüber hinaus wäre eine Beschränkung der Leistung, die mit einem Verwaltungsakt nach § 191 Abs. 1 AO 1977 gefordert werden kann, auf die Duldung der Zwangsvollstreckung mit dem erkennbaren Ziel dieser Vorschrift nicht vereinbar, das - wie dargelegt - darin besteht, der Finanzbehörde zur Verwirklichung steuerschuldrechtlicher Ansprüche die Möglichkeit zu verschaffen, den bezeichneten Schuldner durch Verwaltungsakt in Anspruch zu nehmen.
2. Die Feststellungen des FG rechtfertigen nicht dessen Entscheidung, der Anspruch auf Rückgewähr nach § 7 Abs. 1 AnfG in der Form des Wertersatzes ergebe sich daraus, daß der Ehemann, wie das FG meint, im letzten Jahr vor der Anfechtung mit der Klägerin einen Vertrag geschlossen habe, der nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 AnfG angefochten werden könne. Soweit das FG sich zur Begründung seiner Auffassung, der Duldungsbescheid sei rechtmäßig, auf die Vereinbarungen zwischen der Klägerin und ihrem Ehemann in dem notariellen Vertrag vom 13. März 1978 beruft, wendet die Klägerin mit Recht ein, daß der Zeitraum zwischen dem Abschluß dieses Vertrags und der Anfechtung durch den Duldungsbescheid vom 19. November 1979 über die Jahresfrist i. S. des § 3 Abs. 3 Nr. 2 AnfG hinausgeht. Das räumt auch das FA ein.
3. Die Feststellungen des FG reichen nicht aus, um in der Sache abschließend entscheiden zu können.
Fundstellen
Haufe-Index 426031 |
BStBl II 1985, 31 |
BFHE 1985, 99 |