Leitsatz (amtlich)
Teilt das Insolvenzgericht dem Schuldner mit, dass sein Antrag auf Eröffnung des Verbraucherinsolvenzverfahrens kraft Gesetzes als zurückgenommen gelte, weil er unvollständig und trotz gerichtlicher Aufforderung nicht fristgerecht ergänzt worden sei, so ist dagegen eine sofortige Beschwerde grundsätzlich nicht statthaft.
Normenkette
InsO § 6 Abs. 1, § 305 Abs. 3
Verfahrensgang
LG Köln (Beschluss vom 04.12.2002) |
AG Köln |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 19. Zivilkammer des LG Köln v. 4.12.2002 wird auf Kosten der Schuldnerin als unzulässig verworfen.
Der Gegenstandswert für die Rechtsbeschwerde wird auf 300 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Die Schuldnerin beantragte am 23.8.2002 die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen und stellte den Antrag auf Restschuldbefreiung. Dem Antrag fügte sie Anlagen bei, in denen sie - teils unter Verwendung der amtlichen Vordrucke - weitere Angaben machte. Mit Verfügung v. 5.9.2002, die dem Verfahrensbevollmächtigten der Schuldnerin am 10.9.2002 zugestellt wurde, teilte das Insolvenzgericht der Schuldnerin mit, ihr Eröffnungsantrag sei nicht ordnungsgemäß. Die Bescheinigung nach § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO genüge nicht den Anforderungen dieser Vorschrift, weil sich aus ihr nur ergebe, dass eine Kopfmehrheit für eine Annahme des Schuldenbereinigungsplanes gegeben sei, ihr aber nicht entnommen werden könne, ob eine Summenmehrheit den Plan abgelehnt habe. Ferner fehlten das Gläubiger- und das Forderungsverzeichnis, das Vermögensverzeichnis und der Schuldenbereinigungsplan seien unvollständig. Weiterhin sei die Gläubigerliste nicht auf dem amtlichen Formular hergestellt. Dasselbe gelte für den besonderen Teil des Schuldenbereinigungsplanes. Mit Schriftsatz v. 4.10.2002, der per Telefax am 7.10.2002 bei dem Insolvenzgericht einging, reichte der Verfahrensbevollmächtigte der Schuldnerin das Gläubiger- und Forderungsverzeichnis nach. Zu den Anforderungen gem. § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO führte er aus, aus den ihm vorliegenden Unterlagen gehe hervor, dass nur einer von acht Gläubigern und nur 5,34 % der Forderungssumme dem Plan zugestimmt hätten. Ihm sei nicht klar, welche weiteren Angaben fehlten; er bitte um einen entsprechenden Hinweis. Die Anlage 7 (gemeint: Anlage 7A) des Schuldenbereinigungsplans sei nicht benutzt worden, weil die Benutzung nicht zwingend vorgeschrieben sei. Mit Schreiben v. 14.10.2002 teilte das Insolvenzgericht der Schuldnerin mit, dass der Eröffnungsantrag nunmehr kraft Gesetzes als zurückgenommen gelte, weil er unvollständig gewesen und trotz gerichtlicher Aufforderung nicht fristgerecht ergänzt worden sei (§ 305 Abs. 3 InsO). Insbesondere sei die Bescheinigung nach wie vor nicht ausreichend, weil im gerichtlichen Verfahren ein Schweigen auf die Zustellung des Schuldenbereinigungsplanes als Zustimmung gewertet werde. Darüber hinaus bestehe nach Auffassung des Gerichts für einen Schuldenbereinigungsplan, dessen Inhalt einem der Muster der Anlage 7A entspreche, der Formularzwang.
Diese Mitteilung ging der Schuldnerin am 27.10.2002 zu. Sie legte daraufhin am 6.11.2002 sofortige Beschwerde ein und führte aus, die Beschwerde richte "sich gegen die Entscheidung des Gerichtes", den Insolvenzantrag gem. § 305 Abs. 3 S. 2 InsO als zurückgenommen anzusehen. Sie wiederholte ihre Auffassung, sie müsse das Formular gemäß Anlage 7A nicht benutzen, und machte ferner geltend, erst durch die Begründung der Ablehnung sei ihr klar geworden, dass das Insolvenzgericht offenbar auch den Summenanteil der schweigenden Gläubiger habe wissen wollen; dieser habe 20,1 % betragen. Sie beantragte, "die angefochtene Entscheidung aufzuheben und festzustellen, dass der Antrag nicht als zurückgenommen gilt". Das Insolvenzgericht half der Beschwerde nicht ab. Das LG verwarf sie als unzulässig, weil sie nicht statthaft sei. Gemäß § 6 Abs. 1 InsO unterlägen Entscheidungen des Insolvenzgerichts nur in solchen Fällen einem Rechtsmittel, in denen die Insolvenzordnung ausdrücklich eine derartige Anfechtbarkeit vorsehe. Gegen die formlose Mitteilung des Insolvenzgerichts, dass der Eröffnungsantrag kraft Gesetzes als zurückgenommen gelte, sei nach der Insolvenzordnung ausdrücklich kein Rechtsmittel gegeben. Mit der Rechtsbeschwerde beantragt die Schuldnerin, den Beschluss des LG aufzuheben und das Verfahren zur neuen Entscheidung an das AG zurückzuverweisen. In der Sache wendet sie sich lediglich dagegen, dass das Insolvenzgericht die Verwendung der Anlage 7A der amtlichen Vordrucke verlangt hat.
II.
Die Rechtsbeschwerde der Schuldnerin ist nicht statthaft. Sie ist daher gem. § 577 Abs. 1 S. 2 ZPO als unzulässig zu verwerfen.
1. Gemäß § 574 Abs. 1 ZPO ist die Rechtsbeschwerde gegen einen Beschluss statthaft, wenn dies entweder im Gesetz ausdrücklich bestimmt oder sie in dem angefochtenen Beschluss zugelassen worden ist. Das Beschwerdegericht hat die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen (§ 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO). Sie ist auch nicht gem. § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO i. V. m. § 7 InsO statthaft, weil die Voraussetzungen des § 7 InsO im vorliegenden Fall nicht gegeben sind.
2. Gemäß § 7 InsO findet "gegen die Entscheidung über die sofortige Beschwerde" die Rechtsbeschwerde statt. Der sofortigen Beschwerde unterliegen die Entscheidungen des Insolvenzgerichts nur in den Fällen, in denen die Insolvenzordnung dies vorsieht, § 6 Abs. 1 InsO. Die Rechtsbeschwerde ist folglich nur dann statthaft, wenn eine Entscheidung über die sofortige Beschwerde i. S. d. § 6 Abs. 1 InsO angefochten wird, also die Befugnis zur sofortigen Beschwerde im Streitfall ausdrücklich vorgesehen ist (vgl. BGH v. 16.3.2000 - IX ZB 2/00, BGHZ 144, 78 [82] = MDR 2000, 779; Beschl. v. 18.9.2003 - IX ZB 75/03, z.V.b.; Kirchhof, ZInsO 2002, 606 [608]; Kübler/Prütting, InsO, § 7 Rz. 8; Ganther in MünchKomm/InsO, Band 3, § 7n. F. Rz. 21; Uhlenbruck, InsO, 12. Aufl,. § 7 Rz. 5). Das von der Schuldnerin gegen die Mitteilung des Insolvenzgerichts v. 14.10.2002, ihr Eröffnungsantrag gelte kraft Gesetzes als zurückgenommen, eingelegte Rechtsmittel betrifft keinen Fall, in dem die Insolvenzordnung die sofortige Beschwerde i. S. d. § 6 Abs. 1 InsO vorsieht.
a) Gemäß § 305 Abs. 3 S. 1 InsO hat das Insolvenzgericht den Schuldner aufzufordern, das Fehlende unverzüglich zu ergänzen, wenn er die gem. § 305 Abs. 1 InsO mit dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder unverzüglich nach diesem Antrag vorzulegenden Erklärungen und Unterlagen nicht vollständig abgegeben hat. Kommt der Schuldner dieser Aufforderung nicht binnen eines Monats nach, so gilt sein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens als zurückgenommen, § 305 Abs. 3 S. 2 InsO.
b) Das Gesetz sieht weder gegen die Aufforderung des Insolvenzgerichts nach § 305 Abs. 3 S. 1 InsO noch hinsichtlich der kraft Gesetzes (§ 305 Abs. 3 S. 2 InsO) eintretenden Rücknahmewirkung oder gegen eine den Eintritt dieser Wirkung lediglich wiedergebende Mitteilung des Gerichts an den Schuldner ein Rechtsmittel vor. Darin liegt, wie das Beschwerdegericht zutreffend ausgeführt hat, keine Regelungslücke. Die in § 305 Abs. 3 InsO enthaltenen Regelungen dienen nach der Gesetzesbegründung insgesamt der Verfahrensbeschleunigung und -vereinfachung (Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drucks. 12/7302, 191). Die besonderen Anforderungen, die gem. § 305 Abs. 1 InsO an die Antragstellung durch den Schuldner in Verbraucherinsolvenzverfahren gestellt werden, sollen nach der Gesetzesbegründung eine übermäßige Belastung der Gerichte mit solchen Verfahren verhindern (BT-Drucks. 12/7302, 190). Mit diesem Zweck stimmt es überein, wenn insoweit ein Rechtsmittel nicht vorgesehen ist. Der Verzicht auf eine generelle Anfechtbarkeit und die Regelung, dass Entscheidungen des Insolvenzgerichts nur in bestimmten im Gesetz ausdrücklich genannten Fällen mit einem Rechtsmittel angefochten werden können, sollen gleichfalls einen zügigen Ablauf des Insolvenzverfahrens gewährleisten (Begründung zu § 6 Abs. 1 InsO, vgl. BT-Drucks. 12/2443, 110). Hat der Gesetzgeber aber bewusst von einer Anfechtbarkeit der gerichtlichen Aufforderung gem. § 305 Abs. 3 InsO sowie des Eintritts der Rücknahmefiktion abgesehen, so ist die sofortige Beschwerde gem. § 6 Abs. 1 InsO ausgeschlossen (ebenso BayObLG v. 28.7.1999 - 4Z BR 1/99, ZIP 1999, 1767 [1768] = BayObLGReport 2000, 16 = MDR 1999, 1344; OLG Braunschweig DZWIR 2001, 467; OLG Köln v. 19.5.2000 - 2 W 81/00, ZIP 2000, 1397 [1398]; v. 24.5.2000 - 2 W 108/00 = ZIP 2000, 1449 [1450] = OLGReport Köln 2000, 432; OLG Naumburg ZInsO 2000, 218; Landfermann, HK-InsO, 2. Aufl., § 305 Rz. 34a; für ein weit gehendes Anfechtungsrecht dagegen Ahrens, NZI 2000, 201 [205 f.]; Grote, FK-InsO, 3. Aufl., § 305 Rz. 50b; Nerlich/Römermann, InsO, § 305 Rz. 76). Eine analoge Anwendung von § 34 Abs. 1 InsO scheidet mangels einer Regelungslücke ebenso aus wie eine Anwendung des § 269 Abs. 3 ZPO (vgl. Kübler/Prütting, § 6 Rz. 16c; Uhlenbruck/Vallender, § 305 Rz. 156 f.). Um den mit der Regelung des § 305 InsO verfolgten Beschleunigungszweck nicht zu vereiteln, kommt eine Anwendung des § 34 Abs. 1 InsO auch dann nicht in Betracht, wenn der Schuldner wie hier auf die Aufforderung des Gerichts zwar Ergänzungen nachreicht, diese aber immer noch nicht den Anforderungen genügen. In diesem Falle tritt gleichfalls die Rücknahmewirkung gem. § 305 Abs. 3 S. 2 InsO von Gesetzes wegen ein. Einer Abweisung des Eröffnungsantrages als unzulässig bedarf es nicht (anderer Ansicht OLG Frankfurt ZInsO 2003, 567 [568]; LG Aachen ZInsO 2003, 572 [574]; Kübler/Prütting/Wenze, § 305 Rz. 30). Ob der Anspruch des Schuldners auf rechtliches Gehör es gebietet, dass ihm vom Gericht der Eintritt der Rücknahmefiktion mitgeteilt wird, wenn er auf die gerichtliche Aufforderung in irgendeiner Weise reagiert hat (so LG Aachen ZInsO 2003, 572 [574]), kann dahingestellt bleiben, weil im vorliegenden Fall eine solche Mitteilung erfolgt ist. Der Anspruch auf rechtliches Gehör gebietet nicht, dass diese Mitteilung in Form eines mit Rechtsmitteln anfechtbaren Beschlusses erfolgen muss.
c) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde erfordert die aus Art. 19 Abs. 4 GG und dem Rechtsstaatsprinzip herzuleitende Garantie effektiven Rechtsschutzes nicht eine Überprüfung in einem Instanzenzug (BVerfG v. 30.4.2003 - 1 PBvU 1/02, MDR 2003, 886 = NJW 2003, 1924). Es ist Aufgabe des Gesetzgebers, unter Abwägung und Ausgleich der verschiedenen betroffenen Interessen zu entscheiden, ob es bei einer Instanz bleiben soll oder ob mehrere Instanzen bereit gestellt und unter welchen Voraussetzungen sie angerufen werden (BVerfG v. 30.4.2003 - 1 PBvU 1/02, MDR 2003, 886 = NJW 2003, 1924). Die in § 305 Abs. 3 InsO vorgesehene Prüfung der Vollständigkeit der von Gesetzes wegen bei der Stellung des Eröffnungsantrags geforderten Erklärungen und Unterlagen durch das Insolvenzgericht genügt den verfassungsrechtlichen Anforderungen. Eine Überprüfung durch eine weitere gerichtliche Instanz ist von Verfassungs wegen auch unter Abwägung der Interessen der Beteiligten nicht geboten. Dem Interesse der Verfahrensbeteiligten, insbesondere der Gläubiger, an einer zügigen Abwicklung des Insolvenzverfahrens steht ein überwiegendes Interesse des Schuldners an einer Überprüfung des Eintritts der Rücknahmefiktion gem. § 305 Abs. 3 InsO in einem Instanzenzug schon deshalb nicht gegenüber, weil ihm jederzeit die Möglichkeit offen steht, einen neuen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu stellen (vgl. OLG Köln v. 24.5.2000 - 2 W 108/00, ZIP 2000, 1449 [1450]; Landfermann in HK-InsO, 2. Aufl., § 305 Rz. 34b; Uhlenbruck/Vallender, § 305 Rz. 156).
Ob ausnahmsweise ein Rechtsbehelf gegeben ist, beispielsweise wenn in Extremfällen eine missbräuchliche gerichtliche Aufforderung gem. § 305 Abs. 3 S. 1 InsO als Rechtsschutzverweigerung gewertet werden könnte (vgl. Diskussionsentwurf des Bundesministeriums der Justiz zu einem Gesetz zur Änderung der Insolvenzordnung, des Bürgerlichen Gesetzbuches und anderer Gesetze, Begründung zur Änderung des § 305 Abs. 3, abgedr. in: ZVI 2003, Beilage 1 zu Heft 4, S. 3, 18), kann hier dahingestellt bleiben, weil ein solcher Rechtsbehelf nach der Neuregelung des Beschwerderechts durch das Zivilprozessreformgesetz jedenfalls nicht als außerordentliches Rechtsmittel zum BGH gegeben wäre (BGH v. 7.3.2002 - IX ZB 11/02, BGHZ 150, 133 = BGHReport 2002, 431; Beschl. v. 23.7.2003 - XII ZB 91/03, z.V.b.). Das Insolvenzgericht hat hier, wie die Rechtsbeschwerde einräumt, mit seiner Forderung, die Anlage 7A der amtlichen Vordrucke zu verwenden, auch keine Ergänzungen verlangt, die die Schuldnerin nicht beizubringen vermocht hätte. Es kann daher weiter offen bleiben, ob dann, wenn die gerichtliche Aufforderung im Hinblick auf die beizubringenden Unterlagen und Erklärungen nicht erfüllbar ist, § 34 Abs. 1 InsO analog anzuwenden sein kann, weil in diesem Fall das Verlangen des Insolvenzgerichts einer Ablehnung der Insolvenzeröffnung materiell gleichkommt (vgl. BayObLG v. 2.12.1999 - 4Z BR 8/99, BayObLGReport 2000, 24 = ZIP 2000, 320 [321 f.]; Kirchhof, HK-InsO, 2. Aufl., § 34 Rz. 6; Kübler/Prütting, § 6 Rz. 16c). Schließlich braucht nicht erörtert zu werden, ob Entscheidungen des Insolvenzgerichts, mit denen der Eintritt der Rücknahmefiktion des § 305 Abs. 3 S. 2 InsO ausgelöst oder festgestellt werden soll, ausnahmsweise dann anfechtbar sind, wenn dem Schuldner Auflagen gemacht werden, die über formale Anforderungen hinaus gehen und auf eine inhaltliche Überprüfung beispielsweise des Schuldenbereinigungsplans gerichtet sind (vgl. dazu Uhlenbruck/Vallender, § 305 Rz. 159m. w. N.). Eine solche Ausnahme scheidet, wie das Beschwerdegericht zu Recht angenommen hat, jedenfalls dann schon von vornherein aus, wenn der Eröffnungsantrag wie hier lediglich seiner Form nach beanstandet worden ist.
Fundstellen
DB 2004, 1097 |
NJW 2004, 67 |
BGHR 2004, 128 |
KTS 2004, 121 |
WM 2003, 2390 |
ZAP 2004, 64 |
DZWir 2004, 32 |
InVo 2004, 139 |
MDR 2004, 232 |
NZI 2004, 40 |
Rpfleger 2004, 175 |
VuR 2004, 67 |
ZInsO 2003, 1040 |
ZVI 2004, 15 |